avaay Medical
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Oktober 07
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6 min

Hype vorbei: Darum hat Deutschland HHC verboten

Lange war es nur ein Schatten auf dem Radar der Drogenpolitik – ein chemisches Derivat, kaum erforscht, doch plötzlich allgegenwärtig: HHC, kurz für Hexahydrocannabinol, avancierte binnen weniger Monate vom Nischenstoff zum Trendprodukt. In Vapes und E-Zigaretten, Gummibärchen, Ölen, Kapseln und als Blüten war das teilsynthetische Cannabinoid leicht erhältlich – in Shops, auf Messen, online. Nun ist Schluss: Seit dem 27. Juni 2024 ist der Handel mit HHC und verwandten Stoffen in Deutschland verboten. Doch was genau führte zu diesem Schritt? Und was bedeutet das für Konsument:innen, Politik und Markt?

  • HHC: Kurzform für Hexahydrocannabinol
  • Nicht jedes HHC wirkt: Nur (9R)-HHC hat THC-ähnliche Effekte – viele Produkte enthalten aber kaum etwas davon.
  • HHC ist verboten: Seit dem 27. Juni 2024 ist Handel und Verkauf in Deutschland illegal.
  • Wenig Forschung: Wirkung, Risiken und Langzeitfolgen sind kaum untersucht.
  • High? Vielleicht: HHC kann berauschen – aber nur, wenn genug (9R)-HHC enthalten ist.
  • HHC rauchen birgt Risiken: HHC-Produkte könnten Rückstände von Lösungsmitteln oder Schwermetallen enthalten. Gesundheitliche Schäden sind nicht ausgeschlossen.
  • Medizinisches Cannabis ist sicherer: Es ist geprüft, reguliert und besser erforscht.

Zwischen Labor und Natur: Was ist HHC – und wie wirkt es im Körper?

HHC (Kurzform für Hexahydrocannabinol) ist ein sogenanntes halbsynthetisches Cannabinoid. Es kommt zwar in Spuren natürlich in der Cannabispflanze vor, wird für die kommerzielle Nutzung aber im Labor erzeugt – meist durch Hydrierung, also die Anlagerung von Wasserstoff an THC oder Delta-8-THC. Das macht HHC stabiler gegenüber Licht, Sauerstoff und Hitze – ideal für industrielle Verarbeitung, doch medizinisch bislang kaum untersucht.

Konsument:innen berichten – unter anderem auf TikTok und Co. – von Effekten, die an THC erinnern: entspannend, leicht berauschend, stimmungsaufhellend. Doch wie stark und wie sicher HHC wirkt, hängt maßgeblich davon ab, welche Form des Moleküls vorliegt – eine bislang wenig bekannte Tatsache.

Eine neue Studie zeigt: HHC ist nicht gleich HHC

Die jüngste wissenschaftliche Untersuchung (2023) bringt Licht ins Dunkel. Forschende haben gezeigt, dass bei der Herstellung von HHC zwei unterschiedliche Formen, sogenannte Isomere, entstehen:

  • (9R)-HHC: Diese Form bindet stark an die Cannabinoid-Rezeptoren CB1 und CB2 im menschlichen Körper und wirkt ähnlich wie klassisches THC.
  • (9S)-HHC: Bindet zwar auch, hat aber kaum Wirkung in funktionellen Tests.

Viele Produkte auf dem Markt enthalten eine nicht deklarierte Mischung beider Formen – in teils stark variierenden Verhältnissen. In über 60 untersuchten HHC-Produkten lagen die Anteile von (9R)-HHC bei nur 15 bis zu 70 %. Wirkung und Risiko eines HHC-Produkts sind kaum vorhersehbar.[1]

Grafik zeigt ein stilisiertes menschliches Profil mit dem Text: ‚Wie kann welches HHC-Produkt auf den Menschen wirken?‘. Drei Pfeile führen vom Kopf nach rechts zu drei Einflussfaktoren: 1) Anteile der HHC-Isomere (9R und 9S), 2) Verunreinigungen wie Schwermetalle, 3) individuelle Unterschiede im Stoffwechsel. Die Grafik verdeutlicht, dass die Wirkung von HHC-Produkten schwer vorhersehbar ist.

