calvingosselke
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Dezember 03
|
4 min

Kann Cannabis bei Krebs helfen?

In der Krebsbehandlung ist Cannabis längst keine Randerscheinung mehr. Es wird vor allem dann erwogen, wenn Schmerzen, Übelkeit oder Schlafprobleme trotz Therapie bestehen bleiben.


  • Cannabis heilt keinen Krebs, aber es kann das Leben mit Krebs erträglicher machen.
  • Die Wirkung gegen Schmerzen, Übelkeit, Appetitlosigkeit und Schlafprobleme ist in der Forschung gut dokumentiert.
  • Die Hoffnung, Cannabis könne Tumorzellen bekämpfen, ist nicht komplett unbegründet, aber bislang wissenschaftlich nicht ausreichend erforscht oder belegt.
  • Eigenbehandlung birgt Risiken. Cannabis sollte, wie andere Medikamente, nur im Rahmen einer ärztlichen Therapie eingesetzt werden

Nachdem alle bekannten Mittel gegen Übelkeit, Schmerzen und Schlafstörungen versagt haben, bleibt einigen Onkolog:innen manchmal nur noch ein letzter Gedanke: Vielleicht könnte Cannabis helfen. Für viele Krebspatient:innen ist es kein Schritt in eine alternative Welt, sondern ein Versuch, den Alltag erträglicher zu machen. Schlaf finden, essen können, nicht mehr jede Nacht mit Schmerzen aufwachen – darum geht es. Doch kann Cannabis bei Krebspatient:innen wirklich zur Verbesserung der Lebensqualität führen? Und geht es nur um Linderung von Symptomen oder möglicherweise um mehr?

Eine neue Meta-Studie aus dem Jahr 2025 liefert dazu den bislang umfassendsten Überblick. Forschende werteten mehr als 10 000 wissenschaftliche Arbeiten zu Cannabis und Krebs aus.[1]

Infografik zur medizinischen Anwendung von Cannabis bei Krebs. In der Mitte symbolische Darstellung eines Tropfens mit konzentrischen Kreisen. Von dort führen Linien zu sechs Anwendungsbereichen: Chemotherapiebedingte Übelkeit (Cannabis kann Übelkeit und Erbrechen lindern), Appetitlosigkeit (Appetitsteigerung möglich), entzündungshemmende Eigenschaften (Cannabinoide können Entzündungen reduzieren), Tumorschmerzen (Ergänzung zu Opioiden bei neuropathischen Schmerzen), Schlafprobleme (CBD wirkt beruhigend) und innere Unruhe. Jeder Bereich ist mit einem passenden Icon visualisiert.

Cannabinoide bei Krebs: Was sagen Studien?

Die Ergebnisse sind überraschend eindeutig – zumindest in einem Punkt: In der medizinischen Begleitbehandlung von Krebs ist Cannabis keineswegs Außenseitermedizin. Die Mehrheit der Studien beschreibt positive Effekte, insbesondere bei Schmerzen, Übelkeit durch Chemotherapie, Appetitverlust und Schlafproblemen. Positive Einschätzungen überwiegen 31-fach gegenüber negativen.[1]

Anwendung von Cannabis zur Verbesserung der Lebensqualität

Die Datenlage ist besonders belastbar bei:

Chemotherapie-bedingter Übelkeit und Erbrechen

Cannabis bzw. THC-haltige Medikamente werden bei Übelkeit und Erbrechen bereits seit Jahren eingesetzt. Vor allem dann, wenn Standardtherapien nicht helfen.

Tumorschmerzen

Vor allem bei neuropathischen Schmerzen, also Nervenschmerzen, stößt die klassische Schmerztherapie an Grenzen. Hier zeigen Cannabinoide Wirkung, nicht als Ersatz, sondern als Ergänzung zu Opioiden und Co..

Appetitlosigkeit und Gewichtsverlust

Für viele Betroffene wird der Verlust von Hunger und Körperkraft in späten Krankheitsphasen zur eigentlichen Belastung. Cannabis kann den Appetit anregen. Und damit ein Stück Normalität zurückbringen.

Schlafproblemen und innerer Unruhe

Besonders Cannabidiol (CBD) wird hier eingesetzt. Es wirkt vor allem beruhigend, angstlösend und hilft einigen Patient:innen, zur Ruhe zu kommen.

Auch die entzündungshemmenden Eigenschaften von Cannabinoiden sind in zahlreichen Studien dokumentiert. In der Meta-Analyse fanden sich kaum Arbeiten, die diese Wirkung grundsätzlich infrage stellen. Das ist insofern relevant, weil Entzündungen das Fortschreiten einiger Krebsarten fördern können.[1]

Die heikle Frage: Was macht medizinisches Cannabis mit Krebszellen?

