avaay Medical
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Juni 21
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6 min

Mehr als nur Rauch: Darreichungsformen und Anwendungsarten von medizinischem Cannabis

Kaum eine Heilpflanze ist so umstritten – und zugleich so vielfältig in ihrer Anwendung – wie Cannabis. Noch immer verbinden viele den Konsum vor allem mit dem Rauchen eines Joints. Doch im medizinischen Kontext eröffnet die Pflanze weitaus differenziertere Möglichkeiten: von Inhalation über Tropfen und Kapseln bis hin zu Cremes. Jede dieser Formen folgt eigenen Regeln – und richtet sich nach dem, was Patient:innen tatsächlich brauchen.


  • Cannabis muss nicht geraucht werden – es gibt vielfältige Darreichungsformen wie Öle, Kapseln, Sprays und Cremes.
  • Das Verdampfen von Blüten könnte laut Studien schonender sein als Rauchen und reduziert Schadstoffe.
  • Orale Einnahme wirkt langsamer, aber länger.
  • Einzelwirkstoffe wie Dronabinol sind gut dosierbar, verzichten aber auf den potenziellen Entourage-Effekt.
  • Die richtige Form ist individuell – und sollte immer ärztlich begleitet ausgewählt werden.

Cannabis auf Rezept: Welche Darreichungsform passt zu mir?

Die Wahl der richtigen Darreichungsform ist keine pauschale Entscheidung, sondern eine individuelle – abhängig vom therapeutischen Ziel, dem Krankheitsbild und den Lebensumständen der Cannabis-Patient:innen. Jede Form bringt eigene Vorteile mit, aber auch Einschränkungen.

So entfalten sich bestimmte Präparate zwar langsam, wirken dafür aber über mehrere Stunden hinweg. Für Patient:innen mit akuten Beschwerden sind solche Optionen häufig weniger geeignet, da eine unmittelbare Linderung im Vordergrund steht. Andere Formen lassen sich besonders exakt dosieren oder flexibel auf die Tagesstruktur abstimmen. Wieder andere überzeugen durch ihre unkomplizierte Anwendung.

Blüten, Öle, Cremes: Eine Pflanze, viele Wege

Medizinisches Cannabis kann auf unterschiedlichen Wegen eingenommen werden – je nach Bedarf, ärztlicher Empfehlung und individueller Verträglichkeit. Besonders verbreitet ist die Inhalation: entweder klassisch durch das Rauchen von Cannabisblüten oder über einen Vaporizer. Ebenfalls gängig ist die orale Einnahme – etwa in Form von Ölen, Kapseln oder Tropfen. Diese Formen wirken verzögert, können aber über längere Zeit hinweg im Körper aktiv bleiben. Auch Mundsprays, die über die Schleimhaut aufgenommen werden, sowie lokal anwendbare Salben und Cremes kommen zum Einsatz.

In vielen Fällen werden standardisierte Arzneimittel verschrieben, die einzelne Wirkstoffe wie Dronabinol (THC) enthalten. Die Wahl der Cannabisprodukte und Darreichungsform richtet sich nach dem therapeutischen Ziel und erfolgt idealerweise in enger Absprache mit dem behandelnden Arzt oder der behandelnden Ärztin.

Inhalation: Medizinische Cannabisblüten

Medizinische Cannabisblüten zählen zu den häufigsten Darreichungsformen. Ärzt:innen können aus einer Vielzahl unterschiedlicher Sorten wählen – ein Vorteil, denn so lässt sich die Behandlung individuell auf die jeweiligen Bedürfnisse abstimmen. Maßgeblich für die Auswahl sind das Cannabinoid- und Terpenprofil der Blüten. Je nach gewünschter Wirkung könnte auch die Kombination verschiedener Sorten sinnvoll sein – etwa zur Optimierung von Entspannung, Schmerzlinderung oder Schlafqualität.

Zwischen Tradition und Technik: Wie Cannabisblüten heute genutzt werden

Wie bereits erwähnt: Cannabisblüten werden inhaliert – entweder geraucht oder über einen Vaporizer verdampft. Letzteres gilt als schonendere Methode, da hierbei keine Verbrennungsstoffe entstehen.[2]

In der Verordnungspraxis stehen Ärzt:innen mehrere Optionen offen: Die Blüten können entweder als Ganzes oder bereits als Granulat verschrieben werden. Während Letzteres eine erleichterte Dosierung erlaubt, geht damit jedoch auch eine beschleunigte Oxidation einher – was sich negativ auf die Qualität auswirken könnte.

Wichtig zu wissen: Cannabisblüten sind Naturprodukte. Schwankungen in der Zusammensetzung lassen sich nie vollständig ausschließen – auch wenn die Produktionsbedingungen heute streng kontrolliert und durch das Europäische Arzneibuch standardisiert sind.

