Schmerz ist ein ständiger Begleiter für Millionen von Menschen in Deutschland: chronische Rückenschmerzen, Migräne, Nervenschmerzen oder rheumatische Erkrankungen. Für viele Patient:innen bedeutet das jahrelange Therapien, zahlreiche Medikamente – und oft dennoch nur unzureichende Linderung. Kein Wunder also, dass das Interesse an Cannabis als Schmerzmittel wächst. Doch was kann die Pflanze wirklich leisten und wo liegen die Grenzen?
Gerade für Menschen mit chronischen Schmerzen kann Cannabis eine Option sein, wenn andere Therapien nicht ausreichend helfen. Seit 2017 dürfen Ärzt:innen in Deutschland medizinisches Cannabis verschreiben – allerdings nur, wenn herkömmliche Schmerzmittel oder Verfahren wie Physiotherapie, Operationen oder andere Medikamente nicht den gewünschten Erfolg gebracht haben oder starke Nebenwirkungen verursachen.
Ob Cannabis zum Einsatz kommen kann, prüft immer die behandelnde Ärztin oder der behandelnde Arzt. Grundlage ist eine klare Diagnose und die Einschätzung, dass Cannabis eine sinnvolle Ergänzung oder Alternative sein könnte. Mit einem Cannabis-Rezept dürfen Patient:innen dann Cannabisblüten oder standardisierte Cannabis-Extrakte in der Apotheke beziehen – beides wird streng kontrolliert und geprüft.
Im Prinzip können alle niedergelassenen Ärzt:innen Cannabis verordnen – auch Hausärzte. Ausgenommen sind nur Zahnärzte und Tierärzte. Besonders häufig stellen Fachärzt:innen für Schmerztherapie, Neurologie, Orthopädie, Rheumatologie oder Palliativmedizin Rezepte aus, da sie oft mit schwer behandelbaren chronischen Schmerzen konfrontiert sind.
Für Schmerzpatient:innen ist wichtig: Die Krankenkassen übernehmen die Kosten nur nach vorherigem Antrag. Dabei muss der Arzt oder die Ärztin begründen, warum andere Therapien nicht ausreichend wirken. Manche Anträge werden abgelehnt, sodass Betroffene die Behandlung im Zweifel selbst bezahlen müssen.
Immer mehr chronische Schmerzpatient:innen wenden sich an Telemedizin-Anbieter, weil hier die Beratung oft schneller und unkomplizierter abläuft. Nach einer Online-Konsultation kann ein Privat-Rezept ausgestellt und das Cannabis-Medikament direkt über eine Partner-Apotheke verschickt werden – ohne lange Wartezeiten auf Facharzttermine.
Cannabis kann in Deutschland vor allem dann verschrieben werden, wenn es sich um chronische Schmerzen handelt, die mit herkömmlichen Therapien nicht ausreichend gelindert werden können. Typische Einsatzgebiete sind:
Wichtig ist: Cannabis ist kein Schmerzmittel erster Wahl, sondern kommt ins Spiel, wenn andere Optionen nicht ausreichend wirksam oder nicht verträglich sind.
Cannabis kann Schmerzen auf mehreren Wegen lindern. Zum einen wirken die Inhaltsstoffe THC und CBD im Endocannabinoidsystem – einem körpereigenen Netzwerk, das an der Schmerzregulation beteiligt ist. Sie können dort an spezielle Schaltstellen, die sogenannten CB1- und CB2-Rezeptoren, andocken: CB1 sitzt vor allem im Nervensystem und kann die Weiterleitung von Schmerzsignalen bremsen, CB2 findet sich verstärkt im Immunsystem und kann entzündliche Prozesse dämpfen. Beides zusammen kann dazu beitragen, Schmerzen zu verringern. [1]
Darüber hinaus weisen neuere Forschungen darauf hin, dass auch andere Cannabinoide wie CBG unabhängig vom Endocannabinoidsystem wirken können. Sie blockieren ein bestimmtes Protein in den Nervenzellen, das eine wichtige Rolle bei der Weiterleitung von Schmerzsignalen spielt. Wird dieser Mechanismus gehemmt, kann es dazu kommen, dass weniger Schmerzimpulse ins zentrale Nervensystem gelangen – was eine spürbare Linderung ermöglichen könnte. [2,3]
Die Forschung zu Cannabis bei chronischen Schmerzen ist in den letzten Jahren stark gewachsen. Vor allem bei Nervenschmerzen, Multipler Sklerose oder Fibromyalgie gibt es Hinweise darauf, dass Patient:innen von Cannabis profitieren können. Studien zeigen: Cannabis kann Schmerzen lindern, die Häufigkeit von Symptomen verringern und in manchen Fällen auch den Schlaf verbessern.[1]
Im Vergleich zu klassischen Schmerzmitteln, vor allem Opioiden, schneidet Cannabis überraschend gut ab. Erste Studien zeigen: In manchen Fällen wirkt es ähnlich stark, in anderen sogar besser. Ein Beispiel: 20 mg THC konnten in einer Untersuchung mehr Schmerzen lindern als eine mittlere Dosis Codein. Besonders wichtig ist aber der Unterschied bei den Risiken: Opioide können schnell abhängig machen und im schlimmsten Fall tödlich wirken, während Cannabis meist Nebenwirkungen wie Müdigkeit, Schwindel oder Konzentrationsprobleme verursacht – unangenehm, aber in der Regel nicht lebensgefährlich.[1]
Unser Tipp: Mehr Infos dazu findest du in unserem Artikel "Medizinisches Cannabis – Nebenwirkungen und Wirkung".