Hier wird die Datenlage dünner und zugleich spannender. In Laborversuchen und Tierstudien zeigen Cannabinoide wie THC und CBD Effekte, die aufhorchen lassen: Sie könnten das Wachstum bestimmter Tumorzellen hemmen, deren programmierten Zelltod (Apoptose) fördern oder die Bildung neuer Blutgefäße für Tumore verhindern. Dies wurde bei Brustkrebs, Prostatakarzinom, Glioblastom und anderen Krebsarten beobachtet.

Doch die entscheidende Einschränkung lautet: Diese Effekte sind bisher kaum beim Menschen nachgewiesen. Es gibt nur wenige klinische Studien, in denen Cannabis gezielt als Krebsmedikament getestet wurde. Die große Meta-Analyse nennt das vielversprechend, aber noch nicht durch klinische Daten belegt.[1]

Was bedeutet das für die Krebsforschung?

Das bedeutet Stand heute: Cannabis kann Symptome lindern, aber es ersetzt keine Operation, keine Chemotherapie, keine Immuntherapie. Wer es als Heilmittel anpreist, bewegt sich außerhalb der wissenschaftlichen Evidenz.

Das berichten Patienten: Ein Blick in die Versorgungspraxis

Neben Laborergebnissen fließen zunehmend auch Erfahrungswerte aus der Praxis in die Forschung ein. Eine große israelische Beobachtungsstudie von 2022 hat rund 10.000 Patient:innen begleitet – viele von ihnen mit Krebs oder anderen chronischen Erkrankungen wie Epilepsie, PTSD oder Multipler Sklerose.

Fast die Hälfte der Behandelten erhielt Cannabis aufgrund einer Krebserkrankung oder der Nebenwirkungen ihrer Therapie. Bei fast 50 % ging es um Chemotherapie-Beschwerden wie Übelkeit oder Appetitverlust, bei der anderen Hälfte primär um Schmerzen.

Nach sechs Monaten lagen vollständige Daten nur noch von rund 65 % der Teilnehmenden vor – einige waren verstorben oder hatten die Behandlung abgebrochen. Bei den Verbliebenen zeigte sich: Unter ärztlicher Aufsicht eingenommenes medizinisches Cannabis war mit einer verbesserten Lebensqualität und weniger Schmerzen verbunden. Die Therapietreue war hoch. Viele Patientinnen führten die Cannabis-Therapie freiwillig fort.[2] 

Zwischen Erleichterung und Risiko

Cannabis ist kein harmloses Naturprodukt. Die Nebenwirkungen sind meist mild, aber real: Müdigkeit, Schwindel, Kreislaufprobleme, Mundtrockenheit. In hohen THC-Dosen können Angstzustände oder psychische Ausnahmezustände auftreten. Hinzu kommt: Cannabis kann mit Krebsmedikamenten wechselwirken, insbesondere über Enzymsysteme der Leber.

Deshalb gehört jede Cannabistherapie in ärztliche Hände. In Deutschland darf sie nur verordnet werden, wenn andere Behandlungen nicht ausreichend helfen oder unverhältnismäßige Nebenwirkungen verursachen. Meist sind es Onkolog:innen, Schmerz- oder Palliativmediziner:innen, die Cannabis verschreiben.

Am Ende bleibt ein nüchternes, aber klares Bild: Cannabis ist weder Wundermittel noch Illusion. Es ist ein Werkzeug – mit Potenzial, aber auch mit Grenzen. Und genau dort, im Zwischenraum von Hoffnung und Evidenz, findet derzeit eine spannende medizinische Diskussion statt.


FAQ

Bei welchen Krankheiten kann man Cannabis verschrieben bekommen?

Wenn herkömmliche Therapien nicht ausreichend wirken oder nicht vertragen werden, können Ärzt:innen medizinisches Cannabis verschreiben. Typische Anwendungsgebiete sind:

Die Entscheidung über eine Cannabistherapie trifft stets die behandelnde Ärztin oder der behandelnde Arzt.

Wer sollte kein Cannabis nehmen?

Cannabis ist nicht für alle geeignet. Vorsicht oder ein Verzicht gilt insbesondere bei:

  • Psychischen Erkrankungen wie Psychosen oder unbehandelten schweren Depressionen
  • Schwangerschaft und Stillzeit
  • Herz-Kreislauf-Erkrankungen (z. B. Herzrhythmusstörungen, koronare Herzkrankheit)
  • Lebererkrankungen oder vielen gleichzeitig eingenommenen Medikamenten – wegen möglicher Wechselwirkungen

Wichtig: Eine Cannabistherapie sollte niemals in Eigenregie erfolgen, sondern immer mit der behandelnden Ärztin oder dem Arzt abgestimmt werden.


Quellen

[1] Castle, R. D., Marzolf, J., Morris, M., & Bushell, W. C. (2025). Meta-analysis of medical cannabis outcomes and associations with cancer. Frontiers in Oncology, 15, 1490621.

[2] Bar-Lev Schleider, L., Mechoulam, R., Sikorin, I., Naftali, T., & Novack, V. (2022). Adherence, safety, and effectiveness of medical cannabis and epidemiological characteristics of the patient population: A prospective study. Frontiers in Medicine, 9, 827849.

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