Cannabis: Alles, was Ihr schon immer über Terpene wissen wolltet

Neben den unterschiedlichen Cannabinoid-Gehalten sind die einzelnen Cannabissorten auch durch ihr ganz eigenes Aroma identifizierbar. Manche erinnern an Käse, Vanilleeis, Benzin oder ein Blumenbouquet. Verantwortlich dafür sind unter anderem die Terpene. In unserem Booklet "Die Top 20-Terpene und ihre Effekte" haben wir alles Wissenswerte zum Thema zusammengestellt und erklären, in welchen Sorten man sie findet, wie sie wirken und warum es sie gibt.

Schon vor hunderten Jahren wurden aus vielen Pflanzen natürliche Terpene gewonnen, um damit natürliche und teilweise heilende Extrakte herzustellen. Terpene sind der Hauptbestandteil von ätherischen Ölen, die bekannterweise auch therapeutisch eingesetzt werden können.

Ätherische Öle können sowohl über den Duft eine therapeutische Wirkung entfalten als auch über die Haut aufgenommen werden und könnten so eine wohltuende Wirkung haben. Sie werden auch als natürliches Konservierungsmittel eingesetzt, um zu verhindern, dass Bakterien sich in Lebensmitteln bilden und vermehren.

Was sind Terpene – und warum riecht der Wald nach Wald?

Der Begriff „Terpen“ geht auf das lateinische Turpentine zurück – ein Harzextrakt aus Kiefern, der schon früh als Duftstoff Verwendung fand. Doch was hinter diesem Begriff steckt, ist weit mehr als bloße Aromatik. Terpene sind jene flüchtigen Moleküle, die Pflanzen ihre charakteristischen Gerüche verleihen: Lavendel duftet dank ihnen intensiv-blumig, Mango süß und tropisch, Hopfen würzig-herb. Auch Cannabis verdankt ihnen sein unverwechselbares Aroma – mal zitrusartig, mal erdig, mal süßlich-scharf.

Terpene sind chemisch gesehen sekundäre Pflanzenstoffe. Sie kommen in Blüten, Früchten und mitunter auch in Insekten vor und gehören zur größten Gruppe flüchtiger organischer Verbindungen, die die Natur hervorbringt. In der Sprache der Botanik sind sie Duftmoleküle – in der Sprache der Evolution sind sie hochspezialisierte Kommunikationsmittel.

Denn Pflanzen duften nicht aus Zufall. Sie setzen Terpene gezielt ein, um mit ihrer Umwelt zu interagieren. Im Ökosystem Wald spielen Terpene zum Beispiel eine stille, aber zentrale Rolle. Sie regulieren das Mikroklima, beeinflussen Luftfeuchtigkeit und tragen zur typischen Waldluft bei – jener Mischung aus Pinen, Myrcen und anderen flüchtigen Substanzen, die wir tief einatmen und intuitiv als wohltuend empfinden. Manche Terpene wirken sogar wie ein unsichtbares Netzwerk: Sie senden Signale aus, um Schädlinge fernzuhalten oder um Fressfeinde der Schädlinge anzulocken – eine stille Allianz zwischen Pflanze und Tier. Das Terpen Limonen etwa wirkt auf bestimmte Insekten abstoßend – ein Prinzip, das sich auch der Mensch zunutze gemacht hat: Das Mückenschutzmittel Autan riecht nicht ohne Grund nach Zitrone.

So zeigen Terpene eindrücklich, wie durchdacht die Strategien der Natur sind. Sie sind Ausdruck einer ökologischen Intelligenz, in der jede Duftnote eine Funktion erfüllt. Wer also das nächste Mal den würzigen Geruch eines Waldes oder den süßen Duft einer Cannabispflanze wahrnimmt, riecht nicht nur ein Aroma – sondern die Sprache der Pflanzen.

Präventive Maßnahme oder stille Notwehr?

Die Produktion von Terpenen folgt keinem starren Plan – sie ist ebenso Strategie wie Reaktion. Pflanzen setzen diese aromatischen Verbindungen nicht nur vorsorglich ein, um Fressfeinde auf Abstand zu halten. Sie reagieren auch auf Stress. Wenn Wasser knapp wird, die Nährstoffversorgung stockt oder extreme Hitze droht, steigt die Terpenkonzentration in vielen Pflanzenarten signifikant an. Ist es ein Hilferuf? Eine biochemische Notwehr? Oder schlicht ein universales Programm, das zwischen Bedrohungen nicht unterscheidet?

Terpene wirken dabei in alle Richtungen. Einige locken auch Insekten an, um die Bestäubung zu sichern. Die Cannabispflanze allerdings geht einen anderen Weg. Sie ist eine Windbestäuberin. Ihre Blüten sind unscheinbar, grün, nicht für das Auge von Insekten gedacht. Doch sie ist keineswegs passiv. Mithilfe lichtsensitiver Pigmente erkennt sie den Tagesverlauf und nutzt gezielt das Licht, um tagsüber Terpene freizusetzen – ein fein austariertes Timing im Kampf gegen Schädlinge.

Die Wirkung bleibt nicht an der Oberfläche. Oberirdisch schützen Terpene vor Mikroben – Pilzen, Bakterien, Krankheitserregern. Unterirdisch zeigen sie ein anderes Gesicht: Dort, wo das Wurzelwerk auf die unsichtbare Welt des Bodens trifft, gehen Pflanzen symbiotische Beziehungen mit Mikroorganismen ein. Mit der Pflanze harmonierende Pilze und Bakterien liefern Mineralien, die die Pflanze allein nicht erreichen könnte. Im Gegenzug fließen zuckerhaltige Ausscheidungen – ein Tauschgeschäft auf molekularer Ebene.

Nach diesem Blick auf die übergreifende Bedeutung von Terpenen richtet sich der Fokus nun auf einen besonderen Mikrokosmos: die Terpene in Cannabis.

Rund 200 bekannte Cannabis-Terpene

Von den über 20.000 Terpenen, die bislang in der Pflanzenwelt identifiziert wurden, entfallen rund 200 auf Cannabis. Diese Vielfalt ist nicht nur biochemisch bemerkenswert – sie hat auch praktische Konsequenzen: In der medizinischen Anwendung gewinnt das Terpenprofil zunehmend an Bedeutung. Was früher grob in „Sativa“ oder „Indica“ unterteilt wurde, wird heute differenzierter betrachtet – über sogenannte Chemovare, die das Zusammenspiel von Cannabinoiden und Terpenen in ihrer Gesamtheit erfassen.

Die Fortschritte in der Analytik ermöglichen es, Blüten gezielter auszuwählen – basierend auf ihrem individuellen, potenziellen Wirkstoffprofil. Für viele Cannabis-Patient:innen ist das Terpenprofil ein entscheidender Hinweisgeber: auf mögliche Wirkungen, Geschmacksnuancen und Verträglichkeiten.

Wirkung von Cannabis auf den menschlichen Körper: Terpene als medizinische Hoffnungsträger?

Tatsächlich berichten viele, die Cannabis auf Rezept verordnet bekommen haben, von beruhigenden, stimmungsaufhellenden oder schmerzlindernden Effekten, die sie bestimmten Terpenprofilen zuschreiben. Doch wissenschaftlich ist das Terrain noch dünn. Während die Wirkmechanismen der Cannabinoide zunehmend verstanden werden, sind die Effekte der Terpene auf den menschlichen Organismus bislang nur in Ansätzen erforscht.

Zahlreiche Studien deuten jedoch an: Terpene wirken nicht isoliert, sondern modulierend – sie beeinflussen, wie Cannabinoide im Körper wirken, wie stark sie das Endocannabinoid-System stimulieren, und möglicherweise auch, wie lange oder intensiv bestimmte Effekte anhalten. Diese Wechselwirkungen werden unter dem Begriff Entourage-Effekt zusammengefasst – einer Theorie zufolge also einer Art synergistischen Zusammenspiels verschiedener pflanzlicher Inhaltsstoffe, das über die Wirkung der Einzelkomponenten hinausgeht.[7]

Was heute noch als Hypothese gilt, könnte morgen therapeutische Relevanz gewinnen: In der Kombination von Terpenen und Cannabinoiden liegt womöglich ein bislang unterschätztes Potenzial – für individualisierte Therapien, fein abgestimmte Rezepturen und ein besseres Verständnis pflanzlicher Synergie.

Ein erster Blick auf die Wirkung – was wir über Cannabis-Terpene bislang wissen

Noch steht die Forschung zu den medizinischen Potenzialen von Terpenen am Anfang. Verlässliche Aussagen über ihre Wirkung am Menschen sind bislang rar – belastbare klinische Studien fehlen weitgehend. Doch erste Hinweise lassen sich aus präklinischen Untersuchungen gewinnen: Tiermodelle und Laborstudien liefern vorsichtige Anhaltspunkte, in welche Richtung bestimmte Terpene wirken könnten.

Im Zentrum des wissenschaftlichen Interesses stehen dabei derzeit vor allem vier Verbindungen: Beta-Caryophyllen, Limonen, Linalool und Pinen. In der folgenden Übersicht betrachten wir diese Terpene etwas genauer – als Versuch einer ersten Annäherung an ihre möglichen pharmakologischen Eigenschaften.

Beta-Caryophyllen

Das Terpen Beta-Caryophyllen findet sich nicht nur in Cannabis, sondern zum Beispiel auch in Zimt oder Basilikum. Es zeichnet sich durch seinen würzig-pfeffrigen Geruch aus und ist auch unter den Bezeichnungen b-Caryophyllen, β-Caryophyllen oder Caryophyllen bekannt. Besonders spannend: Das Terpen könnte an den CB2-Rezeptor im menschlichen Körper binden und damit parallel als Endocannabinoid wirken.

In einer Studie an Mäusen untersuchten Forschende der Universität Bonn die Terpen-Wirkung von Beta-Caryophyllen unter anderem bei neuropathischen Schmerzen. Sie beobachteten bei den Mäusen eine Abschwächung der Schmerzempfindlichkeit und konnten auch nach längerer Behandlung keine Anzeichen von Toleranz gegenüber dieser Cannabis-Terpen-Wirkung feststellen.

