avaay Medical
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September 02
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8 min

THC-Destillat: Präzise Therapie aus der Cannabispflanze?

Wer sich heute in der Welt der Cannabisprodukte umsieht, stößt früher oder später auf einen Begriff, der technisch klingt, fast ein wenig wissenschaftlich: THC-Destillat. Was sich nach Laborkittel und Zentrifuge anhört, ist in der Tat ein Produkt der modernen Cannabisindustrie – hochkonzentriert, geschmacksneutral, nahezu vollständig auf einen einzigen Wirkstoff reduziert. Doch was bedeutet das eigentlich? Und was sollten Patient:innen und Konsumierende über dieses Produkt wissen?


  • THC-Destillate sind hochreine Cannabisextrakte mit einem Wirkstoffgehalt von bis zu 99 % – geschmacksneutral, standardisierbar und präzise dosierbar.
  • Sie entstehen durch einen mehrstufigen Destillationsprozess, bei dem unerwünschte Pflanzenstoffe wie Chlorophyll, Wachse und Lipide entfernt werden.
  • Im Vergleich zu anderen Konzentraten bieten Destillate eine deutlich höhere Reinheit, aber weniger pflanzliche Begleitstoffe – Terpene können optional wieder zugesetzt werden.
  • Medizinisch eignen sich Destillate besonders für Rezepturen wie Kapseln, Lösungen oder Vape-Produkte, die exakte Dosierungen erfordern und eine inhalative oder orale Anwendung ermöglichen.
  • Aufgrund ihrer Potenz sind Destillate nur unter ärztlicher Begleitung zu empfehlen – sie sind keine „stärkere Version“ von Cannabisblüten, sondern eine eigenständige Darreichungsform mit Vorteilen und Grenzen.

THC-Destillat: Die Essenz des Wirkstoffs

THC-Destillat ist ein extrem reines Extrakt aus der Cannabispflanze. Während herkömmliche Cannabisblüten oder sogenannte Vollspektrum-Konzentrate ein ganzes Spektrum an Pflanzeninhaltsstoffen enthalten – darunter Terpene, sekundäre Pflanzenstoffe und andere Cannabinoide wie CBD oder CBG – verfolgt das Destillat einen anderen Ansatz: Es reduziert die Pflanze auf einen einzigen Wirkstoff. Oder besser gesagt: auf das eine Cannabinoid, das bei vielen im Fokus steht – Tetrahydrocannabinol, kurz THC.

Der THC-Gehalt in Destillaten liegt in der Regel zwischen 90 und 99 Prozent. Das Ergebnis ist eine klare, ölige Substanz, die weder riecht noch schmeckt und sich präzise dosieren lässt. In der medizinischen Anwendung ermöglicht das eine besonders genaue Steuerung der Wirkstoffmenge.

Cannabisdestillate als hochpotente Wirkstoffträger

In der Praxis bedeutet das: Destillate sind hochpotente Wirkstoffträger, die durch ihre Konzentration geringere Einnahmemengen erfordern – bei gleichzeitig starker und schnell eintretender Wirkung. Diese Eigenschaft könnte sie für Cannabis-Patient:innen interessant machen, die auf eine effiziente, gut steuerbare THC-Zufuhr angewiesen sind.

Möglich wird dies durch eine Reihe von Reinigungsschritten, die weit über die herkömmliche Extraktion hinausgehen: Im Verlauf der mehrfachen Destillation werden nicht nur unerwünschte Bestandteile wie Chlorophyll, Wachse und Phenole entfernt, sondern auch der Wirkstoffgehalt präzise standardisiert. Das Ergebnis ist ein Produkt von besonders hoher pharmazeutischer Qualität und Sicherheit, das auf einem klar definierten Ausgangsstoff basiert – nämlich getrockneten Cannabisblüten.

Molekulare Feinarbeit: Wie entsteht ein Cannabis-Destillat?

Cannabisdestillate herzustellen ist komplex – und alles andere als ein Küchenrezept. Der chemisch anspruchsvolle Destillationsprozess geht weit über die klassische Extraktion hinaus. Er umfasst mehrere hochspezialisierte Schritte:

