Neuer THC-Grenzwert: Auto fahren nach Cannabis-Konsum?

Seit der Teillegalisierung von Cannabis gelten neue Regeln – doch gerade im Straßenverkehr sorgt das Thema weiterhin für Unsicherheit. Wie viel THC ist am Steuer erlaubt? Wann drohen Bußgeld, Punkte oder gar der Führerscheinentzug? Mit dem neuen Grenzwert von 3,5 Nanogramm THC pro Milliliter Blutserum gibt es endlich eine gesetzliche Orientierung. Doch was bedeutet das konkret für Konsumierende – und was für Cannabis-Patient:innen? Dieser Artikel liefert die wichtigsten Antworten – wissenschaftlich fundiert, verständlich erklärt und mit einem Blick auf die aktuellen Studien.



Seit dem 1. April 2024 ist Cannabis in Deutschland teilweise legalisiert – Erwachsene dürfen seither unter bestimmten Bedingungen Cannabis konsumieren und besitzen. Doch wer glaubt, dass die neue Gesetzeslage auch für den Straßenverkehr mehr Spielraum lässt, irrt: Am Steuer gelten weiterhin strenge Regeln. Wer bekifft Auto fährt, riskiert nach wie vor Punkte, Bußgeld – und im Zweifel den Führerschein.

Mit dem neuen Gesetz, das am 22. August in Kraft trat, gibt es nun einen offiziellen Grenzwert für THC im Blut. Das Ziel: mehr Rechtssicherheit für Konsumierende – ohne die Verkehrssicherheit zu gefährden. Denn während der Umgang mit Alkohol im Straßenverkehr seit Jahrzehnten durch die 0,5-Promille-Grenze geregelt ist, fehlte beim Cannabis lange eine vergleichbare Orientierung. Der bislang geltende Richtwert von 1,0 Nanogramm THC pro Milliliter Blutserum galt in der Fachwelt als problematisch – er war so niedrig angesetzt, dass er häufig noch Tage nach dem Konsum überschritten wurde, obwohl längst keine Rauschwirkung mehr vorlag. Expert:innen forderten daher seit Jahren eine realistischere Schwelle.

THC-Grenzwert im Straßenverkehr – was ist neu für Autofahrer?

Seit dem 22. August 2024 gilt ein gesetzlich festgelegter Grenzwert für THC im Straßenverkehr:

3,5 Nanogramm THC pro Milliliter Blutserum. Dieser Wert ist vergleichbar mit der 0,5-Promille-Grenze für Alkohol – er soll anzeigen, ab wann eine tatsächliche Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit wahrscheinlich ist.

Cannabis am Steuer: Konsequenzen bei Überschreitung des Grenzwerts

Null Toleranz für Fahranfänger

Für Menschen unter 21 Jahren und für alle in der zweijährigen Führerschein-Probezeit gilt ein generelles THC-Verbot am Steuer – unabhängig vom Blutwert. Bereits kleinste Mengen gelten als Verstoß.

Cannabis im Verkehr: Neue Bestimmungen und Bußgelder im Überblick

SituationErlaubt?Strafe bei Verstoß
< 3,5 ng/ml THC im BlutJa (für Erwachsene über 21)Keine
≥ 3,5 ng/ml THC im BlutNein500 € + Fahrverbot + Punkte
THC + AlkoholNein1.000 € + Fahrverbot + Punkte
Unter 21 Jahre / in ProbezeitNein – kein THC erlaubt250 € + Punkte

Wissenschaftliche Grundlage: Was hinter den 3,5 Nanogramm steckt

Der neue Grenzwert basiert auf den Empfehlungen einer von der Bundesregierung eingesetzten interdisziplinären Expertengruppe. Diese kommt zu dem Schluss: Ein THC-Wert von bis zu 3,5 Nanogramm pro Milliliter Blutserum sei bei erfahrenen Konsumierenden nicht mit einer signifikanten Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit verbunden – vergleichbar mit der Wirkung von etwa 0,5 Promille Alkohol. Der Wert markiert damit eine Grenze, bei der Verkehrssicherheit und Verhältnismäßigkeit aus Sicht der Fachleute miteinander vereinbar erscheinen.

Diagnose unklar: Das Problem mit der Messbarkeit

Dennoch bleibt die rechtliche und medizinische Lage kompliziert. Denn THC ist kein Stoff, der sich so einfach erfassen lässt wie Alkohol. Der Wirkstoff kann im Blut noch Tage nach dem Konsum nachweisbar sein – auch dann, wenn die akute Wirkung längst abgeklungen ist. Gleichzeitig fehlt bislang ein Verfahren, das – wie der Atemalkoholtest – zuverlässig misst, ob jemand aktuell beeinträchtigt ist.

Zwar werden alternative Testmethoden, etwa Speichelanalysen oder mobile Reaktionstests, diskutiert und in einzelnen Ländern bereits eingesetzt, doch gelten sie in Deutschland derzeit noch als nicht ausreichend validiert. Solange ein solcher Echtzeittest fehlt, bleibt der THC-Grenzwert ein statistischer Kompromiss.

Verantwortung bleibt entscheidend

Der neue Grenzwert schafft mehr Orientierung und schützt vor pauschaler Kriminalisierung. Doch er entbindet nicht von Verantwortung. Wer auf der sicheren Seite sein will, bleibt beim Fahren nüchtern. Bei Konsumierenden bleiben auch mit den neuen Regelungen, viele Fragen offen.

THC im Blut: Was bedeutet der Grenzwert in der Praxis?

Wie schnell der gesetzliche Grenzwert von 3,5 Nanogramm THC pro Milliliter Blutserum (entspricht etwa 2,3 ng/mL im Vollblut) erreicht wird, hängt von verschiedenen Faktoren ab – etwa vom Konsummuster, dem THC-Gehalt des Produkts, der Inhalationstiefe sowie der individuellen Stoffwechselrate. Gelegenheitskonsumierende erreichen bereits wenige Minuten nach dem Konsum Blutkonzentrationen von über 2 ng/mL, teils auch über 5 ng/mL – insbesondere bei hochdosierten Produkten und tiefer Inhalation. In einer Studie lagen die THC-Werte bei Gelegenheitskonsumierenden nach rund 3,3 Stunden unter 5 ng/mL und nach 4,8 Stunden unter 2 ng/mL.[1]

Die reine Nachweisbarkeit von THC im Blut bedeutet jedoch nicht automatisch, dass eine Person noch berauscht oder fahruntüchtig ist. Besonders bei regelmäßigem Konsum kann THC noch Tage nach dem letzten Konsum im Blut messbar sein – ohne dass zwingend eine Beeinträchtigung vorliegt.[1]

Mehrere Studien dokumentieren bei regelmäßig Konsumierenden Blutwerte über 2 ng/mL, selbst nach 6 bis 10 Tagen Abstinenz. In Einzelfällen ließ sich THC sogar noch 30 Tage nach dem letzten Konsum nachweisen.[1]