Die Wissenschaftler:innen kamen zum Schluss, dass insbesondere die regelmäßige orale Verabreichung des Terpens Beta-Caryophyllen bei lang anhaltenden, lähmenden Schmerzzuständen hochwirksam sein könnte.[1]

Eine Untersuchung der United Arab Emirates University, die ebenfalls an Mäusen durchgeführt wurde, ließ unter anderem auf eine potenziell angstlindernde Wirkung des Cannabis-Terpens schließen. Entsprechende Studien zu dieser Wirkung auf den Menschen stehen ebenfalls aus.[2]

Limonen

Das Terpen Limonen ist Hauptbestandteil der ätherischen Öle von Zitrusfrüchten und verströmt entsprechend auch als Cannabis-Terpen ein Zitrusaroma. In den 2018 veröffentlichten Ergebnissen einer Laboruntersuchung verzeichneten Forschende durch d-Limonen eine Hemmung des Wachstums von Lungenkrebszellen.[3]

Bereits 2013 waren die Ergebnisse einer offenen klinischen Pilotstudie publiziert worden, an welcher 43 Frauen teilgenommen hatten, bei denen kürzlich operabler Brustkrebs diagnostiziert worden war. Im Rahmen der Untersuchung nahmen sie zwei bis sechs Wochen vor der chirurgischen Entfernung des Tumors täglich zwei Gramm Limonen ein.

Tatsächlich führte die kurzzeitige Einnahme des Terpens Limonen im Tumorgewebe zu einem signifikanten Rückgang der Expression von Cyclin D1 – einem Protein, welches eine entscheidende Rolle beim Zellwachstum spielt. Allerdings konnten bei anderen wichtigen Biomarkern nur minimale Veränderungen festgestellt werden.

Die Forschenden betonten hier besonders die Notwendigkeit weiterer Studien, um einer potenziellen Cannabis-Terpen-Wirkung auf den Menschen auf den Grund gehen zu können und damit zu klären, ob das Terpen Limonen bei der Behandlung und Prävention von Brustkrebs infrage kommen könnte.[4]

Linalool

Das Terpen Linalool ist, abgesehen von seinem Vorkommen in Cannabis, zum Beispiel in Lavendel enthalten und findet wegen seines süßen, blumigen Dufts gerne in Kosmetika Verwendung. Allerdings kann Linalool bei Duftstoffallergiker:innen allergische Reaktionen hervorrufen.

2018 publizierten Forschende der japanischen Universität Kagoshima in „Frontiers in Behavioral Neuroscience“ Ergebnisse einer Untersuchung an Mäusen, nach denen die Terpen-Wirkung von Linalool angstlindernder Natur sein könnte. Gleichzeitig stellten sie bei den Tieren keine motorischen Beeinträchtigungen fest.

Da jene Mäuse, die über keinen intakten Geruchssinn verfügten, nicht von dem angstlösenden Effekt profitierten, kamen die Wissenschaftler:innen zum Schluss, dass der Geruch von Linalool ursächlich für diese Terpen-Wirkung verantwortlich sein muss.[5]

Pinen

Mit seinem holzigen, erdigen Geruch weckt Pinen Assoziationen an den Duft von Kiefern. Neben seinem Vorkommen in der Cannabispflanze lässt sich das Terpen Pinen in Ölen von Nadelbäumen genauso nachweisen wie in Eukalyptus- oder Orangenschalenöl. Pinen verleiht medizinischen Cannabisblüten ein frisches, klares Aroma, das von Cannabispatient:innen häufig als sehr angenehm empfunden wird.

Unterschieden wird bei diesem Cannabis-Terpen in Alpha-Pinen und Beta-Pinen, wobei Letzteres potenziell über antibakterielle Eigenschaften verfügt. So ergaben Labortests am teilweise antibiotikaresistenten Campylobacter jejuni, einem häufigen Erreger von Durchfallerkrankungen, dass Pinen dessen Antibiotika-Resistenz effektiv regulieren könnte. Aufgrund der vielversprechenden Ergebnisse gaben die beteiligten Wissenschaftler:innen eine Empfehlung für weitere Untersuchungen zu diesem Thema ab.[6]

Jenseits der Terpene – was bestimmt den Duft von Cannabis noch?

Doch wie eindeutig ist der Zusammenhang zwischen Terpenen und Duft tatsächlich? Eine aktuelle Studie von Iain W. H. Oswald und Kolleg:innen bringt Bewegung in ein lange als gesichert geltendes Feld. Unter dem Titel „Minor, Nonterpenoid Volatile Compounds Drive the Aroma Differences of Exotic Cannabis" zeigt die Untersuchung: Auch andere flüchtige Verbindungen – darunter Schwefelverbindungen – prägen das Aroma der Cannabispflanze wesentlich.[8]

Diese Erkenntnis hat weitreichende Konsequenzen. Die Aromatik verschiedener Cannabissorten ist komplexer als bisher angenommen – und schwerer zu konservieren. Denn viele dieser nicht-terpenoiden Substanzen sind besonders flüchtig und damit analytisch schwer zu erfassen.

Die Forschung steht hier noch am Anfang. Doch die Neugier ist groß: Künftig könnten Anbau- und Lagerungsverfahren entwickelt werden, die gezielt bestimmte Duftprofile bewahren – eine Perspektive, die nicht nur für Genusskonsumierende, sondern auch für Patient:innen von Bedeutung sein könnte.

Terpene in Cannabis: Ihre Wirkung ist Gegenstand künftiger Forschung

Bei der Auswahl geeigneter medizinischer Cannabisblüten rückt die Analyse deren individueller chemischer Profile für Cannabispatient:innen zunehmend in den Vordergrund. Während im Zuge dessen auch ein verstärkter Fokus auf die Rolle einzelner Terpene gelegt wird, lassen sich aufgrund fehlender Untersuchungen über die Terpen-Wirkungen auf den Menschen zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine zuverlässigen Aussagen treffen.

Labor- und Tierstudien deuten darauf hin, dass Cannabis-Terpene womöglich über beruhigende, antibakterielle und schmerzlindernde Eigenschaften verfügen und unter Umständen Tumorwachstum hemmen könnten. Es bleibt zu hoffen, dass weitergehende Forschungen diesen ersten Anhaltspunkten auf den Grund gehen.

Ob und inwiefern Terpene mit Cannabinoiden in Wechselwirkung treten und damit zu einem Entourage-Effekt beitragen, kann vom heutigen Stand der Forschung aus nicht abschließend beurteilt werden.


FAQ

Was sind Terpene?

Terpene sind eine Gruppe von flüchtigen organischen Verbindungen, die natürlicherweise in Pflanzen vorkommen. Sie sind für die Aromen und Düfte vieler Pflanzen verantwortlich und könnten verschiedene gesundheitsfördernde Eigenschaften haben.

Was sind Terpene bei Cannabis?

Terpene sind aromatische Verbindungen, die der Cannabispflanze ihren charakteristischen Geruch und Geschmack verleihen – von zitrusartig über erdig bis hin zu süßlich oder würzig. Sie werden in den Trichomen der Pflanze gebildet, also dort, wo auch Cannabinoide wie THC und CBD entstehen. Neben ihrer Duftfunktion übernehmen Terpene auch biologische Aufgaben: Sie schützen die Pflanze vor Schädlingen, Mikroben und Umwelteinflüssen. In der medizinischen Anwendung von Cannabis gewinnen Terpene zunehmend an Bedeutung, da Studien vermuten lassen, dass sie die Wirkung der Cannabinoide modulieren und zum sogenannten Entourage-Effekt beitragen könnten.

Wo kommen Terpene vor?

Terpene finden sich in nahezu allen Pflanzen – besonders konzentriert in Blüten, Kräutern, Früchten, Harzen und Nadeln. Sie sind Hauptbestandteile ätherischer Öle und prägen den charakteristischen Duft von Lavendel, Rosmarin, Zitrusfrüchten, Tannen, Hopfen oder Cannabis. Neben ihrer Rolle als Duftstoffe übernehmen sie ökologische Funktionen: Sie dienen Pflanzen zur Abwehr von Schädlingen, zur Anlockung von Bestäubern oder zur Kommunikation mit ihrer Umwelt. Auch einige Pilze und Insekten produzieren Terpene – etwa als Lock- oder Abwehrstoffe.

Was bewirken Terpene im Wald?

Im Wald dienen Terpene den Pflanzen als Abwehrmechanismus gegen Schädlinge und zur Kommunikation mit anderen Organismen. Sie beeinflussen das Waldaroma, locken Bestäuberinsekten an und tragen zur Vielfalt des Ökosystems bei.

Welches Terpen macht "high"?

Keines. Terpene selbst machen nicht „high“ – diese psychoaktive Wirkung geht ausschließlich vom Cannabinoid THC (Tetrahydrocannabinol) aus. Terpene wie Myrcen, Limonen oder Linalool haben zwar aromatische und möglicherweise stimmungsbeeinflussende Eigenschaften, wirken jedoch nicht berauschend im engeren Sinne. Allerdings vermuten Wissenschaftler:innen, dass einige Terpene die Wirkung von THC modulieren können – eine Hypothese, die im Zusammenhang mit dem sogenannten Entourage-Effekt diskutiert wird. Gesichert ist diese Wechselwirkung bislang jedoch nicht. Terpene verstärken also womöglich die Wirkung – sie verursachen sie aber nicht.

Welche Cannabissorten sind die Top 3 nach Terpenen?

Eine eindeutige Rangliste gibt es bislang nicht – der Terpengehalt kann je nach Anbaumethode, Genetik, Lagerung und Analyseverfahren variieren. Dennoch haben sich einige Sorten einen Namen gemacht, weil sie besonders ausgeprägte Terpenprofile aufweisen. Hierzu gehören Super Lemon Haze und OG Kush.


Quellen

[1] Klauke, A.-L., Racz, I., Pradier, B., Markert, A., Zimmer, A. M., Gertsch, J., & Zimmer, A. (2014). The cannabinoid CB₂ receptor-selective phytocannabinoid beta-caryophyllene exerts analgesic effects in mouse models of inflammatory and neuropathic pain. European Neuropsychopharmacology, 24(4), 608–620.

[2] Bahi, A., Al Mansouri, S., Al Memari, E., Al Ameri, M., Nurulain, S. M., & Ojha, S. (2014). β-Caryophyllene, a CB₂ receptor agonist, produces multiple behavioral changes relevant to anxiety and depression in mice. Physiology & Behavior, 135, 119–124.