  1. Extraktion: Zunächst wird der Wirkstoff durch ein Lösungsmittel – meist Ethanol, CO₂ oder ein Kohlenwasserstoff – aus dem getrockneten Pflanzenmaterial gelöst.
  2. Winterisierung: Das rohe Extrakt wird mit Alkohol vermischt und tiefgefroren, um Fette, Wachse und Lipide vom Extrakt zu trennen und zu entfernen.
  3. Filtration & Verdampfung: Anschließend wird der Alkohol mithilfe eines Rotationsverdampfers entfernt; zurück bleibt ein gereinigtes Cannabisöl.
    1. Decarboxylierung: Die noch inaktiven THC-Sä uren (THCA) werden durch gezielte Erhitzung in psychoaktives THC überführt.
  4. Destillation: Nun erfolgt der eigentliche Kernprozess: Im Vakuum und unter kontrollierter Temperatur wird der Wirkstoff anhand seines Siedepunktes isoliert. Diese sogenannte kurzwegige Destillation trennt den reinen Wirkstoff von anderen Substanzen – und ermöglicht so die Gewinnung eines hochkonzentrierten THC-Destillats.
  5. (Optional) Terpenrückführung: In manchen Fällen – etwa bei medizinischen Produkten – werden die ursprünglich extrahierten natürlichen Terpene wieder zugesetzt, um ein vollständigeres Wirkprofil zu erreichen.

Das Resultat ist ein Cannabisdestillat, das sich sowohl chemisch als auch pharmakologisch klar definieren lässt – eine Voraussetzung für medizinische Rezepturen, bei denen es auf Standardisierung und Dosiergenauigkeit ankommt.

Medizinischer Nutzen: Mögliche Anwendung und therapeutisches Potenzial

Obwohl es bislang keine spezifischen klinischen Studien zu THC-Destillaten gibt, lassen sich ihre potenziellen Einsatzgebiete aus der THC-Wirkung ableiten. Laut Studien könnte THC schmerzlindernd (analgetisch), appetitanregend, gegen Übelkeit und Erbrechen wirksam (antiemetisch) und schlaffördernd wirken.[1]

Cannabis-Destillate sind sogenannte Rezepturausgangsstoffe. Sie könnten von Apotheken weiterverarbeitet und individuell angepasst werden – je nach therapeutischem Bedarf und ärztlicher Verordnung. Mögliche Darreichungsformen umfassen etwa Kapseln, weiche Gummibärchen oder in einer alkoholischen/alkoholbasierten Lösung.

Cannabisdestillate auf Rezept: Nur auf ärztliche Verordnung erhältlich

Cannabisdestillate sind in Deutschland verschreibungspflichtige Arzneimittel. Das bedeutet: Sie sind nicht frei verkäuflich, sondern dürfen ausschließlich im Rahmen einer ärztlich begleiteten Cannabistherapie verordnet werden. Die Anwendung erfolgt in der Regel nach einem individuellen Therapieplan, den Ärzt:innen gemeinsam mit den Patient:innen erarbeiten.

Voraussetzung für eine Verschreibung ist eine entsprechende Indikation, bei der der Einsatz von Cannabisarzneimitteln als medizinisch begründet gilt – etwa bei chronischen Schmerzen, Übelkeit infolge einer Chemotherapie, Appetitlosigkeit, Migräne, Spastiken oder anderen therapieresistenten Beschwerden. Dabei gilt: Auch THC-Destillate sind keine Mittel der ersten Wahl, sondern kommen meist dann zum Einsatz, wenn andere Therapieversuche keine ausreichende Wirkung gezeigt haben.

Da es sich bei Destillaten um sogenannte Rezepturausgangsstoffe handelt, werden sie von Apotheken nach ärztlicher Verordnung individuell weiterverarbeitet – zum Beispiel zu Kapseln. Sie unterliegen dabei denselben strengen Qualitätsanforderungen wie andere medizinische Cannabisprodukte.

Cannabisdestillate vs. Cannabiskonzentrate – was ist der Unterschied?

Ein Cannabiskonzentrat ist grundsätzlich jedes Cannabisextrakt, bei dem die Wirkstoffe der Pflanze – etwa THC oder CBD – in höherer Konzentration vorliegen als in der ursprünglichen Blüte.

Dazu zählen u. a.:

  • Haschisch,
  • Rosin,
  • Wax,
  • Live Resin,
  • Vollspektrumextrakte – und eben auch: Destillate.

Konzentrate entstehen durch unterschiedliche Extraktionsmethoden (z. B. mit CO₂, Ethanol, Butan oder Hitze/Druck) und enthalten in der Regel noch weitere pflanzliche Bestandteile – zum Beispiel Terpene, Wachse oder sekundäre Cannabinoide. Je nach Herstellungsverfahren und Ausgangsmaterial variieren die Verbindungen in Geschmack, Farbe, Konsistenz und Wirkprofil.