Unsichtbare Risiken: Was im Körper geschieht

Nach dem Konsum – ob als Vape, Öl oder Edible – bindet HHC im Körper an dieselben Rezeptoren wie THC. Die Wirkung hängt jedoch davon ab, welche Isomerform enthalten ist. Die Studie aus 2023 zeigt: Nur eine der beiden möglichen Formen, das sogenannte (9R)-HHC, entfaltet überhaupt eine signifikante Wirkung. Die zweite, (9S)-HHC, ist biologisch weitgehend inaktiv – wird aber in vielen Produkten dennoch in hohem Anteil mitverkauft.

Im Körper wird HHC weiter verstoffwechselt, insbesondere in der Leber. Dort entsteht unter anderem 10-OH-HHC, ein bislang kaum erforschter Metabolit, dem eine schnellere und möglicherweise stärkere Wirkung zugeschrieben wird. Auch hier gilt: Diese Annahmen basieren bislang auf wenigen theoretischen Überlegungen und ersten Anhaltspunkten aus der Labormedizin.

Die neue Studie macht deutlich, wie wenig wir tatsächlich über die Prozesse im Körper wissen. Es fehlen klinische Studien, es fehlen systematische Untersuchungen zur Pharmakokinetik, zur Toxizität, zu Wechselwirkungen – kurz: fast alles, was für eine gesundheitliche Bewertung eigentlich notwendig wäre.

Hinzu kommt ein weiterer Aspekt: Bei der klassischen Herstellung von HHC werden Metallkatalysatoren wie Palladium, Nickel oder Platin eingesetzt. Diese können – wenn nicht vollständig entfernt – Schwermetalle im Endprodukt hinterlassen. Und auch hier zeigt sich ein alarmierender Befund der Studie: Viele Labore testen überhaupt nicht auf diese Metalle, weil dies gesetzlich nicht vorgeschrieben ist. Der potenzielle Schaden? Unbekannt – aber nicht auszuschließen.[1]

HHC-Verbot: Eine juristische Grauzone und ihre Schließung

Für einige Monate schien HHC ein Glücksfall für findige Herstellende: nicht vom Betäubungsmittelgesetz (BtMG) erfasst, dennoch psychoaktiv. Bereits 18-jährige konnten HHC-Produkte legal im Netz, in speziellen Shops oder einfach am Kiosk erwerben. Die Substanz war damit ein Stoff ohne Sicherheitsnetz: frei verkäuflich, ohne Qualitätsstandards oder medizinische Bewertung.

Doch mit der zunehmenden Verbreitung wuchs auch der politische Druck. Spätestens seit Dezember 2022 wurde HHC von der Europäischen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht ins Visier genommen. Im Februar 2024 legte das Bundesgesundheitsministerium einen Referentenentwurf zum Verbot vor.

Am 14. Juni 2024 beschloss der Bundesrat die entsprechende Änderung des Neue-psychoaktive-Stoffe-Gesetzes (NpSG). Die Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt folgte am 26. Juni – mit Inkrafttreten am 27. Juni 2024.

HHC in Deutschland – was ist nun verboten?

Die aktuelle Verordnung betrifft nicht nur HHC selbst, sondern eine ganze Gruppe verwandter Stoffe:

  • HHC-AC, HHC-H, HHC-P, HHC-O
  • THCP, HHCP, THC-PO, THC-O, THC-V, THC-JD
  • Weitere synthetische Cannabinoide sowie LSD-Derivate und Gase wie Lachgas (für Minderjährige)

Seit dem 27. Juni 2024 ist es in Deutschland strafbar, diese Substanzen herzustellen, zu erwerben, zu verkaufen, zu importieren oder zu exportieren. Auch Onlinehandel und Postversand sind betroffen.

Wichtig: Besitz und Konsum bleiben verboten und werden nicht bestraft. Konsument:innen müssen also keine strafrechtlichen Konsequenzen fürchten – möglicherweise aber gesundheitliche.

Warum das Verbot kam: Gesundheit, Jugend, Prävention

Die Bundesregierung begründet den Schritt mit einer Vielzahl von Risiken:

  • Gesundheitliche Bedenken: Fehlende Daten zu Wirkmechanismen, Nebenwirkungen, Wechselwirkungen.
  • Jugendschutz: Die Produkte waren insbesondere bei jungen Menschen populär, zumal sie vermeintlich harmlos und frei verkäuflich waren.
  • Regulierungsdefizite: HHC fiel weder unter das BtMG noch das ursprüngliche NpSG – eine Lücke, die nun geschlossen wurde.
  • Internationale Entwicklungen: Andere Länder – etwa Österreich und Finnland – hatten bereits entsprechende Verbote erlassen.
  • Verbraucherschutz: Da bei der Herstellung Schwermetall-Katalysatoren wie Platin, Nickel oder Palladium zum Einsatz kommen, drohen potenzielle Rückstände in den Endprodukten – mit bislang unbekannter toxikologischer Relevanz.