[3] Yu, X., Lin, H., Wang, Y., Lv, W., Zhang, S., Qian, Y., Deng, X., Feng, N., Yu, H., & Qian, B. (2018). d-Limonene exhibits antitumor activity by inducing autophagy and apoptosis in lung cancer. OncoTargets and Therapy, 11, 1833–1847.

[4] Miller, J. A., Lang, J. E., Ley, M., Nagle, R., Hsu, C. H., Thompson, P. A., Cordova, C., Waer, A., & Chow, H. H. (2013). Human breast tissue disposition and bioactivity of limonene in women with early-stage breast cancer. Cancer Prevention Research, 6(6), 577–584.

[5] Harada, H., Kashiwadani, H., Kanmura, Y., & Kuwaki, T. (2018). Linalool odor-induced anxiolytic effects in mice. Frontiers in Behavioral Neuroscience, 12, 241.

[6] Kovač, J., Šimunović, K., Wu, Z., Klančnik, A., Bucar, F., Zhang, Q., & Možina, S. S. (2015). Antibiotic resistance modulation and modes of action of (–)-α-pinene in Campylobacter jejuni. PLoS ONE, 10(4), e0122871.

[7] Ferber, S. G., Namdar, D., Hen-Shoval, D., Eger, G., Koltai, H., Shoval, G., Shbiro, L., & Weller, A. (2020). The "entourage effect": Terpenes coupled with cannabinoids for the treatment of mood disorders and anxiety disorders. Current Neuropharmacology, 18(2), 87–96.

[8] Oswald, I. W. H., Paryani, T. R., Sosa, M. E., Ojeda, M. A., Altenbernd, M. R., Grandy, J. J., Shafer, N. S., Ngo, K., Peat, J. R. III, Melshenker, B. G., Skelly, I., Koby, K. A., Page, M. F. Z., & Martin, T. J. (2023). Minor, nonterpenoid volatile compounds drive the aroma differences of exotic cannabis. ACS Omega, 8(42), 39203–39216.

Trichome: Die Kraftwerke der Cannabispflanze

Wer sich mit Cannabis auseinandersetzt, stößt früher oder später auf einen Begriff, der in der Fachwelt längst als Schlüssel zur Wirkung der Pflanze gilt: Trichome. Diese mikroskopisch kleinen Strukturen sind nicht nur für das frostige, harzige Aussehen hochwertiger Cannabisblüten verantwortlich, sondern beherbergen auch die wertvollsten Inhaltsstoffe der Pflanze. Cannabinoide, Terpene, Flavonoide – all das, was Cannabis seine Potenz, seinen Duft und seine Wirkung verleiht, wird in diesen winzigen Drüsen produziert. Doch wie entstehen Trichome? Welche Funktion haben sie in der Natur? Und warum sind sie für die medizinische Nutzung von Cannabis so entscheidend?



Trichome: Die Natur als Chemikerin

Trichome, auch als Pflanzenhaare bekannt, sind winzige, haarähnliche Strukturen auf der Oberfläche von Pflanzen. Sie unterscheiden sich in Größe, Form und Dichte und übernehmen je nach Art verschiedene Schutz- und Abwehrfunktionen. Doch Trichome sind nicht nur ein Phänomen in der Welt der Cannabispflanze. Auch andere Pflanzenarten bilden diese Ausstülpungen. Sie verhindern eine übermäßige Verdunstung von Wasser, wehren Fressfeinde ab oder wirken als natürlicher Schutz gegen UV-Licht. Bei Cannabis übernehmen sie eine besondere Aufgabe: Sie produzieren das psychoaktive Tetrahydrocannabinol (THC) sowie das nicht berauschende Cannabidiol (CBD) und viele weitere Cannabinoide.

Die Entstehung der Trichome beginnt mit der Blütezeit der Pflanze. Sobald die Lichtzyklen auf Blüte umgestellt werden, bilden sich die ersten harzigen Drüsen – zunächst klar und durchsichtig, dann zunehmend milchig-trüb. Im Inneren der Drüsen finden komplexe biochemische Prozesse statt, die zur Synthese von Cannabinoiden und Terpenen führen. Das Endprodukt ist das Harz, das auf den Blüten und Blättern sichtbar wird und die charakteristische Klebrigkeit von Cannabis verursacht.

Ein Blick unter das Mikroskop: Verschiedene Arten von Trichome

Trichome sind nicht gleich Trichome. Botaniker unterscheiden mehrere Arten, die sich in Form, Größe und Funktion unterscheiden:

Kopfsegge-gestielte Trichome

Dies sind die wichtigsten Trichome der Cannabispflanze. Sie bestehen aus einem langen Stiel und einem drüsenartigen Trichomkopf, in dem die Hauptmenge an Cannabinoiden produziert wird. Sie können mit bloßem Auge als winzige Kristalle erkannt werden und sind für das „frostige“ Aussehen von Cannabis verantwortlich.

Kopfsegge-stiellose Trichome

Diese Trichome sind kleiner und sitzen direkt auf der Oberfläche der Pflanze. Sie produzieren ebenfalls Cannabinoide, allerdings in geringeren Mengen.

Knollen-Trichome

Die kleinste und einfachste Form von Trichomen. Sie bedecken die gesamte Pflanze, spielen aber bei der Wirkstoffproduktion eine untergeordnete Rolle.

Infografik mit dem Titel „Trichome: Arten und Funktionen in der Cannabispflanze“.
Zentral steht ein Kasten mit dem Begriff Trichome, links und rechts davon führen gepunktete Verbindungslinien zu zwei Kategorien:
	•	Arten von Trichomen (mit Blattsymbol):
– Kopfsegge-gestielte Trichome
– Kopfsegge-stiellose Trichome
– Knollen-Trichome
	•	Funktionen von Trichomen (mit Symbol einer schützenden Tropfenstruktur):
– Schutz vor Verdunstung
– Abwehr von Fressfeinden
– Produktion von Cannabinoiden


Die Visualisierung ordnet die biologischen Funktionen klar den jeweiligen Trichom-Typen zu und fasst den Inhalt des dazugehörigen Textabschnitts prägnant zusammen.

Farbveränderung der Cannabis-Trichome: Wann ist der Zeitpunkt für die Ernte?

Für erfahrene Cannabis-Züchter:innen ist die Farbe der Trichome ein zuverlässiges Erntesignal. Sie gibt Auskunft darüber, wann die Cannabispflanzen ihren maximalen Cannabinoidgehalt erreicht haben und welche Art von Wirkung zu erwarten ist.

Die Wahl des Erntezeitpunkts ist somit keine reine Formsache, sondern beeinflusst das Endprodukt maßgeblich.

„Bei avaay setzen wir auf höchste Qualität – und das inkludiert natürlich die Ernte. Unsere erfahrenen Partner-Grower ernten die Cannabisblüten genau dann, wenn die Trichome den optimalen Reifegrad erreicht haben. So stellen wir sicher, dass die Cannabinoide und Terpene ihr volles Potenzial entfalten.“ – Adele, Cannabis Expertin & Senior Scientific Affairs Managerin bei avaay Medical

Trichome und medizinisches Cannabis

Für die medizinische Anwendung von Cannabis spielen Trichome eine zentrale Rolle – und das aus gutem Grund. Sie enthalten nicht nur die bekannten Cannabinoide Tetrahydrocannabinol (THC) und Cannabidiol (CBD), sondern auch eine Vielzahl weiterer sekundärer Pflanzenstoffe, die über ihre eigene Wirkung hinaus das therapeutische Potenzial von Cannabis beeinflussen.

Der Entourage-Effekt: Wenn Cannabistrichome mehr sind als die Summe ihrer Teile

Der Entourage-Effekt beschreibt eine wissenschaftliche Hypothese, nach der Cannabinoide, Terpene und Flavonoide sich gegenseitig beeinflussen könnten und dadurch möglicherweise die therapeutische Wirkung von Cannabis verbessern. Die Forschung deutet darauf hin: Cannabinoide und Terpene sowie Flavonoide wirken nicht isoliert, sondern beeinflussen sich gegenseitig. Dies bedeutet, dass THC und CBD – die bekanntesten Wirkstoffe – nicht nur allein betrachtet werden sollten, sondern in Kombination mit anderen Stoffen, die in den Trichomen produziert werden.

Dieser synergetische Effekt könnte erklären, warum einige Patient:innen mit Vollspektrum-Cannabisextrakten bessere Ergebnisse erzielen als mit isolierten Wirkstoffen. Die Kombination mehrerer Substanzen könnte die therapeutische Wirkung verstärken und Nebenwirkungen reduzieren – ein Effekt, den die Forschung zunehmend in den Blick nimmt.[7]

Zukunft der Forschung: Trichome als Schlüssel für die personalisierte Cannabismedizin?

Die Erforschung der Trichome und ihrer chemischen Zusammensetzung steht noch am Anfang. Während THC und CBD bereits gut untersucht sind, gibt es zahlreiche weitere Cannabinoide, Terpene und Flavonoide, die bislang nur in Ansätzen erforscht wurden.

Besonders in der medizinischen Anwendung könnte dies eine Revolution der Cannabistherapie bedeuten:

Können Trichome „verloren gehen“?

Ein Problem, mit dem sowohl medizinische Anwender:innen als auch Freizeitkonsument:innen konfrontiert sind: Trichome sind empfindlich. Durch falsche Lagerung oder unsachgemäße Verarbeitung können sie abgebaut werden, was zu einem Qualitätsverlust des Cannabis führt.

Wer Cannabis optimal lagern möchte, sollte daher auf dunkle, kühle und luftdichte Behälter setzen. Mehr zum Thema findest du in unserem Artikel "Cannabis lagern".

Fazit: Trichome – Der Schlüssel zur Cannabis-Wirkung

Trichome sind weit mehr als nur eine frostige Schicht auf Cannabisblüten – sie sind das Zentrum der Wirkung. Ihre Zusammensetzung bestimmt Potenz, Aroma und medizinische Einsatzmöglichkeiten. Für Grower:innen sind sie der wichtigste Ernte-Indikator, für Konsument:innen ein Qualitätsmerkmal und für die Wissenschaft ein noch unerforschter Baukasten aktiver Verbindungen.

Besonders in der Medizin zeigt sich ihr Potenzial: Das Zusammenspiel von Cannabinoiden, Terpenen und Flavonoiden macht Cannabis einzigartig. Die Forschung steckt noch in den Anfängen, doch vieles deutet darauf hin, dass die Zukunft der Cannabismedizin nicht in isolierten Wirkstoffen, sondern in der gezielten Nutzung der gesamten chemischen Vielfalt der Trichome liegt.