Destillate unterscheiden sich damit grundlegend von klassischen Konzentraten: Sie enthalten keine Wachse, kaum Lipide und nur Terpene, wenn diese nachträglich wieder zugeführt wurden. Denn während bei der Destillation auch die aromatragenden Terpene entfernt werden, ist es technisch möglich, sie zuvor gezielt abzufangen und dem gereinigten Wirkstoff später wieder beizumischen. Das ermöglicht eine gewisse Rekonstruktion des natürlichen Terpenprofils – etwa, um das Wirkgefühl zu modulieren oder ein therapeutisch gewünschtes Aromaprofil zu erzeugen.

Besonders in der medizinischen Anwendung könnten Destillate Vorteile bieten: Ihre hohe Reinheit macht sie sehr gut dosierbar, was bei Rezepturarzneimitteln, Vape-Produkten oder Kapseln von zentraler Bedeutung ist. Sie ermöglichen eine reproduzierbare Wirkung – bei gleichzeitig deutlich geringeren Einnahmemengen.

Zugleich erfordert ihre hohe Potenz besondere Vorsicht: Eine Überdosierung ist leichter möglich als bei weniger konzentrierten Cannabisprodukten. Deshalb ist eine ärztlich begleitete Anwendung bei der Verwendung von Destillaten essenziell.

Cannabis-Destillat vs. Haschisch

Haschisch gehört zu den ältesten bekannten Cannabis-Konzentraten. Es wird traditionell durch das mechanische Abreiben oder Sieben der Trichome – also der harzproduzierenden Drüsenhaare der Cannabispflanze – hergestellt und anschließend gepresst. Das Resultat ist eine bräunlich-grüne, feste bis klebrige Masse mit typischem Geruch, die neben THC auch viele natürliche Pflanzenbestandteile, Verunreinigungen und Terpene enthält. Der Wirkstoffgehalt schwankt stark und ist im Vergleich zu modernen Extrakten eher niedrig – meist zwischen 10 und 30 Prozent THC.

Im Gegensatz dazu ist ein THC-Destillat ein hochtechnisiertes Produkt mit einer kontrollierten chemischen Zusammensetzung. Es enthält – je nach Herstellung – fast ausschließlich THC (bzw. CBD), in Konzentrationen von bis zu 99 %, und ist frei von pflanzlichem Zellmaterial. Während Haschisch ein naturbelassenes Cannabis-Freizeitprodukt darstellt, ist das Destillat ein standardisiertes Arzneimittel – ohne die sensorische Komplexität, aber mit deutlich höherer Reinheit und Potenz.

Cannabis-Destillat vs. Rosin

Rosin ist ein lösungsmittelfreies Konzentrat, das durch Hitze und Druck aus Cannabisblüten oder Haschisch gewonnen wird. Die Methode gilt als vergleichsweise sicher und schonend – das Endprodukt enthält viele natürliche Inhaltsstoffe, darunter Terpene, Cannabinoide und Pflanzenwachse. Der THC-Gehalt von Rosin ist oft höher als bei Haschisch, kann aber je nach Qualität und Ausgangsmaterial stark schwanken – meist liegt er zwischen 50 und 75 Prozent.

Das Destillat dagegen entsteht durch ein mehrstufiges extraktives und thermisches Trennverfahren, bei dem fast alle pflanzlichen Begleitstoffe entfernt werden. Es ist geschmacksneutral und durch seine Reinheit deutlich potenter als Rosin. Während Rosin als „handwerkliches Extrakt“ in der Cannabis-Szene geschätzt wird, eignet sich das Destillat besser für medizinische Kontexte, in denen Dosiergenauigkeit und Wirkstoffkonsistenz im Vordergrund stehen.

Cannabis-Destillat vs. Wax

Cannabis-Wax ist ein weiterer Oberbegriff für BHO-Konzentrate (Butan Hash Oil), die in ihrer Konsistenz wachsartig bis krümelig sind. Cannabis-Wax enthält typischerweise 50 bis 80 Prozent THC und wird durch Butan-Extraktion hergestellt. Viele Terpene und sekundäre Cannabinoide bleiben erhalten, was zu einem volleren Geschmacksprofil und möglicherweise synergistischen Effekten führt. Wax wird hauptsächlich gedabbt oder verdampft – die Dosierung erfolgt oft per Gefühl, was medizinisch schwer zu standardisieren ist.

Ein THC-Destillat bietet hier das Kontrastprogramm: keine Restlösungsmittel, kein typisches Aroma, aber eine extrem saubere Zusammensetzung. Durch die mehrfache Destillation wird ein definierter Wirkstoffgehalt erzielt, der sich exakt verarbeiten und dosieren lässt – ideal für Anwendungen in Kapseln, Lösungen oder Vape-Kartuschen mit kontrollierter Abgabe.

