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Hämmernd, pulsierend, stechend, dumpf oder drückend: Kopfschmerz hat viele Gesichter. Bei Migräne kann er zusätzlich mit Übelkeit und sogenannten Auren einhergehen.
Nach Schätzungen der WHO leiden rund 50 Prozent aller Erwachsenen mindestens einmal pro Jahr unter Kopfschmerzen. Bei der Unterform Migräne geht man weltweit von einer Milliarde Betroffenen aus, wobei der Anteil der Frauen hier mehr als doppelt so hoch ist wie der der Männer.
Für eine ganzheitliche Behandlung von Kopfschmerzen gilt es, deren Ursachen festzustellen. Hier unterscheidet man zwischen primären und sekundären Kopfschmerzen.
Von primären Kopfschmerzen ist dann die Rede, wenn keine Begleiterkrankung hinter den Kopfschmerzen steckt. Unter diese Kategorie fallen:
Werden die Schmerzen dagegen von einer anderen Erkrankung verursacht, spricht man von sekundären Kopfschmerzen. Hier ist die Liste der möglichen Auslöser lang. Unter anderem gehören dazu:
Warum primäre Kopfschmerzen entstehen, lässt sich nur schwer rekonstruieren. Aber es lassen sich zumindest Punkte feststellen, die primäre Kopfschmerzen begünstigen oder verstärken könnten. Mit von der Partie sind mit „zu wenig Wasser, zu viel Stress, zu wenig Schlaf“ auch die üblichen Verdächtigen:
Du leidest unter Kopfschmerzen und kannst eine Begleiterkrankung ausschließen? Dann kann ein Kopfschmerzkalender Dir dabei helfen, die Trigger für Deine primären Kopfschmerzen zu identifizieren.
Auf der Seite der deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft findest Du Vorlagen für einen Migräne- und Kopfschmerzkalender sowie für einen Clusterkopfschmerzkalender.
Gerade bei Migräne können die Trigger besonders individuell ausfallen. Möglich sind etwa Veränderungen im Tagesrhythmus oder ein veränderter Koffeinkonsum.
Da Hormonschwankungen Migräneanfälle begünstigen können, sind Frauen zwei- bis dreimal häufiger von Migräne betroffen. Hormonelle Verhütungsmethoden wie die Pille könnten Linderung verschaffen, aber gleichzeitig andere Risiken bergen. Vorteile und Risiken sollten mit dem behandelnden Arzt oder der behandelnden Ärztin abgewägt werden.
Leidest du an primären Kopfschmerzen und nimmst regelmäßig Medikamente gegen Kopfschmerzen ein, könnte sich das kontraproduktiv auswirken. Hier ist die Rede von Medikamentenübergebrauchskopfschmerz (MÜK) – auch bekannt als medikamenteninduzierter Kopfschmerz oder Rebound-Kopfschmerz.
Die Symptome des MÜK: Kopfschmerzen halten länger an, treten öfter auf oder du brauchst immer mehr Kopfschmerzmedikamente.
Nach Schätzungen der Deutschen Gesellschaft für Neurologie sind 0,7 bis 1 Prozent der weltweiten Bevölkerung von medikamenteninduzierten Kopfschmerzen betroffen. Das entspricht in Deutschland bis zu 800.000 Personen. Noch konnte die Ursache für den MÜK nicht abschließend festgestellt werden.
Das subjektive Empfinden von Kopfschmerzen und Migräne um beinahe 50 Prozent lindern? Genau diesen Effekt könnte das Inhalieren von Cannabis haben – das sagt zumindest eine Studie der Washington State University aus dem Jahr 2019.
Anhand einer Big-Data-Analyse werteten die Forschenden Informationen einer App aus, in der User:innen ihre Anwendung von medizinischem Cannabis trackten. Konkret sahen die Wissenschaftler:innen sich die Informationen von 1.300 Nutzer:innen an, die in der App insgesamt mehr als 12.000-mal das Symptom „Kopfschmerzen“ eingetragen hatten. Dazu gehörten 653 Migräne-Patient:innen, die in der Summe über 7.400 Migräneanfälle verzeichneten.
Wie sich die Inhalation von Cannabis bei Kopfschmerzen in der Studie auswirkte
Die Auswertung ergab, dass das Inhalieren von Cannabis bei Kopfschmerzen die Beschwerden der User:innen im Durchschnitt um 47,3 Prozent verringerte. Bei Migränepatient:innen war das mit 49,6 Prozent sogar noch etwas häufiger der Fall.