FAQ

Kann man Trichome mit einer Lupe sehen?

Trichome lassen sich mit einer Lupe erkennen, besonders die größeren kopfgestielten Trichome, die eine pilzartige Form haben. Eine normale Lupe mit 10-facher Vergrößerung kann bereits Details sichtbar machen, jedoch sind Juwelierlupen (30x–60x) oder digitale Mikroskope besser geeignet, um die Farbe und Reife der Trichome präzise zu bestimmen. Mit bloßem Auge sind Trichome nur als feine, frostige Schicht auf den Blüten erkennbar, aber nicht in ihren Details. Besonders die kleineren knolligen und stiellosen Trichome sind ohne Vergrößerung unsichtbar. Die größeren kopfgestielten Trichome können als winzige, glänzende Punkte wahrgenommen werden, doch um ihre genaue Struktur und Farbveränderung zu erkennen, braucht es eben mehr.

Wie sehen erntereife Trichome aus?

Trichome gelten als erntereif, wenn etwa 70 % milchig und 30 % klar sind. Ein weiterer Reifegrad ist erreicht, wenn etwa 70 % milchig und 30 % bernsteinfarben erscheinen. Sind über 50 % der Trichome bernsteinfarben, beginnt laut Erfahrungswerten eine Umwandlung von THC zu anderen Cannabinoiden wie CBN. Die genaue Beurteilung erfolgt mithilfe einer Lupe oder eines Mikroskops.

Sind milchige Trichome gut?

Milchige Trichome gelten als idealer Erntezeitpunkt für Cannabispflanzen, da sie darauf hinweisen, dass der THC-Gehalt seinen Höhepunkt erreicht hat: In diesem Stadium ist die Pflanze besonders potent. Milchige Trichome deuten darauf hin, dass das Cannabinoid-Profil ausgereift ist und die Terpene ihr volles Aroma entfaltet haben.

Wie lange bleiben Trichome milchig?

Trichome bleiben nur für eine begrenzte Zeit milchig, bevor sie sich allmählich bernsteinfarben verfärben. Dieser Zeitraum variiert je nach Cannabissorte und Wachstumsbedingungen, beträgt aber in der Regel etwa ein bis zwei Wochen. In dieser Phase hat die Pflanze ihren höchsten THC-Gehalt erreicht, bevor das THC langsam zu CBN abgebaut wird. Es ist ratsam, die Pflanze regelmäßig mit einer Lupe oder einem Mikroskop zu überprüfen, um den optimalen Erntezeitpunkt nicht zu verpassen.


Quellen

[1] do Vale, T. G., Furtado, E. C., Santos, J. G., Jr., & Viana, G. S. (2002). Central effects of citral, myrcene and limonene, constituents of essential oil chemotypes from Lippia alba (Mill.) n.e. Brown. Phytomedicine, 9(8), 709–714.

[2] Lorenzetti, B. B., Souza, G. E., Sarti, S. J., Santos Filho, D., & Ferreira, S. H. (1991). Myrcene mimics the peripheral analgesic activity of lemongrass tea. Journal of Ethnopharmacology, 34(1), 43–48.

[3] Harada, H., Kashiwadani, H., Kanmura, Y., & Kuwaki, T. (2018). Linalool odor-induced anxiolytic effects in mice. Frontiers in Behavioral Neuroscience, 12, 241.

[4] Utpal, B. K., Sutradhar, B., Zehravi, M., Sweilam, S. H., Durgawale, T. P., Venkata Arjun, U. V. N., Shanmugarajan, T. S., Kannan, S. P., Prasad, P. D., Usman, M. R. M., Reddy, K. T. K., Sultana, R., Alshehri, M. A., Rab, S. O., Suliman, M., & Emran, T. B. (2025). Cellular stress response and neuroprotection of flavonoids in neurodegenerative diseases: Clinical insights into targeted therapy and molecular signaling pathways. Brain Research, 1847, 149310.

[5] Li, S., Li, W., Malhi, N. K., Huang, J., Li, Q., Zhou, Z., Wang, R., Peng, J., Yin, T., & Wang, H. (2024). Cannabigerol (CBG): A comprehensive review of its molecular mechanisms and therapeutic potential. Molecules, 29(22), 5471.

[6] Sepulveda, D. E., Vrana, K. E., Kellogg, J. J., Bisanz, J. E., Desai, D., Graziane, N. M., & Raup-Konsavage, W. M. (2024). The potential of cannabichromene (CBC) as a therapeutic agent. *Journal of Pharmacology and Experimental Therapeutics, 391*(2), 206–213.

[7] Christensen, C., Rose, M., Cornett, C., & Allesø, M. (2023). Decoding the postulated entourage effect of medicinal cannabis: What it is and what it isn't. Biomedicines, 11(8), 2323.

Cannabis Sativa L. – Ursprung der geschichtsträchtigen Pflanze

Von Ritualpflanze bis Rohstoffwunder – die Geschichte von Cannabis Sativa L. ist lang, vielfältig und aktuell wie nie. Über 12.000 Jahre begleitet die Cannabispflanze den Menschen: als Nahrung, Medizin, Textilrohstoff – und seit 2024 auch legalisiert im Alltag von Menschen in Deutschland. Doch woher stammt diese Pflanze ursprünglich? Wie unterscheiden sich ihre Arten? Und was bedeutet die Legalisierung für ihre Nutzung? Dieser Artikel beleuchtet Ursprung, Wachstum und Vielfalt von Cannabis – und zeigt, warum die Pflanze heute mehr denn je im Fokus steht.

Key Facts

Seit mehr als 12.000 Jahren wird die Cannabispflanze (auch als Kultur-Hanf oder Cannabis Sativa L. bezeichnet) von Menschen kultiviert und für verschiedene Zwecke genutzt. Bis vor Kurzem war die Herkunft bzw. das Ursprungsland der Cannabispflanze stark umstritten – die Meinungen changierten zwischen Zentralasien, Amerika oder Europa.

Die Forschung des US-amerikanischen Wissenschaftlers John M. McPartland bringt neue Klarheit in die Frage nach dem Ursprung von Cannabis Sativa L.: Mithilfe biogeografischer Analysen und archäologischer Funde konnte sein Team das Ursprungsgebiet der Pflanze eindeutig nach Zentralasien verorten. Besonders die Verbreitung wilder Cannabispopulationen lieferte dabei entscheidende Hinweise auf den botanischen Ursprung.

Unsere Vorfahren nutzten die Cannabispflanze für allerlei Zwecke, kultivierten diese in fruchtbarer Erde und beeinflussten das Wachstum sowie die Wetterbeständigkeit der Pflanze. Archäologische Funde zeugen ebenfalls von einer frühzeitlichen Nutzung der Cannabispflanze in Deutschland. Eisenberg gilt als der **älteste Hanf-Fundort Deutschlands:** Dort wurden Cannabissamen entdeckt, die auf etwa 5.500 v. Chr. datiert werden und auf einen Hanfgebrauch durch die ersten Kulturen der Jungsteinzeit schließen lassen. (Stand der Quelle: 16.04.2025)

Wie werde ich Cannabispatient:in?

PATIENT:IN WERDEN

Wie männliche und weibliche Cannabispflanzen wachsen – und was sie unterscheidet

Cannabis Sativa L. ist global am weitesten verbreitet und findet sich zumeist in der Äquator-Gegend, da dort konstante klimatische Bedingungen herrschen und die Cannabispflanze mitsamt ihrer Blüten permanent an Höhe gewinnen kann.

Cannabispflanzen gedeihen am besten in nährstoffreichen Böden mit einem pH-Wert zwischen 6 und 7,5. Besonders günstig wirkt sich zudem ein äquatoriales Klima aus – dort können die Pflanzen gleichzeitig wachsen und blühen, was die Wachstumszyklen verkürzen und die botanische Entwicklung fördern kann.

Cannabispflanzen lassen sich in männliche und weibliche Exemplare unterscheiden – und beide bringen unterschiedliche Eigenschaften mit. Weibliche Pflanzen wachsen meist etwas kompakter und brauchen etwas länger bis zur Blüte, dafür entwickeln sie die begehrten Blütenknospen. Ihre Struktur ist insgesamt feingliedriger. Männliche Pflanzen hingegen bilden kleine, bananenförmige Pollensäcke aus, die sich kurz vor dem Pollenflug sichtbar ausstülpen – meist entlang des Stamms. Ihr cremefarbener Blütenstaub erreicht dank ihrer meist größeren Wuchshöhe problemlos die weiblichen Pflanzen in der Umgebung.

In freier Natur kann eine männliche Cannabis Sativa L. bis zu sechs Meter hoch wachsen, während die weibliche Variante in der Regel bei vier bis fünf Metern ihr Maximum erreicht. Auch bei den Fasern zeigen sich Unterschiede: Männliche Hanfpflanzen liefern weichere, feinere Fasern, die sich ideal für Textilien wie Hemden, Bettwäsche oder Tücher eignen. Weibliche Fasern hingegen sind grober und robuster – perfekt für Produkte wie Segeltuch, Säcke oder strapazierfähige Stoffe.