Der Grund dafür liegt im langsamen Abbau von THC – insbesondere bei häufigem Gebrauch. Der Wirkstoff lagert sich im Körperfett ein und wird von dort über längere Zeiträume hinweg wieder in den Blutkreislauf abgegeben.[1,2]

Bei Gelegenheitskonsum sinkt der THC-Wert im Blutserum meist innerhalb von 4 bis 6 Stunden unter die kritische Nachweisgrenze – abhängig von der Dosis und der Konsumform. Wer hingegen regelmäßig konsumiert, braucht dafür deutlich mehr Zeit – in vielen Fällen mehrere Tage, um sicher unter den gesetzlichen Grenzwert zu fallen.[1]

Eine pauschale Empfehlung zur Wartezeit lässt sich daher nicht geben. Besonders bei regelmäßigem oder medizinischem Konsum können dauerhaft erhöhte THC-Werte bestehen, auch wenn keine akute Wirkung mehr spürbar ist.[1]

Führerschein weg und MPU – wann ist das der Fall?

Ein einmaliger Verstoß gegen den neuen THC-Grenzwert von 3,5 Nanogramm pro Milliliter Blut führt nicht automatisch zum Entzug der Fahrerlaubnis, sondern zunächst zu einem Bußgeld von 500 Euro, einem Monat Fahrverbot und zwei Punkten in Flensburg. Der Führerschein wird dabei lediglich für 30 Tage entzogen, nicht dauerhaft. Strenger wird es bei wiederholten Verstößen oder bei Mischkonsum mit Alkohol – hier steigt nicht nur das Bußgeld, sondern auch das Risiko, dass die Führerscheinstelle eine medizinisch-psychologische Untersuchung (MPU) anordnet.

Wer diese MPU nicht besteht oder verweigert, verliert in der Regel dauerhaft die Fahrerlaubnis. Auch bei Fahranfänger:innen in der Probezeit oder unter 21 Jahren gilt: Schon bei geringen THC-Werten drohen Sanktionen, da hier ein striktes Cannabisverbot gilt – unabhängig vom Grenzwert. Wiederholte Verstöße führen auch in dieser Gruppe zur MPU-Pflicht und im Zweifel zum Führerscheinentzug.

Darüber hinaus kann die Fahrerlaubnis auch unabhängig vom gemessenen THC-Wert entzogen werden – etwa wenn jemand durch unsicheres Fahrverhalten auffällt, in einen Unfall verwickelt ist oder regelmäßig konsumiert, ohne eine klare Trennung von Konsum und Teilnahme am Straßenverkehr nachweisen zu können. Wer auf der sicheren Seite sein will, sollte also nicht nur unter dem Grenzwert bleiben, sondern im Zweifel ganz auf das Autofahren nach dem Kiffen verzichten.

"Die neue Rechtslage, wer aus welchen Gründen zur MPU muss, ist bei Cannabis weiterhin ähnlich unscharf wie die alte. Es liegt demnach weiterhin im Ermessen der kontrollierenden Beamt:innen und der Führerscheinbehörden, ob neben der Ordnungsbuße für die einmalige Rauschfahrt weiteres Ungemach in Form eines Idiotentests droht. Damit bleibt die MPU ein cannaphobes Damokles-Schwert", kritisiert Autor und Cannabis-Journalist Micha Knodt.

Medizinisches Cannabis und Auto fahren: Was gilt für Cannabis-Patienten?

Für Menschen, die Cannabis aus medizinischen Gründen einnehmen, gelten beim Autofahren andere Maßstäbe als für Konsumierende im Freizeitbereich – zumindest auf den ersten Blick. Denn grundsätzlich dürfen Cannabis-Patient:innen unter bestimmten Voraussetzungen am Straßenverkehr teilnehmen. Die rechtliche Grundlage hierfür ist in § 24a des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) geregelt. Demnach gilt: Wer ein Medikament auf ärztliche Verordnung einnimmt, handelt nicht ordnungswidrig – auch wenn der Wirkstoff THC die gesetzliche Grenze von 3,5 Nanogramm überschreitet.

Voraussetzung ist jedoch, dass die Einnahme bestimmungsgemäß erfolgt und keine verkehrssicherheitsrelevante Beeinträchtigung vorliegt. Das heißt: Die Patientin oder der Patient darf durch das Medikament nicht berauscht oder fahruntüchtig sein. Wer unter akuter Wirkung leidet – etwa Müdigkeit, verlangsamter Reaktion oder Koordinationsproblemen – darf nicht fahren, auch wenn das Cannabis ärztlich verschrieben wurde. In solchen Fällen kann die Polizei den Führerschein zumindest vorübergehend einziehen, bis ein medizinisch-psychologisches Gutachten (MPU) oder ein ärztlicher Nachweis über die Fahrtauglichkeit vorliegt.

Ein weiterer wichtiger Punkt: Ärztlich verordnetes Cannabis schützt nicht automatisch vor Sanktionen, wenn die Polizei im Einzelfall Zweifel an der Fahrtüchtigkeit äußert. Viele Ärzt:innen stellen auf Wunsch eine Fahrtauglichkeitsbescheinigung aus – rechtlich verpflichtend ist das nicht, kann aber im Zweifel vor Ort oder gegenüber der Führerscheinstelle helfen. Auch ein Cannabis-Ausweis für Patient:innen, wie ihn einige Patient:innenverbände empfehlen, kann im Fall einer Kontrolle zur besseren Einordnung beitragen – ersetzt aber nicht die Beurteilung der tatsächlichen Fahrtüchtigkeit.

Medizinisches Cannabis erlaubt also das Autofahren unter Auflagen. Entscheidend ist nicht allein die ärztliche Verordnung, sondern der Zustand der Person beim Fahren. Wer sich selbstkritisch einschätzt, keine akute Rauschwirkung verspürt und das Präparat über längere Zeit stabil eingenommen hat, darf in der Regel ein Fahrzeug führen. Im Zweifel gilt aber: lieber stehen lassen.

Kritik am Grenzwert: Viel Expertise, wenig Umsetzung

Während die Bundesregierung den neuen THC-Grenzwert als wichtigen Schritt hin zu mehr Rechtssicherheit feiert, äußern sich Fachleute, die an der Erarbeitung beteiligt waren, kritisch. Besonders die von der Regierung eingesetzte interdisziplinäre Expertengruppe, die über ein Jahr lang Empfehlungen für eine faire und wissenschaftlich fundierte Regelung ausgearbeitet hatte, zeigt sich enttäuscht. Zwar war der Grenzwert von 3,5 Nanogramm THC pro Milliliter Blutserum Teil ihres Papiers – er sei jedoch nicht das zentrale Element des Vorschlags gewesen.

