Cannabis-Konzentrate spielen eine immer größere Rolle – sowohl in der medizinischen Therapie als auch im Freizeitkonsum. Sie enthalten deutlich höhere Mengen an THC als herkömmliche Blüten und werden als Öl, Wachs oder Tinktur verwendet. Durch moderne Extraktionsverfahren lassen sich wirksame Bestandteile gezielt isolieren, was eine präzisere Dosierung ermöglicht. Gleichzeitig werfen Konzentrate neue Fragen zu Wirkung, Sicherheit und Langzeitfolgen auf. Dieser Artikel gibt einen Überblick über Herstellung, Anwendung und aktuelle Erkenntnisse aus der Forschung.
Die Zukunft des Cannabis ist womöglich nicht grün – sie ist golden, ölig oder glasklar. Wer sich heute in Apotheken, Fachkreisen oder Onlineforen umschaut, begegnet einem Phänomen, das noch vor wenigen Jahren als Nische galt: Cannabis-Konzentrate, vor allem solche mit hochdosiertem THC, dem psychoaktiven Wirkstoff der Pflanze.
Was früher in Form von getrockneten Cannabisblüten konsumiert wurde, liegt nun als Öl in Patronen/Kapseln, als Wachs in kleinen Glastiegeln oder als milligrammgenaue Tinktur in der Schublade der Patient:innen. Konzentrat ist das neue Maß der Dinge – es verspricht Effizienz, Kontrolle und maximale Wirkung bei minimalem Volumen. Aber es wirft auch Fragen auf: über Dosierung, Sicherheit, Verfügbarkeit – und über den verantwortungsvollen Umgang mit einer Substanz, die viel Potenzial, aber auch Risiken birgt.
Ein Konzentrat ist im Wesentlichen ein Auszug der wirksamen Bestandteile der Cannabispflanze – allen voran THC, das psychoaktive Cannabinoid. Während getrocknete Cannabisblüten in der Regel einen THC-Gehalt zwischen 10 und 30 Prozent aufweisen, erreichen Konzentrate Werte von 50 bis zu 95 Prozent. Diese hohe Potenz sorgt potenziell für eine besonders starke Wirkung – bei deutlich geringerem Volumen. Je nach Herstellungsart, Ausgangsmaterial und Reinigungsverfahren entstehen verschiedene Formen von Konzentraten. Die gängigsten im Überblick:
THC-Destillate sind hochreine, nahezu transparente Flüssigkeiten, die durch aufwendige Destillationsverfahren gewonnen werden. Dabei werden alle anderen Pflanzenbestandteile – inklusive Terpene, Wachse und sekundäre Cannabinoide – entfernt, sodass ein Produkt mit fast reinem THC zurückbleibt. Diese Konzentrate enthalten in der Regel über 90 % THC und kommen vor allem in medizinischen Anwendungen oder in Vape-Pens zum Einsatz. Sie sind geschmacksneutral, präzise dosierbar und bieten eine zuverlässige, standardisierte Wirkung – besonders wertvoll für Cannabis-Patient:innen, die eine genaue Kontrolle ihrer Dosis benötigen. Um das ursprüngliche Aromaprofil und mögliche synergetische Effekte zu erhalten, setzen einige Hersteller nach der Destillation gezielt Terpene wieder zu.
Rosin ist ein sogenanntes „lösungsmittelfreies Konzentrat“. Es entsteht durch die mechanische Cannabis-Extraktion: Mittels Hitze und Druck werden die Harzdrüsen (Trichome) aus den Blüten gepresst, wodurch ein goldfarbenes, klebriges Konzentrat entsteht. Rosin gilt als besonders natürliche und sichere Alternative, da bei der Herstellung keine chemischen Lösungsmittel verwendet werden. Die Potenz liegt meist zwischen 60 und 80 % THC.