Die vier Lebensphasen von Cannabis Sativa L.: Von der Keimung bis zur Blüte

  1. Keimphase: Bereits ein bis zwei Wochen nach dem Einsetzen beginnt sich der Cannabis-Samen zu öffnen: Aus der unscheinbaren, braun-harten Hülle wächst ein zarter Keimling heran – der erste sichtbare Schritt auf dem Weg zur ausgewachsenen Pflanze.
  2. Setzlingsphase: Aus dem gekeimten Samen wächst ein kleiner Setzling heran. In dieser Phase ist die Cannabispflanze Krankheiten und Schädlingen in besonderem Maße ausgeliefert. Nach zwei bis vier Wochen haben sich schließlich Wurzeln und die ersten Blätter gebildet.
  3. Vegetationsphase: Dies ist die Hauptwachstumsphase der Cannabis-Pflanze. Innerhalb eines Tages kann sie bis zu 5 cm wachsen – je nach klimatischen Bedingungen. Licht spielt in der Vegetationsphase eine übergeordnete Rolle, da die Pflanze über 12 Stunden Sonnenlicht benötigt. Ideal für Cannabis Sativa L. ist daher die Gegend entlang des Äquators, da die Lichtverhältnisse das gesamte Jahr konstant vorherrschen. Innerhalb von zwei bis vier Wochen setzt schließlich die letzte Phase der Cannabispflanze ein.
  4. Blütephase: Die Blütephase ist die letzte Phase im Leben der Cannabispflanze. Maßgeblich geht es in diesem Abschnitt um den Lebenserhalt bzw. die Weitergabe der Gene. Hier zeigt sich nun das Geschlecht von Cannabis Sativa L. Die Blütephase dauert zwischen 4 und 12 Wochen und endet mit dem Tod der Pflanze.
Illustration mit dem Titel „Lebenszyklus der Cannabispflanze“.
Eine geschwungene Straße symbolisiert die vier Wachstumsphasen der Pflanze – von unten nach oben:	1.	Keimphase: Der Samen beginnt zu keimen und ein zarter Sprössling erscheint.	2.	Setzlingsphase: Die junge Pflanze entwickelt erste Blätter und ist noch anfällig.	3.	Vegetationsphase: Die Pflanze wächst kräftig und benötigt über 12 Stunden Licht täglich.	4.	Blütephase: Die Pflanze erreicht ihre Reife, zeigt ihr Geschlecht und vollendet ihren Zyklus.
Jede Phase ist mit einem passenden Icon markiert (z. B. Blatt, Sonne, Blüte) und kurz beschrieben. Die visuelle Darstellung folgt dem natürlichen Wachstumsverlauf der Cannabispflanze.

Etymologie und Systematik von Cannabis Sativa L.

Cannabis Sativa L., auch bekannt als gewöhnlicher Hanf (Cannabis), gehört zur Familie der Hanfgewächse (Cannabaceae) und wird innerhalb der Pflanzenwelt der Ordnung der Rosales – also den rosenartigen Bedecktsamern – zugeordnet. Die Pflanze setzt sich aus Samen, Fasern, Blättern und Blüten zusammen – und genau diese Vielfalt macht sie botanisch wie auch kulturell so spannend.

Früher wurde Cannabis Sativa L. oft als „indischer Hanf“ bezeichnet – eine Bezeichnung, die heute überholt ist. Denn mittlerweile unterscheidet man zwischen drei Haupttypen: Cannabis Sativa L., Cannabis Indica und Cannabis Ruderalis. Ob Indica dabei eine eigene Art oder lediglich eine Unterart von Sativa ist, wird bis heute wissenschaftlich diskutiert.

In ihrer natürlichen Form enthält Cannabis Sativa L. unter 5 % THC (Delta-9-Tetrahydrocannabinol) – im Vergleich zu modernen Züchtungen gilt sie also als eher mild. Der Name „Sativa“ stammt aus dem Lateinischen und bedeutet so viel wie „angebaut“ oder „kultiviert“.

Und noch ein kleiner Exkurs für alle, die’s genau wissen wollen: Das „L.“ im botanischen Namen ehrt den schwedischen Naturforscher Carl von Linné. Er war einer der Väter der modernen biologischen Klassifikation – und auch Cannabis hatte es ihm einst wissenschaftlich angetan.

Cannabis-Arten im Überblick

Der Ursprung der Cannabispflanze – und somit aller Cannabis-Sorten – liegt in Zentralasien. Von dort aus verbreitete sich die Pflanze in alle Teile dieser Welt. Während die ursprüngliche Form der Cannabispflanze einen eher geringen THC-Gehalt besaß, wurde dieser durch zahlreiche Kreuzungen künstlich erhöht.

In den 1970er und 1980er Jahren entwickelten Züchter aus aller Welt hybride Kreuzungen der Cannabispflanze, die schließlich zu populären Cannabis-Sorten wie "Purple Haze", "Cheese", "Cookie" oder "California" wurden. Den verschiedenen Cannabis-Sorten wird oftmals eine individuelle Eigenschaft bzw. Wirkung zugesprochen. Für einen Laien ist es dabei schwierig, Cannabis-Sorten zu erkennen – oder diese auseinanderzuhalten.

Cannabis Sativa L.

Cannabis Sativa L. ist die Mutter der Cannabispflanze, besitzt schmale bis längliche Blätter und wird in zahlreiche Cannabis-Sativa-Sorten unterteilt. Die Cannabis-Sativa-Samen enthalten wertvolles Eiweiß und Proteine, sowie Vitamine, Aminosäuren und ungesättigtes Omega-3. Dies scheint auch der Grund für unsere Vorfahren gewesen zu sein, Cannabis Sativa L. zu kultivieren und als Nahrungsmittel zu nutzen. Das auch als Nutzhanf bezeichnete Cannabis Sativa L. ist eine einjährige Pflanze, die vom Samen bis zur Blüte etwa sechs Monate benötigt.

Cannabis Indica

Cannabis Indica wurde im Jahr 1785 von dem französischen Biologen Jean Baptiste de Lamarck entdeckt und klassifiziert. Rein genetisch unterscheidet sich Cannabis Indica kaum von Cannabis Sativa L., allerdings gehört Cannabis Indica zu den Cannabissorten, die ein kälteres Klima bevorzugen. Dies erklärt auch den Ursprung der Pflanze, welcher in den kälteren Regionen Asiens und Indiens liegt.

Cannabis Indica wächst gedrungen und kleiner als Cannabis Sativa L. und hat zudem eine geringe Blütezeit. Die Cannabis-Indica-Blätter sind breit und haben etwa 7–9 Finger pro Blatt. Durchschnittlich tragen Cannabis-Indica-Pflanzen mehr Pollen bzw. Knospen als Cannabis Sativa L. Pflanzen. Optisch ist der Cannabis-Indica-Samen von anderen Cannabis-Sorten nicht zu unterscheiden.

Cannabis Ruderalis

Der Ruderalhanf wurde erstmals im Jahr 1924 von dem russischen Botaniker Dimitri Janischewski beschrieben und als dritte Art der Gattung Cannabis definiert. Bis jetzt ist es jedoch umstritten, ob der Ruderalhanf eine eigene Art darstellt oder gleichbedeutend mit Cannabis Sativa L. ist.

"Ruderalis" ist das lateinische Wort für "zerbröckeltes Gestein" und verdeutlicht die Anpassungsfähigkeit der Pflanze in von Menschen künstlich geschaffenen Gebieten. Die Blätter der Cannabis-Ruderalis-Pflanze sind drei- bis fünffingrig, während die Pflanze bis zu 80 cm hoch wächst. Der große Unterschied zu anderen Cannabis-Arten liegt in der Blütezeit von Cannabis Ruderalis. Die Pflanze reift chronologisch. Das bedeutet, dass Cannabis Ruderalis unabhängig vom Lichtzyklus zu blühen beginnt.

Einer Beobachtung Dimitri Janischewskis nach werden die Cannabis Ruderalis Samen durch Feuerwanzen systematisch gesucht und weitergetragen. Dies fördert die Verbreitung der Pflanze, insbesondere in unwirtlichen Gebieten. Die Pollen von Cannabis Ruderalis werden kaum konsumiert, da sie im Vergleich zu den anderen Arten weniger bis kaum THC-haltig sind.

Cannabis-Legalisierung 2024: Wie sich der Umgang mit der vielseitigen Pflanze verändert

Seit Jahrtausenden spielt die Cannabispflanze eine bedeutende Rolle in verschiedenen Kulturen weltweit. Sie diente als Nahrungsquelle, wurde für die Herstellung von Textilien genutzt und fand Anwendung in rituellen Zeremonien.

Lange Zeit galt Cannabis jedoch in Deutschland ausschließlich als BetäubungsmittelBesitz, Anbau und Konsum waren verboten. Das änderte sich grundlegend im Jahr 2024: Seit dem 1. April ist der Besitz von bis zu 25 Gramm Cannabis zum Eigenbedarf sowie der private Anbau von bis zu drei Pflanzen für Erwachsene ab 18 Jahren legalisiert. Dennoch bleibt der kommerzielle Verkauf ohne entsprechende Lizenz weiterhin untersagt.

Cannabidiol (CBD), ein nicht-psychoaktiver Bestandteil der Cannabispflanze, war bereits vor der Teillegalisierung legal erhältlich – vorausgesetzt, der THC-Gehalt liegt unter 0,2 %. In den letzten Jahren hat CBD zunehmend an Bedeutung gewonnen und wird heute vielfältig eingesetzt, etwa zur Entspannung, Schmerzlinderung oder Hautpflege. Allerdings bestehen weiterhin rechtliche Grauzonen, etwa beim Verkauf als Lebensmittel oder Nahrungsergänzungsmittel.

Auch in der Kosmetikindustrie gewinnt Cannabis an Relevanz – etwa in Form des sogenannten Cannabis Sativa Callus Lysate. Dieses Extrakt aus Pflanzenzellkulturen soll die Haut beruhigen und regenerieren.

Kurz gesagt: Die Cannabispflanze bleibt ein bemerkenswert vielseitiges Gewächs – ob in Medizin, Kosmetik oder Kultur. Mit der sich wandelnden Gesetzeslage eröffnet sich ein neues Kapitel ihrer Nutzung – doch Aufklärung und verantwortungsvoller Umgang bleiben dabei entscheidend.


FAQ

Wie viele Cannabis-Arten gibt es?

In der Botanik werden in der Regel drei Hauptarten von Cannabis unterschieden: Cannabis Sativa, Cannabis Indica und Cannabis Ruderalis. Manche Forscher sehen sie als Unterarten ein und ordnen sie alle Cannabis Sativa L. zu. Die genaue Einteilung ist bis heute wissenschaftlich umstritten.

Wie viele Cannabis-Sativa-Sorten gibt es?

Es gibt Hunderte von Cannabis-Sativa-Sorten – Tendenz steigend. Viele davon sind Hybridzüchtungen, die Sativa-Genetik mit Indica- oder Ruderalis-Eigenschaften kombinieren. Da ständig neue Sorten durch Kreuzung und Selektion entstehen, lässt sich keine feste Zahl nennen.

Was ist der Unterschied zwischen einer männlichen und einer weiblichen Cannabispflanze?