„Im Mittelpunkt stand ein Speichelvortest“, erklärt Dr. Franjo Grotenhermen, Mitglied der Expertengruppe. Dieses Verfahren, das sich etwa in den Niederlanden bewährt habe, könne durch die Messung frischer Cannabinoid-Rückstände im Mundraum besser beurteilen, ob jemand tatsächlich unter akutem Einfluss steht oder lediglich Restwerte im Blut hat. „Man kann dann 5 oder 20 ng/ml THC im Blut haben und gilt trotzdem als fahrsicher, wenn der Speicheltest negativ ist“, so Grotenhermen. Diese Möglichkeit zur differenzierten Einschätzung sei im neuen Gesetz nicht berücksichtigt worden.

Deutlicher wird der Cannabis-Journalist Micha Knodt, der die gesetzliche Umsetzung scharf kritisiert. Im Interview mit avaay Medical bezeichnet er das Gesetz als verkürzt und populistisch. Der Gesetzgeber habe sich „den niedrigsten Wert aus dem 12-seitigen Gutachten herausgefischt“, so Knodt, und damit wesentliche Teile der fachlichen Empfehlungen ignoriert. Insbesondere der ursprüngliche Plan, THC im Verkehrsrecht ähnlich wie Alkohol zu behandeln, sei nicht konsequent umgesetzt worden. Laut Knodt entsprechen 3,5 ng/ml THC eher einem Blutalkoholwert von 0,2 Promille – während die Expertengruppe in ihrem Papier ausführlich darlege, dass etwa 7 Nanogramm mit 0,5 Promille, und 13,8 bis 18,4 ng mit 0,8 Promille vergleichbar seien – je nach Testkriterium.

Diese Einschätzung wird auch vom Deutschen Anwaltverein (DAV) geteilt. Rechtsanwalt Andreas Krämer verweist in einer Pressemitteilung [3] auf Studien, die zeigen, dass erst ab 2–4 ng/ml THC von einer tatsächlichen Beeinträchtigung ausgegangen werden kann. Der DAV sprach sich daher für abgestufte Grenzwerte zwischen 4 und 16 Nanogramm aus – analog zur Alkoholregelung, die zwischen 0,3 und 1,6 Promille verschiedene rechtliche Konsequenzen kennt.

Laut Knodt besonders brisant: Während es bei Alkohol klare juristische Kategorien für relative und absolute Fahruntüchtigkeit gibt, fehlen diese beim Cannabis völlig. Wer mit mehr als 3,5 ng/ml THC im Blut kontrolliert wird, begeht zwar eine Ordnungswidrigkeit – doch ob daraus eine Straftat wird, hängt vom Einzelfall ab, etwa vom Polizeiprotokoll oder der Einschätzung der Fahrerlaubnisbehörde. Für Knodt ist das ein strukturelles Defizit: „Die Verantwortung für eine juristisch konsistente Einordnung wird nun auf die Gerichte abgeschoben.“

Auch die politische Dimension ist für ihn spannend: Dass viele Vorschläge der Kommission – darunter auch der Speichelvortest – keinen Eingang ins Gesetz gefunden haben, sei möglicherweise auch taktischem Kalkül geschuldet. Höhere Grenzwerte hätten in der öffentlichen Wahrnehmung zu weich gewirkt – besonders innerhalb der SPD-Fraktion sei die 3,5-ng-Regelung schwer durchsetzbar gewesen, so Knodt. Man berufe sich nun zwar auf die wissenschaftliche Expertise, ignoriere jedoch ihre Substanz. „Frei nach dem Motto: Ich esse nur, was mir schmeckt – der Rest geht zurück.“


FAQ

Bei welchem THC-Wert ist der Führerschein weg?

Der Führerschein ist nicht automatisch dauerhaft weg, sobald der THC-Grenzwert von 3,5 Nanogramm pro Milliliter Blutserum überschritten wird – zumindest nicht beim ersten Verstoß. Erst bei wiederholten Verstößen, bei Mischkonsum mit Alkohol, bei Fahrfehlern oder auffälligem Verhalten kann die Fahrerlaubnisbehörde eine medizinisch-psychologische Untersuchung (MPU) anordnen. Bestehst du diese MPU nicht – oder verweigerst sie –, wird der Führerschein dauerhaft entzogen. Besonders streng sind die Regeln für Fahranfänger:innen in der Probezeit und für Menschen unter 21 Jahren: Für sie gilt eine Null-Toleranz-Regel – bereits jeder THC-Nachweis im Blut gilt als Verstoß. Auch hier kann es bei Wiederholung oder zusätzlichen Auffälligkeiten zum Führerscheinentzug kommen.

Wie kann ich meinen Führerschein nach der Cannabis-Legalisierung wiederbekommen?

Wer seinen Führerschein vor Einführung des neuen THC-Grenzwerts verloren hat, kann nicht automatisch auf eine Rückgabe hoffen – aber unter bestimmten Voraussetzungen lohnt sich ein Antrag auf Wiedererteilung oder Überprüfung des Falls. Entscheidend ist, ob die ursprüngliche Entscheidung heute unter den neuen rechtlichen Rahmenbedingungen noch Bestand hätte. Wer etwa wegen eines THC-Werts sanktioniert wurde, der nach heutigem Recht unter 3,5 ng/ml liegt, kann unter Umständen einen Antrag auf Überprüfung oder Wiedererteilung der Fahrerlaubnis stellen. Allerdings wird dabei stets geprüft, ob damals bereits Zweifel an der Fahrtüchtigkeit oder dem Trennungsvermögen vorlagen – etwa durch Mischkonsum, Ausfallerscheinungen oder regelmäßigen Konsum. Auch eine MPU kann weiterhin erforderlich sein. Die Erfolgschancen hängen vom Einzelfall ab – eine anwaltliche Beratung ist in jedem Fall sinnvoll. Die Cannabis-Legalisierung allein führt nicht automatisch zur Rückgabe des Führerscheins, kann aber eine Neubewertung erleichtern.

Wann muss ich nach Cannabiskonsum eine MPU machen?

Eine medizinisch-psychologische Untersuchung (MPU) wird nach Cannabiskonsum nicht automatisch angeordnet, aber immer dann, wenn die Fahrerlaubnisbehörde Zweifel an der Fahreignung oder am Trennungsvermögen zwischen Konsum und Autofahren hat. Das kann etwa bei wiederholtem Verstoß gegen den THC-Grenzwert, Mischkonsum mit Alkohol, Fahrfehlern, auffälligem Verhalten oder regelmäßigem Konsum der Fall sein. Auch Cannabis-Patient:innen mit ärztlichem Rezept können zur MPU verpflichtet werden, wenn der Verdacht besteht, dass sie unter akuter Rauschwirkung gefahren sind. Wer die MPU verweigert oder nicht besteht, verliert den Führerschein in der Regel dauerhaft.

