Cannabis gegen Kopfschmerzen und Migräne? – was Patienten wissen sollten

Migräne und chronische Kopfschmerzen schränken das Leben vieler Betroffener massiv ein – oft trotz medikamentöser Behandlung. Immer mehr Patient:innen interessieren sich daher für alternative Ansätze wie medizinisches Cannabis. Doch was sagt die Forschung dazu?

Cannabis gegen Migräne und Kopfschmerzen

Hämmernd, pulsierend, stechend oder drückend – Kopfschmerzen haben viele Gesichter. Bei Migräne kommen oft zusätzliche Symptome wie Übelkeit, Lichtempfindlichkeit oder eine sogenannte Aura hinzu. Was viele nicht wissen: Migräne zählt laut WHO weltweit zu den häufigsten neurologischen Erkrankungen überhaupt. Frauen sind deutlich häufiger betroffen als Männer – nicht zuletzt aufgrund hormoneller Schwankungen.

Die Suche nach wirksamer Linderung führt viele Betroffene früher oder später zu alternativen Behandlungsansätzen. Eine davon: medizinisches Cannabis. Warum Cannabiskonsum überhaupt helfen könnte, lässt sich aus Sicht der Forschung erklären. Der menschliche Körper verfügt über ein eigenes Endocannabinoid-System – ein komplexes Netzwerk aus Rezeptoren, das an der Schmerzverarbeitung, der Regulation von Entzündungen und dem Gleichgewicht des Nervensystems beteiligt ist. Pflanzenstoffe wie THC und CBD können an diese Rezeptoren andocken und potenziell schmerzlindernd wirken.

Doch was sagt die Wissenschaft tatsächlich zur Anwendung von Cannabis bei Kopfschmerzen und Migräne? Der folgende Artikel gibt einen Überblick über aktuelle Studien, Erfahrungen aus der Praxis und mögliche Risiken.

Primäre vs. sekundäre Kopfschmerzen 

Für eine ganzheitliche Behandlung von Kopfschmerzen gilt es, deren Ursachen festzustellen. Hier unterscheidet man zwischen primären und sekundären Kopfschmerzen.

Von primären Kopfschmerzen ist dann die Rede, wenn keine Begleiterkrankung hinter den Kopfschmerzen steckt. Unter diese Kategorie fallen:

Werden die Schmerzen dagegen von einer anderen Erkrankung verursacht, spricht man von sekundären Kopfschmerzen. Hier ist die Liste der möglichen Auslöser lang. Unter anderem gehören dazu:

Welche Faktoren könnten primäre Kopfschmerzen begünstigen?

Warum primäre Kopfschmerzen entstehen, lässt sich nur schwer rekonstruieren. Aber es lassen sich zumindest Punkte feststellen, die primäre Kopfschmerzen begünstigen oder verstärken könnten. Mit von der Partie sind mit „zu wenig Wasser, zu viel Stress, zu wenig Schlaf“ auch die üblichen Verdächtigen:

Du leidest unter Kopfschmerzen und kannst eine Begleiterkrankung ausschließen? Dann kann ein Kopfschmerzkalender Dir dabei helfen, die Trigger für Deine primären Kopfschmerzen zu identifizieren. Auf der Seite der deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft findest Du Vorlagen für einen Migräne- und Kopfschmerzkalender sowie für einen Clusterkopfschmerzkalender.

Gerade bei Migräne können die Trigger besonders individuell ausfallen. Möglich sind etwa Veränderungen im Tagesrhythmus oder ein veränderter Koffeinkonsum. 

Da Hormonschwankungen Migräneanfälle begünstigen können, sind Frauen zwei- bis dreimal häufiger von Migräne betroffen. Hormonelle Verhütungsmethoden wie die Pille könnten Linderung verschaffen, aber gleichzeitig andere Risiken bergen. Vorteile und Risiken sollten mit dem behandelnden Arzt oder der behandelnden Ärztin abgewägt werden.

MÜK: Kopfschmerzen durch übermäßigen Gebrauch von Medikamenten 

Leidest du an primären Kopfschmerzen und nimmst regelmäßig Medikamente gegen Kopfschmerzen ein, könnte sich das kontraproduktiv auswirken. Hier ist die Rede von Medikamentenübergebrauchskopfschmerz (MÜK) – auch bekannt als medikamenteninduzierter Kopfschmerz oder Rebound-Kopfschmerz.

Die Symptome des MÜK: Kopfschmerzen halten länger an, treten öfter auf oder du brauchst immer mehr Kopfschmerzmedikamente.

Nach Schätzungen der Deutschen Gesellschaft für Neurologie sind 0,7 bis 1 Prozent der weltweiten Bevölkerung von medikamenteninduzierten Kopfschmerzen betroffen. Das entspricht in Deutschland bis zu 800.000 Personen. Noch konnte die Ursache für den MÜK nicht abschließend festgestellt werden.

Cannabis bei Migräneattacken und Kopfschmerzen – das sagt die Studienlage dazu

Das Inhalieren von Cannabis könnte die gefühlte Intensität von Kopfschmerzen und Migräne fast halbieren – das legt eine Studie der Washington State University von 2019 nahe.

Anhand einer Big-Data-Analyse werteten die Forschenden Informationen einer App aus, in der User:innen ihre Anwendung von medizinischem Cannabis trackten. Konkret sahen die Wissenschaftler:innen sich die Informationen von 1.300 Nutzer:innen an, die in der App insgesamt mehr als 12.000-mal das Symptom „Kopfschmerzen“ eingetragen hatten. Dazu gehörten 653 Migräne-Patient:innen, die in der Summe über 7.400 Migräneanfälle verzeichneten.

Grafik zur Reduktion der gefühlten Schmerzintensität durch Cannabis bei Migräne und Kopfschmerzen. Durchschnittlich gaben Nutzer:innen eine Verringerung der Kopfschmerzintensität um 47,3 % und der Migräneintensität um 49,6 % an. Thema: Cannabis bei Migräne.

Wie sich die Inhalation von Cannabis bei Kopfschmerzen in der Studie auswirkte

Die Auswertung ergab, dass das Inhalieren von Cannabis bei Kopfschmerzen die Beschwerden der User:innen im Durchschnitt um 47,3 Prozent verringerte. Bei Migränepatient:innen war das mit 49,6 Prozent sogar noch etwas häufiger der Fall.

Bezogen auf die Schmerzbekämpfung konnten die Forschenden keinen signifikanten Unterschied zwischen verschiedenen Cannabissorten mit unterschiedlichen Leveln und Verhältnissen an CBD (Cannabidiol) und THC (Tetrahydrocannabinol) ausmachen. Sie mutmaßen daher, dass andere Cannabinoide oder Terpene der Cannabispflanze bei der Wirkung von Cannabis die entscheidende Rolle spielen könnten.

Eine Einschränkung der Studie liegt darin, dass es sich bei den Teilnehmenden ausschließlich um geübte User:innen der Cannabis-App handelte. Da diese gegenüber dem Einsatz von medizinischem Cannabis tendenziell eher offen sein dürften, lässt sich eine gewisse Befangenheit nicht ausschließen. Aus diesem Grund betonten die Forschenden die Notwendigkeit weiterer klinischer Studien, die unter anderem auch Placebos mit einschließen.

Eine Review verschiedener Studien zu Cannabis gegen Kopfschmerzen

Im Jahr 2021 veröffentlichten Wissenschaftler:innen eine Auswertung, in der sie sich 34 Veröffentlichungen zu „Kopfschmerzen Cannabis“ sowie „Migräne Cannabis“ genauer angesehen hatten. In allen der untersuchten Studien fanden die Forschenden Hinweise auf eine therapeutische Wirkung von medizinischem Cannabis bei Migräne:

Kurzfristig führte die Anwendung von medizinischem Cannabis laut der Auswertung zu einer verringerten Einnahme von Schmerzmitteln und einer geringeren Schmerzintensität.

Einige Patient:innen hatten in den Studien angegeben, dass sich durch die langfristige Anwendung von Cannabis sowohl ihr körperlicher als auch psychischer Gesundheitszustand dauerhaft verbessert habe.

Das Fazit der Forschenden: Die Anwendung von medizinischem Cannabis kann sowohl die Dauer und Häufigkeit von Migräne als auch von Kopfschmerzen unbekannten Ursprungs verringern.

Weitere Forschungen zur Anwendung von Cannabis gegen Kopfschmerzen sind nötig

Die Wissenschaftler:innen schlussfolgerten, dass die Anwendung von Cannabis gegen Kopfschmerzen momentan unterrepräsentiert sei. Wichtig sind laut ihnen weitere Untersuchungen zu dem Thema. Nur so lässt sich herausfinden, welche Dosierungen und Formen der Verabreichung besonders geeignet sein könnten. Zu untersuchen bleibt auch, welche Sorten sich für die Kopfschmerz-Behandlung besonders eignen und wie sich die medizinische Anwendung von Cannabis langfristig auswirken könnte.

Solltest du über Cannabis auf Rezepts gegen deine Kopfschmerzen oder Migräne nachdenken, raten wir dringend dazu, das Gespräch mit einem Arzt oder einer Ärztin zu suchen und nicht auf Selbstmedikation zu setzen.

Wie werde ich Cannabispatient:in?

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Cannabis-Kopfschmerzen: Alles zu Medizinalcannabis und der MÜK

Ob auch medizinisches Cannabis MÜK verursachen könnte, bleibt nach derzeitigem Stand der Wissenschaft unklar. 

Eine 2021 veröffentlichte Studie ermittelte zwischen der Anwendung von medizinischem Cannabis, chronischer Migräne und dem Auftreten von MÜK einen signifikanten Zusammenhang.

Untersucht worden waren die Daten von insgesamt 368 Patient:innen mit chronischer Migräne. Von den 150 Personen, die Cannabis gegen ihre Migräne anwendeten, litten 81 Prozent unter MÜK. Bei denen, die ihre Migräne mit anderen Medikamenten behandelten, waren 41 Prozent von MÜK betroffen.

Die Wissenschaftler:innen rieten daher Patient:innen, die gegen chronische Migräne Cannabis anwendeten, die Menge an Cannabis zu verringern.

Vergleichsgrafik zur Wirksamkeit von Nabilon und Ibuprofen bei Schmerzen und Lebensqualität. Nabilon reduziert Schmerzen und Medikamentenabhängigkeit und verbessert die Lebensqualität, während Ibuprofen zwar Schmerzen lindert, aber das Risiko für Medikamentenabhängigkeit erhöhen kann. Thema: Cannabis bei Migräne.

Eine weitere Studie zu Cannabis und MÜK

Eine andere Sprache spricht eine doppelblinde, kontrollierte und randomisierte Studie, die die Anwendung von Nabilon – eine synthetische Form des Cannabinoids THC – zur Behandlung von hartnäckigen MÜK untersuchte.

Im Vergleich zu Ibuprofen war Nabilon wirksamer in der Reduzierung der Schmerzintensität und der täglichen Einnahme anderer Schmerzmittel. Außerdem konnte Nabilon laut den Forscher:innen im Gegensatz zu Ibuprofen den Grad der Medikamentenabhängigkeit verringern und die Lebensqualität der Patient:innen verbessern. Nebenwirkungen von Nabilon traten selten auf, fielen leicht aus und verschwanden nach dem Absetzen wieder. Anzumerken bleibt allerdings, dass die Studiengröße mit 26 Personen relativ klein war.

FAQ

Welche Cannabissorten helfen bei Migräne?

Es gibt bisher keine eindeutige wissenschaftliche Empfehlung, welche Cannabissorten bei Migräne am besten helfen. Die Wahl der geeigneten Cannabisblüten sollte daher immer in Absprache mit einem Arzt oder einer Ärztin erfolgen – idealerweise unter Berücksichtigung von Terpengehalt, Verträglichkeit und individueller Migräneform.

Was hilft sofort bei starker Migräne?

Bei starker Migräne können Triptane, ein abgedunkelter Ruheraum, kühlende Nackenauflagen und Medikamente gegen Übelkeit helfen. Auch eine geringe Menge Koffein kann unterstützend wirken. Wichtig ist, frühzeitig zu reagieren und die Therapie ärztlich abzustimmen.

Quellen

Porst, M., Wengler, A., Leddin, J., Neuhauser, H., Katsarava, Z., von der Lippe, E., Anton, A., Ziese, T., & Rommel, A. (2020). Migräne und Spannungskopfschmerz in Deutschland: Prävalenz und Erkrankungsschwere im Rahmen der Krankheitslast-Studie BURDEN 2020. Journal of Health Monitoring, (S6), 1–26.

Diener, H.-C., Kropp, P., et al. (2022). Kopfschmerz bei Übergebrauch von Schmerz‑ oder Migränemitteln (Medication Overuse Headache = MOH) (S1‑Leitlinie, AWMF‑Registernummer 030‑131). In Deutsche Gesellschaft für Neurologie (Hrsg.), Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie.

Washington State University. (2019, November 25). Cannabis reduces headache and migraine pain by nearly half. ScienceDaily.

Poudel, S., Quinonez, J., Choudhari, J., Au, Z. T., Paesani, S., Thiess, A. K., Ruxmohan, S., Hosameddin, M., Ferrer, G. F., & Michel, J. (2021). Medical cannabis, headaches, and migraines: A review of the current literature. Cureus, 13(8), e17407.

Zhang, N., & Woldeamanuel, Y. W. (2021). Medication overuse headache in patients with chronic migraine using cannabis: A case-referent study. Headache: The Journal of Head and Face Pain, 61(8), 1234–1244.

Pini, L. A., Guerzoni, S., Cainazzo, M. M., Ferrari, A., Sarchielli, P., Tiraferri, I., Ciccarese, M., & Zappaterra, M. (2012). Nabilone for the treatment of medication overuse headache: Results of a preliminary double-blind, active-controlled, randomized trial. The Journal of Headache and Pain, 13(8), 677–684.

Cannabis und Epilepsie: Der aktuelle Stand der Forschung

Epilepsie ist eine Erkrankung, die tief in das Leben der Betroffenen eingreift – oft unberechenbar, mit schwer fassbaren Ursachen. Nicht immer bringen gängige Therapien die erhoffte Linderung. In dieser Unsicherheit wächst das Interesse an alternativen Ansätzen. Eine besondere Aufmerksamkeit gilt dabei der Cannabis-Therapie. Doch wie tragfähig ist diese Hoffnung aus wissenschaftlicher Sicht?

Könnte sich medizinisches Cannabis zur Behandlung von Epilepsie eignen? Diese Frage wird in Fachkreisen viel diskutiert. Warum gerade eine alternative Therapieform wie die Cannabis-Therapie bei Epilepsie sinnvoll sein könnte, zeigt ein Blick auf die Statistik:

Laut der Deutschen Gesellschaft für Epileptologie leiden zwischen 0,5 und 1 % der Bevölkerung an Epilepsie. Das entspricht in Deutschland ca. 400.000 bis 800.000 Menschen. Davon sprechen etwa ein Drittel der Betroffenen nicht oder nicht in der gewünschten Art und Weise auf die herkömmlichen Antiepileptika an. Hinzu kommt, dass Nebenwirkungen auftreten könnten, weshalb Patient:innen nach alternativen Behandlungsmethoden suchen.

Cannabinoide bereits heute im Einsatz bei Epilepsiepatienten

Bereits jetzt gibt es in bestimmten Fällen die Möglichkeit, Epilepsie mit CBD, einem Cannabinoid der Cannabispflanze, zu behandeln. In folgenden Fällen ist das CBD-Präparat Epidyolex® in Deutschland aktuell zugelassen:

Seit 2019 ist das CBD-Präparat Epidyolex® in Deutschland als Zusatztherapie für Kinder mit Lennox-Gastaut-Syndrom und Dravet-Syndrom zugelassen.

Ob Cannabis bei Epilepsie grundsätzlich helfen kann, haben bereits einige Wissenschaftler:innen untersucht. In folgendem Artikel erhältst Du einen Überblick über die aktuellen Studien.

Infografik zu den Ursachen von Epilepsie: dargestellt werden angeborene Ursachen, Stoffwechselstörungen, strukturelle Veränderungen im Gehirn und äußere Auslöser – relevante Faktoren im Kontext von Cannabis und Epilepsie.

Was ist Epilepsie und was sind die Ursachen?

Epilepsie ist eine neurologische Erkrankung, bei der es zu wiederkehrenden Krampfanfällen kommt. Auslöser solcher Epilepsie-Anfälle sind Nervenzellen im Gehirn, die plötzlich für kurze Zeit synchron und unkontrolliert Impulse abfeuern. Dabei handelt es sich um eine unwillkürliche Funktionsstörung, die verschiedene Ursachen haben kann. 

Epilepsie kann angeboren oder auf strukturelle beziehungsweise stoffwechselbedingte Veränderungen zurückzuführen sein. Beispiele hierfür sind etwa Gehirntumore, Schädel-Hirn-Traumata oder Verletzungen des Gehirngewebes. Wenn keine Grunderkrankung vorliegt, können die Anfälle aber auch durch Drogen, Alkohol, Arzneimittel, Schlafentzug, Fieber oder psychische Faktoren ausgelöst werden.

CBD bei Epilepsie: Das sagen aktuelle Studien über die Wirksamkeit

Bei Cannabidiol, kurz CBD, handelt es sich vermutlich um einen der bekanntesten Inhaltsstoffe der Hanfpflanze. In der Medizin wird CBD bei bestimmten Formen der Epilepsie bereits eingesetzt. Eine entsprechende Wirksamkeit bescheinigt auch eine 2019 veröffentlichte Auswertung von Forschenden zum Thema CBD und Epilepsie.[1]

CBD für Patienten mit dem Lennox-Gastaut-Syndrom und dem Dravet-Syndrom?

Bei allen darin betrachteten Untersuchungen wurde CBD ergänzend zu den herkömmlichen Antiepileptika angewendet. In den Versuchsgruppen befanden sich vorwiegend Kinder und Jugendliche mit dem Lennox-Gastaut-Syndrom und dem Dravet-Syndrom. Dabei handelt es sich um zwei seltene und schwer behandelbare Epilepsieformen, die bereits im Kindesalter auftreten.

Nachdem die Forschenden die Studien ausgewertet hatten, kamen sie zu dem Schluss, dass es hinreichende Belege für eine potenzielle Wirksamkeit von CBD bei der Behandlung von Epilepsie im Kindesalter gibt. Über die Wirkung von CBD bei Erwachsenen Epilepsie-Patient:innen lässt sich aktuell noch nicht viel sagen, da entsprechende Untersuchungen sehr rar sind.

Infografik zu Cannabis und Epilepsie: Aufschlüsselung einer CBD-Studie bei arzneimittelresistenter Epilepsie mit drei zentralen Ergebnissen – Reduzierung der Anfallshäufigkeit, Verbesserung des Gesamtzustands und dokumentierte Nebenwirkungen wie Müdigkeit oder Durchfall.

