Spice wurde lange als harmlose Kräutermischung vermarktet. Tatsächlich handelt es sich um eine synthetische Droge, deren Wirkung und Risiken deutlich über die von Cannabis hinausgehen. Die Geschichte von Spice ist ein Beispiel dafür, wie vermeintlich legale Produkte ein ernstes Gesundheitsproblem werden können.
Spice ist eine synthetische Modedroge, die in den frühen 2000er-Jahren zunächst unter der irreführenden Bezeichnung „Räucherware“ oder als vermeintlich harmlose Räucherstäbchen – zur Verwendung in Räumen – vor allem online verkauft wurde und lange Zeit legal erhältlich war. Anders als der Name vermuten lässt, besteht die Substanz nicht aus harmlosen Kräutern, sondern aus Pflanzenmaterial, das mit hochwirksamen synthetischen Cannabinoiden besprüht wird.
Konsumiert wird Spice meist durch Rauchen – häufig in Joints, teils mit Tabak vermischt, oder mithilfe von Pfeifen, Bongs oder Vaporizern. Diese Form der Aufnahme führt dazu, dass die Wirkstoffe sehr schnell in den Blutkreislauf gelangen und die Wirkung oft innerhalb weniger Minuten einsetzt.Die synthetischen Cannabinoide binden nach Konsum an dieselben Rezeptoren im Gehirn wie der Cannabiswirkstoff THC, wirken jedoch deutlich stärker, schneller und oft unberechenbar. Wegen der wechselnden Zusammensetzung und Konzentration der chemischen Bestandteile birgt Spice ein hohes Risiko für akute Vergiftungen und Abhängigkeit.

Zu den früh identifizierten synthetischen Cannabinoiden gehörten JWH-018 und CP-47,497; später kamen zahlreiche Varianten hinzu, darunter JWH-073, JWH-122 oder AM-2201.[1] Diese Substanzen docken an die CB1-Rezeptoren des Gehirns an, wie THC, lösen dort aber oft intensivere und länger anhaltende Effekte aus.
Weil Hersteller die chemischen Strukturen fortlaufend verändern, um gesetzliche Verbote und Drogentests zu umgehen, schwanken Zusammensetzung und Wirkstoffkonzentration erheblich – mitunter sogar innerhalb einer einzelnen Packung.[1] Diese Variabilität erschwert die Vorhersage der Wirkung und erhöht das Risiko unerwarteter Reaktionen.
Konsumierende berichten anfangs von Entspannung oder Euphorie. Doch bereits geringe Mengen können Nebenwirkungen auslösen: Angstzustände, Panikattacken, psychotische Episoden und Krampfanfälle.[1]
Besonders bedrohlich sind die körperlichen Komplikationen: Herzrasen, erhöhter Blutdruck, Herzrhythmusstörungen bis hin zu Herzinfarkten und in seltenen Fällen plötzlicher Herztod.[1,2]
Da die Konzentration der Wirkstoffe stark schwankt, ist das Risiko einer Überdosierung hoch. Längerer Gebrauch kann zudem Abhängigkeit hervorrufen; beschrieben wurden Entzugssymptome wie Schwitzen, Unruhe, Albträume und Zittern.[1]
Die stetig wechselnde chemische Zusammensetzung von Spice erschwert den Nachweis. Viele synthetische Cannabinoide werden in gängigen Drogenschnelltests nicht erkannt (2014-Studie; 2016-Studie). Für eine sichere Bestimmung sind Analysen in spezialisierten Laboren notwendig, etwa mit Flüssigchromatografie und Massenspektrometrie.[2]
Auch therapeutisch sind die Möglichkeiten begrenzt: Ein spezifisches Gegenmittel gibt es nicht. Ärzt:innen können lediglich Symptome behandeln, Kreislauf und Atmung stabilisieren und Krampfanfälle kontrollieren.[2] Eine schnelle medizinische Versorgung ist daher entscheidend.
Mit der Zunahme von Vergiftungsfällen und Klinikeinweisungen reagierten die Behörden. Ab 2009 wurden in vielen europäischen Ländern die ersten Hauptwirkstoffe wie JWH-018 und CP-47,497 in das Betäubungsmittelrecht aufgenommen und damit verboten.[1]
In Deutschland ist Spice seither illegal; Besitz, Handel und Herstellung sind strafbar.
Doch das Katz-und-Maus-Spiel zwischen Gesetzgebern und Herstellern geht weiter: Immer neue chemische Varianten tauchen auf und zwingen die Behörden, die Regelungen ständig anzupassen.
Vor diesem Hintergrund betont Bertan Türemis, medizinisch Wissenschaftlicher Berater bei avaay Medical:
„Die Verbreitung von Spice zeigt, wie gefährlich der unregulierte Schwarzmarkt ist. Synthetische Cannabinoide sind unberechenbar und stellen ein erhebliches Gesundheitsrisiko dar. Wer sie konsumiert, weiß oft nicht, was tatsächlich in dem Produkt steckt. Ein regulierter Zugang zu natürlichem Cannabis kann hier einen wichtigen Beitrag leisten: Es könnte illegale und riskante Substanzen vom Markt verdrängen, Qualitätssicherung schaffen und Aufklärung ermöglichen. Deshalb brauchen wir neben der Teillegalisierung in Deutschland dringend auch Modellprojekte für den legalen Verkauf von Cannabis und einen faktenbasierten politischen Kurs – zum Schutz der Verbraucher:innen.“
Spice verdeutlicht, wie schnell sich Lücken in der Gesetzgebung und mangelnde Marktaufsicht zu einem Gesundheitsproblem entwickeln können. Die synthetischen Cannabinoide in den Mischungen sind unberechenbar und bergen deutlich höhere Risiken als offenbar viele Konsumierende annehmen.
Die Erfahrungen der vergangenen Jahre zeigen zugleich, dass Verbote allein das Problem nicht lösen: Immer neue Varianten entstehen und umgehen bestehende Regelungen. Entscheidend ist daher eine Kombination aus wirksamer Prävention, fundierter Aufklärung und einer kontinuierlichen Anpassung des rechtlichen Rahmens, um die Verbreitung gefährlicher Substanzen einzudämmen und die öffentliche Gesundheit zu schützen.
[1] Seely, K. A., Lapoint, J., Moran, J. H., & Fattore, L. (2012). Spice drugs are more than harmless herbal blends: A review of the pharmacology and toxicology of synthetic cannabinoids. Progress in Neuro-Psychopharmacology & Biological Psychiatry, 39(2), 234–243.
[2] Müller, H. H., Kornhuber, J., & Sperling, W. (2016). The behavioral profile of spice and synthetic cannabinoids in humans. Brain Research Bulletin, 126(Part 1), 3–7.