Wie kann ich mich auf die MPU wegen THC vorbereiten?

Wer wegen eines THC-Verstoßes zur medizinisch-psychologischen Untersuchung (MPU) muss, sollte sich gut vorbereiten – denn ohne glaubhafte Verhaltensänderung bestehen viele nicht. Wichtig ist, das frühere Konsumverhalten ehrlich zu reflektieren und nachzuweisen, dass man heute verantwortungsvoll mit Cannabis und Straßenverkehr umgeht. Das gelingt am besten mit einer dokumentierten Abstinenz (z. B. durch Urinscreenings oder Haaranalysen über sechs bis zwölf Monate) oder – bei gelegentlichem Konsum – mit einem schlüssigen Nachweis darüber, dass man konsequent nicht fährt, wenn konsumiert wurde. In der MPU zählt vor allem, wie glaubwürdig man im psychologischen Gespräch erklären kann, warum es zum Verstoß kam, was sich seitdem geändert hat und wie man künftige Risiken ausschließt. Eine professionelle Vorbereitung, etwa durch Verkehrspsycholog:innen oder MPU-Beratungsstellen, ist deshalb sehr zu empfehlen.

Erwachsene dürfen seit der Teillegalisierung von Cannabis in Deutschland am 1. April 2024 legal bis zu 25 Gramm Cannabis zum Eigenkonsum in der Öffentlichkeit mit sich führen. In der eigenen Wohnung sind zusätzlich bis zu 50 Gramm getrocknetes Cannabis erlaubt. Außerdem ist es Erwachsenen gestattet, bis zu drei Cannabispflanzen für den privaten Gebrauch anzubauen – ebenfalls ausschließlich zum Eigenkonsum. Wichtig: Diese Mengen gelten nur für Personen ab 18 Jahren und ausschließlich für nicht-medizinischen, privaten Gebrauch. Der Besitz über die erlaubten Mengen hinaus ist weiterhin strafbar. Auch der Konsum bleibt in bestimmten Bereichen – etwa in Schulen, Fußgängerzonen (tagsüber) oder in der Nähe von Kindern und Jugendlichen – verboten.


Quelle

[1] Peng, Y. W., Desapriya, E., Chan, H. & Brubacher, J. R. (2020). Residual blood THC levels in frequent cannabis users after over four hours of abstinence: A systematic review. Drug and Alcohol Dependence, 216, 108177.

[2] Sharma, P., Murthy, P. & Bharath, M. M. S. (2012). Chemistry, Metabolism, and Toxicology of Cannabis: Clinical Implications. Iranian Journal of Psychiatry, 7(4), 149–156.

[3] Deutscher Anwaltverein. (2022, 17. August). PM VGT 2/22: Verkehrsrechtsanwälte: Nur berauschte Fahrer kriminalisieren.

Auf Reisen mit unserem Cannabis-Sommelier: Worum geht's bei dem Traumjob?

Microseeds in aller Munde: Woher kommen die “Minisamen” im Medizinalcannabis?

Ein aktuell in der Medizinalcannabis-Welt heiß diskutiertes Thema sind sogenannte “Microseeds”. Sie sind ein unangenehmer Störfaktor, scheinen sich auch immer häufiger in medizinischen Cannabisblüten zu verstecken und sorgen somit für Gesprächsstoff innerhalb der Community. Das Feedback unserer Patienten und Patientinnen ist uns sehr wichtig, daher haben wir uns dem Thema ausführlich gewidmet. Im Folgenden beleuchten wir die unterschiedlichen Aspekte der Microseeds: Was sind Microseeds? Welche Ursachen können bestimmt werden? Und welche Risiken bergen sie eigentlich? Zum Schluss ordnet unser Sommelier Tim Dresemann das brisante Thema noch einmal ein. Seine Sicht als Experte mag vielleicht sogar überraschen.

1. Was sind Microseeds überhaupt?

Selbst bei der Definition, was Microseeds sind, gibt es bisher keine Einigkeit. Generell sind aber unter Microseeds sehr kleine Strukturen zu verstehen, die an unvollständig ausgebildete Samen erinnern. Häufig sind diese Minisamen jedoch deformiert und unterscheiden sich z.B. hinsichtlich der Form, Farbe aber auch anderer Attribute wie beispielsweise der Härte von “echten” Samen.

Abb. 1 Microseeds im Vergleich zu einem ausgereiften Samen (adaptiert nach u/brookie_oftheyr, 22.03.2020) 

Um was es sich genau beim Phänomen der kleinen Samen (Microseeds) im medizinischen Cannabis handelt, ist bis heute noch nicht eindeutig geklärt. Zu den gängigsten Theorien gehören:

  1. (Unausgereifte) Samen nach (Selbst-)Bestäubung:
    Eine versehentliche (Selbst-)Bestäubung durch männliche Pflanzen oder Pflanzen mit zweigeschlechtlichen Blüten mit anschließender Samenproduktion erscheint aufgrund der kontrollierten Anbaubedingungen in Kombination mit der Häufigkeit des Auftretens von Microseeds als eher unwahrscheinlich. Zudem sind auf diese Weise entstandene “echte” Samen zum Zeitpunkt der Ernte im Regelfall bereits ausgereift oder zumindest aufgrund der Struktur und Färbung eindeutig als Samen zu identifizieren.
  1. Samen durch Apomixis:
    Unter Apomixis ist die ungeschlechtliche Fortpflanzung zu verstehen, bei der es ohne vorhergehende Befruchtung zur Samenbildung kommt (Agamospermie). Die so entstandenen Nachkommen sind daher mit der “Mutterpflanze” genetisch identisch.1 Bei dieser Form der Fortpflanzung kann es sich um eine Art "Notfallprogramm" handeln,  das aufgrund der nicht stattfindenden Befruchtung einsetzt. Dennoch sollten sich aus dieser Art der Fortpflanzung prinzipiell “normale” Samen entwickeln können. Möglicherweise bleiben die so entstandenen Samen jedoch aufgrund genetischer (zuchtbedingter) Faktoren unterentwickelt.
  1. Übermäßig entwickelte Ovuli (Ovulum/Eizelle = Samenanlage)
    Bei einigen Cannabissorten scheinen die Samenanlagen generell stärker ausgeprägt bzw. größer als bei anderen Sorten zu sein. Darüber hinaus schwellen diese im Verlauf der Blüte häufig an und ähneln damit befruchteten Ovulen. Diese “aufgeblähten” Ovulen sind zu Beginn grün und wechseln dann sehr schnell zu einem grauen oder schwarzen Farbton. Der Farbumschlag geht zudem mit einem Schrumpfen der Samenanlagen einher. Ob das Auftreten der vergrößerten Ovuli mit der Feminisierung zusammenhängt, ist jedoch umstritten.2,3

2. Mögliche Ursachen für die Entstehung von Microseeds in medizinischem Cannabis

Um welche Strukturen es sich dabei genau handelt und ob es sich bei Microseeds eventuell auch – je nach Fall – um eine oder gar verschiedene der oben aufgeführten Strukturen handelt, ist aktuell ebenso unklar wie die Ursache der Entstehung. Aktuell werden zwei mögliche Ursachen diskutiert:

Schlussfolgerung zur Entstehung von Microseeds
Zusammengefasst sind Microseeds also allgemein kleine, samenähnliche Strukturen in den Cannabisblüten, die unabhängig von Kultivar oder Anbaubedingungen auftreten können. Derzeit gelten als wahrscheinlichste Ursache zuchtbedingte genetische Faktoren.