CBD kann Epilepsie-Anfälle bei Kindern und Jugendlichen reduzieren

Teil der Review von 2019 war unter anderem eine Studie aus dem Jahr 2017, die die Wirkung von Cannabidiol bei der Behandlung von arzneimittelresistenten Epilepsie-Anfällen beim Dravet-Syndrom untersuchte.[2] In der doppelblinden, placebokontrollierten Studie wurden 120 Kinder und junge Erwachsene zusätzlich zu einer antiepileptischen Standardbehandlung entweder mit einer Cannabidiol-Lösung oder einem Placebo behandelt.

Die Untersuchung ergab, dass sich die durchschnittlichen Krampfanfälle pro Monat unter CBD von 12,4 auf 5,9 reduzierten, während unter dem Placebo nur ein Rückgang von 14,9 auf 14,1 verzeichnet wurde.

In der Cannabidiol-Gruppe verbesserte sich der Gesamtzustand bei 62 % der Patient:innen, während es in der Placebo-Gruppe 34 % waren. Die Häufigkeit aller Art von Anfällen konnte durch Cannabidiol signifikant reduziert werden, 5 % der Patient:innen in der CBD-Gruppe wurden sogar anfallsfrei.

Neben den positiven Effekten wurden allerdings auch einige Nebenwirkungen festgestellt. In der CBD-Gruppe traten im Vergleich zur Placebo-Gruppe die folgenden unerwünschten Effekte häufiger auf: Durchfall, Erbrechen, Müdigkeit, Fieber und abnorme Ergebnisse bei Leberfunktionstests.

Der Einsatz von CBD bei erwachsenen Epilepsie-Patient:innen

Eine der wenigen Untersuchungen, die sich mit dem Einsatz von CBD bei der Behandlung von Epilepsie bei Erwachsenen befasst, ist eine Studie des Johns-Hopkins-Instituts, die 2021 veröffentlicht wurde.[3] 

Im Vergleich zur Kontrollgruppe, die kein Cannabidiol zu sich nahm, berichteten die Proband:innen, die frei verkäufliches CBD einnahmen, von einer signifikant besseren Verträglichkeit ihrer herkömmlichen Epilepsiemedikamente. Außerdem hatten sie insgesamt einen geringeren Bedarf an verschreibungspflichtigen Medikamenten.

Um den potenziellen Effekt von CBD auf erwachsene Epilepsie-Patient:innen zu untersuchen, sind jedoch weitere Studien notwendig.

THC bei Epilepsie: Epileptischer Anfall nach Cannabiskonsum?

THC oder auch Tetrahydrocannabinol ist das wohl bekannteste Cannabinoid der Hanfpflanze und zugleich für deren psychoaktive Wirkung verantwortlich. Was die Wirkung von THC auf das Gehirn und bei Epilepsie angeht, kommen die Studien allerdings zu widersprüchlichen Ergebnissen.

Während es Untersuchungen gibt, die THC einen krampflösenden Effekt zuschreiben, konnten andere Studien diese Wirkung nicht beobachten – oder kamen gar zu dem Schluss, dass THC Krampfanfälle begünstigen könnte. Aufgrund dieser widersprüchlichen Studienergebnisse und der psychoaktiven Wirkung können aktuell keine genrellen Empfehlungen zum Einsatz des Cannabinoids bei Epilepsie ausgesprochen werden.[6] 

Solltest du dennoch über einen Therapieansatz mit Cannabis für deine Epilepsie-Symptome nachdenken, raten wir dringend dazu, das Gespräch mit einem Arzt oder einer Ärztin zu suchen und nicht auf Selbstmedikation zu setzen.

Wie werde ich Cannabispatient:in?

PATIENT:IN WERDEN

Mögliche Neben- und Wechselwirkungen bei der Epilepsiebehandlung mit CBD

Eine CBD-Epilepsie-Studie aus dem Jahr 2015 untersuchte, ob die Einnahme von CBD zusätzlich zu einer bestehenden Antiepileptika-Therapie bei behandlungsresistenter Epilepsie sicher, verträglich und wirksam ist. Als Begleiterscheinungen der Behandlung traten Somnolenz (Benommenheit) (25 %), verminderter Appetit (19 %), Durchfall (19 %), Müdigkeit (13 %) und Krampfanfälle (11 %) auf. Bei dieser Studie brachen zudem 3 % der Patient:innen die Behandlung aufgrund einer Nebenwirkung ab.[4]

In einer Übersichtsarbeit der University of Alabama fassten Forschende die Ergebnisse verschiedener Studien zusammen, in denen CBD zur Epilepsie-Behandlung eingesetzt wurde.[5]

Die Wissenschaftler:innen kamen zum Schluss, dass Cannabidiol gut verträglich sei. Zu den häufigsten Nebenwirkungen zählten Durchfall und Sedierung. Hierbei konnte allerdings festgestellt werden, dass die Sedierung wesentlich häufiger bei Patient:innen auftrat, die gleichzeitig Clobazam, ein Arzneimittel zur Behandlung von Epilepsie, einnahmen. 

Bei der Einnahme von CBD traten vermehrt Erhöhungen der Aspartat-Aminotransferase und der Alanin-Aminotransferase auf, was auf eine Schädigung der Leberzellen hindeuten kann. Diese Anomalien kamen jedoch vorwiegend bei Patient:innen vor, die parallel Valproat, ein weiteres Arzneimittel zur Behandlung von Epilepsie, einnahmen. 

Darüber hinaus weisen Daten darauf hin, dass es Wechselwirkungen zwischen CBD und den Medikamenten Rufinamid, Zonisamid, Topiramat und Eslicarbazepin gibt. Bei der Anwendung von CBD in Kombination mit herkömmlichen Antiepileptika kann es also vermehrt zu Wechselwirkungen kommen.

Epilepsietherapie mit Cannabis: Hoffnungsträger CBD, Fragezeichen bei THC

Der aktuellen Studienlage nach zu urteilen, liegt der Schwerpunkt in der Epilepsie-Behandlung mit Cannabis ganz klar auf CBD. Hierzu wurden bereits zahlreiche Studien mit Kindern und Jugendlichen durchgeführt, die darauf hindeuten, dass sich CBD zur Behandlung von arzneimittelresistenten Epilepsie-Anfällen eignen könnte.

Die Studienlage bei erwachsenen Epilepsie-Patient:innen ist jedoch dürftig und daher aktuell nicht repräsentativ. Ebenso ist die Forschungslage zu THC und Epilepsie derzeit nicht aussagekräftig.

Es gibt Hinweise auf mögliche Wechselwirkungen zwischen CBD und herkömmlichen Antiepileptika. Sollte eine Medikation mit CBD für Dich in Betracht gezogen werden, solltest Du mit Deinem behandelnden Arzt oder Deiner behandelnden Ärztin sprechen.

FAQ

Kann Cannabis Epilepsieanfälle auslösen?

Es klingt paradox: Eine Substanz, die Krämpfe lindern soll, kann sie unter Umständen selbst begünstigen. Tatsächlich zeigen einzelne Studien, dass der psychoaktive Cannabis-Wirkstoff THC in seltenen Fällen Anfälle auslösen kann – oder bestehende Epilepsien verstärkt. Während dem nicht berauschenden Cannabidiol (CBD) eine krampflösende Wirkung zugeschrieben wird, ist die Datenlage bei THC widersprüchlich. Einige Untersuchungen bescheinigen dem Molekül antikonvulsive Eigenschaften, andere berichten vom Gegenteil.

Was verstärkt epileptische Anfälle?

Epilepsie ist so individuell wie die Menschen, die mit ihr leben. Und ebenso vielfältig sind die Auslöser, die einen Anfall begünstigen können. Zu den häufigsten zählen Schlafmangel, akuter Stress, Alkoholkonsum, fieberhafte Infekte oder hormonelle Schwankungen – etwa während des Menstruationszyklus. Auch flackerndes Licht, etwa bei Fotosensibilität, oder das unregelmäßige Einnehmen von Antiepileptika können das Anfallsrisiko erhöhen. Welche Faktoren im Einzelfall eine Rolle spielen, lässt sich oft erst im Rückblick erkennen. Ein Anfallstagebuch hilft, persönliche Trigger zu identifizieren – gemeinsam mit der behandelnden Ärztin oder dem behandelnden Arzt.

Quellen

[1] Silvestro, S., Mammana, S., Cavalli, E., Bramanti, P., & Mazzon, E. (2019). Use of cannabidiol in the treatment of epilepsy: Efficacy and security in clinical trials. Molecules, 24(8), 1459.

[2] Devinsky, O., Cross, J. H., Laux, L., Marsh, E., Miller, I., Nabbout, R., Scheffer, I. E., Thiele, E. A., Wright, S., & Cannabidiol in Dravet Syndrome Study Group. (2017). Trial of cannabidiol for drug-resistant seizures in the Dravet syndrome. The New England Journal of Medicine, 376(21), 2011–2020.

[3] Strickland, J. C., Jackson, H., Schlienz, N. J., Salpekar, J. A., Martin, E. L., Munson, J., Bonn-Miller, M. O., & Vandrey, R. (2021). Cross-sectional and longitudinal evaluation of cannabidiol (CBD) product use and health among people with epilepsy. Epilepsy & Behavior, 122, 108205.

[4] Devinsky, O., Marsh, E., Friedman, D., Thiele, E., Laux, L., Sullivan, J., ... & Patel, A. D. (2016). Cannabidiol in patients with treatment-resistant epilepsy: An open-label interventional trial. The Lancet Neurology, 15(3), 270–278.

[5] Gaston, T. E., & Szaflarski, J. P. (2018). Cannabis for the treatment of epilepsy: An update. Current Neurology and Neuroscience Reports, 18(11), 73.

[6] Mukhtar, M. S. A., Gupta, R., & Balpande, R. (2025). Assessing the neuroprotective benefits of Cannabis sativa in epilepsy management. Brain Disorders, 17, 100180.

Cannabis: Alles, was Ihr schon immer über Terpene wissen wolltet

Neben den unterschiedlichen Cannabinoid-Gehalten sind die einzelnen Cannabissorten auch durch ihr ganz eigenes Aroma identifizierbar. Manche erinnern an Käse, Vanilleeis, Benzin oder ein Blumenbouquet. Verantwortlich dafür sind unter anderem die Terpene. In unserem Booklet "Die Top 20-Terpene und ihre Effekte" haben wir alles Wissenswerte zum Thema zusammengestellt und erklären, in welchen Sorten man sie findet, wie sie wirken und warum es sie gibt.

Schon vor hunderten Jahren wurden aus vielen Pflanzen natürliche Terpene gewonnen, um damit natürliche und teilweise heilende Extrakte herzustellen. Terpene sind der Hauptbestandteil von ätherischen Ölen, die bekannterweise auch therapeutisch eingesetzt werden können.

Ätherische Öle können sowohl über den Duft eine therapeutische Wirkung entfalten als auch über die Haut aufgenommen werden und könnten so eine wohltuende Wirkung haben. Sie werden auch als natürliches Konservierungsmittel eingesetzt, um zu verhindern, dass Bakterien sich in Lebensmitteln bilden und vermehren.

Was sind Terpene – und warum riecht der Wald nach Wald?

Der Begriff „Terpen“ geht auf das lateinische Turpentine zurück – ein Harzextrakt aus Kiefern, der schon früh als Duftstoff Verwendung fand. Doch was hinter diesem Begriff steckt, ist weit mehr als bloße Aromatik. Terpene sind jene flüchtigen Moleküle, die Pflanzen ihre charakteristischen Gerüche verleihen: Lavendel duftet dank ihnen intensiv-blumig, Mango süß und tropisch, Hopfen würzig-herb. Auch Cannabis verdankt ihnen sein unverwechselbares Aroma – mal zitrusartig, mal erdig, mal süßlich-scharf.

Terpene sind chemisch gesehen sekundäre Pflanzenstoffe. Sie kommen in Blüten, Früchten und mitunter auch in Insekten vor und gehören zur größten Gruppe flüchtiger organischer Verbindungen, die die Natur hervorbringt. In der Sprache der Botanik sind sie Duftmoleküle – in der Sprache der Evolution sind sie hochspezialisierte Kommunikationsmittel.

Denn Pflanzen duften nicht aus Zufall. Sie setzen Terpene gezielt ein, um mit ihrer Umwelt zu interagieren. Im Ökosystem Wald spielen Terpene zum Beispiel eine stille, aber zentrale Rolle. Sie regulieren das Mikroklima, beeinflussen Luftfeuchtigkeit und tragen zur typischen Waldluft bei – jener Mischung aus Pinen, Myrcen und anderen flüchtigen Substanzen, die wir tief einatmen und intuitiv als wohltuend empfinden. Manche Terpene wirken sogar wie ein unsichtbares Netzwerk: Sie senden Signale aus, um Schädlinge fernzuhalten oder um Fressfeinde der Schädlinge anzulocken – eine stille Allianz zwischen Pflanze und Tier. Das Terpen Limonen etwa wirkt auf bestimmte Insekten abstoßend – ein Prinzip, das sich auch der Mensch zunutze gemacht hat: Das Mückenschutzmittel Autan riecht nicht ohne Grund nach Zitrone.

So zeigen Terpene eindrücklich, wie durchdacht die Strategien der Natur sind. Sie sind Ausdruck einer ökologischen Intelligenz, in der jede Duftnote eine Funktion erfüllt. Wer also das nächste Mal den würzigen Geruch eines Waldes oder den süßen Duft einer Cannabispflanze wahrnimmt, riecht nicht nur ein Aroma – sondern die Sprache der Pflanzen.

Präventive Maßnahme oder stille Notwehr?

Die Produktion von Terpenen folgt keinem starren Plan – sie ist ebenso Strategie wie Reaktion. Pflanzen setzen diese aromatischen Verbindungen nicht nur vorsorglich ein, um Fressfeinde auf Abstand zu halten. Sie reagieren auch auf Stress. Wenn Wasser knapp wird, die Nährstoffversorgung stockt oder extreme Hitze droht, steigt die Terpenkonzentration in vielen Pflanzenarten signifikant an. Ist es ein Hilferuf? Eine biochemische Notwehr? Oder schlicht ein universales Programm, das zwischen Bedrohungen nicht unterscheidet?

Terpene wirken dabei in alle Richtungen. Einige locken auch Insekten an, um die Bestäubung zu sichern. Die Cannabispflanze allerdings geht einen anderen Weg. Sie ist eine Windbestäuberin. Ihre Blüten sind unscheinbar, grün, nicht für das Auge von Insekten gedacht. Doch sie ist keineswegs passiv. Mithilfe lichtsensitiver Pigmente erkennt sie den Tagesverlauf und nutzt gezielt das Licht, um tagsüber Terpene freizusetzen – ein fein austariertes Timing im Kampf gegen Schädlinge.

Die Wirkung bleibt nicht an der Oberfläche. Oberirdisch schützen Terpene vor Mikroben – Pilzen, Bakterien, Krankheitserregern. Unterirdisch zeigen sie ein anderes Gesicht: Dort, wo das Wurzelwerk auf die unsichtbare Welt des Bodens trifft, gehen Pflanzen symbiotische Beziehungen mit Mikroorganismen ein. Mit der Pflanze harmonierende Pilze und Bakterien liefern Mineralien, die die Pflanze allein nicht erreichen könnte. Im Gegenzug fließen zuckerhaltige Ausscheidungen – ein Tauschgeschäft auf molekularer Ebene.

Nach diesem Blick auf die übergreifende Bedeutung von Terpenen richtet sich der Fokus nun auf einen besonderen Mikrokosmos: die Terpene in Cannabis.

Rund 200 bekannte Cannabis-Terpene

Von den über 20.000 Terpenen, die bislang in der Pflanzenwelt identifiziert wurden, entfallen rund 200 auf Cannabis. Diese Vielfalt ist nicht nur biochemisch bemerkenswert – sie hat auch praktische Konsequenzen: In der medizinischen Anwendung gewinnt das Terpenprofil zunehmend an Bedeutung. Was früher grob in „Sativa“ oder „Indica“ unterteilt wurde, wird heute differenzierter betrachtet – über sogenannte Chemovare, die das Zusammenspiel von Cannabinoiden und Terpenen in ihrer Gesamtheit erfassen.

Die Fortschritte in der Analytik ermöglichen es, Blüten gezielter auszuwählen – basierend auf ihrem individuellen, potenziellen Wirkstoffprofil. Für viele Cannabis-Patient:innen ist das Terpenprofil ein entscheidender Hinweisgeber: auf mögliche Wirkungen, Geschmacksnuancen und Verträglichkeiten.

Wirkung von Cannabis auf den menschlichen Körper: Terpene als medizinische Hoffnungsträger?

Tatsächlich berichten viele, die Cannabis auf Rezept verordnet bekommen haben, von beruhigenden, stimmungsaufhellenden oder schmerzlindernden Effekten, die sie bestimmten Terpenprofilen zuschreiben. Doch wissenschaftlich ist das Terrain noch dünn. Während die Wirkmechanismen der Cannabinoide zunehmend verstanden werden, sind die Effekte der Terpene auf den menschlichen Organismus bislang nur in Ansätzen erforscht.

Zahlreiche Studien deuten jedoch an: Terpene wirken nicht isoliert, sondern modulierend – sie beeinflussen, wie Cannabinoide im Körper wirken, wie stark sie das Endocannabinoid-System stimulieren, und möglicherweise auch, wie lange oder intensiv bestimmte Effekte anhalten. Diese Wechselwirkungen werden unter dem Begriff Entourage-Effekt zusammengefasst – einer Theorie zufolge also einer Art synergistischen Zusammenspiels verschiedener pflanzlicher Inhaltsstoffe, das über die Wirkung der Einzelkomponenten hinausgeht.[7]

Was heute noch als Hypothese gilt, könnte morgen therapeutische Relevanz gewinnen: In der Kombination von Terpenen und Cannabinoiden liegt womöglich ein bislang unterschätztes Potenzial – für individualisierte Therapien, fein abgestimmte Rezepturen und ein besseres Verständnis pflanzlicher Synergie.

Ein erster Blick auf die Wirkung – was wir über Cannabis-Terpene bislang wissen

Noch steht die Forschung zu den medizinischen Potenzialen von Terpenen am Anfang. Verlässliche Aussagen über ihre Wirkung am Menschen sind bislang rar – belastbare klinische Studien fehlen weitgehend. Doch erste Hinweise lassen sich aus präklinischen Untersuchungen gewinnen: Tiermodelle und Laborstudien liefern vorsichtige Anhaltspunkte, in welche Richtung bestimmte Terpene wirken könnten.

Im Zentrum des wissenschaftlichen Interesses stehen dabei derzeit vor allem vier Verbindungen: Beta-Caryophyllen, Limonen, Linalool und Pinen. In der folgenden Übersicht betrachten wir diese Terpene etwas genauer – als Versuch einer ersten Annäherung an ihre möglichen pharmakologischen Eigenschaften.

Beta-Caryophyllen

Das Terpen Beta-Caryophyllen findet sich nicht nur in Cannabis, sondern zum Beispiel auch in Zimt oder Basilikum. Es zeichnet sich durch seinen würzig-pfeffrigen Geruch aus und ist auch unter den Bezeichnungen b-Caryophyllen, β-Caryophyllen oder Caryophyllen bekannt. Besonders spannend: Das Terpen könnte an den CB2-Rezeptor im menschlichen Körper binden und damit parallel als Endocannabinoid wirken.