Live Resin wird aus frisch geerntetem, tiefgefrorenem Pflanzenmaterial extrahiert – meist mithilfe von Butan oder CO₂. Der Vorteil: Durch das Einfrieren direkt nach der Ernte bleiben flüchtige Terpene besonders gut erhalten, die sonst beim Trocknungsprozess verloren gehen. Das Resultat ist ein aromaintensives, terpene-reiches Konzentrat. Live Resin hat meist einen THC-Gehalt zwischen 65 und 85 % und zeichnet sich durch seine weiche, wachsförmige Konsistenz aus.
BHO ist ein Sammelbegriff für mit Butan extrahierte Konzentrate wie Shatter, Wax oder Crumble. Diese Produkte zählen zu den potentesten Formen von Cannabisextrakten – mit THC-Gehalten bis zu 90 %. Die Butan-Extraktion ist besonders effizient, birgt aber auch Risiken, insbesondere bei unsachgemäßer Herstellung (Explosionsgefahr, Lösungsmittelrückstände). Professionell hergestellte "BHO-Extrakte" werden mehrfach gereinigt und getestet, etwa in legalen Märkten oder Apotheken. Die Konsistenz kann je nach Verarbeitungsart von glasartig (Shatter) bis weich und ölig (Wax) variieren.
Diese Konzentrate basieren auf der mechanischen Trennung der Trichome von der Pflanze. Kief – das feine, pudrige Harzpulver – fällt beim Sieben von Blüten ab und kann direkt geraucht oder weiterverarbeitet werden. Hash (Haschisch) entsteht durch Pressung dieses Pulvers, oft in Kombination mit Wärme. Bubble Hash wird mithilfe von Eiswasser und Sieben hergestellt, wodurch besonders reine Harzdrüsen gewonnen werden. Diese Formen gelten als traditionell und mild, mit THC-Gehalten zwischen 30 und 60 %, je nach Reinheitsgrad. Fullmelt, Vollschmelzendes Hash, das eine vollständige Verdampfung ohne Rückstände ermöglicht, weist oft einen höheren THC-Gehalt (bis zu 70%) auf und wird von erfahrenen Konsumenten bevorzugt.
Die Herstellung von Cannabis-Konzentraten basiert auf verschiedenen Methoden der Cannabis-Extraktion – also der gezielten Isolierung wirksamer Inhaltsstoffe wie THC oder CBD aus der Pflanze. Zwei Verfahren haben sich dabei besonders etabliert:
Hier kommen chemische Substanzen wie Butan, Ethanol oder CO₂ zum Einsatz. Besonders beliebt in der medizinischen Anwendung ist die CO₂-Extraktion, ein rückstandsfreies, schonendes Verfahren, das unter Druck und kontrollierten Temperaturen arbeitet. Auch die Ethanol-Extraktion wird häufig genutzt, da sie viele Wirkstoffe effizient löst – allerdings erfordert sie eine gründliche Reinigung, um Rückstände zu vermeiden. Beide Methoden ermöglichen die Herstellung hochreiner Konzentrate wie THC-Destillaten, Shatter oder Live Resin – je nach Ausgangsmaterial und Extraktionsprozess.
Diese arbeiten ohne Lösungsmittel und gelten als besonders sicher für private Anwender:innen. Beim sogenannten Rosin-Verfahren werden die Wirkstoffe durch Hitze und Druck aus der Pflanze gepresst. Zwar ist die Ausbeute geringer als bei chemischen Verfahren, dafür sind keine zusätzlichen Substanzen nötig. Diese arbeiten ohne Lösungsmittel und gelten als besonders sicher für private Anwender:innen. Beim sogenannten Rosin-Verfahren werden die Wirkstoffe durch Hitze und Druck aus der Pflanze gepresst. Bei der Trockensiebung (Dry Sift) werden die Harzdrüsen mechanisch durch Sieben von den getrockneten Blüten getrennt, während beim Bubble Hash (Ice Water Hash) die Trichome schonend mit Eiswasser extrahiert werden. Alle drei Methoden liefern reine, potente Konzentrate, ohne dass chemische Substanzen nötig sind.