3. Welche Informationen gibt es zu möglichen Gesundheitsrisiken durch die Inhalation von Cannabisblüten mit Microseeds?

Neben einem schlechten Geschmack durch verbrannte Microseeds und einem unangenehmen kratzigen Charakter des Rauchs, manchmal auch in Verbindung mit Kopfschmerzen oder Übelkeit, wird vor allem in Foren oder Beiträgen im Internet immer wieder davon berichtet, dass das Inhalieren von Cannabisblüten mit Microseeds besonders gefährlich sei.
Es wird vermutet, dass dies an Pflanzenölen liegen könnte, die in den Samen enthalten sind. Durch die hohen Temperaturen beim Rauchen können Bestandteile dieser Öle in schädliche Verbindungen umgewandelt werden, die krebserregend sein können.6 Die zitierten Warnungen von beispielsweise einem “Hanfkoch” oder einem erfahrenen Cannabisarzt beziehen sich jedoch vor allem auf das übermäßige Erhitzen bei der Herstellung von Hanfbutter bzw. dem Inhalieren von Ölen wie z.B. Extrakten und werden daher in einen falschen Zusammenhang gebracht.6 Da hierbei jedoch ganz andere Mengen an Pflanzenölen (verwendet zur standardisierten Einstellung der Cannabisextrakte) inhaliert werden, ist eine direkte Übertragbarkeit des Risikos auf die Inhalation von Microseeds nicht gegeben. Zudem ist bisher unklar, welche Stoffe und welche Mengen dieser Stoffe die Microseeds tatsächlich enthalten. Wissenschaftliche Untersuchungen hierzu gibt es derzeit nicht.Ein weiterer Aspekt, der in Bezug auf Microseeds genannt wird, ist, dass sie Stoffe enthalten, die bei der Inhalation in Blausäure umgewandelt werden würden.7 Aber auch hierzu lassen sich keine Studien finden. Vermutlich wird hier die Tatsache, dass z.B. Leinsamen, kleinere und zudem unbedenkliche Mengen an Blausäure enthalten, auf andere Pflanzenöle wie beispielsweise Hanfsamenöl übertragen.8

Das Rauchen von Tabak und Cannabisblüten
Dennoch entstehen natürlich sowohl beim Rauchen von Tabak als auch beim Rauchen von Cannabisblüten viele potentiell schädliche Verbindungen, die bei einem langfristigen Konsum zu gesundheitlichen Schäden führen können.

Neben der Freisetzung von Cannabinoiden entstehen beim Rauchen von Cannabis auch unzählige pyrogene Verbindungen, darunter Karzinogene, Mutagene und Teratogene, die potenziell gesundheitsschädlich sind. Eine Studie von Graves et al. zufolge haben Tabakrauch und Cannabisrauch Verbindungen gemeinsam, von denen 69 toxisch sind.9,10 Laut einer Übersichtsarbeit über die Auswirkungen von inhalativen Suchtmitteln sind derzeit eindeutige Schlussfolgerungen für langfristige Folgen von Cannabiskonsum auf Lunge und Atemwege jedoch noch nicht möglich. Dies liegt vor allem daran, dass in den meisten Studien nicht zwischen den überlappenden Effekten des Tabak- und des Cannabiskonsums differenziert wurde.11 Die Karzinogene und respiratorischen Toxine in Cannabis- und Tabakrauch sind zwar ähnlich, dennoch scheinen sich die Folgen des Cannabisrauchens von denen des Tabakrauchens zu unterscheiden.12 So gilt die Entwicklung einer chronischen Bronchitis durch anhaltendes Rauchen von Cannabis mittlerweile zwar als fast gesichert, hinreichende Beweise, dass Cannabis COPD verursacht, fehlen aber. Auch allergische Reaktionen einschließlich Asthma sowie Assoziationen mit Lungenemphysem, Lungenkrebs und Pneumonien sind möglich, aber nicht eindeutig belegt.13Zudem wurde in einigen Kasuistiken über Pneumothoraces, Pneumomediastinum sowie grob bullöse Lungenerkrankungen im Zusammenhang mit inhalativen Cannabiskonsum berichtet, jedoch auch hier ist der Zusammenhang nicht eindeutig bewiesen.14

Das Vaporisieren von Cannabisblüten
Nicht zuletzt aus diesen Gründen setzt sich in den letzten Jahren die inhalative Anwendung mittels Vaporisation gegenüber dem Rauchen von Cannabisblüten weltweit immer mehr durch. Das Verdampfen mittels Vaporisatoren, die als Medizinprodukt zugelassen sind, gilt in Deutschland längst als die etablierte medizinische Anwendungsform, wenn eine inhalative Cannabistherapie angezeigt ist. Bei der Vaporisation mittels solcher Geräte wird das Medizinalcannabis auf 180 – 210 °C erhitzt. Flüchtige Inhaltsstoffe, zu denen auch Cannabinoide und Terpene gehören, werden bei diesen Temperaturen in Dampf überführt, ohne dass das Pflanzenmaterial verbrannt wird. Rauch entsteht bei dieser Anwendungsmethode nicht. Es wird angenommen, dass durch die niedrigeren Temperaturen und die verbrennungsfreie Erhitzung weniger gesundheitsschädliche Stoffe als beim Rauchen entstehen.15 Zum Vaporisieren von Medizinalcannabis, das Microseeds aufweist, gibt es jedoch wie auch zum Rauchen von Microseed-haltigen Cannabisblüten bisher noch keine Studien.

Schlussfolgerung zu möglichen Gesundheitsrisiken durch die Inhalation von Cannabisblüten mit Microseeds
Beim Rauchen von Cannabisblüten entstehen ähnlich wie beim Rauchen von Tabak verschiedene Verbindungen, die aufgrund ihrer kanzerogenen, mutagenen oder teratogenen Eigenschaften gesundheitsschädlich sind. Nach derzeitigem Kenntnisstand gibt es jedoch keine Hinweise darauf, dass die Inhalation – ob durch das Rauchen oder das Vaporisieren – von Cannabisblüten, die Microseeds enthalten, mit einem gesteigerten Risiko für gesundheitsschädliche Effekte einhergeht.