In einer Studie an Mäusen untersuchten Forschende der Universität Bonn die Terpen-Wirkung von Beta-Caryophyllen unter anderem bei neuropathischen Schmerzen. Sie beobachteten bei den Mäusen eine Abschwächung der Schmerzempfindlichkeit und konnten auch nach längerer Behandlung keine Anzeichen von Toleranz gegenüber dieser Cannabis-Terpen-Wirkung feststellen.

Die Wissenschaftler:innen kamen zum Schluss, dass insbesondere die regelmäßige orale Verabreichung des Terpens Beta-Caryophyllen bei lang anhaltenden, lähmenden Schmerzzuständen hochwirksam sein könnte.[1]

Eine Untersuchung der United Arab Emirates University, die ebenfalls an Mäusen durchgeführt wurde, ließ unter anderem auf eine potenziell angstlindernde Wirkung des Cannabis-Terpens schließen. Entsprechende Studien zu dieser Wirkung auf den Menschen stehen ebenfalls aus.[2]

Limonen

Das Terpen Limonen ist Hauptbestandteil der ätherischen Öle von Zitrusfrüchten und verströmt entsprechend auch als Cannabis-Terpen ein Zitrusaroma. In den 2018 veröffentlichten Ergebnissen einer Laboruntersuchung verzeichneten Forschende durch d-Limonen eine Hemmung des Wachstums von Lungenkrebszellen.[3]

Bereits 2013 waren die Ergebnisse einer offenen klinischen Pilotstudie publiziert worden, an welcher 43 Frauen teilgenommen hatten, bei denen kürzlich operabler Brustkrebs diagnostiziert worden war. Im Rahmen der Untersuchung nahmen sie zwei bis sechs Wochen vor der chirurgischen Entfernung des Tumors täglich zwei Gramm Limonen ein.

Tatsächlich führte die kurzzeitige Einnahme des Terpens Limonen im Tumorgewebe zu einem signifikanten Rückgang der Expression von Cyclin D1 – einem Protein, welches eine entscheidende Rolle beim Zellwachstum spielt. Allerdings konnten bei anderen wichtigen Biomarkern nur minimale Veränderungen festgestellt werden.

Die Forschenden betonten hier besonders die Notwendigkeit weiterer Studien, um einer potenziellen Cannabis-Terpen-Wirkung auf den Menschen auf den Grund gehen zu können und damit zu klären, ob das Terpen Limonen bei der Behandlung und Prävention von Brustkrebs infrage kommen könnte.[4]

Linalool

Das Terpen Linalool ist, abgesehen von seinem Vorkommen in Cannabis, zum Beispiel in Lavendel enthalten und findet wegen seines süßen, blumigen Dufts gerne in Kosmetika Verwendung. Allerdings kann Linalool bei Duftstoffallergiker:innen allergische Reaktionen hervorrufen.

2018 publizierten Forschende der japanischen Universität Kagoshima in „Frontiers in Behavioral Neuroscience“ Ergebnisse einer Untersuchung an Mäusen, nach denen die Terpen-Wirkung von Linalool angstlindernder Natur sein könnte. Gleichzeitig stellten sie bei den Tieren keine motorischen Beeinträchtigungen fest.

Da jene Mäuse, die über keinen intakten Geruchssinn verfügten, nicht von dem angstlösenden Effekt profitierten, kamen die Wissenschaftler:innen zum Schluss, dass der Geruch von Linalool ursächlich für diese Terpen-Wirkung verantwortlich sein muss.[5]

Pinen

Mit seinem holzigen, erdigen Geruch weckt Pinen Assoziationen an den Duft von Kiefern. Neben seinem Vorkommen in der Cannabispflanze lässt sich das Terpen Pinen in Ölen von Nadelbäumen genauso nachweisen wie in Eukalyptus- oder Orangenschalenöl. Pinen verleiht medizinischen Cannabisblüten ein frisches, klares Aroma, das von Cannabispatient:innen häufig als sehr angenehm empfunden wird.

Unterschieden wird bei diesem Cannabis-Terpen in Alpha-Pinen und Beta-Pinen, wobei Letzteres potenziell über antibakterielle Eigenschaften verfügt. So ergaben Labortests am teilweise antibiotikaresistenten Campylobacter jejuni, einem häufigen Erreger von Durchfallerkrankungen, dass Pinen dessen Antibiotika-Resistenz effektiv regulieren könnte. Aufgrund der vielversprechenden Ergebnisse gaben die beteiligten Wissenschaftler:innen eine Empfehlung für weitere Untersuchungen zu diesem Thema ab.[6]

Jenseits der Terpene – was bestimmt den Duft von Cannabis noch?

Doch wie eindeutig ist der Zusammenhang zwischen Terpenen und Duft tatsächlich? Eine aktuelle Studie von Iain W. H. Oswald und Kolleg:innen bringt Bewegung in ein lange als gesichert geltendes Feld. Unter dem Titel „Minor, Nonterpenoid Volatile Compounds Drive the Aroma Differences of Exotic Cannabis" zeigt die Untersuchung: Auch andere flüchtige Verbindungen – darunter Schwefelverbindungen – prägen das Aroma der Cannabispflanze wesentlich.[8]

Diese Erkenntnis hat weitreichende Konsequenzen. Die Aromatik verschiedener Cannabissorten ist komplexer als bisher angenommen – und schwerer zu konservieren. Denn viele dieser nicht-terpenoiden Substanzen sind besonders flüchtig und damit analytisch schwer zu erfassen.

Die Forschung steht hier noch am Anfang. Doch die Neugier ist groß: Künftig könnten Anbau- und Lagerungsverfahren entwickelt werden, die gezielt bestimmte Duftprofile bewahren – eine Perspektive, die nicht nur für Genusskonsumierende, sondern auch für Patient:innen von Bedeutung sein könnte.

Terpene in Cannabis: Ihre Wirkung ist Gegenstand künftiger Forschung

Bei der Auswahl geeigneter medizinischer Cannabisblüten rückt die Analyse deren individueller chemischer Profile für Cannabispatient:innen zunehmend in den Vordergrund. Während im Zuge dessen auch ein verstärkter Fokus auf die Rolle einzelner Terpene gelegt wird, lassen sich aufgrund fehlender Untersuchungen über die Terpen-Wirkungen auf den Menschen zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine zuverlässigen Aussagen treffen.

Labor- und Tierstudien deuten darauf hin, dass Cannabis-Terpene womöglich über beruhigende, antibakterielle und schmerzlindernde Eigenschaften verfügen und unter Umständen Tumorwachstum hemmen könnten. Es bleibt zu hoffen, dass weitergehende Forschungen diesen ersten Anhaltspunkten auf den Grund gehen.

Ob und inwiefern Terpene mit Cannabinoiden in Wechselwirkung treten und damit zu einem Entourage-Effekt beitragen, kann vom heutigen Stand der Forschung aus nicht abschließend beurteilt werden.


FAQ

Was sind Terpene?

Terpene sind eine Gruppe von flüchtigen organischen Verbindungen, die natürlicherweise in Pflanzen vorkommen. Sie sind für die Aromen und Düfte vieler Pflanzen verantwortlich und könnten verschiedene gesundheitsfördernde Eigenschaften haben.

Was sind Terpene bei Cannabis?

Terpene sind aromatische Verbindungen, die der Cannabispflanze ihren charakteristischen Geruch und Geschmack verleihen – von zitrusartig über erdig bis hin zu süßlich oder würzig. Sie werden in den Trichomen der Pflanze gebildet, also dort, wo auch Cannabinoide wie THC und CBD entstehen. Neben ihrer Duftfunktion übernehmen Terpene auch biologische Aufgaben: Sie schützen die Pflanze vor Schädlingen, Mikroben und Umwelteinflüssen. In der medizinischen Anwendung von Cannabis gewinnen Terpene zunehmend an Bedeutung, da Studien vermuten lassen, dass sie die Wirkung der Cannabinoide modulieren und zum sogenannten Entourage-Effekt beitragen könnten.

Wo kommen Terpene vor?

Terpene finden sich in nahezu allen Pflanzen – besonders konzentriert in Blüten, Kräutern, Früchten, Harzen und Nadeln. Sie sind Hauptbestandteile ätherischer Öle und prägen den charakteristischen Duft von Lavendel, Rosmarin, Zitrusfrüchten, Tannen, Hopfen oder Cannabis. Neben ihrer Rolle als Duftstoffe übernehmen sie ökologische Funktionen: Sie dienen Pflanzen zur Abwehr von Schädlingen, zur Anlockung von Bestäubern oder zur Kommunikation mit ihrer Umwelt. Auch einige Pilze und Insekten produzieren Terpene – etwa als Lock- oder Abwehrstoffe.

Was bewirken Terpene im Wald?

Im Wald dienen Terpene den Pflanzen als Abwehrmechanismus gegen Schädlinge und zur Kommunikation mit anderen Organismen. Sie beeinflussen das Waldaroma, locken Bestäuberinsekten an und tragen zur Vielfalt des Ökosystems bei.

Welches Terpen macht "high"?

Keines. Terpene selbst machen nicht „high“ – diese psychoaktive Wirkung geht ausschließlich vom Cannabinoid THC (Tetrahydrocannabinol) aus. Terpene wie Myrcen, Limonen oder Linalool haben zwar aromatische und möglicherweise stimmungsbeeinflussende Eigenschaften, wirken jedoch nicht berauschend im engeren Sinne. Allerdings vermuten Wissenschaftler:innen, dass einige Terpene die Wirkung von THC modulieren können – eine Hypothese, die im Zusammenhang mit dem sogenannten Entourage-Effekt diskutiert wird. Gesichert ist diese Wechselwirkung bislang jedoch nicht. Terpene verstärken also womöglich die Wirkung – sie verursachen sie aber nicht.

Welche Cannabissorten sind die Top 3 nach Terpenen?

Eine eindeutige Rangliste gibt es bislang nicht – der Terpengehalt kann je nach Anbaumethode, Genetik, Lagerung und Analyseverfahren variieren. Dennoch haben sich einige Sorten einen Namen gemacht, weil sie besonders ausgeprägte Terpenprofile aufweisen. Hierzu gehören Super Lemon Haze und OG Kush.


Quellen

[1] Klauke, A.-L., Racz, I., Pradier, B., Markert, A., Zimmer, A. M., Gertsch, J., & Zimmer, A. (2014). The cannabinoid CB₂ receptor-selective phytocannabinoid beta-caryophyllene exerts analgesic effects in mouse models of inflammatory and neuropathic pain. European Neuropsychopharmacology, 24(4), 608–620.

[2] Bahi, A., Al Mansouri, S., Al Memari, E., Al Ameri, M., Nurulain, S. M., & Ojha, S. (2014). β-Caryophyllene, a CB₂ receptor agonist, produces multiple behavioral changes relevant to anxiety and depression in mice. Physiology & Behavior, 135, 119–124.

[3] Yu, X., Lin, H., Wang, Y., Lv, W., Zhang, S., Qian, Y., Deng, X., Feng, N., Yu, H., & Qian, B. (2018). d-Limonene exhibits antitumor activity by inducing autophagy and apoptosis in lung cancer. OncoTargets and Therapy, 11, 1833–1847.

[4] Miller, J. A., Lang, J. E., Ley, M., Nagle, R., Hsu, C. H., Thompson, P. A., Cordova, C., Waer, A., & Chow, H. H. (2013). Human breast tissue disposition and bioactivity of limonene in women with early-stage breast cancer. Cancer Prevention Research, 6(6), 577–584.

[5] Harada, H., Kashiwadani, H., Kanmura, Y., & Kuwaki, T. (2018). Linalool odor-induced anxiolytic effects in mice. Frontiers in Behavioral Neuroscience, 12, 241.

[6] Kovač, J., Šimunović, K., Wu, Z., Klančnik, A., Bucar, F., Zhang, Q., & Možina, S. S. (2015). Antibiotic resistance modulation and modes of action of (–)-α-pinene in Campylobacter jejuni. PLoS ONE, 10(4), e0122871.

[7] Ferber, S. G., Namdar, D., Hen-Shoval, D., Eger, G., Koltai, H., Shoval, G., Shbiro, L., & Weller, A. (2020). The "entourage effect": Terpenes coupled with cannabinoids for the treatment of mood disorders and anxiety disorders. Current Neuropharmacology, 18(2), 87–96.

[8] Oswald, I. W. H., Paryani, T. R., Sosa, M. E., Ojeda, M. A., Altenbernd, M. R., Grandy, J. J., Shafer, N. S., Ngo, K., Peat, J. R. III, Melshenker, B. G., Skelly, I., Koby, K. A., Page, M. F. Z., & Martin, T. J. (2023). Minor, nonterpenoid volatile compounds drive the aroma differences of exotic cannabis. ACS Omega, 8(42), 39203–39216.

Neuer THC-Grenzwert: Auto fahren nach Cannabis-Konsum?

Seit der Teillegalisierung von Cannabis gelten neue Regeln – doch gerade im Straßenverkehr sorgt das Thema weiterhin für Unsicherheit. Wie viel THC ist am Steuer erlaubt? Wann drohen Bußgeld, Punkte oder gar der Führerscheinentzug? Mit dem neuen Grenzwert von 3,5 Nanogramm THC pro Milliliter Blutserum gibt es endlich eine gesetzliche Orientierung. Doch was bedeutet das konkret für Konsumierende – und was für Cannabis-Patient:innen? Dieser Artikel liefert die wichtigsten Antworten – wissenschaftlich fundiert, verständlich erklärt und mit einem Blick auf die aktuellen Studien.



Seit dem 1. April 2024 ist Cannabis in Deutschland teilweise legalisiert – Erwachsene dürfen seither unter bestimmten Bedingungen Cannabis konsumieren und besitzen. Doch wer glaubt, dass die neue Gesetzeslage auch für den Straßenverkehr mehr Spielraum lässt, irrt: Am Steuer gelten weiterhin strenge Regeln. Wer bekifft Auto fährt, riskiert nach wie vor Punkte, Bußgeld – und im Zweifel den Führerschein.

Mit dem neuen Gesetz, das am 22. August in Kraft trat, gibt es nun einen offiziellen Grenzwert für THC im Blut. Das Ziel: mehr Rechtssicherheit für Konsumierende – ohne die Verkehrssicherheit zu gefährden. Denn während der Umgang mit Alkohol im Straßenverkehr seit Jahrzehnten durch die 0,5-Promille-Grenze geregelt ist, fehlte beim Cannabis lange eine vergleichbare Orientierung. Der bislang geltende Richtwert von 1,0 Nanogramm THC pro Milliliter Blutserum galt in der Fachwelt als problematisch – er war so niedrig angesetzt, dass er häufig noch Tage nach dem Konsum überschritten wurde, obwohl längst keine Rauschwirkung mehr vorlag. Expert:innen forderten daher seit Jahren eine realistischere Schwelle.

THC-Grenzwert im Straßenverkehr – was ist neu für Autofahrer?

Seit dem 22. August 2024 gilt ein gesetzlich festgelegter Grenzwert für THC im Straßenverkehr:

3,5 Nanogramm THC pro Milliliter Blutserum. Dieser Wert ist vergleichbar mit der 0,5-Promille-Grenze für Alkohol – er soll anzeigen, ab wann eine tatsächliche Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit wahrscheinlich ist.

Cannabis am Steuer: Konsequenzen bei Überschreitung des Grenzwerts

Null Toleranz für Fahranfänger

Für Menschen unter 21 Jahren und für alle in der zweijährigen Führerschein-Probezeit gilt ein generelles THC-Verbot am Steuer – unabhängig vom Blutwert. Bereits kleinste Mengen gelten als Verstoß.

Cannabis im Verkehr: Neue Bestimmungen und Bußgelder im Überblick

SituationErlaubt?Strafe bei Verstoß
< 3,5 ng/ml THC im BlutJa (für Erwachsene über 21)Keine
≥ 3,5 ng/ml THC im BlutNein500 € + Fahrverbot + Punkte
THC + AlkoholNein1.000 € + Fahrverbot + Punkte
Unter 21 Jahre / in ProbezeitNein – kein THC erlaubt250 € + Punkte

Wissenschaftliche Grundlage: Was hinter den 3,5 Nanogramm steckt

Der neue Grenzwert basiert auf den Empfehlungen einer von der Bundesregierung eingesetzten interdisziplinären Expertengruppe. Diese kommt zu dem Schluss: Ein THC-Wert von bis zu 3,5 Nanogramm pro Milliliter Blutserum sei bei erfahrenen Konsumierenden nicht mit einer signifikanten Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit verbunden – vergleichbar mit der Wirkung von etwa 0,5 Promille Alkohol. Der Wert markiert damit eine Grenze, bei der Verkehrssicherheit und Verhältnismäßigkeit aus Sicht der Fachleute miteinander vereinbar erscheinen.

Diagnose unklar: Das Problem mit der Messbarkeit

Dennoch bleibt die rechtliche und medizinische Lage kompliziert. Denn THC ist kein Stoff, der sich so einfach erfassen lässt wie Alkohol. Der Wirkstoff kann im Blut noch Tage nach dem Konsum nachweisbar sein – auch dann, wenn die akute Wirkung längst abgeklungen ist. Gleichzeitig fehlt bislang ein Verfahren, das – wie der Atemalkoholtest – zuverlässig misst, ob jemand aktuell beeinträchtigt ist.

Zwar werden alternative Testmethoden, etwa Speichelanalysen oder mobile Reaktionstests, diskutiert und in einzelnen Ländern bereits eingesetzt, doch gelten sie in Deutschland derzeit noch als nicht ausreichend validiert. Solange ein solcher Echtzeittest fehlt, bleibt der THC-Grenzwert ein statistischer Kompromiss.

Verantwortung bleibt entscheidend

Der neue Grenzwert schafft mehr Orientierung und schützt vor pauschaler Kriminalisierung. Doch er entbindet nicht von Verantwortung. Wer auf der sicheren Seite sein will, bleibt beim Fahren nüchtern. Bei Konsumierenden bleiben auch mit den neuen Regelungen, viele Fragen offen.

THC im Blut: Was bedeutet der Grenzwert in der Praxis?