Beim Herstellungsprozess von Cannabis-Konzentraten stellt sich die Frage, was mit den Terpenen passiert. Terpene sind die aromatischen Verbindungen der Cannabispflanze, die nicht nur den Geruch und Geschmack beeinflussen, sondern möglicherweise auch zur sogenannten Entourage-Wirkung beitragen. Dieser Begriff beschreibt die Annahme, dass Cannabinoide und Terpene gemeinsam eine andere oder intensivere Wirkung entfalten könnten als isoliert betrachtet. Auch wenn der Entourage-Effekt noch nicht abschließend wissenschaftlich belegt ist, gilt er in der Fachwelt als vielversprechende Hypothese, insbesondere für die medizinische Anwendung.[4]
Bei der Herstellung hochreiner Konzentrate wie Destillaten gehen die natürlichen Terpene durch Hitze und Reinigungsschritte häufig verloren. Um dem entgegenzuwirken, setzen einige Hersteller nachträglich ausgewählte Terpene wieder zu – sei es aus der ursprünglichen Pflanze oder aus botanischen Quellen. Dadurch entsteht ein Produkt mit standardisierter THC-Konzentration und einem definierten Terpenprofil.
Konzentrate lassen sich unterschiedlich konsumieren. Die Wahl der Methode beeinflusst Wirkungseintritt, Intensität und Risiken:
"In der modernen Cannabistherapie gewinnen THC-Konzentrate zunehmend an Bedeutung – vor allem dann, wenn eine präzise, konstante und reproduzierbare Wirkung erforderlich ist", so Tim Dresemann, Cannabis-Expert und Sommelier bei avaay Medical. "Patient:innen mit chronischen Schmerzen könnten zum Beispiel besonders davon profitieren. Denn: Schon sehr geringe Mengen reichen in der Regel aus, um eine therapeutisch wirksame Dosis zu erreichen."
Medizinische Konzentrate liegen meist in Form von THC-Destillaten oder Extrakten vor. Diese können oral eingenommen werden – z. B. als sublinguale Tropfen unter die Zunge oder in Form von Kapseln – oder über zertifizierte Verdampfergeräte inhaliert werden. In vielen deutschen Apotheken sind heute bereits THC-Konzentrate auf Rezept erhältlich.
Die Vorteile medizinischer Konzentrate im Überblick:
Die außergewöhnlich hohe Potenz von Cannabis-Konzentraten ist zugleich Chance und Risiko. Gerade bei Freizeitkonsumierenden kann schon eine kleine Fehlmenge ausreichen, um den schmalen Grat zwischen gewünschter Wirkung und Überforderung zu überschreiten. Studien zeigen, dass Konzentrate mit THC-Gehalten von bis zu 95 Prozent deutlich stärkere akute Effekte hervorrufen können als klassische Blütenprodukte – insbesondere bei unerfahrenen Nutzer:innen oder Menschen ohne ausreichende Toleranz (Spindle et al., 2021; Meier et al., 2021; Bidwell et al., 2023).
Typische unerwünschte Wirkungen sind:
Zudem zeigen die Daten: Wer regelmäßig hochpotente Konzentrate konsumiert, entwickelt schneller eine Toleranz – das bedeutet, es braucht immer höhere Dosen, um die gleiche Wirkung zu erzielen. Das kann in eine problematische Konsumspirale führen und das Risiko für eine Cannabisabhängigkeit (Cannabis Use Disorder, CUD) erhöhen (Bidwell et al., 2023; Meier et al., 2021).
Diese Risiken bestätigt auch die umfassende Übersichtsarbeit Advancing the science on cannabis concentrates and behavioural health (2023): Die Autor:innen zeigen, dass der Freizeitkonsum von Konzentraten mit besonders hohen THC-Werten ein bislang unterschätztes Gefahrenpotenzial birgt – vor allem für vulnerable Gruppen wie Jugendliche oder Menschen mit familiärer Vorbelastung für psychische Erkrankungen. Akute Intoxikation, kognitive Einschränkungen, psychomotorische Beeinträchtigungen und ein erhöhtes Risiko für Angststörungen oder Psychosen sind mögliche Folgen.