Der wichtigste Unterschied zwischen männlichen und weiblichen Cannabispflanzen liegt in ihrer Funktion bei der Fortpflanzung: Weibliche Pflanzen entwickeln die begehrten Blüten (Buds), die reich an Cannabinoiden wie THC und CBD sind. Sie sind die Grundlage für medizinischen und Freizeitkonsum. Männliche Pflanzen produzieren Pollensäcke, mit denen sie die weiblichen Pflanzen bestäuben. Sie bilden keine rauchbaren Blüten, sind aber wichtig für die Zucht. Optisch sind weibliche Pflanzen meist kompakter und feingliedriger, während männliche Pflanzen größer und etwas robuster wachsen. In der professionellen Cannabiszucht werden männliche Pflanzen oft entfernt, um eine ungewollte Bestäubung zu verhindern – denn nur unbestäubte weibliche Pflanzen (sogenannte Sinsemilla) bilden besonders wirkstoffreiche Blüten.

Wer hat Cannabis entdeckt?

Cannabis wurde nicht im klassischen Sinne „entdeckt“ – die Pflanze wird seit Jahrtausenden von Menschen genutzt. Die frühesten Belege für den Gebrauch von Cannabis stammen aus Zentralasien und reichen etwa bis 10.000 v. Chr. zurück. Schon damals nutzten Menschen die Fasern zur Herstellung von Textilien und Seilen, die Samen als Nahrungsmittel und die Blüten zu rituellen oder medizinischen Zwecken.

Part 2: Das Kap der Grünen Hoffnung – Die Produktion von medizinischem Cannabis in Südafrika

Nach meinem Besuch einer Medical Dispensary sollten ein paar tiefere Einblicke in die Produktion von medizinischem Cannabis am Kap das zweite Highlight meiner Südafrika-Reise im Frühjahr 2024 werden. Vor den Toren der Kapmetropole hat die Firma Chronico ihren Sitz. Als einer der ersten Produzenten des Landes baut Chronico seit 2021 medizinisches Cannabis an. Unser Weg in die heiligen Hallen führt über die Obstfarm, auf der Chronicos Partner, die Familie van der Merwe, seit 1743 Obstanbau betreibt.

Chronico – Medizinisches Cannabis aus Überzeugung

Nach erfolgreicher Passage der Sicherheitsschleuse werden wir vom gesamten Chronico-Team herzlich empfangen. Auf meine Frage, wieso man neben Obst und Gemüse seit 2021 denn auch medizinisches Cannabis anbaue, erklärt mir Chronico-Chef James:

Ich bin selbst von medizinischem Cannabis überzeugt und glaube fest an dessen Vorteile. Vor etwas mehr als drei Jahren haben die Familie van der Merwe und ich uns kennengelernt, um danach den Anbau von medizinischem Cannabis als Zusatzmodul zum bestehenden, landwirtschaftlichen Betrieb aufzubauen. Die Farm hier baut eigentlich Zitrusfrüchte an, die wir Naches nennen. Bei Euch heißen die Mandarinen. Mit Terpenen kennen wir uns also aus.“

Genug geredet. Ich will jetzt selbst sehen, wie hier „Blueberry Haze“, „Slurricane“ oder „Black Cherry Punch“ gedeihen. James bittet seine Chefgärtner Josh und Saul, mit mir eine Runde durch die Anlage zu drehen. Saul stammt aus der Gegend und erklärt mir auf dem Weg in die Facility, dass in der Region ein ähnliches Klima wie in Kalifornien herrsche. Es ähnele dem mediterranen Klima und sei für Cannabis perfekt. Die trockene Luft, viel Sonne und ein fruchtbarer Boden machen die Kapregion ohnehin zu einer der fruchtbarsten Gegenden weltweit.

Zum Anbau von medizinischem Cannabis bedarf es einer soliden Grundlage, die James und Saul im Gewächshaus für Mutterpflanzen und deren Ableger schaffen. Hier erfahre ich auch, dass sowohl unter Kunstlicht als auch unter Sonnenlicht angebaut wird. Das Kunstlicht geht erst dann an, wenn die Sonne nicht mehr genug Licht liefert. Mutterpflanzen und Stecklinge werden jedoch zu 100 Prozent unter Kunstlicht angebaut. In der vegetativen Sektion von Chronico versuchen Seth und Saul, äußere Einflüsse so gering wie möglich zu halten und haben sich deshalb für Kunstlicht entschieden. Chronico verwendet noch kein Saatgut, sondern nutzt Ableger als Grundlage der eigenen Produktion.

„In Zukunft werden wir definitiv auch zertifizierte Samen nutzen, um unsere eigenen Sorten zu entwickeln. Wir werden Phenotypen selektieren und solche Sachen. Aber derzeit, ich nenne es mal in unserer Orientierungsphase, ist es viel einfacher und unkomplizierter, mit Ablegern zu arbeiten. Im Moment haben wir hier eine „Slurricane“ und die „Black Cherry Punch“ und ein paar „Blueberry Haze“. Wir lassen unsere Mutterpflanzen nicht zu alt werden. Hier wird alle paar Monate geräumt und wir fangen von vorne an. Zum besseren Wachstum und zur Schädlings- sowie Pilzprophylaxe nutzen wir eine Kombination aus nützlichen Pilz- und Bakterienkulturen sowie Nützlingen.“

Die Mutterpflanzen und Ableger der Chronico-Strains sind wirklich beeindruckend und bei Patienten und Patientinnen in Deutschland, Australien und Südafrika so begehrt, dass man mit der Produktion kaum hinterherkommt. Deshalb können mir Seth und Saul zum Zeitpunkt meines Besuchs leider keine blühenden Medizinal-Cannabispflanzen zeigen.

FarmaGrowers – Nachhaltiger High Tech Anbau der Extraklasse

Die bekomme ich dafür 1400 Kilometer weiter nördlich beim nächsten Stopp in der Nähe von Johannesburg zu sehen. Hier treffe ich Marc, den Senior-Grower von Farmagrowers.

Vorm Betreten der Produktionsanlage muss ich pusten, damit sich das Drehkreuz öffnet. Mein Begleiter klärt mich auf: „Pusten ist in sensiblen Bereichen jedes südafrikanisches Betriebs Standard.“ Bevor ich mit bestätigten 0,0 Promille endlich zu den Pflanzen darf, versorgt mich Marc eben jenen sterilen Klamotten aus, die bei der Medizinal-Cannabis Produktion weltweit vorgeschrieben sind.

Frisch umgezogen treffen wir dann auf die ersten blühenden Hanfdamen. Das Team ist gerade dabei, Netze über den Köpfen der „Critical Kush“ zu spannen. Denn kurz vor der Ernte werden die Topbuds so schwer und voluminös, dass sie ohne die Netze ins Schwanken geraten oder schlimmstenfalls abknicken könnten. Ein anderer Teil des Teams ist dabei, die großen Blätter von den Stielen zu entfernen. Beim so genannten Ausgeizen werden in der Blütephase immer wieder Blätter und Triebe von der Pflanze entfernt, die nicht optimal mit Licht versorgt werden. So stellt man sicher, dass sich die verbleibenden Triebe optimal entwickeln. „Zudem fördert es die Luftzirkulation sowie ein gleichmäßiges Cannabinoidprofil“ erklärt mir der Senior-Grower der Farmagrower.

Hybrid-Technik – Viel Licht und niedrige Energiekosten

Wir befinden uns hier in einem Hybrid-Gewächshaus, wo sowohl Sonnen- als auch Kunstlicht verwendet wird. Unterschreitet das Sonnenlicht einen gewissen Wert, schalten sich automatisch LED-Lampen mit einer Leistung von 150 Watt/m² hinzu. So kommen beim Anbau der FarmaGrowers-Strains durchschnittlich 25 Prozent Kunstlicht zum Einsatz. Im Sommer ist es weniger, im Winter etwas mehr. Der Strom für die Gewächshäuser wird von einer Solaranlage auf dem Betriebsgelände erzeugt. Das sei, so Marc, nicht nur nachhaltig, sondern senke die Kosten immens. Marc erklärt mir auch, dass der Ertrag und die Qualität sehr stark von der Lichtmenge abhingen und sein Team deshalb eine möglichst hohe, tägliche Lichtmenge für die Pflanzen anstrebe: “Ganz einfach, Cannabis liebt Licht“, erfahre ich auf dem Weg in den nächsten Raum.

Dort angekommen, rieche ich das Terpenprofil der „Royal Gorilla“ sogar durch die obligatorische Schutzmaske. Jede Pflanze hat vier bis sechs Topbuds, die zu 100 Prozent mit Kunstlicht bestrahlt werden. Anders als im vorherigen Raum handelt es sich hier um ein reines Indoor-Gewächshaus. Die Pflanzen blühen seit sechs Wochen und sollen in gut zwei Wochen geerntet werden. Auch in diesem Raum hat das Team im unteren Bereich ordentlich ausgegeizt, damit sich die oberen Medizinalblüten gleichmäßiger entwickeln.

„Wenn die unteren Blüten nicht die gleiche Menge an Licht bekommen wie die oberen, entwickeln sie ein anderes Cannabinoidprofil. Um dieses Problem zu lösen, entfernen wir sie einfach. Wir nutzen die Pflanzenenergie lieber für die großen Topbuds,“ erklärt mein Gegenüber.

Künstliche Cannabis-Intelligenz in der Schaltzentrale

Unsere nächste Station ist der Kontrollraum. Hier werden alle Parameter, die während des Anbauprozesses wichtig sind, eingestellt, geändert und kontrolliert. Ein System steuert die gesamte aeroponische Hardware, also die Bewässerung und die Nährstoffmischung für alle Räume. Ein zweites System steuert Licht, Klima sowie die CO2-Zufuhr in den Gewächshäusern. Von hier aus kann man auch den Zustand jeder einzelnen Pflanze checken und eventuelle Mängel oder Probleme so sehr früh erkennen.