4. Was können wir tun, um Microseeds in den Produkten zu verhindern? Ein Kommentar von Sommelier Tim Dresemann

Microseeds sind im heutigen medizinischen Cannabismarkt ein unerwünschtes und weit verbreitetes Phänomen. Während die genaue Ursache noch umstritten ist (s.o.), lässt sich mittlerweile mit hoher Wahrscheinlichkeit sagen, dass es ein genetisch verankertes Problem ist; daraus folgt die Annahme, dass sowohl Ursache als auch Lösung vor allem in der Zucht zu suchen sind. Demnach ist (leider) auch ein Quick Fix nicht zu erwarten.

Selbst wenn es gelingen könnte, durch z.B. weniger Stress im Anbau, die Prävalenz von Microseeds etwas zu reduzieren – eine wirkliche Lösung wäre das nicht, das Problem würde vermutlich auch weiterhin immer wieder auftreten..Die Hersteller (also auch wir als avaay Medical) sind sich dessen bewusst und reden auch mit den Produzenten. Das Problem wird aber aufgrund der bereits genannten wahrscheinlichen Ursachen nicht leicht und auch nicht innerhalb weniger Chargen abzustellen sein. Meine Vermutung ist, dass es sich innerhalb des Life-Cycles eines bereits angemeldeten Produkts überhaupt nicht abstellen lässt, da einen Austausch der Genetik und somit auch einen neuen Anmeldungs- und Registrierungsprozess erforderlich machen würde.

Alles eine Sache der Perspektive?
Aber auch die Wahrnehmung ist hier ein wichtiger Faktor: Während man Nordamerikaner:innen (USA/Kanada) oft noch ausführlich beschreiben muss, wovon hier eigentlich die Rede ist, ist die deutsche Cannabis-Community mittlerweile voll auf das Thema eingestimmt. Dass dann wiederum auch mehr gefunden wird (weil mehr gesucht wird), ist zu erwarten (mehr dazu hier).

Selbst Nordamerikaner:innen, die darauf aufmerksam gemacht wurden, sehen das nicht zwingend als Problem: "As long as it's not scratchy.”

Auf der einen Seite wird sich nun (zu Recht) in der deutschen Community über mangelhafte züchterische Arbeit (bspw. Microseeds) beschwert – auf der anderen Seite gibt es einen weitgehend unreflektierten Wunsch danach, möglichst jede Woche einen "neuen" Strain auf dem Markt zu entdecken. Die Industrie versucht weiterhin diesem Wunsch nachzukommen – das kann allerdings nur zulasten der genetischen Stabilität funktionieren und lässt sich mit den Grundsätzen guter züchterischer Praxis schlichtweg nicht vereinbaren.

Dass der Einfluss auf die Konsumerqualität (also NICHT der pharmazeutischen Qualität) je nach Ausmaß erheblich negativ sein kann, sollte mittlerweile klar sein. Allerdings nehme ich mittlerweile auch viel Verständnis für das Thema wahr. Auch das Bewusstsein, dass so gut wie alle Produkte von ziemlich allen Herstellern zumindest teilweise betroffen sind, ist bei vielen schon vorhanden.

5. Schlusswort

Uns als avaay liegt eine angenehme Konsumerfahrung von Medizinalcannabis am Herzen, wobei die Gesundheit unserer Patienten und Patientinnen natürlich im Fokus steht. Aus diesem Grund behalten wir auch weiterhin das Thema “Microseeds” im Blick und optimieren darüber hinaus kontinuierlich unser Portfolio und unsere Lieferkette.

6. Quellenverzeichnis

  1. Winkler, Hans Karl Albert. Parthenogenesis und Apogamie im Pflanzenreiche. G. Fischer, 1908.
  2. https://www.icmag.com/threads/swollen-calyx-or-hermed.233160/
  3. https://www.rollitup.org/t/large-ovules-that-crackle-never-ending-mystery.985072/ 
  4. Punja, Zamir K., and Janesse E. Holmes. "Hermaphroditism in marijuana (Cannabis sativa L.) inflorescences–impact on floral morphology, seed formation, progeny sex ratios, and genetic variation." Frontiers in Plant Science (2020): 718.
  5. Clarke, Robert C., and Mark D. Merlin. "Cannabis domestication, breeding history, present-day genetic diversity, and future prospects." Critical reviews in plant sciences 35.5-6 (2016): 293-327.
  6. https://www.hanf-magazin.com/medizin/erfahrungsberichte-hanfmedizin/apotheken-marihuana-mit-miniseeds/
  7. Gerüchteküche: Giftige Blausäure in Cannabis-Samen?
  8. Schulz, V., A. Löffler, and T. Gheorghiu. "Resorption of hydrocyanic acid from linseed." Leber, Magen, Darm 13.1 (1983): 10-14.
  9. Graves, Brian M., et al. "Comprehensive characterization of mainstream marijuana and tobacco smoke." Scientific reports 10.1 (2020): 7160.
  10. Moir, David, et al. "A comparison of mainstream and sidestream marijuana and tobacco cigarette smoke produced under two machine smoking conditions." Chemical research in toxicology 21.2 (2008): 494-502.
  11. Bauer-Kemény, Claudia, and Michael Kreuter. "Inhalative Suchtmittel–eine Herausforderung für die Lunge." Der Pneumologe 19.1 (2022): 49-59.
  12. Tashkin, Donald P., and Michael D. Roth. "Pulmonary effects of inhaled cannabis smoke." The American journal of drug and alcohol abuse 45.6 (2019): 596-609. 
  13. Gracie, Kathryn, and Robert J. Hancox. "Cannabis use disorder and the lungs." Addiction 116.1 (2021): 182-190.
  14. Kreuter, M., et al. "Cannabis--Position Paper of the German Respiratory Society (DGP)." Pneumologie (Stuttgart, Germany) 70.2 (2016): 87-97.
  15. Ziegler, Andreas Siegfried, and Philipp Böhmer. Cannabis: ein Handbuch für Wissenschaft und Praxis. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, 2022.

Welche Cannabinoide gibt es ausser CBD noch?

Noch stehen wir ganz am Anfang der Entdeckungsreise zum Thema Cannabis und seiner Verwendung als Heilpflanze. Hast du dich jemals gefragt, warum Cannabis derart vielseitig ist und so viele Anwendungen im Wellness-Bereich und im medizinischen Feld findet? In diesem Artikel erfährst du mehr über CBD und THC, aber auch über weniger prominente Cannabinoide.

Bisher wurden in der Cannabispflanze bereits mehr als 500 verschiedene Stoffe gefunden [1], darunter mehr als 144 Cannabinoide. Andere Stoffe wie Terpene und Flavonoide, die hauptsächlich für den Geruch und Geschmack der Blüten verantwortlich sind, findet man auch in anderen Pflanzen. Aber auch sie können eine Wirkung auf deinen Körper haben.

