avaay Medical
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November 25
|
7 min

Wie wirkt sich Cannabis auf die Fruchtbarkeit von Männern aus?

Cannabis ist auf dem Weg in die gesellschaftliche Mitte: Der Freizeitkonsum nimmt zu, gleichzeitig nutzen immer mehr Patient:innen Cannabis aus medizinischen Gründen. Damit rückt ein bisher wenig beleuchteter Aspekt in den Fokus: Welche Folgen kann der Konsum für die Fruchtbarkeit von Männern haben?


  • Es gibt Hinweise darauf, dass Cannabis die männliche Fruchtbarkeit beeinträchtigen kann: Vor allem die Spermienqualität scheint unter dem Konsum zu leiden.
  • Nicht nur die Menge zählt, sondern auch die Häufigkeit: Je regelmäßiger und langfristiger konsumiert wird, desto deutlicher scheinen die negativen Effekte auf die Fruchtbarkeit auszufallen.
  • DNA-Schäden an Spermien sind möglich: Eine Studie von 2025 deutet darauf hin, dass Cannabis die DNA-Stabilität der Spermien stärker beeinträchtigen könnte als Tabak.
  • Wirkungen sind nicht zwingend dauerhaft: Erste Hinweise sprechen dafür, dass sich Spermien nach einem Konsumstopp regenerieren können – empfohlen werden mindestens 3 Monate Pause vor geplantem Kinderwunsch.
  • Mögliche Effekte können auch die Kinder betreffen: Tierstudien zeigen, dass väterlicher Cannabiskonsum vor der Zeugung das Gehirn der Nachkommen beeinflussen kann.

Cannabis und sein Einfluss auf die männliche Fruchtbarkeit

Kinderwunsch und Cannabiskonsum – zwei Themen, die lange kaum miteinander verknüpft wurden. Doch mit der wachsenden Bedeutung von Cannabis in der Medizin und der zunehmenden Legalisierung rückt die Frage in den Fokus, welche Auswirkungen Cannabis auf die Fortpflanzungsfähigkeit von Männern haben könnte. In Gesprächen und sozialen Medien kursiert häufig die Behauptung: Cannabis verschlechtere die Spermienqualität und könne Männer unfruchtbar machen. Aber stimmt das wirklich?

Die kurze Antwort: Es gibt Hinweise darauf, dass Cannabis die männliche Fruchtbarkeit beeinträchtigen kann. Vor allem die Spermienqualität scheint unter dem Konsum zu leiden. Doch die Studienlage ist komplex.

Infografik mit dem Titel „Auswirkungen von Cannabiskonsum auf die Spermienqualität“. Sie zeigt vier negative Effekte des Cannabiskonsums auf Spermien: verringerte Spermienanzahl, häufiger ungewöhnliche Spermienform, langsamere bzw. weniger zielgerichtete Spermienbeweglichkeit sowie mögliche Schäden an der Spermien-DNA.

Cannabiskonsum bei Männern – was Spermien verraten

Wer von „männlicher Fruchtbarkeit“ spricht, meint in der Regel vier Kernfaktoren: Wie viele Spermien ein Mann produziert, wie gut sie sich bewegen können, ob sie äußerlich normal geformt sind und ob sie eine Eizelle überhaupt befruchten können. Medizinisch werden diese Merkmale als „Semenparameter“ bezeichnet – sie gelten als zuverlässigster Gradmesser dafür, ob und wie wahrscheinlich eine Zeugung ist.

Genau hier setzt die Forschung zu Cannabis an. In einer umfassenden systematischen Übersichtsarbeit aus 2019 kommen die Autor:innen zu einem klaren Befund: Regelmäßiger Cannabiskonsum kann die Spermienproduktion bremsen. In Tierversuchen und Untersuchungen an Menschen zeigte sich eine niedrigere Spermienzahl und eine geringere Konzentration pro Milliliter Samenflüssigkeit. Das bedeutet: Es sind weniger Spermien unterwegs, um eine Eizelle zu erreichen.[1]

Doch es bleibt nicht bei der Menge. Auch die Beweglichkeit – entscheidend, um die Eizelle überhaupt zu erreichen – kann durch Cannabis leiden. Die Spermien schwimmen langsamer oder weniger zielgerichtet, im Extremfall bewegen sie sich gar nicht mehr.[1]