Wie schnell der gesetzliche Grenzwert von 3,5 Nanogramm THC pro Milliliter Blutserum (entspricht etwa 2,3 ng/mL im Vollblut) erreicht wird, hängt von verschiedenen Faktoren ab – etwa vom Konsummuster, dem THC-Gehalt des Produkts, der Inhalationstiefe sowie der individuellen Stoffwechselrate. Gelegenheitskonsumierende erreichen bereits wenige Minuten nach dem Konsum Blutkonzentrationen von über 2 ng/mL, teils auch über 5 ng/mL – insbesondere bei hochdosierten Produkten und tiefer Inhalation. In einer Studie lagen die THC-Werte bei Gelegenheitskonsumierenden nach rund 3,3 Stunden unter 5 ng/mL und nach 4,8 Stunden unter 2 ng/mL.[1]

Die reine Nachweisbarkeit von THC im Blut bedeutet jedoch nicht automatisch, dass eine Person noch berauscht oder fahruntüchtig ist. Besonders bei regelmäßigem Konsum kann THC noch Tage nach dem letzten Konsum im Blut messbar sein – ohne dass zwingend eine Beeinträchtigung vorliegt.[1]

Mehrere Studien dokumentieren bei regelmäßig Konsumierenden Blutwerte über 2 ng/mL, selbst nach 6 bis 10 Tagen Abstinenz. In Einzelfällen ließ sich THC sogar noch 30 Tage nach dem letzten Konsum nachweisen.[1]

Der Grund dafür liegt im langsamen Abbau von THC – insbesondere bei häufigem Gebrauch. Der Wirkstoff lagert sich im Körperfett ein und wird von dort über längere Zeiträume hinweg wieder in den Blutkreislauf abgegeben.[1,2]

Bei Gelegenheitskonsum sinkt der THC-Wert im Blutserum meist innerhalb von 4 bis 6 Stunden unter die kritische Nachweisgrenze – abhängig von der Dosis und der Konsumform. Wer hingegen regelmäßig konsumiert, braucht dafür deutlich mehr Zeit – in vielen Fällen mehrere Tage, um sicher unter den gesetzlichen Grenzwert zu fallen.[1]

Eine pauschale Empfehlung zur Wartezeit lässt sich daher nicht geben. Besonders bei regelmäßigem oder medizinischem Konsum können dauerhaft erhöhte THC-Werte bestehen, auch wenn keine akute Wirkung mehr spürbar ist.[1]

Führerschein weg und MPU – wann ist das der Fall?

Ein einmaliger Verstoß gegen den neuen THC-Grenzwert von 3,5 Nanogramm pro Milliliter Blut führt nicht automatisch zum Entzug der Fahrerlaubnis, sondern zunächst zu einem Bußgeld von 500 Euro, einem Monat Fahrverbot und zwei Punkten in Flensburg. Der Führerschein wird dabei lediglich für 30 Tage entzogen, nicht dauerhaft. Strenger wird es bei wiederholten Verstößen oder bei Mischkonsum mit Alkohol – hier steigt nicht nur das Bußgeld, sondern auch das Risiko, dass die Führerscheinstelle eine medizinisch-psychologische Untersuchung (MPU) anordnet.

Wer diese MPU nicht besteht oder verweigert, verliert in der Regel dauerhaft die Fahrerlaubnis. Auch bei Fahranfänger:innen in der Probezeit oder unter 21 Jahren gilt: Schon bei geringen THC-Werten drohen Sanktionen, da hier ein striktes Cannabisverbot gilt – unabhängig vom Grenzwert. Wiederholte Verstöße führen auch in dieser Gruppe zur MPU-Pflicht und im Zweifel zum Führerscheinentzug.

Darüber hinaus kann die Fahrerlaubnis auch unabhängig vom gemessenen THC-Wert entzogen werden – etwa wenn jemand durch unsicheres Fahrverhalten auffällt, in einen Unfall verwickelt ist oder regelmäßig konsumiert, ohne eine klare Trennung von Konsum und Teilnahme am Straßenverkehr nachweisen zu können. Wer auf der sicheren Seite sein will, sollte also nicht nur unter dem Grenzwert bleiben, sondern im Zweifel ganz auf das Autofahren nach dem Kiffen verzichten.

"Die neue Rechtslage, wer aus welchen Gründen zur MPU muss, ist bei Cannabis weiterhin ähnlich unscharf wie die alte. Es liegt demnach weiterhin im Ermessen der kontrollierenden Beamt:innen und der Führerscheinbehörden, ob neben der Ordnungsbuße für die einmalige Rauschfahrt weiteres Ungemach in Form eines Idiotentests droht. Damit bleibt die MPU ein cannaphobes Damokles-Schwert", kritisiert Autor und Cannabis-Journalist Micha Knodt.

Medizinisches Cannabis und Auto fahren: Was gilt für Cannabis-Patienten?

Für Menschen, die Cannabis aus medizinischen Gründen einnehmen, gelten beim Autofahren andere Maßstäbe als für Konsumierende im Freizeitbereich – zumindest auf den ersten Blick. Denn grundsätzlich dürfen Cannabis-Patient:innen unter bestimmten Voraussetzungen am Straßenverkehr teilnehmen. Die rechtliche Grundlage hierfür ist in § 24a des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) geregelt. Demnach gilt: Wer ein Medikament auf ärztliche Verordnung einnimmt, handelt nicht ordnungswidrig – auch wenn der Wirkstoff THC die gesetzliche Grenze von 3,5 Nanogramm überschreitet.

Voraussetzung ist jedoch, dass die Einnahme bestimmungsgemäß erfolgt und keine verkehrssicherheitsrelevante Beeinträchtigung vorliegt. Das heißt: Die Patientin oder der Patient darf durch das Medikament nicht berauscht oder fahruntüchtig sein. Wer unter akuter Wirkung leidet – etwa Müdigkeit, verlangsamter Reaktion oder Koordinationsproblemen – darf nicht fahren, auch wenn das Cannabis ärztlich verschrieben wurde. In solchen Fällen kann die Polizei den Führerschein zumindest vorübergehend einziehen, bis ein medizinisch-psychologisches Gutachten (MPU) oder ein ärztlicher Nachweis über die Fahrtauglichkeit vorliegt.

Ein weiterer wichtiger Punkt: Ärztlich verordnetes Cannabis schützt nicht automatisch vor Sanktionen, wenn die Polizei im Einzelfall Zweifel an der Fahrtüchtigkeit äußert. Viele Ärzt:innen stellen auf Wunsch eine Fahrtauglichkeitsbescheinigung aus – rechtlich verpflichtend ist das nicht, kann aber im Zweifel vor Ort oder gegenüber der Führerscheinstelle helfen. Auch ein Cannabis-Ausweis für Patient:innen, wie ihn einige Patient:innenverbände empfehlen, kann im Fall einer Kontrolle zur besseren Einordnung beitragen – ersetzt aber nicht die Beurteilung der tatsächlichen Fahrtüchtigkeit.

Medizinisches Cannabis erlaubt also das Autofahren unter Auflagen. Entscheidend ist nicht allein die ärztliche Verordnung, sondern der Zustand der Person beim Fahren. Wer sich selbstkritisch einschätzt, keine akute Rauschwirkung verspürt und das Präparat über längere Zeit stabil eingenommen hat, darf in der Regel ein Fahrzeug führen. Im Zweifel gilt aber: lieber stehen lassen.

Kritik am Grenzwert: Viel Expertise, wenig Umsetzung

Während die Bundesregierung den neuen THC-Grenzwert als wichtigen Schritt hin zu mehr Rechtssicherheit feiert, äußern sich Fachleute, die an der Erarbeitung beteiligt waren, kritisch. Besonders die von der Regierung eingesetzte interdisziplinäre Expertengruppe, die über ein Jahr lang Empfehlungen für eine faire und wissenschaftlich fundierte Regelung ausgearbeitet hatte, zeigt sich enttäuscht. Zwar war der Grenzwert von 3,5 Nanogramm THC pro Milliliter Blutserum Teil ihres Papiers – er sei jedoch nicht das zentrale Element des Vorschlags gewesen.

„Im Mittelpunkt stand ein Speichelvortest“, erklärt Dr. Franjo Grotenhermen, Mitglied der Expertengruppe. Dieses Verfahren, das sich etwa in den Niederlanden bewährt habe, könne durch die Messung frischer Cannabinoid-Rückstände im Mundraum besser beurteilen, ob jemand tatsächlich unter akutem Einfluss steht oder lediglich Restwerte im Blut hat. „Man kann dann 5 oder 20 ng/ml THC im Blut haben und gilt trotzdem als fahrsicher, wenn der Speicheltest negativ ist“, so Grotenhermen. Diese Möglichkeit zur differenzierten Einschätzung sei im neuen Gesetz nicht berücksichtigt worden.

Deutlicher wird der Cannabis-Journalist Micha Knodt, der die gesetzliche Umsetzung scharf kritisiert. Im Interview mit avaay Medical bezeichnet er das Gesetz als verkürzt und populistisch. Der Gesetzgeber habe sich „den niedrigsten Wert aus dem 12-seitigen Gutachten herausgefischt“, so Knodt, und damit wesentliche Teile der fachlichen Empfehlungen ignoriert. Insbesondere der ursprüngliche Plan, THC im Verkehrsrecht ähnlich wie Alkohol zu behandeln, sei nicht konsequent umgesetzt worden. Laut Knodt entsprechen 3,5 ng/ml THC eher einem Blutalkoholwert von 0,2 Promille – während die Expertengruppe in ihrem Papier ausführlich darlege, dass etwa 7 Nanogramm mit 0,5 Promille, und 13,8 bis 18,4 ng mit 0,8 Promille vergleichbar seien – je nach Testkriterium.

Diese Einschätzung wird auch vom Deutschen Anwaltverein (DAV) geteilt. Rechtsanwalt Andreas Krämer verweist in einer Pressemitteilung [3] auf Studien, die zeigen, dass erst ab 2–4 ng/ml THC von einer tatsächlichen Beeinträchtigung ausgegangen werden kann. Der DAV sprach sich daher für abgestufte Grenzwerte zwischen 4 und 16 Nanogramm aus – analog zur Alkoholregelung, die zwischen 0,3 und 1,6 Promille verschiedene rechtliche Konsequenzen kennt.

Laut Knodt besonders brisant: Während es bei Alkohol klare juristische Kategorien für relative und absolute Fahruntüchtigkeit gibt, fehlen diese beim Cannabis völlig. Wer mit mehr als 3,5 ng/ml THC im Blut kontrolliert wird, begeht zwar eine Ordnungswidrigkeit – doch ob daraus eine Straftat wird, hängt vom Einzelfall ab, etwa vom Polizeiprotokoll oder der Einschätzung der Fahrerlaubnisbehörde. Für Knodt ist das ein strukturelles Defizit: „Die Verantwortung für eine juristisch konsistente Einordnung wird nun auf die Gerichte abgeschoben.“

Auch die politische Dimension ist für ihn spannend: Dass viele Vorschläge der Kommission – darunter auch der Speichelvortest – keinen Eingang ins Gesetz gefunden haben, sei möglicherweise auch taktischem Kalkül geschuldet. Höhere Grenzwerte hätten in der öffentlichen Wahrnehmung zu weich gewirkt – besonders innerhalb der SPD-Fraktion sei die 3,5-ng-Regelung schwer durchsetzbar gewesen, so Knodt. Man berufe sich nun zwar auf die wissenschaftliche Expertise, ignoriere jedoch ihre Substanz. „Frei nach dem Motto: Ich esse nur, was mir schmeckt – der Rest geht zurück.“


FAQ

Bei welchem THC-Wert ist der Führerschein weg?

Der Führerschein ist nicht automatisch dauerhaft weg, sobald der THC-Grenzwert von 3,5 Nanogramm pro Milliliter Blutserum überschritten wird – zumindest nicht beim ersten Verstoß. Erst bei wiederholten Verstößen, bei Mischkonsum mit Alkohol, bei Fahrfehlern oder auffälligem Verhalten kann die Fahrerlaubnisbehörde eine medizinisch-psychologische Untersuchung (MPU) anordnen. Bestehst du diese MPU nicht – oder verweigerst sie –, wird der Führerschein dauerhaft entzogen. Besonders streng sind die Regeln für Fahranfänger:innen in der Probezeit und für Menschen unter 21 Jahren: Für sie gilt eine Null-Toleranz-Regel – bereits jeder THC-Nachweis im Blut gilt als Verstoß. Auch hier kann es bei Wiederholung oder zusätzlichen Auffälligkeiten zum Führerscheinentzug kommen.

Wie kann ich meinen Führerschein nach der Cannabis-Legalisierung wiederbekommen?

Wer seinen Führerschein vor Einführung des neuen THC-Grenzwerts verloren hat, kann nicht automatisch auf eine Rückgabe hoffen – aber unter bestimmten Voraussetzungen lohnt sich ein Antrag auf Wiedererteilung oder Überprüfung des Falls. Entscheidend ist, ob die ursprüngliche Entscheidung heute unter den neuen rechtlichen Rahmenbedingungen noch Bestand hätte. Wer etwa wegen eines THC-Werts sanktioniert wurde, der nach heutigem Recht unter 3,5 ng/ml liegt, kann unter Umständen einen Antrag auf Überprüfung oder Wiedererteilung der Fahrerlaubnis stellen. Allerdings wird dabei stets geprüft, ob damals bereits Zweifel an der Fahrtüchtigkeit oder dem Trennungsvermögen vorlagen – etwa durch Mischkonsum, Ausfallerscheinungen oder regelmäßigen Konsum. Auch eine MPU kann weiterhin erforderlich sein. Die Erfolgschancen hängen vom Einzelfall ab – eine anwaltliche Beratung ist in jedem Fall sinnvoll. Die Cannabis-Legalisierung allein führt nicht automatisch zur Rückgabe des Führerscheins, kann aber eine Neubewertung erleichtern.

Wann muss ich nach Cannabiskonsum eine MPU machen?

Eine medizinisch-psychologische Untersuchung (MPU) wird nach Cannabiskonsum nicht automatisch angeordnet, aber immer dann, wenn die Fahrerlaubnisbehörde Zweifel an der Fahreignung oder am Trennungsvermögen zwischen Konsum und Autofahren hat. Das kann etwa bei wiederholtem Verstoß gegen den THC-Grenzwert, Mischkonsum mit Alkohol, Fahrfehlern, auffälligem Verhalten oder regelmäßigem Konsum der Fall sein. Auch Cannabis-Patient:innen mit ärztlichem Rezept können zur MPU verpflichtet werden, wenn der Verdacht besteht, dass sie unter akuter Rauschwirkung gefahren sind. Wer die MPU verweigert oder nicht besteht, verliert den Führerschein in der Regel dauerhaft.

Wie kann ich mich auf die MPU wegen THC vorbereiten?

Wer wegen eines THC-Verstoßes zur medizinisch-psychologischen Untersuchung (MPU) muss, sollte sich gut vorbereiten – denn ohne glaubhafte Verhaltensänderung bestehen viele nicht. Wichtig ist, das frühere Konsumverhalten ehrlich zu reflektieren und nachzuweisen, dass man heute verantwortungsvoll mit Cannabis und Straßenverkehr umgeht. Das gelingt am besten mit einer dokumentierten Abstinenz (z. B. durch Urinscreenings oder Haaranalysen über sechs bis zwölf Monate) oder – bei gelegentlichem Konsum – mit einem schlüssigen Nachweis darüber, dass man konsequent nicht fährt, wenn konsumiert wurde. In der MPU zählt vor allem, wie glaubwürdig man im psychologischen Gespräch erklären kann, warum es zum Verstoß kam, was sich seitdem geändert hat und wie man künftige Risiken ausschließt. Eine professionelle Vorbereitung, etwa durch Verkehrspsycholog:innen oder MPU-Beratungsstellen, ist deshalb sehr zu empfehlen.

Erwachsene dürfen seit der Teillegalisierung von Cannabis in Deutschland am 1. April 2024 legal bis zu 25 Gramm Cannabis zum Eigenkonsum in der Öffentlichkeit mit sich führen. In der eigenen Wohnung sind zusätzlich bis zu 50 Gramm getrocknetes Cannabis erlaubt. Außerdem ist es Erwachsenen gestattet, bis zu drei Cannabispflanzen für den privaten Gebrauch anzubauen – ebenfalls ausschließlich zum Eigenkonsum. Wichtig: Diese Mengen gelten nur für Personen ab 18 Jahren und ausschließlich für nicht-medizinischen, privaten Gebrauch. Der Besitz über die erlaubten Mengen hinaus ist weiterhin strafbar. Auch der Konsum bleibt in bestimmten Bereichen – etwa in Schulen, Fußgängerzonen (tagsüber) oder in der Nähe von Kindern und Jugendlichen – verboten.


Quelle

[1] Peng, Y. W., Desapriya, E., Chan, H. & Brubacher, J. R. (2020). Residual blood THC levels in frequent cannabis users after over four hours of abstinence: A systematic review. Drug and Alcohol Dependence, 216, 108177.

[2] Sharma, P., Murthy, P. & Bharath, M. M. S. (2012). Chemistry, Metabolism, and Toxicology of Cannabis: Clinical Implications. Iranian Journal of Psychiatry, 7(4), 149–156.

[3] Deutscher Anwaltverein. (2022, 17. August). PM VGT 2/22: Verkehrsrechtsanwälte: Nur berauschte Fahrer kriminalisieren.

Cannabisblüten kaufen: Alles, was Patienten wissen sollten

Seit der Teillegalisierung im Jahr 2024 hat sich vieles verändert – und doch bleibt der Zugang zu Medizinal-Cannabis für viele undurchsichtig. Wer legal Cannabisblüten kaufen möchte, sieht sich mit Diagnosen, Formularen und Fachbegriffen konfrontiert – und mit einem Markt, der streng reguliert, aber noch kaum erklärt ist. Dieser Artikel zeigt, wer theoretisch Cannabisblüten auf Rezept erwerben darf, wie der Weg dorthin aussehen kann, welche Sorten in Apotheken verfügbar sind – und worauf Patient:innen bei der Anwendung achten sollten.



Es beginnt mit einem Rezept. Ein paar Zeilen auf speziellem Papier, unterschrieben von einem Arzt oder einer Ärztin. Was folgt, ist mehr als ein Einkauf: Es ist ein Ausflug in ein medizinisches System, das sich im Umbau befindet – und in eine Kultur, die zwischen Neugier und Unsicherheit schwankt. Cannabisblüten zu kaufen ist heute legal – aber noch lange nicht alltäglich.

Cannabis – ein Stoff, zwei Welten

Die Cannabisblüte ist heute Symbol für zwei gegensätzliche Realitäten: Auf der einen Seite stehen kranke Patient:innen, die das getrocknete Pflanzenmaterial als Schmerzmittel oder Schlafhilfe nutzen. Auf der anderen Seite steht eine Konsumkultur, die lange im Schatten des Strafrechts existierte – und die nun, nach Jahrzehnten der Illegalität, vorsichtig ins Licht tritt.

Seit dem 1. April 2024 ist der Besitz und Anbau bestimmter Mengen Cannabis in Deutschland entkriminalisiert. Doch Cannabisblüten legal kaufen, das geht nach wie vor nur in Apotheken unter Vorlage eines gültigen Rezepts dafür. Denn THC ist in Deutschland nicht frei verkäuflich.

Wer in Deutschland Cannabisblüten mit THC legal erwerben möchte, kann dies seit dem Frühjahr 2017 auch auf Rezept tun – allerdings nicht im Vorbeigehen. Der Zugang zu medizinischem Cannabis auf Rezept ist möglich, aber er folgt einem klar geregelten, mitunter komplexen Verfahren. Es beginnt mit der Diagnose – und endet in einer Apotheke, die weiß, wie man Blüten lagert, prüft und dosiert.

Die medizinische Indikation: Voraussetzung für ein Cannabis-Rezept

Medizinisches Cannabis ist kein Allheilmittel. Und doch könnte es für Patient:innen ein Weg sein, chronisches Leiden zu lindern. Voraussetzung für ein Rezept ist eine sogenannte „schwerwiegende Erkrankung“. Darunter fallen unter anderem:

Wie werde ich Cannabispatient:in?