Ein weiterer spannender Aspekt: Viele Patient:innen berichten, dass sie durch Cannabis deutlich weniger Opioide benötigen. Manche konnten ihre Dosis halbieren, andere ganz absetzen. In großen Studien mit tausenden Teilnehmenden sank der Opioidverbrauch bei einem Teil der Betroffenen um bis zu 60 Prozent. Das ist vor allem in Ländern wie den USA bedeutsam, wo die Opioidkrise seit Jahren ein massives Gesundheitsproblem darstellt.[1]
Trotz dieser positiven Ergebnisse bleibt ein Haken: Die wissenschaftliche Datenlage ist noch nicht stabil genug, um Cannabis in allen Leitlinien als Standardtherapie zu empfehlen. Viele Studien sind klein, dauern nur wenige Wochen oder unterscheiden sich stark in den verwendeten Cannabisprodukten. Fachleute sind sich deshalb einig: Cannabis ist kein Allheilmittel, aber ein vielversprechender Baustein in der Schmerztherapie – vor allem dann, wenn andere Medikamente nicht wirken oder nicht vertragen werden.[1]
Eine aktuelle Studie der Yale University bringt frischen Schwung in die Schmerzforschung. Die Wissenschaftler:innen haben sich drei Substanzen aus der Cannabispflanze angesehen, die nicht berauschend wirken: Cannabidiol (CBD), Cannabigerol (CBG) und Cannabinol (CBN). Ihr Ziel: herauszufinden, ob diese Stoffe Nervenreizungen dämpfen können – also genau die Signale, die bei chronischen Schmerzen ständig ans Gehirn geschickt werden.[2,3]
Im Mittelpunkt stand dabei ein bestimmtes Protein in den Nervenzellen, das Nav1.8 heißt. Dieses Protein ist so etwas wie ein Schalter für Schmerzsignale: Es sorgt dafür, dass die Nervenzellen immer wieder feuern und den Schmerz weiterleiten. Die Yale-Studie konnte zeigen: Alle drei Cannabinoide blockieren Nav1.8 – und bremsen so die Übertragung von Schmerzen. Besonders wirksam war dabei CBG, das die Aktivität der Nervenzellen am stärksten senkte.[2,3]
Das Besondere daran: Diese Substanzen verändern nicht die Psyche, sie machen also nicht „high“. Gleichzeitig scheinen sie eine sichere Alternative zu herkömmlichen Schmerzmitteln zu sein, die oft starke Nebenwirkungen oder sogar Abhängigkeiten verursachen können.[2,3]
Noch sind die Ergebnisse vor allem aus Zell- und Tierversuchen bekannt, doch die Richtung ist vielversprechend. Die Forschenden hoffen, dass daraus neue Medikamente entstehen, die chronische Schmerzen lindern können – ohne die Risiken, die viele bisherige Therapien mit sich bringen.[2,3]
Cannabis kann Schmerzen lindern – doch wie stark die Wirkung ist, hängt stark von der jeweiligen Person und der Art der Schmerzen ab. Studien zeigen: Für viele Patient:innen liegt die Wirkung im mittleren Bereich. Das heißt: Cannabis wirkt oft spürbar, aber nicht so stark wie klassische Opioide. Dafür ist es oft besser verträglich. Besonders bei chronischen Schmerzen, die schwer zu behandeln sind – etwa Nervenschmerzen oder Fibromyalgie – berichten viele Betroffene von einer Entlastung.[1]
Cannabis kann für viele Schmerzpatient:innen eine neue Perspektive eröffnen – gerade dann, wenn herkömmliche Therapien nicht ausreichen oder zu viele Nebenwirkungen haben. Die Forschung zeigt, dass die Pflanze Schmerzen lindern, Entzündungen dämpfen und den Bedarf an Opioiden senken kann. Besonders spannend ist, dass neue Cannabinoide wie CBG in Zukunft vielleicht ganz ohne Rauscheffekt wirksam sein könnten.
Trotzdem gilt: Cannabis ist kein Wundermittel und ersetzt keine fundierte Schmerztherapie. Ob eine Behandlung sinnvoll ist, hängt immer vom Einzelfall ab. Deshalb sollte eine Cannabis-Therapie niemals in Eigenregie begonnen werden. Gerade wer bereits Medikamente gegen Schmerzen oder andere Erkrankungen einnimmt, braucht ärztliche Begleitung, um Risiken und Wechselwirkungen zu vermeiden.
[1] Hameed, M., Prasad, S., Jain, E., Dogrul, B. N., Al-Oleimat, A., Pokhrel, B., Chowdhury, S., Co, E. L., Mitra, S., Quinonez, J., Ruxmohan, S., & Stein, J. (2023). Medical cannabis for chronic nonmalignant pain management. Current Pain and Headache Reports, 27(4), 57–63.
[2] Bangalore, L. (2025, 21. Januar). Cannabinoids offer new hope for safe and effective pain relief. Yale News. Abgerufen am [aktuelles Datum], von https://news.yale.edu/2025/01/21/cannabinoids-offer-new-hope-safe-and-effective-pain-relief[3] Ghovanloo, M.-R., Tyagi, S., Zhao, P., & Waxman, S. G. (2025). Nav1.8, an analgesic target for nonpsychotomimetic phytocannabinoids. Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America, 122(4), e2416886122.