„Ich verbringe hier eine Menge Zeit“, erzählt Marc. Er ist der Guardian Grow Manager, mit dem wir von hier aus einen Blick auf den Blühraum werfen können. “Da werden alle sieben Reihen von Raum eins angezeigt: Der EC- und pH-Wert, die Wassertemperatur, der Wasserdruck, Raumumgebung. Dadurch können wir uns jede Reihe aussuchen, um zu sehen, was dort gerade passiert. Wir können auch noch einen Schritt weiter und in den Wachstumsplan für genau diese Reihe gehen. Wie du siehst, können mit dem Tool sämtliche Zyklen programmiert werden – Woche eins, Woche zwei, Woche drei und so weiter. Wer will, kann es noch weiter aufschlüsseln.“

Ich kann die Begeisterung für das High-Tech Setup meines Tour-Guides förmlich spüren und muss ihn ein wenig drängeln, mir die Pumpstation zu zeigen. Dort angekommen stehen wir vor einer riesigen Umkehrosmose-Anlage, die mit einem Hochdruck-Pumpensystem verbunden ist. Die Umkehrosmose-Anlage entsalzt und filtert das Wasser, damit die Pflanzen mit einer für sie optimalen Nährstoffkombination versorgt werden können. Von hier aus werden zwei Gewächshäuser und zwei Indoor-Hallen mit Wasser und Nährstoffen versorgt. Da Cannabis in seinen unterschiedlichen Entwicklungsstadien verschiedene Nährstoffe benötigt, muss jeder Pflanzraum mit einer individuellen Nährlösung versorgt werden. Das passiert mithilfe von Dosierpumpen und Messgeräten, die vom zuvor besuchten Kontrollraum aus gesteuert werden. Nach unserer kurzen Stippvisite in der Pumpstation bekomme ich zum ersten Mal das fast fertige Produkt zu Gesicht.

Fachkräfte mit Adleraugen und flinken Fingern

Im Trimraum werden die zuvor geernteten Pflanzen von großen Blättern und den Stielen getrennt. Zum Grobschnitt verwenden die Mitarbeiter:innen einen so genannten Trimmer, der dem Team einen Berg Arbeit abnimmt. Ich möchte von Marc wissen, wieso sein Team hier erst maschinell und danach per Hand trimmt.

„Es gibt immer ein paar Blätter, Stiele oder andere Anomalien, die die Maschine dran gelassen hat. Man kann den Trimmer so einstellen, dass er nicht so viel abnimmt und ähnlich wie von Hand trimmt, also weniger rabiat mit den Blüten umgeht. Mit dieser Starthilfe schaffen wir eine ganze Charge, einen ganzen Raum in etwa sechs Stunden.“

Nach dem maschinellen Trim werfen die Teammitglieder einen letzten Blick auf jede einzelne Blüte und arbeiten, falls notwendig, nach. So wird sichergestellt, dass weder Blätter noch andere, unerwünschte Anhaftungen ins Produkt gelangen. Danach werden Trimreste und das Produkt getrennt. Die immer noch potenten Reste werden mithilfe eines Filterbeutels an der Seite aufgefangen. Dann wird das notwendige Extraktions-Zertifikat bei den Behörden beantragt. Sobald das da ist, wird der Trim zur Extraktion an eine andere Firma verschickt.

Die frisch geernteten Medizinalblüten kommen nach dem Trimvorgang in den Trockenraum. Den möchte ich als krönenden Abschluss meiner Tour auf jeden Fall einmal sehen. Marc erklärt mir, dass ich ihn gerne ansehen darf – allerdings nur in leerem Zustand.

„Ich wünschte, ich hätte fertig getrocknete Blüten zum Zeigen. Aber derzeit ist die Nachfrage höher als die Produktion und deshalb hängen gerade keine Pflanzen da.“

Eine schonende Trocknung braucht Zeit

Ich erfahre, dass die frischen Pflanzen ungefähr zwei Wochen bei 16 Grad Raumtemperatur und einer Luftfeuchtigkeit von 55 Prozent trocknen. Die langsame Trocknung bei niedrigen Temperaturen schont die Terpene. Nach dem Trocknen werden die Blüten im Lagerraum in Plastikfässern noch ein bis zwei Wochen gecured – also regelmäßig gelüftet und gewendet. Denn erst während des Curing-Prozesses entfaltet Cannabis das volle Spektrum seiner Terpene und somit den sortentypischen Geschmack und Geruch.

Bevor mein Rundgang zu Ende geht, möchte ich von meinem Gegenüber noch erfahren, wo man lernt, so gut wie er Cannabis anzubauen. Ist ja schließlich selbst in den Ländern, die medizinisches Cannabis produzieren, kein Lehrberuf.

„Ich würde mich einen Autodidakten nennen. Ich baue seit etwa 15 Jahren Cannabis an, die letzten vier im kommerziellen Maßstab. Ich habe mich schon immer für Cannabis interessiert. Es ist eine Pflanze, die sich auf so mannigfaltige Arten selbst ausdrückt. All die verschiedene Terpenprofile, die unterschiedlichen Phänotypen und Pflanzenstrukturen. Man kann behaupten, ich bin etwas besessen vom Cannabisanbau. Das treibt mich an, immer wieder und wieder neue Samen keimen zu lassen, nach neuen Sorten zu suchen und einfach das bestmögliche, medizinische Cannabis anzubauen.“

Marc hat mir heute eine wirklich beachtliche Anlage gezeigt. Sein Wissen und seine Fähigkeiten sind so beeindruckend, dass er mittlerweile ein gefragter Mann ist. Der Flieger, der ihn zum nächsten medizinischen Cannabis-Projekt auf die andere Seite des Globus bringt, geht in zwei Stunden. Ich verabschiede mich von Marc, wünsche ihm einen guten Flug und viel Erfolg bei seinen kommenden Cannabis-Großprojekten.

Wie grün ist die Zukunft Südafrikas?

Ich habe mittlerweile Produktionsanlagen für medizinisches Cannabis auf drei Kontinenten besucht. Südafrikas Branche hat mich hinsichtlich der Professionalität und Qualität der Produkte sehr positiv überrascht. Hier treffen europäische Gründlichkeit und Standards beim Anbau auf die Experimentierfreudigkeit und Sortenvielfalt der kanadischen und der US-Westküste. Das Klima eignet sich zudem perfekt für den Anbau von Cannabis, Solarenergie gibt es im Überfluss und auch Behörden und Regierung sind bereit, den rechtlichen Rahmen im Sinne von Patienten und Patientinnen sowie Produzenten und Produzentinnen zu gestalten. Südafrika ist heute schon ein Hotspot auf der Weltkarte für medizinisches Cannabis.


Hinweis: Grundsätzlich spiegeln namentlich gekennzeichnete Beiträge nicht immer die Positionen von avaay und/oder der Sanity Group wider, sondern sind Ausdruck der pluralistischen Perspektiven und Ansätze der Autor:innen im Rahmen einer modernen Cannabis-(Drogen)-Politik/Thematik.

Microseeds in aller Munde: Woher kommen die “Minisamen” im Medizinalcannabis?

Ein aktuell in der Medizinalcannabis-Welt heiß diskutiertes Thema sind sogenannte “Microseeds”. Sie sind ein unangenehmer Störfaktor, scheinen sich auch immer häufiger in medizinischen Cannabisblüten zu verstecken und sorgen somit für Gesprächsstoff innerhalb der Community. Das Feedback unserer Patienten und Patientinnen ist uns sehr wichtig, daher haben wir uns dem Thema ausführlich gewidmet. Im Folgenden beleuchten wir die unterschiedlichen Aspekte der Microseeds: Was sind Microseeds? Welche Ursachen können bestimmt werden? Und welche Risiken bergen sie eigentlich? Zum Schluss ordnet unser Sommelier Tim Dresemann das brisante Thema noch einmal ein. Seine Sicht als Experte mag vielleicht sogar überraschen.

1. Was sind Microseeds überhaupt?

Selbst bei der Definition, was Microseeds sind, gibt es bisher keine Einigkeit. Generell sind aber unter Microseeds sehr kleine Strukturen zu verstehen, die an unvollständig ausgebildete Samen erinnern. Häufig sind diese Minisamen jedoch deformiert und unterscheiden sich z.B. hinsichtlich der Form, Farbe aber auch anderer Attribute wie beispielsweise der Härte von “echten” Samen.

Abb. 1 Microseeds im Vergleich zu einem ausgereiften Samen (adaptiert nach u/brookie_oftheyr, 22.03.2020) 

Um was es sich genau beim Phänomen der kleinen Samen (Microseeds) im medizinischen Cannabis handelt, ist bis heute noch nicht eindeutig geklärt. Zu den gängigsten Theorien gehören:

  1. (Unausgereifte) Samen nach (Selbst-)Bestäubung:
    Eine versehentliche (Selbst-)Bestäubung durch männliche Pflanzen oder Pflanzen mit zweigeschlechtlichen Blüten mit anschließender Samenproduktion erscheint aufgrund der kontrollierten Anbaubedingungen in Kombination mit der Häufigkeit des Auftretens von Microseeds als eher unwahrscheinlich. Zudem sind auf diese Weise entstandene “echte” Samen zum Zeitpunkt der Ernte im Regelfall bereits ausgereift oder zumindest aufgrund der Struktur und Färbung eindeutig als Samen zu identifizieren.
  1. Samen durch Apomixis:
    Unter Apomixis ist die ungeschlechtliche Fortpflanzung zu verstehen, bei der es ohne vorhergehende Befruchtung zur Samenbildung kommt (Agamospermie). Die so entstandenen Nachkommen sind daher mit der “Mutterpflanze” genetisch identisch.1 Bei dieser Form der Fortpflanzung kann es sich um eine Art "Notfallprogramm" handeln,  das aufgrund der nicht stattfindenden Befruchtung einsetzt. Dennoch sollten sich aus dieser Art der Fortpflanzung prinzipiell “normale” Samen entwickeln können. Möglicherweise bleiben die so entstandenen Samen jedoch aufgrund genetischer (zuchtbedingter) Faktoren unterentwickelt.
  1. Übermäßig entwickelte Ovuli (Ovulum/Eizelle = Samenanlage)
    Bei einigen Cannabissorten scheinen die Samenanlagen generell stärker ausgeprägt bzw. größer als bei anderen Sorten zu sein. Darüber hinaus schwellen diese im Verlauf der Blüte häufig an und ähneln damit befruchteten Ovulen. Diese “aufgeblähten” Ovulen sind zu Beginn grün und wechseln dann sehr schnell zu einem grauen oder schwarzen Farbton. Der Farbumschlag geht zudem mit einem Schrumpfen der Samenanlagen einher. Ob das Auftreten der vergrößerten Ovuli mit der Feminisierung zusammenhängt, ist jedoch umstritten.2,3

2. Mögliche Ursachen für die Entstehung von Microseeds in medizinischem Cannabis

Um welche Strukturen es sich dabei genau handelt und ob es sich bei Microseeds eventuell auch – je nach Fall – um eine oder gar verschiedene der oben aufgeführten Strukturen handelt, ist aktuell ebenso unklar wie die Ursache der Entstehung. Aktuell werden zwei mögliche Ursachen diskutiert:

Schlussfolgerung zur Entstehung von Microseeds
Zusammengefasst sind Microseeds also allgemein kleine, samenähnliche Strukturen in den Cannabisblüten, die unabhängig von Kultivar oder Anbaubedingungen auftreten können. Derzeit gelten als wahrscheinlichste Ursache zuchtbedingte genetische Faktoren.