Die Dosierung erfolgt stets individuell und sollte eng mit dem behandelnden Arzt oder der behandelnden Ärztin abgestimmt werden. Allgemeingültige Empfehlungen lassen sich kaum geben, da Faktoren wie Krankheitsbild, bisherige Erfahrungen, Körpergewicht, Empfindlichkeit gegenüber Cannabinoiden sowie die jeweilige Sorte (einschließlich THC- und CBD-Gehalt) eine entscheidende Rolle spielen können. Meist beginnt die Behandlung mit einer niedrigen Menge – etwa 0,05 bis 0,1 g pro Anwendung – die dann schrittweise angepasst wird. Dieses behutsame Vorgehen wird international als Start low, go slow bezeichnet: langsam beginnen, vorsichtig steigern.

Verdampfen statt Verbrennen: Warum die Inhalationsmethode zählt

Aus medizinischer Sicht lässt sich nicht pauschal sagen, dass das Verdampfen von Cannabis „gesund“ ist – doch es gilt im Vergleich zum Rauchen als die potenziell risikoärmere Konsumform. Studien empfehlen den Umstieg vom Rauchen auf das Verdampfen, um die gesundheitliche Belastung zu verringern.[2]

Der Grund: Beim Verdampfen mit einem geeigneten Gerät entstehen deutlich weniger toxische Nebenprodukte wie Kohlenmonoxid und Teer. Studien zeigen, dass Vaporizer im Vergleich zum Rauchen von Cannabisblüten mit einer geringeren Belastung der Atemwege, weniger chronischen Atemwegssymptomen und reduzierter Exposition gegenüber Schadstoffen einhergehen können – bei vergleichbarer Wirkung und ähnlichen THC-Spiegeln im Blut.[2]

Wichtig ist, die Anwendung regelmäßig mit dem ärztlichen Fachpersonal zu besprechen – insbesondere bei Veränderungen im Befinden, der Wirkweise oder dem Wechsel der Sorte.

Medizinische Cannabisblüten: Pro & Contra

VorteileNachteile
Rascher Wirkungseintritt durch InhalationSchwierige Dosierung
Breite Auswahl verschiedener SortenGeringe Schwankungen in der Zusammensetzung
Möglichkeit der Kombination mehrerer Sorten
Potenzieller Entourage-Effekt

Cannabis oral einnehmen: Öle, Extrakte und Destillate

Zur oralen Einnahme von medizinischem Cannabis stehen verschiedene Präparate zur Verfügung – darunter ölige Lösungen, standardisierte Extrakte und hochkonzentrierte Destillate. Sie werden meist als Tropfen, Kapseln oder in Form von Mundsprays verabreicht und könnten sich insbesondere für Patient:innen eignen, die eine gleichmäßige, länger anhaltende Wirkung benötigen.

Ölige Lösungen – meist auf Basis von Dronabinol – gelten als Klassiker unter den oralen Cannabisarzneien. Sie lassen sich tropfenweise dosieren, was vor allem in der Einstellungsphase hilfreich ist. Standardisierte Cannabis-Extrakte enthalten hingegen ein definiertes Spektrum aus mehreren Cannabinoiden und ermöglichen eine gleichbleibende Zusammensetzung, ohne auf die komplexe Pflanzenmatrix ganz zu verzichten. THC-Destillate sind hochreine Cannabisextrakte mit einem Wirkstoffgehalt von bis zu 99 %. Sie sind geschmacksneutral, standardisierbar und präzise dosierbar.

Die meisten dieser Präparate enthalten isolierte Wirkstoffe – vor allem Dronabinol (THC) oder seltener Cannabidiol (CBD) in Reinform. Das erleichtert die pharmakologische Einordnung, schafft Klarheit bei der Dosierung und ermöglicht eine standardisierte Therapie.

Gleichzeitig könnte die Konzentration auf Einzelwirkstoffe auch Einschränkungen mit sich bringen. Denn die Cannabispflanze enthält eine Vielzahl aktiver Substanzen – darunter Cannabinoide, Terpene und Flavonoide – deren Zusammenspiel als Entourage-Effekt bezeichnet wird. Diese Wechselwirkungen könnten die therapeutische Wirkung in ihrer Gesamtheit beeinflussen. Werden sie ausgeklammert, bleibt ein Teil des möglichen Potenzials ungenutzt.[3]

Anwendung cannabinoidbasierter Arzneimittel

Diese Präparate stehen in unterschiedlichen Formen zur Verfügung: als ölige Lösungen, Tropfen, Mundsprays oder Kapseln.

Bei oraler Einnahme – etwa in Form von Ölen, Kapseln oder Tropfen – setzt die Wirkung von Cannabis in der Regel verzögert ein. Studien zufolge liegt der Wirkungseintritt meist zwischen 30 und 90 Minuten, kann in Einzelfällen jedoch auch länger dauern.[1]

Diese Verzögerung entsteht, weil die Wirkstoffe zunächst den Verdauungstrakt passieren und über die Leber verstoffwechselt werden, bevor sie in den Blutkreislauf gelangen. Die individuell empfundene Wirkdauer und -intensität hängt zudem von Faktoren wie Dosierung, Nahrungsaufnahme, Stoffwechsel und Cannabinoidprofil ab.