Von den zwei prominenten Vertretern der Cannabinoide, CBD und THC, hast du ja vielleicht schon gehört – und womöglich auch schon vom Endocannabinoidsystem. Wir wollen aber auch einen Blick auf die anderen Stoffe in der Cannabispflanze und ihre Wirkung in deinem Körper werfen.

Wie wirken Cannabinoide im Körper?

Alle haben es, lange wusste keiner davon und heute lernen wir mehr: Das Endocannabinoidsystem. Das System in deinem Körper wurde erst in den frühen 1990ern entdeckt und besteht unter anderem aus CB1- und CB2-Rezeptoren. Diese interagieren wiederum mit Stoffen, die dein Körper selbst herstellt – den Endocannabinoiden.

Zu den Endocannabinoiden gehören Stoffe wie 2-AG (2-Arachidonoylglycerol) und Anandamid. Sie wirken auf das Endocannabinoidsystem und tragen dazu bei, dass die Schmerzregulation, dein Hungergefühl und die Verdauung, deine Immunabwehr, Muskelspannung und Blutdruck und vieles mehr im Gleichgewicht bleiben und richtig funktionieren.

Gerät dieses Gleichgewicht aus den Fugen, kann dies zu Gesundheitsproblemen führen, die von Arthritis, Depression, Schlaflosigkeit bis hin zu Morbus Crohn reichen. 

Hier kommt die Cannabispflanze ins Spiel. Sie produziert ebenfalls Cannabinoide, auch Phyto-Cannabinoide genannt. Diese ähneln den körpereigenen Stoffen so sehr, dass sie ebenfalls an die CB1- und CB2-Rezeptoren binden und so das Endocannabinoidsystem beeinflussen können. Cannabinoide können also das Gleichgewicht wiederherstellen [2] und so eventuelle körperliche Leiden mindern.

Welche Cannabinoide gibt es in der Cannabispflanze?

Wir sind noch ganz am Anfang der Entdeckungsreise, was alles so in Cannabis steckt. Unter anderem liegt das daran, dass es über Jahrzehnte – zu Unrecht – einen Ruf als Teufelskraut hatte.

Heute geht man von über 144 unterschiedlichen Cannabinoiden aus. Diese werden von der Cannabispflanze produziert und durch Umwelteinflüsse wie Hitze, Licht und Oxidation in weitere Formen umgewandelt. So kann ein Stoff mehrere Stufen annehmen und auch andere Namen tragen.

THC beginnt zum Beispiel sein Leben in der Cannabispflanze als CBGA, wird dann zu THCA und dann schließlich zum THC, von dem Du ja vielleicht schon gehört hast.

Sehr ähnliche Namen – mit zum Beispiel einem zusätzlichen Buchstaben – deuten auf verschiedene Stoffformen hin. Dabei kann der Unterschied in der chemischen Formel klein anmuten, aber eine große Wirkung haben. 

So ändert sich damit zum Beispiel der Grad der Psychoaktivität des Stoffes und eventuell auch der therapeutische Anwendungsbereich. Denn Cannabinoide wirken nicht alle gleich und interagieren auf unterschiedliche Weise mit dem Endocannabinoidsystem.

Das Zusammenspiel von Cannabinoiden und Terpenen: Der Entourage-Effekt

Wird die Pflanze in den Körper aufgenommen (über die Nahrung, als Öl, oder in anderer Form), gibt es noch einen Überraschungsgast bzw. -gäste auf der Party im Endocannabinoidsystem: die Terpene, Flavonoide oder auch andere Cannabinoide im Hanf. Gemeinsam wirken diese Stoffe über einen synergetischen Effekt auf deinen Körper. Dies wird als Entourage-Effekt bezeichnet. 

Hier ist es wie bei jeder anderen Party auch: Die Stimmung und Dynamik ändert sich mit der Zusammensetzung der Gäste. Die Zusammensetzung ist es auch, die die Diskussion um die eine oder andere Cannabissorte überhaupt ins Rollen gebracht hat.

Merke: Hat das Cannabinoid ein A am Ende, handelt es sich um die saure Form, die später durch Decarboxylierung in die neutrale Form umgewandelt werden kann.

Übersicht einiger Cannabinoide abseits von THC und CBD

Hinweis: Die im Folgenden genannten Cannabinoide kommen in Deutschland aktuell nicht als Arzneimittel zum Einsatz. Außerdem ist weitere Forschung notwendig, um mögliche therapeutische Effekte zu belegen. 

THCA

THC/A oder THC-Säure. Dies ist die saure Form von Tetrahydrocannabinol, die noch keine psychoaktiven Effekte aufweist. In den USA kann es als kristallines Pulver in den Apotheken gekauft werden. Die meisten Nutzer erhitzen es, um aus THC/A dann THC zu machen und so die psychoaktiven Effekte zu aktivieren. Es gibt auch THCA-Kapseln auf dem Markt, die therapeutischen Nutzen haben sollen. Belege dafür fehlen bisher.

THCV

Ein bekanntes Cannabinoid ist THCV oder Tetrahydrocannabivarin. Es gibt Hinweise darauf, dass THCV einen Einfluss auf die Gewichtsreduktion haben könnte, indem es den Appetit reduziert und den Stoffwechsel ankurbelt. Einige Studien weisen darauf hin, dass das Cannabinoid eine positive Wirkung auf die Insulinproduktion haben kann [3]. Außerdem wird vermutet, dass THCV das Wachstum neuer Knochenzellen fördere [4]. Weiterer Forschungen bedarf beispielsweise auch eine mögliche Wirkung von THCV bei Parkinson.

CBDV

Dieses Cannabinoid, auch als Cannabidivarin bekannt, ist noch relativ unerforscht. Die Wirkung von CBDV ist ähnlich der von CBD. In Studien hat sich gezeigt, dass CBDV die Anzahl der Anfälle bei Patienten mit Epilepsie deutlich reduzieren kann [5]. In einer Studie mit Ratten konnte außerdem die Wirksamkeit von CBDV gegen Übelkeit nachgewiesen werden [6].

CBC

CBC oder Cannabichromen verfügt ebenfalls über eine potenzielle therapeutische Wirkung. So könnte es eine Wirkung gegen resistente Keime haben – bisher allerdings nur in der Petrischale. In Kombination mit THC wurden schmerzlindernde [7] und entzündungshemmende Eigenschaften [8] festgestellt.

Im Hirn könnte CBC neurodegenerativen Erkrankungen entgegenwirken, z.B. bei Alzheimer. Es fördere beispielsweise das Wachstum von Gehirnzellen [9], die für das Lernen und Gedächtnisfunktionen verantwortlich sind.