3. Welche Informationen gibt es zu möglichen Gesundheitsrisiken durch die Inhalation von Cannabisblüten mit Microseeds?

Neben einem schlechten Geschmack durch verbrannte Microseeds und einem unangenehmen kratzigen Charakter des Rauchs, manchmal auch in Verbindung mit Kopfschmerzen oder Übelkeit, wird vor allem in Foren oder Beiträgen im Internet immer wieder davon berichtet, dass das Inhalieren von Cannabisblüten mit Microseeds besonders gefährlich sei.
Es wird vermutet, dass dies an Pflanzenölen liegen könnte, die in den Samen enthalten sind. Durch die hohen Temperaturen beim Rauchen können Bestandteile dieser Öle in schädliche Verbindungen umgewandelt werden, die krebserregend sein können.6 Die zitierten Warnungen von beispielsweise einem “Hanfkoch” oder einem erfahrenen Cannabisarzt beziehen sich jedoch vor allem auf das übermäßige Erhitzen bei der Herstellung von Hanfbutter bzw. dem Inhalieren von Ölen wie z.B. Extrakten und werden daher in einen falschen Zusammenhang gebracht.6 Da hierbei jedoch ganz andere Mengen an Pflanzenölen (verwendet zur standardisierten Einstellung der Cannabisextrakte) inhaliert werden, ist eine direkte Übertragbarkeit des Risikos auf die Inhalation von Microseeds nicht gegeben. Zudem ist bisher unklar, welche Stoffe und welche Mengen dieser Stoffe die Microseeds tatsächlich enthalten. Wissenschaftliche Untersuchungen hierzu gibt es derzeit nicht.Ein weiterer Aspekt, der in Bezug auf Microseeds genannt wird, ist, dass sie Stoffe enthalten, die bei der Inhalation in Blausäure umgewandelt werden würden.7 Aber auch hierzu lassen sich keine Studien finden. Vermutlich wird hier die Tatsache, dass z.B. Leinsamen, kleinere und zudem unbedenkliche Mengen an Blausäure enthalten, auf andere Pflanzenöle wie beispielsweise Hanfsamenöl übertragen.8

Das Rauchen von Tabak und Cannabisblüten
Dennoch entstehen natürlich sowohl beim Rauchen von Tabak als auch beim Rauchen von Cannabisblüten viele potentiell schädliche Verbindungen, die bei einem langfristigen Konsum zu gesundheitlichen Schäden führen können.

Neben der Freisetzung von Cannabinoiden entstehen beim Rauchen von Cannabis auch unzählige pyrogene Verbindungen, darunter Karzinogene, Mutagene und Teratogene, die potenziell gesundheitsschädlich sind. Eine Studie von Graves et al. zufolge haben Tabakrauch und Cannabisrauch Verbindungen gemeinsam, von denen 69 toxisch sind.9,10 Laut einer Übersichtsarbeit über die Auswirkungen von inhalativen Suchtmitteln sind derzeit eindeutige Schlussfolgerungen für langfristige Folgen von Cannabiskonsum auf Lunge und Atemwege jedoch noch nicht möglich. Dies liegt vor allem daran, dass in den meisten Studien nicht zwischen den überlappenden Effekten des Tabak- und des Cannabiskonsums differenziert wurde.11 Die Karzinogene und respiratorischen Toxine in Cannabis- und Tabakrauch sind zwar ähnlich, dennoch scheinen sich die Folgen des Cannabisrauchens von denen des Tabakrauchens zu unterscheiden.12 So gilt die Entwicklung einer chronischen Bronchitis durch anhaltendes Rauchen von Cannabis mittlerweile zwar als fast gesichert, hinreichende Beweise, dass Cannabis COPD verursacht, fehlen aber. Auch allergische Reaktionen einschließlich Asthma sowie Assoziationen mit Lungenemphysem, Lungenkrebs und Pneumonien sind möglich, aber nicht eindeutig belegt.13Zudem wurde in einigen Kasuistiken über Pneumothoraces, Pneumomediastinum sowie grob bullöse Lungenerkrankungen im Zusammenhang mit inhalativen Cannabiskonsum berichtet, jedoch auch hier ist der Zusammenhang nicht eindeutig bewiesen.14

Das Vaporisieren von Cannabisblüten
Nicht zuletzt aus diesen Gründen setzt sich in den letzten Jahren die inhalative Anwendung mittels Vaporisation gegenüber dem Rauchen von Cannabisblüten weltweit immer mehr durch. Das Verdampfen mittels Vaporisatoren, die als Medizinprodukt zugelassen sind, gilt in Deutschland längst als die etablierte medizinische Anwendungsform, wenn eine inhalative Cannabistherapie angezeigt ist. Bei der Vaporisation mittels solcher Geräte wird das Medizinalcannabis auf 180 – 210 °C erhitzt. Flüchtige Inhaltsstoffe, zu denen auch Cannabinoide und Terpene gehören, werden bei diesen Temperaturen in Dampf überführt, ohne dass das Pflanzenmaterial verbrannt wird. Rauch entsteht bei dieser Anwendungsmethode nicht. Es wird angenommen, dass durch die niedrigeren Temperaturen und die verbrennungsfreie Erhitzung weniger gesundheitsschädliche Stoffe als beim Rauchen entstehen.15 Zum Vaporisieren von Medizinalcannabis, das Microseeds aufweist, gibt es jedoch wie auch zum Rauchen von Microseed-haltigen Cannabisblüten bisher noch keine Studien.

Schlussfolgerung zu möglichen Gesundheitsrisiken durch die Inhalation von Cannabisblüten mit Microseeds
Beim Rauchen von Cannabisblüten entstehen ähnlich wie beim Rauchen von Tabak verschiedene Verbindungen, die aufgrund ihrer kanzerogenen, mutagenen oder teratogenen Eigenschaften gesundheitsschädlich sind. Nach derzeitigem Kenntnisstand gibt es jedoch keine Hinweise darauf, dass die Inhalation – ob durch das Rauchen oder das Vaporisieren – von Cannabisblüten, die Microseeds enthalten, mit einem gesteigerten Risiko für gesundheitsschädliche Effekte einhergeht.

4. Was können wir tun, um Microseeds in den Produkten zu verhindern? Ein Kommentar von Sommelier Tim Dresemann

Microseeds sind im heutigen medizinischen Cannabismarkt ein unerwünschtes und weit verbreitetes Phänomen. Während die genaue Ursache noch umstritten ist (s.o.), lässt sich mittlerweile mit hoher Wahrscheinlichkeit sagen, dass es ein genetisch verankertes Problem ist; daraus folgt die Annahme, dass sowohl Ursache als auch Lösung vor allem in der Zucht zu suchen sind. Demnach ist (leider) auch ein Quick Fix nicht zu erwarten.

Selbst wenn es gelingen könnte, durch z.B. weniger Stress im Anbau, die Prävalenz von Microseeds etwas zu reduzieren – eine wirkliche Lösung wäre das nicht, das Problem würde vermutlich auch weiterhin immer wieder auftreten..Die Hersteller (also auch wir als avaay Medical) sind sich dessen bewusst und reden auch mit den Produzenten. Das Problem wird aber aufgrund der bereits genannten wahrscheinlichen Ursachen nicht leicht und auch nicht innerhalb weniger Chargen abzustellen sein. Meine Vermutung ist, dass es sich innerhalb des Life-Cycles eines bereits angemeldeten Produkts überhaupt nicht abstellen lässt, da einen Austausch der Genetik und somit auch einen neuen Anmeldungs- und Registrierungsprozess erforderlich machen würde.

Alles eine Sache der Perspektive?
Aber auch die Wahrnehmung ist hier ein wichtiger Faktor: Während man Nordamerikaner:innen (USA/Kanada) oft noch ausführlich beschreiben muss, wovon hier eigentlich die Rede ist, ist die deutsche Cannabis-Community mittlerweile voll auf das Thema eingestimmt. Dass dann wiederum auch mehr gefunden wird (weil mehr gesucht wird), ist zu erwarten (mehr dazu hier).

Selbst Nordamerikaner:innen, die darauf aufmerksam gemacht wurden, sehen das nicht zwingend als Problem: "As long as it's not scratchy.”

Auf der einen Seite wird sich nun (zu Recht) in der deutschen Community über mangelhafte züchterische Arbeit (bspw. Microseeds) beschwert – auf der anderen Seite gibt es einen weitgehend unreflektierten Wunsch danach, möglichst jede Woche einen "neuen" Strain auf dem Markt zu entdecken. Die Industrie versucht weiterhin diesem Wunsch nachzukommen – das kann allerdings nur zulasten der genetischen Stabilität funktionieren und lässt sich mit den Grundsätzen guter züchterischer Praxis schlichtweg nicht vereinbaren.

Dass der Einfluss auf die Konsumerqualität (also NICHT der pharmazeutischen Qualität) je nach Ausmaß erheblich negativ sein kann, sollte mittlerweile klar sein. Allerdings nehme ich mittlerweile auch viel Verständnis für das Thema wahr. Auch das Bewusstsein, dass so gut wie alle Produkte von ziemlich allen Herstellern zumindest teilweise betroffen sind, ist bei vielen schon vorhanden.

5. Schlusswort

Uns als avaay liegt eine angenehme Konsumerfahrung von Medizinalcannabis am Herzen, wobei die Gesundheit unserer Patienten und Patientinnen natürlich im Fokus steht. Aus diesem Grund behalten wir auch weiterhin das Thema “Microseeds” im Blick und optimieren darüber hinaus kontinuierlich unser Portfolio und unsere Lieferkette.

6. Quellenverzeichnis

  1. Winkler, Hans Karl Albert. Parthenogenesis und Apogamie im Pflanzenreiche. G. Fischer, 1908.
  2. https://www.icmag.com/threads/swollen-calyx-or-hermed.233160/
  3. https://www.rollitup.org/t/large-ovules-that-crackle-never-ending-mystery.985072/ 
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