PATIENT:IN WERDEN

Ärzt:innen und Telemedizin: Ein wachsendes Netzwerk spezialisierter Anbieter

Lange galt: Wer medizinisches Cannabis wollte, musste erst einmal eine:n Ärzt:in finden, die oder der bereit war, es zu verschreiben. Viele Patient:innen scheiterten – an Vorurteilen, Unwissen oder schlichtem Zeitmangel in der Praxis. Vor allem, weil Cannabis bis zur Teillegalisierung 2024 noch auf einem Betäubungsmittelrezept ausgestellt wurde.

Heute ist das anders. Neben klassischen Haus- oder Fachärzt:innen gibt es inzwischen ein wachsendes Netz an Telemedizin-Plattformen, die sich auf Cannabistherapien spezialisiert haben. Die Telemediziner bieten Online-Fragebögen und digitale Sprechstunden mit ärztlicher Beratung, inklusive Diagnostik, Dokumentation und Rezeptausstellung. Cannabis-Rezepte werden zu den Patient:innen nach hause geschickt oder direkt an spezialisierte Apotheken übermittelt. Die Lieferung der verschriebenen Cannabisprodukte (Blüten, Extrakte, Konzentrate, Destillate etc.) erfolgt bis zur Haustür.

Tim Dresemann, Cannabis-Experte & Sommelier bei avaay Medical, ergänzt:

"Diese neuen Versorgungswege haben insbesondere für chronisch Kranke auf dem Land oder mobilitätseingeschränkte Patient:innen eine enorme Bedeutung. Viele Anbieter arbeiten zudem mit Partner-Apotheken zusammen, die Live-Bestände anzeigen – inklusive Sorten, THC- und CBD-Gehalt, Verfügbarkeit und Lieferzeit."

Cannabisblüten aus der Apotheke

Es gibt eine Vielzahl an Cannabisblüten in Apotheken. Hier tragen sie keine klangvollen Fantasienamen wie im Freizeitbereich, sondern nüchterne Bezeichnungen wie:

Die Zahlen geben den Gehalt an THC und CBD in Prozent an – 23/1 bedeutet 23 % THC und 1 % CBD.

Alle medizinischen Cannabisblüten stammen aus kontrolliertem pharmazeutischem Anbau – oft in Kanada, den Niederlanden oder Portugal. Sie werden geprüft auf Reinheit, Schimmel, Pestizide und Gehaltsschwankungen, bevor sie die Apotheke erreichen. Das Arzneimittelgesetz macht hier keinen Unterschied: Cannabisblüten unterliegen denselben Standards wie jedes andere Medikament.

Preise und Kostenerstattung: Ein Graubereich

Die Preise variieren je nach Sorte, Hersteller, Importweg und Apothekenaufschlag – zwischen 6 und 25 Euro pro Gramm sind üblich. Die gute Nachricht: Gesetzlich Versicherte können sich die Behandlung erstatten lassen – allerdings nur nach vorherigem Antrag bei der Krankenkasse. Und der wird nicht immer bewilligt.

Privatversicherte haben in der Regel bessere Chancen, allerdings hängt auch hier viel vom Vertrag und der medizinischen Begründung ab. Wer keine Erstattung erhält, muss die Behandlung selbst finanzieren.


💡Unser Tipp:

Mehr zum Thema Cannabis auf Rezept findest du auf unserer Seite "Wie werde ich Cannabis-Patient?".


Pflanzenkunde: Alles Wissenswerte über Cannabisblüten

Doch Cannabisblüten sind natürlich mehr als ein medizinisches Produkt. In erster Linie sind sie Teil einer bemerkenswerten Pflanze, die nicht nur wegen ihrer Wirkung, sondern auch aufgrund ihrer biologischen Beschaffenheit spannend ist. Sie bildet sowohl männliche als auch weibliche Blüten aus, die je nach Sorte entweder gemeinsam auf einer Pflanze oder getrennt auf männlichen und weiblichen Pflanzen wachsen.

Für den Anbau mit medizinischer Zielsetzung interessieren sich Züchterinnen und Züchter fast ausschließlich für die weiblichen Pflanzen. Der Grund: Die männlichen Blüten enthalten nur geringe Mengen der wirksamen Cannabinoide – ihre psychoaktive oder therapeutische Wirkung ist entsprechend schwach. Für medizinische Anwendungen sind sie daher von untergeordneter Bedeutung.

Allerdings haben auch sie ihren Platz: Die Fasern der männlichen Pflanzen gelten als robust und eignen sich hervorragend für die Herstellung von Textilien – ein klassisches Beispiel für die vielseitige Nutzbarkeit von Hanf.

Ganz anders die weiblichen Blüten: Sie enthalten eine deutlich höhere Konzentration an Wirkstoffen und bilden damit die Grundlage für viele medizinisch eingesetzte Cannabisprodukte.

Die Inhaltsstoffe

Die Blüten der Cannabispflanze sind ein komplexer Cocktail aus biologischen Substanzen, deren Zusammenspiel im sogenannten Entourage-Effekt besonders wirksam sein soll. Der Entourage-Effekt ist allerdings noch Gegenstand aktueller Forschung.[1] Es sind vor allem zwei Cannabinoide, die bisher im öffentlichen Diskurs und in der medizinischen Anwendung im Mittelpunkt stehen: THC und CBD.

THC

Tetrahydrocannabinol (THC) ist der bekannteste psychoaktive Wirkstoff der Pflanze – jener Stoff, der Cannabis seinen Ruf als Rauschmittel eingebracht hat. THC bindet an den Cannabinoidrezeptor CB1 und entfaltet dort seine ****Wirkung auf Gehirn und Körper.

CBD

Im Gegensatz dazu ist Cannabidiol (CBD) kein Rauschmittel, sondern legal erhältlich – vorausgesetzt, das Produkt enthält nicht mehr als 0,2 Prozent THC. CBD wird vor allem eine entspannende und entzündungshemmende Wirkung zugeschrieben.[2,3] Für viele Anwender:innen ist es genau dieser sanfte Effekt, der CBD attraktiv macht – auch ohne Rezept.

Weitere Cannabinoide und Terpene

Neben THC und CBD enthält die Cannabispflanze über hundert weitere Cannabinoide, ergänzt durch Terpene – flüchtige Duftstoffe, die nicht nur das charakteristische Aroma der Pflanze prägen, sondern ebenfalls Einfluss auf die Wirkung nehmen könnten. Auch hier gilt: Die Forschung ist noch nicht abgeschlossen.[4]


💡Unser Tipp:

Mehr zum Thema erfährst du in unserem Artikel über Terpene.


Aktivierung durch Wärme: Die Decarboxylierung

Cannabinoide entfalten ihre Wirkung nicht unmittelbar. Vor allem THC liegt in frischen Blüten in seiner Vorstufe THCA vor – eine Verbindung ohne psychoaktive Wirkung. Erst durch Erhitzen, die sogenannte Decarboxylierung, wird das wirksame THC freigesetzt.

Die optimale Temperatur liegt dabei zwischen 100 und 120 Grad Celsius. Überhitzung ist zu vermeiden – denn dabei könnten empfindliche Terpene verloren gehen. In der Praxis erfolgt die Decarboxylierung meist beim Konsum selbst, etwa beim Vaporisieren. In einigen Fällen jedoch wird sie bereits während der Arzneimittelherstellung durchgeführt.

Die Art der Einnahme beeinflusst die Wirkung erheblich: Während die orale Einnahme eine verzögerte, aber langanhaltende Wirkung erzeugen kann, kann inhaliertes THC schneller, aber kürzer wirken.

Dosierung: individuell, nicht intuitiv

Die Dosierung von Cannabisblüten verlangt Sorgfalt – und sollte stets in Rücksprache mit der behandelnden Ärztin oder dem Arzt erfolgen. Denn sowohl die Potenz der Sorte als auch die Art der Einnahme haben Einfluss auf Wirkung und Dauer.

FAQ

Was sind HHC-Blüten?

HHC-Blüten sind getrocknete Hanfblüten, die mit Hexahydrocannabinol (HHC) – einem halbsynthetischen Cannabinoid – angereichert wurden. Anders als natürliche THC-Blüten enthalten sie kein natürlich vorkommendes HHC, sondern werden nachträglich damit versetzt.

Nein. Seit dem 27. Juni 2024 ist es in Deutschland strafbar, HHC-Blüten zu kaufen, zu verkaufen, zu importieren oder zu exportieren. Auch Onlinehandel und Postversand sind betroffen. Der Besitz und Konsum von HHC-Blüten bleibt weiterhin legal.

💡Unser Tipp:

Mehr zum Thema findest du in unserem Artikel "Hype vorbei: Darum hat Deutschland HHC verboten".

Quellen

[1] Ferber, S. G., Namdar, D., Hen-Shoval, D., Eger, G., Koltai, H., Shoval, G., Shbiro, L., & Weller, A. (2020). The "entourage effect": Terpenes coupled with cannabinoids for the treatment of mood disorders and anxiety disorders. Current Neuropharmacology, 18(2), 87–96.

[2] Shannon, S., Lewis, N., Lee, H., & Hughes, S. (2019). Cannabidiol in anxiety and sleep: A large case series. The Permanente Journal, 23, 18–041.

[3] Atalay, S., Jarocka-Karpowicz, I., & Skrzydlewska, E. (2019). Antioxidative and anti-inflammatory properties of cannabidiol. Antioxidants, 9(1), 21.

[4] Hanuš, L. O., & Hod, Y. (2020). Terpenes/terpenoids in cannabis: Are they important? Medical Cannabis and Cannabinoids, 3(1), 25–60.

Zahlen und Fakten: Cannabiskonsum in Deutschland und weltweit

Zwischen medizinischer Hoffnung, gesellschaftlicher Akzeptanz und wachsender Regulierung hat sich das Bild von Cannabis in den letzten Jahren grundlegend verändert. Doch wie verbreitet ist der Konsum tatsächlich? Wer konsumiert, wie häufig und mit welchen Folgen? Ein Blick auf die aktuellen Daten aus Deutschland, Europa und der Welt zeigt: Der Cannabiskonsum ist längst kein Randphänomen mehr. Unsere Autorin Adele Hollmann – Cannabis Expertin und Senior Scientific Affairs Managerin



Cannabiskonsum – ein global verbreitetes Phänomen

Cannabis gehört zu den am häufigsten konsumierten psychoaktiven Substanzen weltweit. Auch in Europa bleibt der Cannabiskonsum auf hohem Niveau. Laut dem European Drug Report 2024 haben rund 8 % der Erwachsenen in der Europäischen Union im Alter von 15 bis 64 Jahren im vergangenen Jahr Cannabis konsumiert. Das entspricht etwa 22,8 Millionen Cannabiskonsumenten.

Besonders ausgeprägt ist der Konsum bei jungen Erwachsenen: In der Altersgruppe der 15- bis 34-Jährigen lag die Jahresprävalenz bei 15 %, bei den 15- bis 24-Jährigen sogar bei 18,6 %. Etwa 3,7 Millionen Menschen gelten als tägliche oder nahezu tägliche Konsumierende – also Menschen, die an 20 oder mehr Tagen im Monat Cannabis konsumieren. Auffällig ist auch, dass rund drei Viertel der Konsumierenden männlich sind und die Mehrheit unter 35 Jahre alt ist.[1]

Grafische Darstellung der Cannabiskonsumrate in der Europäischen Union: 8 % bei Erwachsenen (15–64 Jahre), 15 % bei jungen Erwachsenen (15–34 Jahre), 18,6 % bei jungen Erwachsenen (15–24 Jahre).

TimCannabis-Sommelier und Experte für Qualität und Patient:innenversorgung bei avaay Medical zu den Studienergebnissen:

"Diese Zahlen zum Konsumverhalten zeigen: Cannabis ist nicht mehr nur Randphänomen oder Teil jugendlicher Subkultur, sondern längst ein fester Bestandteil gesellschaftlicher Konsumrealität in Europa. Zugleich wird die Vielfalt der Cannabisprodukte – von klassischen Blüten über hochpotente Extrakte bis zu Edibles – größer, was neue Herausforderungen für Regulierung, Prävention und Gesundheitsaufklärung mit sich bringt."


Ein Blick in die Statistik: Cannabis-Konsum in Deutschland

Auch in Deutschland konsumieren viele Menschen Cannabis. Laut einer großen Umfrage aus dem Jahr 2021 hatten etwa 8,8 % der Erwachsenen zwischen 18 und 64 Jahren – also rund 4,5 Millionen Menschen – im vergangenen Jahr Cannabis konsumiert. Besonders häufig greifen junge Menschen zu Cannabis: Etwa jede vierte Person zwischen 18 und 25 Jahren hat laut der Erhebung im letzten Jahr gekifft. Bei Jugendlichen zwischen 12 und 17 Jahren war es etwa jede:r Zwölfte.[2]

Eine aktuelle Studie aus dem Jahr 2024 bestätigt diesen Trend. Demnach konsumierten 11,4 % der 14- bis 24-Jährigen und 8,2 % der 25- bis 39-Jährigen im letzten Jahr Cannabis. Insgesamt gaben 4,6 % aller Befragten ab 14 Jahren an, in den vergangenen zwölf Monaten konsumiert zu haben. Besonders häufig war der Konsum bei Menschen, die zusätzlich Tabak, E-Zigaretten oder Wasserpfeifen nutzen.[3]

Internationaler Vergleich: Zwischen Verbot und Legalisierung

Im internationalen Vergleich zeigt sich ein heterogenes Bild. Besonders hohe Konsumraten verzeichnet Israel mit rund 27 % der Bevölkerung. Auch in den USA (18 %), Kanada, Chile und Neuseeland sind die Werte deutlich höher als im europäischen Durchschnitt. In Europa gelten Frankreich und Spanien mit jeweils rund 11 % als Spitzenreiter, gefolgt von Italien. Die Niederlande, trotz ihrer liberalen Praxis, liegen mit etwa 9 % im Mittelfeld. In Ländern mit besonders strikter Drogenpolitik – wie Japan – sind belastbare Daten schwer zu erheben, der Konsum jedoch offenbar vergleichsweise niedrig.

Cannabis-Legalisierung 2024: Paradigmenwechsel in Deutschland

Mit der Teillegalisierung im April 2024 hat Deutschland eine neue Ära im Umgang mit Cannabis eingeläutet. Der Besitz von bis zu 25 Gramm zum Eigenkonsum in der Öffentlichkeit sowie der private Anbau von maximal drei Pflanzen sind für Erwachsene ab 18 Jahren legal. In der eigenen Wohnung dürfen bis zu 50 Gramm getrocknetes Cannabis aufbewahrt werden. Der Handel bleibt zunächst verboten; regionale Modellprojekte für den lizensierten Verkauf sind jedoch in Planung. Ziel der Reform ist neben einer besseren Kontrolle des Schwarzmarktes auch der Gesundheits- und Jugendschutz.

Fahrerlaubnis trotz Cannabiskonsum?

Mit der Teillegalisierung von Cannabis in Deutschland im April 2024 wurde auch die rechtliche Bewertung des Cannabiskonsums im Straßenverkehr neu justiert. Seit dem 22. August 2024 gilt ein gesetzlich verankerter THC-Grenzwert von 3,5 Nanogramm pro Milliliter Blutserum. Dieser Wert soll eine vergleichbare Risikobewertung wie ein Blutalkoholgehalt von 0,2 Promille ermöglichen und ersetzt den zuvor in der Rechtsprechung etablierten Grenzwert von 1,0 Nanogramm.

Für Fahranfänger:innen in der Probezeit sowie für Fahrer:innen unter 21 Jahren bleibt ein absolutes Cannabisverbot bestehen. Bei Verstößen droht ein Bußgeld von 250 Euro . Bei Überschreitung des THC-Grenzwerts von 3,5 Nanogramm werden 500 Euro Bußgeld, ein Monat Fahrverbot und zwei Punkte in Flensburg fällig. Bei Mischkonsum von Cannabis und Alkohol erhöht sich das Bußgeld auf 1.000 Euro .

Die Einführung des neuen Grenzwerts wurde von Expert:innen begrüßt, da der bisherige Wert von 1,0 Nanogramm als zu niedrig und nicht ausreichend differenzierend angesehen wurde. Der neue Grenzwert soll eine realistischere Einschätzung der Fahrtüchtigkeit ermöglichen und gleichzeitig die Verkehrssicherheit gewährleisten .

Trotz der neuen Regelungen bleibt die Empfehlung bestehen, nach dem Konsum von Cannabis eine ausreichende Wartezeit einzuhalten, bevor man ein Fahrzeug führt. Die genaue Dauer hängt von verschiedenen Faktoren ab, wie der Konsumhäufigkeit und der individuellen Stoffwechselrate. Im Zweifel sollte lieber länger gewartet werden, um die eigene Sicherheit, die Sicherheit anderer Verkehrsteilnehmer:innen und den Führerschein nicht zu gefährden.

Medizinische Nutzung von Cannabis: Therapeutische Chancen und ärztliche Verantwortung

Seit 2017 dürfen Ärztinnen und Ärzte in Deutschland medizinisches Cannabis verschreiben – zunächst nur unter strengen Voraussetzungen und meist verbunden mit langwierigen Genehmigungsverfahren. Mit der Teillegalisierung im April 2024 hat sich die Lage deutlich verändert: Cannabis zu medizinischen Zwecken gilt seither nicht mehr als Betäubungsmittel, was den bürokratischen Aufwand erheblich reduziert und die Verordnung von Cannabis im Praxisalltag erleichtert.

Zum Einsatz kommt medizinisches Cannabis unter anderem bei chronischen Schmerzen, Spastik, Anorexie oder Wasting und Übelkeit oder Erbrechen. Auch in der Palliativmedizin gewinnt es an Bedeutung.[4] Die Behandlung erfolgt in ärztlicher Verantwortung – individuell abgestimmt auf den Gesundheitszustand der Patientin oder des Patienten, häufig auch in Kombination mit anderen Therapien.

Zwar zeigen Studien ein vielversprechendes therapeutisches Potenzial doch die Datenlage ist in vielen Bereichen noch begrenzt. Fachgesellschaften raten daher zu einer sorgfältigen Indikationsstellung und einer engmaschigen ärztlichen Begleitung – nicht zuletzt wegen möglicher Nebenwirkungen oder Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten.

Cannabiskonsum zwischen Alltag und Aufklärung

Der Cannabiskonsum ist in Deutschland und vielen Teilen der Welt zur Normalität geworden – besonders unter jungen Erwachsenen. Die Legalisierung in Deutschland markiert dabei nicht nur einen politischen Paradigmenwechsel, sondern spiegelt auch eine gesellschaftliche Realität wider, die längst existierte. Doch mit der Entkriminalisierung wächst auch die Verantwortung: für Aufklärung, für gesundheitliche Prävention und für den Schutz besonders vulnerabler Gruppen.