Der Markt reagiert: Neue Alternativen, alte Probleme

Wie bei jeder juristischen Nachbesserung beginnt unmittelbar danach das nächste Kapitel: Die Suche nach legalen Derivaten.

10-OH-HHC etwa wird derzeit als legal vermarktet. Es handelt sich um ein körpereigenes Stoffwechselprodukt von HHC, das durch das Enzym Cytochrom P450 in der Leber gebildet wird. Erste Nutzer:innen berichten von schnellerer und intensiverer Wirkung, da der Umwandlungsschritt im Körper entfällt. Ob 10-OH-HHC tatsächlich unter das Verbot fällt, ist juristisch derzeit ungeklärt.

Weitere Substanzen wie H4CBD (hydriertes CBD) oder Cannabinoide wie CBG, CBN, CBDP oder CBC sind nach wie vor legal erhältlich – und werden zunehmend als Alternativen beworben. Doch auch hier gilt: Die Studienlage ist oft dürftig, die Risiken nicht abschließend erforscht.

Medizinisches Cannabis: Ein Kontrastprogramm

Adele, Cannabis Expertin & Senior Scientific Affairs Managerin bei avaay Medical begrüßt das Verbot:

„Es war höchste Zeit, dass die Politik reagiert. Der unkontrollierte Verkauf von kaum erforschten Substanzen wie HHC war ein Spiel mit der Gesundheit. Wir raten dringend davon ab, diese Produkte jetzt illegal zu erwerben – nicht nur aus rechtlichen, sondern vor allem aus gesundheitlichen Gründen. Wer Cannabis nutzt, sollte auf geprüfte, medizinisch begleitete Optionen zurückgreifen. Die Datenlage zu HHC ist nicht nur dünn – sie ist brüchig. Und genau darin liegt das eigentliche Risiko.“

Tatsächlich unterscheidet sich medizinisches Cannabis grundlegend von Stoffen wie HHC:

  • Es wird kontrolliert angebaut und verarbeitet
  • unterliegt strengen Qualitätsstandards
  • wird auf Schwermetalle, Pestizide und Lösungsmittel getestet
  • und seine Wirkung ist bei vielen Indikationen durch Studien belegt

Die Anwendung erfolgt unter ärztlicher Aufsicht, mit klarer Dosierung und Indikation – etwa bei chronischen Schmerzen, Schlafstörungen, Migräne oder gegen Krebsschmerzen. Kurz: Medizinisches Cannabis ist kein Trendprodukt, sondern ein reguliertes Arzneimittel, das man als Cannabispatient:in auf Rezept in Apotheken bekommen kann.

Zwischen Regulierung und Realität

Das Verbot von HHC ist ein notwendiger Schritt – aber keine endgültige Lösung. Es zeigt, wie groß die Lücken im Umgang mit neu auftretenden Substanzen sind – wissenschaftlich, politisch und gesellschaftlich. Solange Cannabinoide wie HHC ohne Standardisierung, Kontrolle und Forschung auf den Markt gelangen, bleibt der Konsum ein riskantes Spiel mit unklaren Folgen.. Die Regulierung mag ein Zeichen sein – die dringend nötige Aufklärung steht noch aus.