Anders ist die Lage bei der medizinischen Anwendung. Hier kommen THC-Konzentrate gezielt und unter ärztlicher Kontrolle zum Einsatz – etwa bei chronischen Schmerzen oder Spastiken. Die Anwendung erfolgt kontrolliert, dokumentiert und begleitet. Dennoch fordern die Studienautor:innen mehr Forschung zur Langzeitsicherheit und zum therapeutischen Nutzen im Vergleich zu anderen Cannabisprodukten.
Ein weiterer kritischer Punkt: Viele Konzentrate enthalten nicht nur THC, sondern auch andere Cannabinoide wie CBD – oft in unklaren oder stark variierenden Verhältnissen. Wie diese Stoffe miteinander interagieren, ist bislang nicht ausreichend erforscht. Gerade im Freizeitkonsum – ohne medizinische Begleitung – kann das zu unvorhersehbaren Wirkungen und Fehldosierungen führen.
Die wissenschaftliche Datenlage ist lückenhaft – aber die bisherigen Hinweise sprechen eine deutliche Sprache: Hochpotente Cannabis-Konzentrate bergen vor allem im unkontrollierten Freizeitgebrauch erhebliche Risiken. Während sie in der ärztlich begleiteten Therapie ihren Platz haben können, braucht es für den Freizeitmarkt dringend strengere Regulierung, gezielte Aufklärung und mehr Forschung.
In Deutschland ist die Herstellung von THC-haltigen Cannabis-Extrakten durch Privatpersonen grundsätzlich verboten. Dies gilt insbesondere für Verfahren, bei denen Cannabinoide mithilfe von Lösungsmitteln wie Butan, Ethanol oder CO₂ extrahiert werden. Solche Extraktionen sind laut Konsumcannabisgesetzes (KCanG) untersagt.
Erlaubt ist jedoch die Herstellung von Konzentraten mittels mechanischer Verfahren, bei denen keine Lösungsmittel verwendet werden. Ein Beispiel hierfür ist die Herstellung von Rosin, bei der durch Hitze und Druck Harze aus der Cannabispflanze gewonnen werden. Solche Verfahren gelten nicht als chemische Extraktion und sind daher für den Eigenbedarf legal, solange sie im Rahmen der erlaubten Besitzmengen bleiben .
Zusammenfassend:
Cannabis-Konzentrate verändern die Art, wie Menschen Cannabis nutzen – medizinisch wie freizeitlich. Sie bringen Vorteile: Klarere Dosierung, schnellere Wirkung, präzisere Anwendung. Doch sie verlangen auch ein neues Maß an Verantwortung.
Wer heute konsumiert, tut dies nicht mehr beiläufig, sondern dosiert, abgewogen, bewusst – oder sollte es zumindest. Die technologische Raffinesse der Konzentrate hat das Bild des „Kiffens“ längst überholt. Übrig bleibt eine Frage: Wie viel Konzentration verträgt der Mensch – medizinisch wie gesellschaftlich?
[1] Drennan, M. L., Karoly, H. C., Bryan, A. D., Hutchison, K. E., & Bidwell, L. C. (2021). Acute objective and subjective intoxication effects of legal-market high potency THC-dominant versus CBD-dominant cannabis concentrates. Psychopharmacology, 239, 553–565.
[2] Hasin, D. S., Borodovsky, J., Shmulewitz, D., Walsh, C., Livne, O., Struble, C. A., Aharonovich, E., Fink, D. S., & Budney, A. (2021). Use of highly-potent cannabis concentrate products: More common in U.S. states with recreational or medical cannabis laws. Drug and Alcohol Dependence, 229(Part B), 109159.
[3] Bidwell, L. C., Martin-Willett, R., & Karoly, H. C. (2021). Advancing the science on cannabis concentrates and behavioural health. Drug and Alcohol Review, 40(6), 900–913.
[4] Christensen, C., Rose, M., Cornett, C., & Allesø, M. (2023). Decoding the postulated entourage effect of medicinal cannabis: What it is and what it isn't. Biomedicines, 11(8), 2323