Die aktuellen Daten zeigen: Cannabis ist weder harmlos noch pauschal gefährlich. Entscheidend sind Konsummuster, Alter und Kontext. Während Gelegenheitskonsum bei Erwachsenen oft folgenlos bleibt, ist intensiver oder früher Einstieg mit Risiken für Psyche, Gesundheit und Alltag verbunden.[5,6] Der gesellschaftliche Umgang mit Cannabis steht damit an einem Wendepunkt – zwischen Pragmatismus und Prävention, zwischen liberaler Haltung und gesundheitspolitischer Verantwortung.

Unser Tipp: Mehr zum Thema erfahrt ihr in unserem Artikel "Der neue Blick auf den Cannabis-Konsum".


FAQ

In welchem Land ist die Nutzung von Cannabis am weitesten verbreitet?

In Israel konsumieren ganze 27 % der Bevölkerung Cannabis, und das, obwohl Cannabis dort eigentlich illegal ist. Allerdings wird der Konsum dort toleriert und nicht streng verfolgt.

Wann wird einem der Führerschein wegen Cannabiskonsum entzogen?

Seit August 2024 gilt in Deutschland ein gesetzlicher THC-Grenzwert von 3,5 Nanogramm pro Milliliter Blutserum. Wird dieser bei einer Verkehrskontrolle überschritten, drohen Bußgeld, Fahrverbot und Punkte in Flensburg. Besonders streng wird es bei Mischkonsum mit Alkohol – hier reicht oft schon ein geringer THC-Wert für empfindliche Strafen. Für Fahranfänger:innen unter 21 Jahren oder in der Probezeit gilt ein absolutes Cannabisverbot am Steuer. Wer regelmäßig konsumiert oder im Straßenverkehr auffällig wird, kann auch unabhängig von einem Grenzwert zur Medizinisch-Psychologischen Untersuchung (MPU) aufgefordert werden. Fällt diese negativ aus, ist der Führerschein weg. Für Patient:innen mit ärztlich verordnetem Cannabis gelten Ausnahmen – sie dürfen aber keine Ausfallerscheinungen zeigen.

Wie lange sollte ich nach Cannabiskonsum kein Auto fahren?

Nach einmaligem Konsum solltest du mindestens 24 Stunden warten, bevor du dich wieder ans Steuer setzt. Bei häufigem oder regelmäßigem Konsum können jedoch mehrere Tage notwendig sein – teilweise 48 bis 72 Stunden oder länger, bis der THC-Wert im Blut wieder unter den gesetzlichen Grenzwert von 3,5 ng/ml Serum fällt.

Wie viel ist "gelegentlicher Cannabiskonsum"?

"Gelegentlicher Cannabiskonsum" ist ein Begriff, der häufig in medizinischen, juristischen und verkehrsrechtlichen Kontexten verwendet wird – aber nicht eindeutig gesetzlich definiert ist. Als gelegentlich gilt in der Regel ein Konsum von ein- bis zweimal im Monat, manchmal auch bis zu einmal pro Woche – sofern keine Abhängigkeit oder regelmäßige Gewohnheit vorliegt. Wichtig ist dabei, dass zwischen den Konsumereignissen jeweils ausreichend lange Pausen liegen und kein dauerhafter THC-Spiegel im Körper aufgebaut wird.


Quellen

[1] European Monitoring Centre for Drugs and Drug Addiction (2024), European Drug Report 2024: Trends and Developments

[2] Rauschert, C. et al. (2022). The use of psychoactive substances in Germany—findings from the Epidemiological Survey of Substance Abuse 2021. Deutsches Ärzteblatt International, 119, 527–534.

[3] Kotz, D. et al. (2024). Cannabis use in Germany: Frequency, routes of administration, and co-use of inhaled nicotine or tobacco products. Deutsches Ärzteblatt International, 121, 52–57.

[4] Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM). (2022). Abschlussbericht der Begleiterhebung nach § 31 Absatz 6 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch zur Verschreibung und Anwendung von Cannabisarzneimitteln.

[5] Karila, L. et al. (2013). Acute and long-term effects of cannabis use: A review. Current Pharmaceutical Design, 20(25).

[6]  Gowin, J. L. et al. (2025). Brain function outcomes of recent and lifetime cannabis use. JAMA Network Open, 8(1), e2457069.

Trichome: Die Kraftwerke der Cannabispflanze

Wer sich mit Cannabis auseinandersetzt, stößt früher oder später auf einen Begriff, der in der Fachwelt längst als Schlüssel zur Wirkung der Pflanze gilt: Trichome. Diese mikroskopisch kleinen Strukturen sind nicht nur für das frostige, harzige Aussehen hochwertiger Cannabisblüten verantwortlich, sondern beherbergen auch die wertvollsten Inhaltsstoffe der Pflanze. Cannabinoide, Terpene, Flavonoide – all das, was Cannabis seine Potenz, seinen Duft und seine Wirkung verleiht, wird in diesen winzigen Drüsen produziert. Doch wie entstehen Trichome? Welche Funktion haben sie in der Natur? Und warum sind sie für die medizinische Nutzung von Cannabis so entscheidend?



Trichome: Die Natur als Chemikerin

Trichome, auch als Pflanzenhaare bekannt, sind winzige, haarähnliche Strukturen auf der Oberfläche von Pflanzen. Sie unterscheiden sich in Größe, Form und Dichte und übernehmen je nach Art verschiedene Schutz- und Abwehrfunktionen. Doch Trichome sind nicht nur ein Phänomen in der Welt der Cannabispflanze. Auch andere Pflanzenarten bilden diese Ausstülpungen. Sie verhindern eine übermäßige Verdunstung von Wasser, wehren Fressfeinde ab oder wirken als natürlicher Schutz gegen UV-Licht. Bei Cannabis übernehmen sie eine besondere Aufgabe: Sie produzieren das psychoaktive Tetrahydrocannabinol (THC) sowie das nicht berauschende Cannabidiol (CBD) und viele weitere Cannabinoide.

Die Entstehung der Trichome beginnt mit der Blütezeit der Pflanze. Sobald die Lichtzyklen auf Blüte umgestellt werden, bilden sich die ersten harzigen Drüsen – zunächst klar und durchsichtig, dann zunehmend milchig-trüb. Im Inneren der Drüsen finden komplexe biochemische Prozesse statt, die zur Synthese von Cannabinoiden und Terpenen führen. Das Endprodukt ist das Harz, das auf den Blüten und Blättern sichtbar wird und die charakteristische Klebrigkeit von Cannabis verursacht.

Ein Blick unter das Mikroskop: Verschiedene Arten von Trichome

Trichome sind nicht gleich Trichome. Botaniker unterscheiden mehrere Arten, die sich in Form, Größe und Funktion unterscheiden:

Kopfsegge-gestielte Trichome

Dies sind die wichtigsten Trichome der Cannabispflanze. Sie bestehen aus einem langen Stiel und einem drüsenartigen Trichomkopf, in dem die Hauptmenge an Cannabinoiden produziert wird. Sie können mit bloßem Auge als winzige Kristalle erkannt werden und sind für das „frostige“ Aussehen von Cannabis verantwortlich.

Kopfsegge-stiellose Trichome

Diese Trichome sind kleiner und sitzen direkt auf der Oberfläche der Pflanze. Sie produzieren ebenfalls Cannabinoide, allerdings in geringeren Mengen.

Knollen-Trichome

Die kleinste und einfachste Form von Trichomen. Sie bedecken die gesamte Pflanze, spielen aber bei der Wirkstoffproduktion eine untergeordnete Rolle.

Infografik mit dem Titel „Trichome: Arten und Funktionen in der Cannabispflanze“.
Zentral steht ein Kasten mit dem Begriff Trichome, links und rechts davon führen gepunktete Verbindungslinien zu zwei Kategorien:
	•	Arten von Trichomen (mit Blattsymbol):
– Kopfsegge-gestielte Trichome
– Kopfsegge-stiellose Trichome
– Knollen-Trichome
	•	Funktionen von Trichomen (mit Symbol einer schützenden Tropfenstruktur):
– Schutz vor Verdunstung
– Abwehr von Fressfeinden
– Produktion von Cannabinoiden


Die Visualisierung ordnet die biologischen Funktionen klar den jeweiligen Trichom-Typen zu und fasst den Inhalt des dazugehörigen Textabschnitts prägnant zusammen.

Farbveränderung der Cannabis-Trichome: Wann ist der Zeitpunkt für die Ernte?

Für erfahrene Cannabis-Züchter:innen ist die Farbe der Trichome ein zuverlässiges Erntesignal. Sie gibt Auskunft darüber, wann die Cannabispflanzen ihren maximalen Cannabinoidgehalt erreicht haben und welche Art von Wirkung zu erwarten ist.

Die Wahl des Erntezeitpunkts ist somit keine reine Formsache, sondern beeinflusst das Endprodukt maßgeblich.

„Bei avaay setzen wir auf höchste Qualität – und das inkludiert natürlich die Ernte. Unsere erfahrenen Partner-Grower ernten die Cannabisblüten genau dann, wenn die Trichome den optimalen Reifegrad erreicht haben. So stellen wir sicher, dass die Cannabinoide und Terpene ihr volles Potenzial entfalten.“ – Adele, Cannabis Expertin & Senior Scientific Affairs Managerin bei avaay Medical

Trichome und medizinisches Cannabis

Für die medizinische Anwendung von Cannabis spielen Trichome eine zentrale Rolle – und das aus gutem Grund. Sie enthalten nicht nur die bekannten Cannabinoide Tetrahydrocannabinol (THC) und Cannabidiol (CBD), sondern auch eine Vielzahl weiterer sekundärer Pflanzenstoffe, die über ihre eigene Wirkung hinaus das therapeutische Potenzial von Cannabis beeinflussen.

Der Entourage-Effekt: Wenn Cannabistrichome mehr sind als die Summe ihrer Teile

Der Entourage-Effekt beschreibt eine wissenschaftliche Hypothese, nach der Cannabinoide, Terpene und Flavonoide sich gegenseitig beeinflussen könnten und dadurch möglicherweise die therapeutische Wirkung von Cannabis verbessern. Die Forschung deutet darauf hin: Cannabinoide und Terpene sowie Flavonoide wirken nicht isoliert, sondern beeinflussen sich gegenseitig. Dies bedeutet, dass THC und CBD – die bekanntesten Wirkstoffe – nicht nur allein betrachtet werden sollten, sondern in Kombination mit anderen Stoffen, die in den Trichomen produziert werden.

Dieser synergetische Effekt könnte erklären, warum einige Patient:innen mit Vollspektrum-Cannabisextrakten bessere Ergebnisse erzielen als mit isolierten Wirkstoffen. Die Kombination mehrerer Substanzen könnte die therapeutische Wirkung verstärken und Nebenwirkungen reduzieren – ein Effekt, den die Forschung zunehmend in den Blick nimmt.[7]

Zukunft der Forschung: Trichome als Schlüssel für die personalisierte Cannabismedizin?

Die Erforschung der Trichome und ihrer chemischen Zusammensetzung steht noch am Anfang. Während THC und CBD bereits gut untersucht sind, gibt es zahlreiche weitere Cannabinoide, Terpene und Flavonoide, die bislang nur in Ansätzen erforscht wurden.

Besonders in der medizinischen Anwendung könnte dies eine Revolution der Cannabistherapie bedeuten:

Können Trichome „verloren gehen“?

Ein Problem, mit dem sowohl medizinische Anwender:innen als auch Freizeitkonsument:innen konfrontiert sind: Trichome sind empfindlich. Durch falsche Lagerung oder unsachgemäße Verarbeitung können sie abgebaut werden, was zu einem Qualitätsverlust des Cannabis führt.

Wer Cannabis optimal lagern möchte, sollte daher auf dunkle, kühle und luftdichte Behälter setzen. Mehr zum Thema findest du in unserem Artikel "Cannabis lagern".

Fazit: Trichome – Der Schlüssel zur Cannabis-Wirkung

Trichome sind weit mehr als nur eine frostige Schicht auf Cannabisblüten – sie sind das Zentrum der Wirkung. Ihre Zusammensetzung bestimmt Potenz, Aroma und medizinische Einsatzmöglichkeiten. Für Grower:innen sind sie der wichtigste Ernte-Indikator, für Konsument:innen ein Qualitätsmerkmal und für die Wissenschaft ein noch unerforschter Baukasten aktiver Verbindungen.

Besonders in der Medizin zeigt sich ihr Potenzial: Das Zusammenspiel von Cannabinoiden, Terpenen und Flavonoiden macht Cannabis einzigartig. Die Forschung steckt noch in den Anfängen, doch vieles deutet darauf hin, dass die Zukunft der Cannabismedizin nicht in isolierten Wirkstoffen, sondern in der gezielten Nutzung der gesamten chemischen Vielfalt der Trichome liegt.


FAQ

Kann man Trichome mit einer Lupe sehen?

Trichome lassen sich mit einer Lupe erkennen, besonders die größeren kopfgestielten Trichome, die eine pilzartige Form haben. Eine normale Lupe mit 10-facher Vergrößerung kann bereits Details sichtbar machen, jedoch sind Juwelierlupen (30x–60x) oder digitale Mikroskope besser geeignet, um die Farbe und Reife der Trichome präzise zu bestimmen. Mit bloßem Auge sind Trichome nur als feine, frostige Schicht auf den Blüten erkennbar, aber nicht in ihren Details. Besonders die kleineren knolligen und stiellosen Trichome sind ohne Vergrößerung unsichtbar. Die größeren kopfgestielten Trichome können als winzige, glänzende Punkte wahrgenommen werden, doch um ihre genaue Struktur und Farbveränderung zu erkennen, braucht es eben mehr.

Wie sehen erntereife Trichome aus?

Trichome gelten als erntereif, wenn etwa 70 % milchig und 30 % klar sind. Ein weiterer Reifegrad ist erreicht, wenn etwa 70 % milchig und 30 % bernsteinfarben erscheinen. Sind über 50 % der Trichome bernsteinfarben, beginnt laut Erfahrungswerten eine Umwandlung von THC zu anderen Cannabinoiden wie CBN. Die genaue Beurteilung erfolgt mithilfe einer Lupe oder eines Mikroskops.

Sind milchige Trichome gut?

Milchige Trichome gelten als idealer Erntezeitpunkt für Cannabispflanzen, da sie darauf hinweisen, dass der THC-Gehalt seinen Höhepunkt erreicht hat: In diesem Stadium ist die Pflanze besonders potent. Milchige Trichome deuten darauf hin, dass das Cannabinoid-Profil ausgereift ist und die Terpene ihr volles Aroma entfaltet haben.

Wie lange bleiben Trichome milchig?

Trichome bleiben nur für eine begrenzte Zeit milchig, bevor sie sich allmählich bernsteinfarben verfärben. Dieser Zeitraum variiert je nach Cannabissorte und Wachstumsbedingungen, beträgt aber in der Regel etwa ein bis zwei Wochen. In dieser Phase hat die Pflanze ihren höchsten THC-Gehalt erreicht, bevor das THC langsam zu CBN abgebaut wird. Es ist ratsam, die Pflanze regelmäßig mit einer Lupe oder einem Mikroskop zu überprüfen, um den optimalen Erntezeitpunkt nicht zu verpassen.


Quellen

[1] do Vale, T. G., Furtado, E. C., Santos, J. G., Jr., & Viana, G. S. (2002). Central effects of citral, myrcene and limonene, constituents of essential oil chemotypes from Lippia alba (Mill.) n.e. Brown. Phytomedicine, 9(8), 709–714.

[2] Lorenzetti, B. B., Souza, G. E., Sarti, S. J., Santos Filho, D., & Ferreira, S. H. (1991). Myrcene mimics the peripheral analgesic activity of lemongrass tea. Journal of Ethnopharmacology, 34(1), 43–48.

[3] Harada, H., Kashiwadani, H., Kanmura, Y., & Kuwaki, T. (2018). Linalool odor-induced anxiolytic effects in mice. Frontiers in Behavioral Neuroscience, 12, 241.

[4] Utpal, B. K., Sutradhar, B., Zehravi, M., Sweilam, S. H., Durgawale, T. P., Venkata Arjun, U. V. N., Shanmugarajan, T. S., Kannan, S. P., Prasad, P. D., Usman, M. R. M., Reddy, K. T. K., Sultana, R., Alshehri, M. A., Rab, S. O., Suliman, M., & Emran, T. B. (2025). Cellular stress response and neuroprotection of flavonoids in neurodegenerative diseases: Clinical insights into targeted therapy and molecular signaling pathways. Brain Research, 1847, 149310.

[5] Li, S., Li, W., Malhi, N. K., Huang, J., Li, Q., Zhou, Z., Wang, R., Peng, J., Yin, T., & Wang, H. (2024). Cannabigerol (CBG): A comprehensive review of its molecular mechanisms and therapeutic potential. Molecules, 29(22), 5471.

[6] Sepulveda, D. E., Vrana, K. E., Kellogg, J. J., Bisanz, J. E., Desai, D., Graziane, N. M., & Raup-Konsavage, W. M. (2024). The potential of cannabichromene (CBC) as a therapeutic agent. *Journal of Pharmacology and Experimental Therapeutics, 391*(2), 206–213.

[7] Christensen, C., Rose, M., Cornett, C., & Allesø, M. (2023). Decoding the postulated entourage effect of medicinal cannabis: What it is and what it isn't. Biomedicines, 11(8), 2323.

Cannabis Sativa L. – Ursprung der geschichtsträchtigen Pflanze

Von Ritualpflanze bis Rohstoffwunder – die Geschichte von Cannabis Sativa L. ist lang, vielfältig und aktuell wie nie. Über 12.000 Jahre begleitet die Cannabispflanze den Menschen: als Nahrung, Medizin, Textilrohstoff – und seit 2024 auch legalisiert im Alltag von Menschen in Deutschland. Doch woher stammt diese Pflanze ursprünglich? Wie unterscheiden sich ihre Arten? Und was bedeutet die Legalisierung für ihre Nutzung? Dieser Artikel beleuchtet Ursprung, Wachstum und Vielfalt von Cannabis – und zeigt, warum die Pflanze heute mehr denn je im Fokus steht.

Key Facts

Seit mehr als 12.000 Jahren wird die Cannabispflanze (auch als Kultur-Hanf oder Cannabis Sativa L. bezeichnet) von Menschen kultiviert und für verschiedene Zwecke genutzt. Bis vor Kurzem war die Herkunft bzw. das Ursprungsland der Cannabispflanze stark umstritten – die Meinungen changierten zwischen Zentralasien, Amerika oder Europa.

Die Forschung des US-amerikanischen Wissenschaftlers John M. McPartland bringt neue Klarheit in die Frage nach dem Ursprung von Cannabis Sativa L.: Mithilfe biogeografischer Analysen und archäologischer Funde konnte sein Team das Ursprungsgebiet der Pflanze eindeutig nach Zentralasien verorten. Besonders die Verbreitung wilder Cannabispopulationen lieferte dabei entscheidende Hinweise auf den botanischen Ursprung.