Cannabis-Destillat vs. Live Resin

Live Resin ist ein hochwertiges Konzentrat, das aus frisch gefrorenen Cannabispflanzen gewonnen wird. Dadurch bleiben besonders viele flüchtige Terpene und sekundäre Pflanzenstoffe erhalten – mehr als bei allen anderen Konzentraten. Es gilt daher als eines der aromatischsten und „vollständigsten“ Extrakte, was Wirkung und Geschmack betrifft. Der THC-Gehalt variiert – je nach Charge und Pflanzensorte – meist zwischen 60 und 85 Prozent.

Das Destillat hingegen entfernt bewusst genau diese Komplexität – zugunsten eines klar definierten Wirkstoffs. Zwar können auch hier Terpene rückgeführt werden, aber die charakteristische Vielfalt und Dynamik eines Live Resins bleibt unerreicht. Dafür bietet das Destillat eine klinisch nutzbare Reinform, die sich besser für standardisierte therapeutische Anwendungen eignet, bei denen Reproduzierbarkeit und Wirkstoffreinheit im Mittelpunkt stehen.

Vorteile und Herausforderungen von Destillaten

Die hohe Reinheit der Destillate erlaubt eine präzise, konstante Wirkstoffzufuhr, was insbesondere in der Rezepturherstellung ein Pluspunkt ist. Die Möglichkeit, Terpene nach der Destillation wieder hinzuzufügen, kann dabei helfen, den sogenannte Entourage-Effekt – also das Zusammenspiel verschiedener Pflanzenbestandteile – zumindest teilweise zu rekonstruieren.

Gleichzeitig gilt: Die hohe Potenz birgt auch Risiken. Bereits kleine Mengen können starke Effekte auslösen, weshalb eine ärztlich begleitete Dosierung unabdingbar ist. Unerfahrene Patient:innen sollten Destillate nur mit ärztlicher Beratung und unter sorgfältiger Beobachtung anwenden.

THC-Destillate als medizinische Alternative

Für manche Patient:innen könnten THC-Destillate eine echte Alternative zu anderen medizinischen Cannabisprodukten bieten – insbesondere, wenn es auf eine exakte Dosierung und eine rauchfreie Anwendung ankommt. Doch mit der Reinheit kommt auch die Reduktion: Was an Vielfalt verloren geht, lässt sich nicht immer durch technische Rückgewinnung ersetzen.

Es lohnt sich also, THC-Destillate nicht nur als „stärkere Version“ der Pflanze zu betrachten, sondern als eigene Darreichungsform mit Vorzügen, aber auch Grenzen.


FAQ

Einfach erklärt: Was ist ein Cannabis-Destillat?

Ein Cannabis-Destillat ist ein besonders reines, stark konzentriertes Extrakt aus der Cannabispflanze. Es enthält fast ausschließlich einen einzigen Wirkstoff – meistens THC oder CBD – und sonst fast nichts. Farbe, Geruch und Geschmack fehlen weitgehend, weil bei der Herstellung alle anderen Pflanzenstoffe entfernt werden. Das geschieht in einem mehrstufigen Verfahren: Zuerst wird der Wirkstoff aus getrockneten Cannabisblüten herausgelöst. Dann wird das gewonnene Extrakt durch Erhitzen, Filtern und Destillieren so lange gereinigt, bis nur noch der Wirkstoff in fast reiner Form übrig bleibt. Ein Destillat kann über 90 % reines THC enthalten – das ist deutlich mehr als in Cannabisblüten oder anderen Konzentraten. Weil es so stark ist, reicht schon eine kleine Menge für eine spürbare Wirkung. Es wird z. B. in medizinischen Rezepturen, Vape-Produkten oder Kapseln verwendet und lässt sich sehr präzise dosieren.

Was ist THCP und gibt es auch ein THCP-Destillat?

THCP (Tetrahydrocannabiphorol) ist ein seltenes, stark wirksames Cannabinoid, das 2019 entdeckt wurde. Es bindet deutlich stärker an Cannabinoid-Rezeptoren als THC – die Wirkung ist intensiver, aber kaum erforscht. THCP-Destillate existieren zwar im internationalen Freizeitmarkt, sind jedoch nicht medizinisch zugelassen und derzeit nicht Teil standardisierter Cannabistherapien.


Quellen

[1] Ng, T. & Keshock, M. C. (2023, 12. November). Tetrahydrocannabinol (THC). In: StatPearls [Internet]. Treasure Island (FL): StatPearls Publishing.

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