FAQ

THC ist der bekannteste Wirkstoff der Cannabispflanze, medizinisch gut erforscht und in Deutschland unter bestimmten Bedingungen legal erhältlich. HHC dagegen ist ein halbsynthetisches Cannabinoid, das im Labor hergestellt wird. Es kann ähnlich wirken – vor allem bei hohem Anteil des Isomers (9R)-HHC – gilt aber als schwächer und unberechenbarer. Die Wirkung vieler Produkte ist kaum vorhersehbar, die Risiken sind unklar. Seit dem 27. Juni 2024 ist HHC in Deutschland verboten. Kurz gesagt: THC ist reguliert und medizinisch einsetzbar – HHC bleibt ein Risiko mit vielen Fragezeichen.
Ja, HHC (Hexahydrocannabinol) ist in Deutschland seit dem 27. Juni 2024 offiziell verboten. Mit der Aufnahme in das Neue-psychoaktive-Stoffe-Gesetz (NpSG) ist die Herstellung, der Handel sowie die Ein-, Aus- und Durchfuhr von HHC und verwandten Substanzen wie HHC-AC, HHC-H und HHC-P strafbar. Der Besitz und Erwerb sowie Besitz von HHC-Zubereitungen sind ebenfalls verboten. Konsum wird nach dem NpSG nicht ausdrücklich mit Strafe bedroht, aber Besitz verstößt gegen das Gesetz. Allerdings ist der Erwerb durch das Verbot faktisch kaum noch möglich, da der Verkauf untersagt ist. Das Verbot wurde unter anderem aufgrund gesundheitlicher Bedenken und der unzureichenden wissenschaftlichen Erforschung der Substanz erlassen. Die Bundesregierung möchte mit diesem Schritt den Schutz der Bevölkerung und insbesondere von Jugendlichen gewährleisten.
Von HHC kann man high werden – zumindest von einem bestimmten Teil davon. Eine Studie aus 2023 zeigt, dass nur eine der beiden HHC-Formen, das sogenannte (9R)-HHC, eine ähnliche Wirkung wie THC entfalten kann. Die andere Form, (9S)-HHC, wirkt kaum. Da die meisten HHC-Produkte Mischungen aus beiden Formen enthalten – oft ohne klare Kennzeichnung – ist unklar, wie stark die Wirkung tatsächlich ausfällt.[1]
Es ist bislang nicht bekannt, wie lange man von HHC high ist. Studien liefern keine Angaben zur Wirkungsdauer, zum zeitlichen Verlauf oder zur Abbaugeschwindigkeit von HHC im Körper. Zur Frage, wie lange der Rausch anhält, existieren derzeit schlicht keine gesicherten wissenschaftlichen Daten. Die Forschungslage ist extrem dünn – weder beim Menschen noch im Tiermodell liegen aussagekräftige Studien vor. Gerade angesichts der zunehmenden Verbreitung synthetischer Cannabinoide wie HHC ist dringend mehr unabhängige Forschung nötig.
Ein HHC-Vape kann eine THC-ähnliche Wirkung haben – aber nur, wenn der enthaltene Wirkstoff den richtigen Anteil am sogenannten (9R)-HHC-Isomer aufweist. Laut Studien ist nur diese Form von HHC in der Lage, spürbar psychoaktiv zu wirken. Viele Produkte enthalten jedoch eine unbekannte oder stark schwankende Mischung aus (9R)- und dem deutlich schwächeren (9S)-HHC. Ob und wie stark man von einem HHC-Vape also „high“ wird, lässt sich nicht sicher vorhersagen – weil die Zusammensetzung der Wirkstoffe meist nicht transparent oder standardisiert ist.[1]
Ja, HHC ist eine psychoaktive Substanz – und damit per Definition eine Droge. Sie wirkt auf das zentrale Nervensystem, kann das Bewusstsein, die Stimmung und das Verhalten verändern. Laut einer Studie besitzt das sogenannte (9R)-HHC-Isomer eine ähnliche Wirkung wie THC, der Hauptwirkstoff von Cannabis. HHC kann also – je nach Zusammensetzung – berauschend wirken. Allerdings ist HHC medizinisch kaum erforscht, seine Risiken sind unklar, und die Qualität vieler Produkte ist nicht kontrolliert. Seit dem 27. Juni 2024 ist HHC in Deutschland nicht mehr legal im Handel erhältlich – der Besitz bleibt bislang straffrei, der Verkauf jedoch verboten.[1]
HHC kann in gängigen Drogentests nachweisbar sein. Insbesondere Urin-Schnelltests, wie sie häufig im Rahmen von Abstinenzkontrollen verwendet werden, reagieren oft nicht nur auf THC selbst, sondern auch auf bestimmte Abbauprodukte, die strukturell mit THC verwandt sind. Da HHC im Körper ähnlich verstoffwechselt wird, kann es bei diesen Tests mit erfasst werden – selbst wenn kein THC konsumiert wurde. Kurz: Wer HHC konsumiert, riskiert ein positives THC-Testergebnis.

Quellen

[1] Nasrallah, D. J., & Garg, N. K. (2023). Studies pertaining to the emerging cannabinoid hexahydrocannabinol (HHC). ACS Chemical Biology, 18(9), 2023–2029.

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