CBCV

CBCV, auch Cannabichromevarin, ähnelt dem Cannabinoid CBC, weswegen ihm ähnliche Wirkungen nachgesagt werden. Leider gibt es zu diesem Cannabinoid bisher kaum bis gar keine Studien.

CBG

CBG, Cannabigerol, ist ein weit verbreitetes Cannabinoid, das sowohl in Cannabis als auch in Nutzhanfpflanzen vorkommt. Es ist nicht psychoaktiv, trotzdem hat auch das Cannabinoid CBG mögliche therapeutische Wirkungen. Untersuchungen deuten darauf hin, dass es ein wirksames Schmerzmittel sein könnte und entzündungshemmend ist [10].

Es wurden auch neuroprotektive Eigenschaften von CBG festgestellt, die zum Beispiel gegen die Huntington-Krankheit zum Einsatz kommen könnten [11]. Diese Erbkrankheit betrifft das Gehirn und führt zu unwillkürlichen, unkoordinierten Bewegungen. Eine positiv unterstützende therapeutische Wirkung wurde auch bei Darmkrebs [12], Prostatakrebs [13] und Mundkrebs untersucht.

CBG soll laut Studien auch eine Rolle bei der Senkung des Augeninnendrucks [14] spielen, wodurch es möglicherweise bei der Therapie eines Glaukoms eingesetzt werden könnte – sofern weitere Studien die Wirksamkeit wissenschaftlich bestätigen. Hoffnungsträger ist das Cannabinoid auch bei der Bekämpfung resistenter Bakterienstämme [15] wie MRSA.

CBG soll außerdem einen positiven Effekt auf Hautkrankheiten wie Psoriasis (Schuppenflechte) [16] haben, allerdings wurde dies noch nicht wissenschaftlich belegt. Studien an Ratten haben eine Wirkung auf Neurotransmitter [17] und somit die Stimmung festgestellt. Womöglich führt dieser Fund zur Entwicklung neuer Arten von Antidepressiva.

CBGV

CBGV oder Cannabigerovarin werden schmerzlindernde und entzündungshemmende Eigenschaften [18] nachgesagt, die in Studien an Mäusen belegt werden konnten. Was dieses Cannabinoid besonders macht: Es könnte bei der Linderung trockener Haut [19] sowie bei Hautentzündungen eine Rolle spielen. 

Auch in der Krebstherapie könnte CBGV positive Effekte erzielen [20]. So gibt es Hinweise darauf, dass das Cannabinoid das Wachstum von Leukämiezellen hemmt [21].

CBN

CBN oder Cannabinol entsteht beim Verfallsprozess von THCA. Klingt nicht besonders ansprechend, aber viele schätzen die Wirkung dieses Cannabinoids und verwenden Cannabinol in der Selbstbehandlung als Beruhigungsmittel – allerdings ist es kein Arzneimittel. Tatsache ist aber, dass es in reiner Form nicht sedierend wirkt, sondern die Kombination mit THC entscheidend ist [22].

Untersuchungen (vorrangig an Ratten) zeigen, dass CBN den Appetit anregen [23], gegen Glaukome [24] und als Antibiotikum wirken kann. In der ALS-Forschung (amyotrophe Lateralsklerose) gibt es bei Mäusen hoffnungsvolle Ansätze dafür, dass der Ausbruch von ALS durch CBN verzögert werden kann. Weitere Studien auch und vor allem am Menschen sind dringend notwendig, um die vermeintlich positive Wirkung zu bestätigen.

CBL

Cannabicyclol (CBL) entsteht, wenn Cannabichromene (CBC) erhitzt werden. Häufig findet man CBL in Cannabis, das schon eine Zeit lang lagert. 

Der Forschungsstand zu diesem Cannabinoid ist sehr dünn, weil auch die Konzentration in der Pflanze sehr gering ist. Studien zur Prostaglandinproduktion konnten keinen Effekt feststellen. Einige Wissenschaftler:innen gehen von positiven Effekten bei Entzündungen und Tumorzellen aus. Allerdings ist dazu noch einiges an Forschung nötig.

Was sind synthetische Cannabinoide?

Cannabis erfreut sich neben dem Freizeitgebrauch auch großer und wachsender Beliebtheit zu medizinischen Zwecken. In Laboren werden synthetische Cannabinoide hergestellt, die die gleichen Rezeptoren im Körper aktivieren wie pflanzliches Cannabis.

Einige der synthetischen Cannabinoide haben strikte Arzneimittelzulassungsverfahren durchlaufen und stehen Patienten als Behandlungsoption zur Verfügung.

Andere synthetische Cannabinoide haben keinerlei Testung hinter sich und sind nicht zugelassen, werden aber trotzdem auf der Straße als Designer-Droge vertickt. Leider ist dies nicht unbedingt hilfreich, um das Schmuddel-Image von Cannabis und seinen Cannabinoiden aufzupolieren und seine ernsthafte therapeutische Wirkung in den Vordergrund zu stellen.

Synthetische Cannabinoide: Segen und Unheil

Schauen wir zuerst auf den Segen: Bei Dronabinol und Nabilon handelt es sich um zwei Wirkstoffe der zugelassenen Medikamente, die auf synthetischen Cannabinoiden basieren. Diese werden zur Therapie von Übelkeit und Erbrechen bei Chemotherapie und Appetitlosigkeit und Gewichtsverlust bei AIDS-Kranken eingesetzt. 

Dronabinol und Nabilon sind unter Laborbedingungen entstanden und getestet und als verschreibungspflichtige Medikamente zugelassen.

Spice und K2 hingegen sind in diesem Fall das Unheil und auf der Straße zu finden. Niemand weiß genau, was in den Designer-Drogen enthalten ist und welches Cannabinoid hier nun wirkt. 

Manchmal sind es sogar gar keine Cannabinoide, sondern andere Wirkstoffe, die reingemischt werden, wie z.B. Halluzinogene und synthetische Opioide. Die Nebenwirkungen können dramatisch sein: Atemstörungen und Nierenschäden wurden mit diesen Synthetika in Verbindung gebracht.

Pflanzliche und synthetische Cannabinoide bieten medizinische Potenziale

Für Patient:innen, die Cannabis als Medikament verwenden, gibt es inzwischen die Wahl zwischen Natur-Cannabinoiden und synthetischen Cannabinoiden aus dem Labor [25]. Darüber hinaus gibt es in beiden Fällen unterschiedliche Darreichungsformen zur Anwendung von Cannabis auf Rezept.

Ob und welches cannabisbasiertes Medikament bei der Behandlung einer Krankheit in Frage kommt, müssen Patient:innen in Absprache mit ihrem behandelnden Arzt oder der behandelnden Ärztin abklären.

Fest steht: Es gibt noch einiges über die vielen Cannabinoide und ihre unzähligen Möglichkeiten der Anwendung zu lernen. Und womöglich sind Cannabinoide dabei mehr als die Summe ihrer Teile.

Quellen:

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