Unsere Vorfahren nutzten die Cannabispflanze für allerlei Zwecke, kultivierten diese in fruchtbarer Erde und beeinflussten das Wachstum sowie die Wetterbeständigkeit der Pflanze. Archäologische Funde zeugen ebenfalls von einer frühzeitlichen Nutzung der Cannabispflanze in Deutschland. Eisenberg gilt als der **älteste Hanf-Fundort Deutschlands:** Dort wurden Cannabissamen entdeckt, die auf etwa 5.500 v. Chr. datiert werden und auf einen Hanfgebrauch durch die ersten Kulturen der Jungsteinzeit schließen lassen. (Stand der Quelle: 16.04.2025)

Wie werde ich Cannabispatient:in?

PATIENT:IN WERDEN

Wie männliche und weibliche Cannabispflanzen wachsen – und was sie unterscheidet

Cannabis Sativa L. ist global am weitesten verbreitet und findet sich zumeist in der Äquator-Gegend, da dort konstante klimatische Bedingungen herrschen und die Cannabispflanze mitsamt ihrer Blüten permanent an Höhe gewinnen kann.

Cannabispflanzen gedeihen am besten in nährstoffreichen Böden mit einem pH-Wert zwischen 6 und 7,5. Besonders günstig wirkt sich zudem ein äquatoriales Klima aus – dort können die Pflanzen gleichzeitig wachsen und blühen, was die Wachstumszyklen verkürzen und die botanische Entwicklung fördern kann.

Cannabispflanzen lassen sich in männliche und weibliche Exemplare unterscheiden – und beide bringen unterschiedliche Eigenschaften mit. Weibliche Pflanzen wachsen meist etwas kompakter und brauchen etwas länger bis zur Blüte, dafür entwickeln sie die begehrten Blütenknospen. Ihre Struktur ist insgesamt feingliedriger. Männliche Pflanzen hingegen bilden kleine, bananenförmige Pollensäcke aus, die sich kurz vor dem Pollenflug sichtbar ausstülpen – meist entlang des Stamms. Ihr cremefarbener Blütenstaub erreicht dank ihrer meist größeren Wuchshöhe problemlos die weiblichen Pflanzen in der Umgebung.

In freier Natur kann eine männliche Cannabis Sativa L. bis zu sechs Meter hoch wachsen, während die weibliche Variante in der Regel bei vier bis fünf Metern ihr Maximum erreicht. Auch bei den Fasern zeigen sich Unterschiede: Männliche Hanfpflanzen liefern weichere, feinere Fasern, die sich ideal für Textilien wie Hemden, Bettwäsche oder Tücher eignen. Weibliche Fasern hingegen sind grober und robuster – perfekt für Produkte wie Segeltuch, Säcke oder strapazierfähige Stoffe.

Die vier Lebensphasen von Cannabis Sativa L.: Von der Keimung bis zur Blüte

  1. Keimphase: Bereits ein bis zwei Wochen nach dem Einsetzen beginnt sich der Cannabis-Samen zu öffnen: Aus der unscheinbaren, braun-harten Hülle wächst ein zarter Keimling heran – der erste sichtbare Schritt auf dem Weg zur ausgewachsenen Pflanze.
  2. Setzlingsphase: Aus dem gekeimten Samen wächst ein kleiner Setzling heran. In dieser Phase ist die Cannabispflanze Krankheiten und Schädlingen in besonderem Maße ausgeliefert. Nach zwei bis vier Wochen haben sich schließlich Wurzeln und die ersten Blätter gebildet.
  3. Vegetationsphase: Dies ist die Hauptwachstumsphase der Cannabis-Pflanze. Innerhalb eines Tages kann sie bis zu 5 cm wachsen – je nach klimatischen Bedingungen. Licht spielt in der Vegetationsphase eine übergeordnete Rolle, da die Pflanze über 12 Stunden Sonnenlicht benötigt. Ideal für Cannabis Sativa L. ist daher die Gegend entlang des Äquators, da die Lichtverhältnisse das gesamte Jahr konstant vorherrschen. Innerhalb von zwei bis vier Wochen setzt schließlich die letzte Phase der Cannabispflanze ein.
  4. Blütephase: Die Blütephase ist die letzte Phase im Leben der Cannabispflanze. Maßgeblich geht es in diesem Abschnitt um den Lebenserhalt bzw. die Weitergabe der Gene. Hier zeigt sich nun das Geschlecht von Cannabis Sativa L. Die Blütephase dauert zwischen 4 und 12 Wochen und endet mit dem Tod der Pflanze.
Illustration mit dem Titel „Lebenszyklus der Cannabispflanze“.
Eine geschwungene Straße symbolisiert die vier Wachstumsphasen der Pflanze – von unten nach oben:	1.	Keimphase: Der Samen beginnt zu keimen und ein zarter Sprössling erscheint.	2.	Setzlingsphase: Die junge Pflanze entwickelt erste Blätter und ist noch anfällig.	3.	Vegetationsphase: Die Pflanze wächst kräftig und benötigt über 12 Stunden Licht täglich.	4.	Blütephase: Die Pflanze erreicht ihre Reife, zeigt ihr Geschlecht und vollendet ihren Zyklus.
Jede Phase ist mit einem passenden Icon markiert (z. B. Blatt, Sonne, Blüte) und kurz beschrieben. Die visuelle Darstellung folgt dem natürlichen Wachstumsverlauf der Cannabispflanze.

Etymologie und Systematik von Cannabis Sativa L.

Cannabis Sativa L., auch bekannt als gewöhnlicher Hanf (Cannabis), gehört zur Familie der Hanfgewächse (Cannabaceae) und wird innerhalb der Pflanzenwelt der Ordnung der Rosales – also den rosenartigen Bedecktsamern – zugeordnet. Die Pflanze setzt sich aus Samen, Fasern, Blättern und Blüten zusammen – und genau diese Vielfalt macht sie botanisch wie auch kulturell so spannend.

Früher wurde Cannabis Sativa L. oft als „indischer Hanf“ bezeichnet – eine Bezeichnung, die heute überholt ist. Denn mittlerweile unterscheidet man zwischen drei Haupttypen: Cannabis Sativa L., Cannabis Indica und Cannabis Ruderalis. Ob Indica dabei eine eigene Art oder lediglich eine Unterart von Sativa ist, wird bis heute wissenschaftlich diskutiert.

In ihrer natürlichen Form enthält Cannabis Sativa L. unter 5 % THC (Delta-9-Tetrahydrocannabinol) – im Vergleich zu modernen Züchtungen gilt sie also als eher mild. Der Name „Sativa“ stammt aus dem Lateinischen und bedeutet so viel wie „angebaut“ oder „kultiviert“.

Und noch ein kleiner Exkurs für alle, die’s genau wissen wollen: Das „L.“ im botanischen Namen ehrt den schwedischen Naturforscher Carl von Linné. Er war einer der Väter der modernen biologischen Klassifikation – und auch Cannabis hatte es ihm einst wissenschaftlich angetan.

Cannabis-Arten im Überblick

Der Ursprung der Cannabispflanze – und somit aller Cannabis-Sorten – liegt in Zentralasien. Von dort aus verbreitete sich die Pflanze in alle Teile dieser Welt. Während die ursprüngliche Form der Cannabispflanze einen eher geringen THC-Gehalt besaß, wurde dieser durch zahlreiche Kreuzungen künstlich erhöht.

In den 1970er und 1980er Jahren entwickelten Züchter aus aller Welt hybride Kreuzungen der Cannabispflanze, die schließlich zu populären Cannabis-Sorten wie "Purple Haze", "Cheese", "Cookie" oder "California" wurden. Den verschiedenen Cannabis-Sorten wird oftmals eine individuelle Eigenschaft bzw. Wirkung zugesprochen. Für einen Laien ist es dabei schwierig, Cannabis-Sorten zu erkennen – oder diese auseinanderzuhalten.

Cannabis Sativa L.

Cannabis Sativa L. ist die Mutter der Cannabispflanze, besitzt schmale bis längliche Blätter und wird in zahlreiche Cannabis-Sativa-Sorten unterteilt. Die Cannabis-Sativa-Samen enthalten wertvolles Eiweiß und Proteine, sowie Vitamine, Aminosäuren und ungesättigtes Omega-3. Dies scheint auch der Grund für unsere Vorfahren gewesen zu sein, Cannabis Sativa L. zu kultivieren und als Nahrungsmittel zu nutzen. Das auch als Nutzhanf bezeichnete Cannabis Sativa L. ist eine einjährige Pflanze, die vom Samen bis zur Blüte etwa sechs Monate benötigt.

Cannabis Indica

Cannabis Indica wurde im Jahr 1785 von dem französischen Biologen Jean Baptiste de Lamarck entdeckt und klassifiziert. Rein genetisch unterscheidet sich Cannabis Indica kaum von Cannabis Sativa L., allerdings gehört Cannabis Indica zu den Cannabissorten, die ein kälteres Klima bevorzugen. Dies erklärt auch den Ursprung der Pflanze, welcher in den kälteren Regionen Asiens und Indiens liegt.

Cannabis Indica wächst gedrungen und kleiner als Cannabis Sativa L. und hat zudem eine geringe Blütezeit. Die Cannabis-Indica-Blätter sind breit und haben etwa 7–9 Finger pro Blatt. Durchschnittlich tragen Cannabis-Indica-Pflanzen mehr Pollen bzw. Knospen als Cannabis Sativa L. Pflanzen. Optisch ist der Cannabis-Indica-Samen von anderen Cannabis-Sorten nicht zu unterscheiden.

Cannabis Ruderalis

Der Ruderalhanf wurde erstmals im Jahr 1924 von dem russischen Botaniker Dimitri Janischewski beschrieben und als dritte Art der Gattung Cannabis definiert. Bis jetzt ist es jedoch umstritten, ob der Ruderalhanf eine eigene Art darstellt oder gleichbedeutend mit Cannabis Sativa L. ist.

"Ruderalis" ist das lateinische Wort für "zerbröckeltes Gestein" und verdeutlicht die Anpassungsfähigkeit der Pflanze in von Menschen künstlich geschaffenen Gebieten. Die Blätter der Cannabis-Ruderalis-Pflanze sind drei- bis fünffingrig, während die Pflanze bis zu 80 cm hoch wächst. Der große Unterschied zu anderen Cannabis-Arten liegt in der Blütezeit von Cannabis Ruderalis. Die Pflanze reift chronologisch. Das bedeutet, dass Cannabis Ruderalis unabhängig vom Lichtzyklus zu blühen beginnt.

Einer Beobachtung Dimitri Janischewskis nach werden die Cannabis Ruderalis Samen durch Feuerwanzen systematisch gesucht und weitergetragen. Dies fördert die Verbreitung der Pflanze, insbesondere in unwirtlichen Gebieten. Die Pollen von Cannabis Ruderalis werden kaum konsumiert, da sie im Vergleich zu den anderen Arten weniger bis kaum THC-haltig sind.

Cannabis-Legalisierung 2024: Wie sich der Umgang mit der vielseitigen Pflanze verändert

Seit Jahrtausenden spielt die Cannabispflanze eine bedeutende Rolle in verschiedenen Kulturen weltweit. Sie diente als Nahrungsquelle, wurde für die Herstellung von Textilien genutzt und fand Anwendung in rituellen Zeremonien.

Lange Zeit galt Cannabis jedoch in Deutschland ausschließlich als BetäubungsmittelBesitz, Anbau und Konsum waren verboten. Das änderte sich grundlegend im Jahr 2024: Seit dem 1. April ist der Besitz von bis zu 25 Gramm Cannabis zum Eigenbedarf sowie der private Anbau von bis zu drei Pflanzen für Erwachsene ab 18 Jahren legalisiert. Dennoch bleibt der kommerzielle Verkauf ohne entsprechende Lizenz weiterhin untersagt.

Cannabidiol (CBD), ein nicht-psychoaktiver Bestandteil der Cannabispflanze, war bereits vor der Teillegalisierung legal erhältlich – vorausgesetzt, der THC-Gehalt liegt unter 0,2 %. In den letzten Jahren hat CBD zunehmend an Bedeutung gewonnen und wird heute vielfältig eingesetzt, etwa zur Entspannung, Schmerzlinderung oder Hautpflege. Allerdings bestehen weiterhin rechtliche Grauzonen, etwa beim Verkauf als Lebensmittel oder Nahrungsergänzungsmittel.

Auch in der Kosmetikindustrie gewinnt Cannabis an Relevanz – etwa in Form des sogenannten Cannabis Sativa Callus Lysate. Dieses Extrakt aus Pflanzenzellkulturen soll die Haut beruhigen und regenerieren.

Kurz gesagt: Die Cannabispflanze bleibt ein bemerkenswert vielseitiges Gewächs – ob in Medizin, Kosmetik oder Kultur. Mit der sich wandelnden Gesetzeslage eröffnet sich ein neues Kapitel ihrer Nutzung – doch Aufklärung und verantwortungsvoller Umgang bleiben dabei entscheidend.


FAQ

Wie viele Cannabis-Arten gibt es?

In der Botanik werden in der Regel drei Hauptarten von Cannabis unterschieden: Cannabis Sativa, Cannabis Indica und Cannabis Ruderalis. Manche Forscher sehen sie als Unterarten ein und ordnen sie alle Cannabis Sativa L. zu. Die genaue Einteilung ist bis heute wissenschaftlich umstritten.

Wie viele Cannabis-Sativa-Sorten gibt es?

Es gibt Hunderte von Cannabis-Sativa-Sorten – Tendenz steigend. Viele davon sind Hybridzüchtungen, die Sativa-Genetik mit Indica- oder Ruderalis-Eigenschaften kombinieren. Da ständig neue Sorten durch Kreuzung und Selektion entstehen, lässt sich keine feste Zahl nennen.

Was ist der Unterschied zwischen einer männlichen und einer weiblichen Cannabispflanze?

Der wichtigste Unterschied zwischen männlichen und weiblichen Cannabispflanzen liegt in ihrer Funktion bei der Fortpflanzung: Weibliche Pflanzen entwickeln die begehrten Blüten (Buds), die reich an Cannabinoiden wie THC und CBD sind. Sie sind die Grundlage für medizinischen und Freizeitkonsum. Männliche Pflanzen produzieren Pollensäcke, mit denen sie die weiblichen Pflanzen bestäuben. Sie bilden keine rauchbaren Blüten, sind aber wichtig für die Zucht. Optisch sind weibliche Pflanzen meist kompakter und feingliedriger, während männliche Pflanzen größer und etwas robuster wachsen. In der professionellen Cannabiszucht werden männliche Pflanzen oft entfernt, um eine ungewollte Bestäubung zu verhindern – denn nur unbestäubte weibliche Pflanzen (sogenannte Sinsemilla) bilden besonders wirkstoffreiche Blüten.

Wer hat Cannabis entdeckt?

Cannabis wurde nicht im klassischen Sinne „entdeckt“ – die Pflanze wird seit Jahrtausenden von Menschen genutzt. Die frühesten Belege für den Gebrauch von Cannabis stammen aus Zentralasien und reichen etwa bis 10.000 v. Chr. zurück. Schon damals nutzten Menschen die Fasern zur Herstellung von Textilien und Seilen, die Samen als Nahrungsmittel und die Blüten zu rituellen oder medizinischen Zwecken.

THC-Wirkung: Gehirn im Wandel?

Mit der wachsenden Legalisierung und dem medizinischen Einsatz von Cannabis rückt eine alte Frage neu in den Mittelpunkt: Wie wirkt sich THC – der psychoaktive Hauptwirkstoff der Cannabispflanze – auf unser Gehirn aus? Fest steht: Die Substanz kann therapeutisch wirken, etwa bei chronischen Schmerzen. Gleichzeitig mehren sich Hinweise auf mögliche Risiken, vor allem bei regelmäßigem oder sehr frühem Konsum. Die Forschung zeigt: THC könnte das Gehirn verändern – wie stark, hängt aber davon ab, wie alt jemand ist, wie viel und wie oft konsumiert wird und wie anfällig das Gehirn dafür ist.

Das Endocannabinoid-System: Wie THC mit dem Gehirn interagiert

Um die Wirkung von THC im Gehirn zu verstehen, muss man sich mit einem zentralen biologischen Netzwerk vertraut machen: dem Endocannabinoid-System (ECS). Es spielt eine wesentliche Rolle bei der Regulierung zahlreicher Prozesse im Körper, darunter Gedächtnis, Emotionen, Impulskontrolle und Stressbewältigung.

Zwei Rezeptoren spielen hier eine Schlüsselrolle:

Der Körper stellt selbst körpereigene Cannabinoide, sogenannte Endocannabinoide, her, die an diese Rezeptoren binden und verschiedene Funktionen regulieren. THC als pflanzliches Cannabinoid dockt ebenfalls an die CB1-Rezeptoren an, oft jedoch stärker und länger als die natürlichen Botenstoffe. Dies kann erwünschte Effekte wie Entspannung oder Schmerzlinderung hervorrufen, aber auch zu unerwünschten Veränderungen in der Signalübertragung des Gehirns führen.

Welche Auswirkungen kann Cannabiskonsum auf das Gehirn haben?

Bevor wir die Forschung dazu näher betrachten, hier eine kurze Zusammenfassung:

THC kann zentrale Hirnregionen wie den Hippocampus (Gedächtnis), den präfrontalen Cortex (Impulskontrolle) und das Belohnungssystem (Motivation, Emotionen) beeinflussen. Das kann zu veränderter Wahrnehmung, Euphorie oder gesteigerter Kreativität führen. Gleichzeitig können Konzentration und Gedächtnisleistung nachlassen.

Langfristiger Konsum – vor allem in jungen Jahren – kann strukturelle Veränderungen begünstigen: Die Großhirnrinde könnte sich ausdünnen, der Hippocampus an Volumen verlieren. Auch eine veränderte Dopaminausschüttung wird diskutiert, was sich negativ auf Antrieb und Motivation auswirken kann.

Lies weiter für einen tieferen Einblick in die Studien.

Aktuelle Studienlage: Die Wirkung von Cannabis auf das Gehirn

Wie genau Cannabis das Gehirn beeinflusst, ist noch nicht abschließend geklärt. Erste Forschungsergebnisse zeigen jedoch: Der Wirkstoff THC könnte sowohl kurzfristige Veränderungen in der Hirnfunktion auslösen als auch langfristige strukturelle Effekte haben – je nach Alter beim Konsum, Häufigkeit und Dosis.

Junges Gehirn, höhere Risiken?

Besonders heikel kann der THC-Konsum in der Jugend sein. Das Gehirn reift bis in die Mitte der 20er-Jahre – Nervenzellen werden umgebaut, Synapsen gekappt, neue Verbindungen gestärkt. Greift THC in diese Prozesse ein, kann es die natürliche Entwicklung beeinflussen.

Eine groß angelegte Langzeitstudie mit 799 Jugendlichen kommt zu folgender Erkenntnis: Jugendliche Cannabis-Konsument:innen zeigen eine beschleunigte Ausdünnung der Großhirnrinde, insbesondere in den präfrontalen Regionen – also dort, wo Impulskontrolle, Problemlösung und Entscheidungsfindung sitzen.

Je häufiger konsumiert wurde, desto ausgeprägter waren die Veränderungen. Die betroffenen Hirnareale enthalten besonders viele CB1-Rezeptoren – also die Andockstellen für THC. Die Forschenden vermuten, dass THC auf diesem Weg direkt in die Hirnentwicklung eingreift. Jugendliche mit starker Ausdünnung zeigten später häufiger Probleme mit Impulskontrolle.