Für Patient:innen, die eine gleichmäßige Wirkung über mehrere Stunden benötigen, könnte diese Wirkweise von Vorteil sein. Für akute Beschwerden hingegen ist der verzögerte Wirkungseintritt mitunter hinderlich.

Cannabinoidbasierte Arzneimittel: Pro & Contra

VorteileNachteile
Gut abschätzbare WirkungVerzögerter Wirkungseintritt
Langanhaltende Wirkung bei oraler EinnahmeEingeschränkte Individualisierbarkeit
Einfache Dosierung

Äußere Anwendung: Salben und Cremes

Neben der Inhalation und oralen Einnahme gibt es auch die Möglichkeit der topischen Anwendung. Hierzu zählen Cremes und Salben, die lokal auf schmerzende oder entzündete Stellen aufgetragen werden können.

Der Vorteil: Nur geringe Mengen des Wirkstoffs gelangen in den Blutkreislauf. Die psychotrope Wirkung fällt entsprechend gering aus, während dennoch eine lindernde Wirkung vor Ort erzielt werden könnte.

Auch bei dieser Anwendungsform gilt: Die Auswahl des passenden Präparats und die Abstimmung mit dem behandelnden Arzt oder der behandelnden Ärztin bleiben essenziell.


FAQ

Welche Darreichungsformen von medizinischem Cannabis gibt es?

Es gibt unterschiedliche Darreichungsformen von medizinischem Cannabis. Ärzt:innen können den Patient:innen zum Beispiel medizinische Cannabisblüten zur Inhalation, cannabinoid-basierte Arzneimittel zur oralen Einnahme und Vollspektrum-Cannabisextrakte verschreiben. Darüber hinaus gibt es auch noch Salben und Cremes zur äußeren Anwendung.

Cannabis-Konsum: Welche Cannabis-Darreichungsform ist am besten?

Das lässt sich so pauschal nicht sagen. Die verschiedenen Darreichungsformen haben unterschiedliche Vor- und Nachteile: Cannabinoid-basierte Arzneimittel lassen sich beispielsweise leicht dosieren, während für eine Inhalation vorgesehene medizinische Cannabisblüten schnell wirken könnten. Patient:innen sollten daher immer genau mit ihren Ärzt:innen abstimmen, welche Darreichungsform im konkreten Fall geeignet und angezeigt ist.

Ja, die oben beschriebenen Darreichungsformen von medizinischem Cannabis sind in Deutschland legal. Wichtig ist selbstverständlich, dass den Patient:innen die Mittel im Rahmen der rechtlichen Voraussetzungen von ihren Ärzt:innen verschrieben worden sind und die konkreten Arzneimittel in Deutschland zugelassen sind.

Welcher Cannabiskonsum ist der gesündeste?

Aus heutiger wissenschaftlicher Perspektive lässt sich nicht abschließend beurteilen, welche Konsumform von Cannabis die unbedenklichste für die Gesundheit ist. Als vergleichsweise schonend gilt derzeit das Verdampfen von Cannabisblüten mithilfe eines Vaporizers, da dabei keine Verbrennungsstoffe entstehen und die Belastung für die Atemwege reduziert wird.[2] Auch orale Darreichungsformen wie Tropfen, Kapseln oder Öle gelten als gesundheitlich verträglich, da sie die Atemwege vollständig umgehen. Allerdings ist hier die Wirkung zeitverzögert, was eine präzise Dosierung erschwert und Geduld erfordert. Welche Form im individuellen Fall am sinnvollsten ist, hängt neben gesundheitlichen Aspekten auch vom therapeutischen Ziel, dem Wirkungseintritt und der Lebenssituation der Patient:innen ab – und sollte immer gemeinsam mit ärztlichem Fachpersonal entschieden werden.


Quellen

[1] Häuser, W. (2018). Medizinalhanf in der Inneren Medizin, Schmerzmedizin und Palliativmedizin. Arzneiverordnung in der Praxis, 45(1), 23–28.

[2] Chaiton, M., Kundu, A., Rueda, S., & Di Ciano, P. (2022). Are vaporizers a lower-risk alternative to smoking cannabis? Canadian Journal of Public Health, 113(2), 293–296.[3] Ferber, S. G., Namdar, D., Hen-Shoval, D., Eger, G., Koltai, H., Shoval, G., Shbiro, L., & Weller, A. (2020). The "entourage effect": Terpenes coupled with cannabinoids for the treatment of mood disorders and anxiety disorders. Current Neuropharmacology, 18(2), 87–96.

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