Bezogen auf die Schmerzbekämpfung konnten die Forschenden keinen signifikanten Unterschied zwischen verschiedenen Cannabissorten mit unterschiedlichen Leveln und Verhältnissen an CBD und THC ausmachen. Sie mutmaßen daher, dass andere Cannabinoide oder Terpene der Hanfpflanze bei der Wirkung von Cannabis die entscheidende Rolle spielen könnten.
Eine Einschränkung der Studie liegt darin, dass es sich bei den Teilnehmenden ausschließlich um geübte User:innen der Cannabis-App handelte. Da diese gegenüber dem Einsatz von medizinischem Cannabis tendenziell eher offen sein dürften, lässt sich eine gewisse Befangenheit nicht ausschließen. Aus diesem Grund betonten die Forschenden die Notwendigkeit weiterer klinischer Studien, die unter anderem auch Placebos mit einschließen.
Im Jahr 2021 veröffentlichten Wissenschaftler:innen eine Auswertung, in der sie sich 34 Veröffentlichungen zu „Kopfschmerzen Cannabis“ sowie „Migräne Cannabis“ genauer angesehen hatten. In allen der untersuchten Studien fanden die Forschenden Hinweise auf eine therapeutische Wirkung von medizinischem Cannabis bei Migräne:
Kurzfristig führte die Anwendung von medizinischem Cannabis laut der Auswertung zu einer verringerten Einnahme von Schmerzmitteln und einer geringeren Schmerzintensität.
Einige Patient:innen hatten in den Studien angegeben, dass sich durch die langfristige Anwendung von Cannabis sowohl ihr körperlicher als auch psychischer Gesundheitszustand dauerhaft verbessert habe.
Das Fazit der Forschenden: Die Anwendung von medizinischem Cannabis kann sowohl die Dauer und Häufigkeit von Migräne als auch von Kopfschmerzen unbekannten Ursprungs verringern.
Weitere Forschungen zur Anwendung von Cannabis gegen Kopfschmerzen sind nötig
Die Wissenschaftler:innen schlussfolgerten, dass die Anwendung von Cannabis gegen Kopfschmerzen momentan unterrepräsentiert sei. Wichtig sind laut ihnen weitere Untersuchungen zu dem Thema. Nur so lässt sich herausfinden, welche Dosierungen und Formen der Verabreichung besonders geeignet sein könnten. Zu untersuchen bleibt auch, welche Sorten sich für die Kopfschmerz-Behandlung besonders eignen und wie sich die medizinische Anwendung von Cannabis langfristig auswirken könnte.
Ob auch Cannabis gegen Migräne MÜK verursachen könnte, bleibt nach derzeitigem Stand der Wissenschaft unklar.
Eine 2021 veröffentlichte Studie ermittelte zwischen der Anwendung von medizinischem Cannabis, chronischer Migräne und dem Auftreten von MÜK einen signifikanten Zusammenhang.
Untersucht worden waren die Daten von insgesamt 368 Patient:innen mit chronischer Migräne. Von den 150 Personen, die Cannabis gegen ihre Migräne anwendeten, litten 81 Prozent unter MÜK. Bei denen, die ihre Migräne mit anderen Medikamenten behandelten, waren 41 Prozent von MÜK betroffen.
Die Wissenschaftler:innen rieten Patient:innen, die gegen chronische Migräne Cannabis anwendeten, daher, die Menge an Cannabis zu verringern.
Eine weitere Forschung zu Cannabis und MÜK
Eine andere Sprache spricht eine doppelblinde, kontrollierte und randomisierte Studie, die die Anwendung von Nabilon – eine synthetische Form des Cannabinoids THC – zur Behandlung von hartnäckigen MÜK untersuchte.
Im Vergleich zu Ibuprofen war Nabilon wirksamer in der Reduzierung der Schmerzintensität und der täglichen Einnahme anderer Schmerzmittel. Außerdem konnte Nabilon laut den Forscher:innen im Gegensatz zu Ibuprofen den Grad der Medikamentenabhängigkeit verringern und die Lebensqualität der Patient:innen verbessern. Nebenwirkungen von Nabilon traten selten auf, fielen leicht aus und verschwanden nach dem Absetzen wieder. Anzumerken bleibt allerdings, dass die Studiengröße mit 26 Personen relativ klein war.
Es lässt sich festhalten, dass die Rolle von Cannabis bei MÜK bisher ungeklärt bleibt. Wenn für Dich die Anwendung von Medizinalcannabis bei Migräne oder anderen Kopfschmerzen in Frage kommt, solltest Du mit Deinem behandelnden Arzt oder Deiner behandelnden Ärztin sprechen.