Langfristige Folgen oder Reversibilität?

Doch sind diese Veränderungen dauerhaft? Hier gibt es widersprüchliche Befunde. Während einige Studien darauf hindeuten, dass sich das Gehirn nach dem Stopp des Konsums wieder regenerieren kann, deutet eine Meta-Analyse aus 14 Studien darauf hin, dass Cannabis-Konsument:innen langfristig einen kleineren Hippocampus haben.

Der Hippocampus, eine zentrale Struktur für das Gedächtnis, war in dieser Analyse durchweg kleiner bei Menschen, die langfristig Cannabis konsumiert hatten, verglichen mit Nicht-Konsument:innen. Ob sich daraus im Alltag aber tatsächlich relevante Gedächtnisstörungen ergeben, ist noch nicht eindeutig geklärt. Es bleibt eine der offenen Fragen.

THC, Entzündungsprozesse und das Gedächtnis

Eine andere Studie bringt Licht ins Dunkel der Frage, warum THC bei manchen Menschen das Gedächtnis beeinträchtigen kann. Die Forschenden fanden heraus: Wird THC über längere Zeit eingenommen, kann es im Gehirn ein Enzym aktivieren, das normalerweise bei Entzündungen eine Rolle spielt – COX-2. Diese Aktivierung passiert über denselben Rezeptor (CB1), an den THC bindet, um seine Wirkung zu entfalten.

Was bedeutet das für das Gehirn? Wenn COX-2 aktiv ist, verändert sich die Struktur der Verbindungen zwischen den Nervenzellen – vor allem im Hippocampus, der für das Lernen und Erinnern zuständig ist. In Tierversuchen führte das dazu, dass weniger wichtige Signalstoffe (Glutamatrezeptoren) vorhanden waren und sich die Zahl der Verknüpfungen zwischen den Nervenzellen verringerte. Die Tiere hatten anschließend messbare Gedächtnisprobleme.

Doch es gibt auch eine gute Nachricht: Sobald COX-2 gehemmt wurde, verschwanden diese negativen Effekte – selbst wenn weiterhin THC gegeben wurde. Gedächtnis und Nervenzellverbindungen blieben stabil. Und noch besser: Die positiven Wirkungen von THC – zum Beispiel bei Alzheimer – blieben dabei erhalten.

Diese Ergebnisse legen nahe: Die unerwünschten Nebenwirkungen von THC auf das Gehirn lassen sich womöglich verhindern, wenn gleichzeitig COX-2 gehemmt wird. Das könnte den medizinischen Einsatz von Cannabis künftig sicherer und gezielter machen. Aktuell liegen jedoch nur Tierstudien vor. Zukünftig muss eingehend untersucht werden, ob die bisherigen Studienergebnisse auch auf den Menschen übertragbar sind.

Alkohol oder Cannabis: Was ist schädlicher fürs Gehirn?

Eine Studie legt nahe: Alkohol kann im Gehirn größere Schäden anrichten als Cannabis – vor allem bei langfristigen strukturellen Veränderungen.

Alkohol beschleunigt den Abbau der grauen Substanz und beeinträchtigt die Entwicklung der weißen Substanz, also jener Bereiche, die für Denken, Lernen und Kommunikation zwischen Nervenzellen wichtig sind. Besonders betroffen sind Hirnregionen wie der Frontallappen und das Kleinhirn. Je früher und häufiger getrunken wird, desto gravierender sind die Schäden.

Cannabis verändert ebenfalls die Hirnstruktur, vor allem im Hippocampus und der Großhirnrinde. Die Veränderungen sind jedoch meist weniger stark ausgeprägt – und manche Effekte, etwa auf Gedächtnis oder Aufmerksamkeit, können sich nach längerer Abstinenz zurückbilden. Trotzdem birgt häufiger oder sehr früher Konsum Risiken für die Hirnentwicklung.

Vergleichsgrafik zu den potenziellen Auswirkungen von Alkohol und Cannabis auf die Gehirngesundheit. Links: Symbolische Darstellung einer Alkoholflasche mit dem Hinweis, dass Alkohol erhebliche langfristige strukturelle Schäden verursachen kann – insbesondere im Frontallappen und Kleinhirn. Rechts: Symbol eines Cannabisblatts mit medizinischem Kreuz und der Aussage, dass Cannabis weniger ausgeprägte Veränderungen verursachen kann – vor allem im Hippocampus und der Großhirnrinde. In der Mitte ein Kreis mit der Aufschrift „VS“.

Medizinische Nutzung von Cannabis

Während der Freizeitkonsum mit Risiken einhergeht, können Cannabinoide im medizinischen Kontext ihr therapeutisches Potenzial entfalten. THC wird unter anderem bei chronischen Schmerzen, Multipler Sklerose oder Übelkeit infolge einer Chemotherapie eingesetzt. Ziel ist es, so wenig wie möglich, aber so viel wie nötig zu verabreichen – und damit einen Nutzen zu erzielen, ohne das Gehirn unnötig zu belasten.

Besonders deutlich wird: Die Zukunft der medizinischen Cannabisanwendung liegt darin, die Cannabis-Wirkung gezielter zu steuern. Die Forschung zu COX-2 eröffnet hier neue Perspektiven – und zeigt, dass die Debatte über Cannabis nicht mehr nur zwischen Schwarz und Weiß verläuft. Es geht um Differenzierung, wissenschaftliche Fundierung und einen bewussten Umgang mit dem Cannabiskonsum.


FAQ

Was macht Cannabis mit dem Kopf?

Cannabis kann verschiedene Bereiche im Gehirn beeinflussen, die für Wahrnehmung, Gedächtnis, Emotionen und Entscheidungsfindung zuständig sind. Der Wirkstoff THC bindet an sogenannte CB1-Rezeptoren und verändert so die Kommunikation zwischen Nervenzellen. Das kann kurzfristig zu Entspannung, veränderter Wahrnehmung oder Konzentrationsstörungen führen – je nach Dosis, Konsumhäufigkeit, Alter und individueller Veranlagung.

Was macht THC mit der Psyche (Nebenwirkungen)?

THC kann die Psyche auf unterschiedliche Weise beeinflussen. Kurzfristig kann es Euphorie, Entspannung und gesteigerte Kreativität auslösen, aber auch Angstzustände oder depressive Verstimmungen verstärken. Langfristiger Konsum könnte die emotionale Stabilität beeinträchtigen, Antriebslosigkeit fördern und in manchen Fällen das Risiko für psychische Störungen wie Depressionen oder Psychosen erhöhen.

Was macht CBD mit dem Gehirn?

CBD (Cannabidiol) wirkt im Gehirn auf eine ganz andere Weise als THC: es kann als beruhigend und ausgleichend wahrgenommen werden, berauschende Effekte bleiben aus. Laut aktuellen Studien beeinflusst CBD bestimmte Hirnregionen, die für Emotionen, Stressverarbeitung, Impulskontrolle und Gedächtnis zuständig sind. Dabei reguliert es überaktive Netzwerke im Gehirn und kann so möglicherweise Symptome von Angststörungen, Psychosen oder Reizüberflutung lindern.

Bildgebende Verfahren zeigen: CBD verbessert die Kommunikation zwischen Frontalhirn und tieferliegenden Strukturen wie dem Striatum oder dem limbischen System – Areale, die bei psychischen Erkrankungen oft aus dem Takt geraten. Interessant ist auch: Im Vergleich zu THC zeigt CBD häufig eine entgegengesetzte Wirkung, etwa bei der emotionalen Reizverarbeitung oder in Stresssituationen.

In Tierversuchen und ersten klinischen Studien gibt es Hinweise, dass CBD auch entzündungshemmende Effekte im Gehirn haben und die Ausschüttung bestimmter Botenstoffe (z. B. Serotonin oder Glutamat) beeinflussen könnte. Dadurch erklärt sich möglicherweise seine beruhigende, angstlösende Wirkung.

Cannabis-Allergie: Wenn Hanf das Immunsystem reizt

Von außen wirkt alles harmlos: eine Blüte, ein Tee, ein Hauch von Rauch. Für viele ist Cannabis Entspannung, Medizin oder politisches Symbol. Doch für manche Menschen ist es vor allem eines: ein Allergen. Es juckt, es schwillt, es brennt – nicht im Geist, sondern auf der Haut, in den Atemwegen, im Immunsystem. Die Reaktionen reichen von Heuschnupfen bis zur lebensbedrohlichen Anaphylaxie. Die Cannabis-Allergie ist ein medizinisches Phänomen, das bisher kaum beachtet wurde – und nun, mit der Legalisierung in vielen Ländern, ins Licht rückt.

Cannabis: Das Stiefkind der Allergologie

In Zeiten weltweiter Legalisierungswellen wächst nicht nur der Konsum, sondern auch die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit den möglichen Nebenwirkungen von Cannabis. Eine internationale Übersichtsstudie zeigt allerdings: Die Diagnose von Cannabis-Allergien ist bis heute erschwert, weil es keine standardisierten Tests gibt und die Forschung lange durch die rechtliche Lage behindert wurde.

Dabei sind die Reaktionen keineswegs trivial: Niesreiz, Augenjucken, Hautausschläge, Asthma und sogar Anaphylaxie – also ein potenziell lebensbedrohlicher Schock – wurden dokumentiert. Allein in einer spanischen Fall-Kontroll-Studie zeigten über 50 % der untersuchten Allergiepatienten eine Sensibilisierung gegenüber Cannabis. Viele der Betroffenen hatten nie über eine Cannabis-Allergie nachgedacht. Die Symptome – Atemnot nach dem Kiffen, Hautausschlag nach Partys, juckende Augen beim Kochen mit Hanföl – wurden entweder verdrängt oder fehlinterpretiert.

Cannabis-Kreuzallergie – die Tomate als böser Zwilling?

Eine Studie belegt die Kreuzreaktion zwischen Cannabis und anderen pflanzlichen Lebensmitteln. Besonders häufig betroffen: Tomate, Tabak, Latex, Pfirsich, Kirsche, Mandarine und Haselnuss. Grund dafür ist ein Eiweiß mit dem kryptischen Namen Can s 3, ein sogenanntes Lipid-Transfer-Protein. Es ähnelt stark den Allergenen in Tomate, Pfirsich oder Haselnuss – das Immunsystem erkennt die Struktur und schlägt Alarm.

Welche allergischen Reaktionen können durch Cannabis ausgelöst werden?

Cannabis kann eine Vielzahl allergischer Reaktionen hervorrufen – abhängig davon, wie der Körper mit der Pflanze in Kontakt kommt: über die Haut, durch Einatmen oder nach dem Verzehr über den Magen-Darm-Trakt. Dabei sind sowohl leichte Symptome als auch schwere, potenziell lebensbedrohliche Reaktionen möglich.

Inhalation (z. B. Rauch, Pollen, Staub)

Hautkontakt (z. B. mit Blüten, Harz oder Pflanzenteilen)

Oraler Konsum (z. B. Marihuana-Tee, Edibles, Hanfsamen)

Berufliche Exposition (z. B. Anbau, Verarbeitung)

Infografik mit dem Titel „Verständnis von Cannabis-induzierten Allergien“. In der Mitte ist ein stilisierter Regenschirm dargestellt, der verschiedene Arten der Allergenexposition symbolisch „überspannt“. Um den Schirm gruppieren sich fünf Icons mit kurzen Beschriftungen:	•	Inhalation: Allergien durch Einatmen von Cannabispartikeln (z. B. Rauch, Pollen)	•	Hautkontakt: Allergien durch direkten Kontakt mit Blüten, Harz oder Pflanzenteilen	•	Oraler Konsum: Allergien durch den Verzehr von Cannabisprodukten (z. B. Edibles, Tee)	•	Berufliche Exposition: Allergien bei Personen, die beruflich mit Cannabis arbeiten	•	Allgemeine Darstellung: Der Regenschirm symbolisiert den übergeordneten Schutz bzw. das Verständnis über die verschiedenen Allergieformen

Cannabis-Allergie: Unerkannt, unterschätzt, unterdiagnostiziert

Obwohl die wissenschaftlichen Hinweise zunehmen, bleibt die Cannabis-Allergie laut Studien weitgehend unter dem Radar. Sie ist ein blinder Fleck der Allergologie – und das hat mehrere Gründe. Zum einen wird sie in der ärztlichen Praxis kaum mitgedacht. Selbst bei klassischen Symptomen wie Hautausschlag oder Atemnot fragen viele Ärzt:innen nicht gezielt nach Cannabiskontakt – weder im Kontext von Freizeitkonsum noch bei medizinischer Anwendung. Zum anderen fehlen zugelassene, standardisierte Tests, um eine Sensibilisierung zuverlässig nachzuweisen.

Wie lässt sich eine Cannabis-Allergie feststellen?

Die Diagnose einer Cannabis-Allergie ist derzeit ein Puzzle aus Indizien, Erfahrung und Ausschluss. Es gibt keine einfache Blutprobe, keinen Schnelltest. Und doch lässt sich eine Allergie diagnostizieren – wenn man gezielt danach sucht. Hier ein Überblick über die Möglichkeiten:

1. Anamnese – das offene Gespräch

Der wichtigste Baustein ist die sorgfältige Erhebung der Krankengeschichte. Entscheidend sind Fragen wie:

Offenheit ist hier zentral. Viele Patient:innen zögern, über ihren Cannabiskonsum zu sprechen – aus Angst vor Stigmatisierung oder rechtlichen Folgen. Doch ohne diese Information bleiben Zusammenhänge unsichtbar.

2. Hauttest (Prick-Test)

Ein Klassiker der Allergiediagnostik – in abgewandelter Form auch bei Cannabis möglich:

Aber: Es gibt keine zugelassenen Standardextrakte. Viele Zentren arbeiten mit selbst hergestellten Lösungen – was die Vergleichbarkeit erschwert.

3. Bluttest (spezifisches IgE)

Im Labor lässt sich überprüfen, ob das Immunsystem Antikörper gegen Cannabis gebildet hat:

Einschränkung: Diese Tests sind noch nicht standardisiert und nur in spezialisierten Laboren oder Studien verfügbar.

Auf eine Cannabis-Allergie testen: Möglich, aber mühsam

Die Diagnose einer Cannabis-Allergie ist kein Routinevorgang. Sie erfordert medizinisches Wissen, gezielte Nachfragen – und manchmal auch detektivisches Gespür. Doch sie ist möglich und nötig. Denn wer regelmäßig mit Cannabis in Kontakt kommt und allergische Beschwerden zeigt, hat ein Recht darauf, ernst genommen zu werden.

In medizinischen Fachkreisen wächst das Interesse

Forschende fordern in ihren Empfehlungen:

Letztere sind zwar noch Zukunftsmusik – doch erste Fallberichte machen Hoffnung: In einem dokumentierten Fall konnte ein Patient mit schwerer Cannabisallergie durch das Medikament Omalizumab, eigentlich zur Behandlung von Asthma, erfolgreich therapiert werden. In einem anderen Fall wurde eine klassische Allergie-Impfung (subkutane Immuntherapie) mit Extrakten aus Cannabis-Pollen erfolgreich an einem Hund durchgeführt.

Kann Cannabis eigentlich auch bei Allergien helfen?

Es gibt Hinweise darauf, dass Cannabis bzw. bestimmte Bestandteile der Pflanze bei Allergien helfen könnten – allerdings ist das Thema komplex und steht wissenschaftlich gesehen noch am Anfang.

Im Körper gibt es ein sogenanntes Endocannabinoid-System (ECS). Es ist an vielen Prozessen beteiligt, unter anderem an der Regulation von Entzündungen und Immunreaktionen. Genau hier setzen Cannabinoide wie THC (der psychoaktive Wirkstoff) oder CBD (nicht berauschend) an.

Was Studien zeigen:

Cannabis hat also auch das Potenzial, entzündliche und allergische Prozesse zu modulieren – sowohl dämpfend als auch in manchen Fällen verstärkend. Noch fehlen jedoch klinische Studien am Menschen, um sichere und gezielte Anwendungen bei Allergien zu entwickeln. Cannabinoide könnten in Zukunft eine ergänzende Rolle in der Allergiebehandlung spielen – aber noch ist die Forschung nicht so weit, dass man sie dafür empfehlen kann.

Was bleibt: Wissen schafft Schutz

Wer Cannabis konsumiert – ob medizinisch oder nicht – sollte die Signale seines Körpers ernst nehmen. Brennt der Hals? Kribbelt die Lippe? Fällt das Atmen schwer? Dann könnte es an der Reaktion des Immunsystems liegen. Cannabis ist eben eine Pflanze – mit allem, was dazugehört. Und wie bei jeder Pflanze gilt: Nicht alle vertragen sie. Gleichzeitig zeigen erste Studien, dass bestimmte Cannabinoide entzündungshemmend wirken und in Zukunft sogar bei der Behandlung von Allergien helfen könnten.


FAQ

Wie viele Menschen haben eine Cannabisallergie?

Die genaue Zahl ist bislang nicht bekannt. Es gibt weder standardisierte Tests noch belastbare Register, die eine zuverlässige Erfassung ermöglichen. Dennoch deuten Studien darauf hin, dass die tatsächliche Zahl der Betroffenen deutlich höher liegt, als bisher angenommen. Expert:innen sprechen von einer hohen Dunkelziffer – auch deshalb, weil viele Betroffene ihren Konsum aus Angst vor Stigmatisierung nicht offenlegen oder allergische Beschwerden nicht mit Cannabis in Verbindung bringen. Gleichzeitig beobachten Allergolog:innen einen Anstieg beruflich bedingter Sensibilisierungen, etwa bei Personen, die im Anbau oder in der Verarbeitung von Cannabis tätig sind. Mit der fortschreitenden Legalisierung weltweit dürfte auch die Zahl der diagnostizierten Fälle weiter zunehmen. Die medizinische Forschung steht hier noch am Anfang.

Kann man gegen den Geruch von Cannabis allergisch sein?

Gegen den reinen Duft von Cannabis – also die flüchtigen Aromastoffe – ist eine echte Allergie unwahrscheinlich. Duftstoffe sind in der Regel zu klein, um eine klassische allergische Reaktion vom Typ I (IgE-vermittelt) auszulösen. Sie können zwar bei empfindlichen Personen Reizungen oder Kopfschmerzen verursachen, gelten aber nicht als Allergene im engeren Sinne. Anders sieht es aus beim Einatmen von Cannabisrauch, Pollen oder Pflanzenstaub. Diese enthalten Proteine – insbesondere das Allergen Can s 3 – die sehr wohl eine Immunreaktion hervorrufen können. In Studien wurden allergische Symptome wie Niesen, juckende Augen, Husten oder sogar Asthmaanfälle nach passiver Inhalation beschrieben. Besonders gefährdet sind Personen mit bestehenden Pollen- oder Nahrungsmittelallergien. Kurz gesagt: Der typische Cannabisgeruch selbst macht nicht allergisch – aber das, was mit dem Geruch in der Luft liegt, kann sehr wohl allergische Reaktionen auslösen.

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