Hinzu kommt ein dritter Faktor: die Form der Spermien. Bei Cannabiskonsumenten finden Forschende häufiger ungewöhnlich geformte Spermien – etwa mit deformierten Köpfen oder fehlenden Schwänzen.[1] Solche Spermien sind oft nicht in der Lage, in die Eizelle einzudringen. Auch spätere Arbeiten bestätigen: Die Qualität der Spermienmorphologie nimmt bei Cannabiskonsum ab, vor allem bei regelmäßigem oder längerfristigem Konsum.[2]

Ein weiteres Detail, das bisher wenig öffentlich diskutiert wurde: Cannabis kann offenbar die sogenannte „Befruchtungsfähigkeit“ der Spermien beeinträchtigen. Bevor ein Spermium eine Eizelle befruchten kann, muss es eine Art „Reifungsprozess“ durchlaufen – eine biologische Aktivierung, die als Kapazitation bezeichnet wird. Studien legen nahe, dass der Cannabiswirkstoff THC in diesen Ablauf eingreifen kann. Spermien bleiben gewissermaßen „im Leerlauf“ und schaffen es nicht in den Modus, der für die Verschmelzung mit der Eizelle nötig wäre.[1]

Eine neuere Untersuchung aus dem Jahr 2025 vertieft dieses Bild noch einmal: Im Vergleich zu Tabakrauchern schnitten Cannabiskonsumenten bei mehreren Parametern schlechter ab, insbesondere bei Beweglichkeit und DNA-Stabilität der Spermien.[3] Das heißt: Es geht nicht nur um Anzahl und Form – auch die „innere Gesundheit“ des Erbguts kann beeinträchtigt sein.

In Summe sprechen diese Ergebnisse für eine klare Tendenz: Cannabis wirkt an mehreren Stellen gleichzeitig – und kann damit die Zeugungsfähigkeit insgesamt senken. Die Effekte treten nicht bei jedem Konsumenten gleich stark auf, doch je häufiger und regelmäßiger konsumiert wird, desto deutlicher scheinen sie zu werden.[2]

Cannabis vs. Tabak: Wer schneidet schlechter ab?

Eine 2025 veröffentlichte Studie ging noch einen Schritt weiter. Forschende verglichen die Spermien von drei Gruppen: Nichtraucher, Tabakraucher und Cannabiskonsumenten. Das Ergebnis:

  • Sowohl Tabak als auch Cannabis wirkten sich negativ auf die Spermien aus.
  • Doch Cannabis-Konsum zeigte teils deutlich stärkere Effekte: Männer, die Cannabis konsumierten, hatten mehr unbewegliche Spermien und eine schlechtere DNA-Integrität der Samenzellen als Tabakraucher.

Besonders bemerkenswert: Die Spermien von Cannabiskonsumenten wiesen häufiger DNA-Schäden auf – ein Hinweis darauf, dass nicht nur die Anzahl, sondern auch die „Qualität des Erbguts“ leiden könnte.[3]

Und was ist mit den Hormonen?

Lange Zeit vermuteten Forschende, Cannabis könnte den Testosteronspiegel senken. Die Datenlage ist jedoch widersprüchlich. Während frühe Untersuchungen niedrigere Testosteronwerte bei Konsumenten fanden, zeigten neuere Analysen teils keinen Unterschied – oder sogar leicht erhöhte Werte.[2]

Einheitlicher hingegen: Das Hormon LH (Luteinisierendes Hormon), das eine Rolle bei der Spermienproduktion spielt, könnte durch Cannabis reduziert sein.[1]

Noch ist unklar, wie stark diese hormonellen Veränderungen tatsächlich zur Unfruchtbarkeit beitragen.

Wirkt sich Cannabis dauerhaft auf die Fruchtbarkeit des Mannes aus?

Die wohl entscheidendste Frage für viele Männer lautet: Sind die möglichen Schäden dauerhaft?

Hier ist die Forschung vorsichtig optimistisch. Hinweise aus Tierversuchen deuten darauf hin, dass Veränderungen der Hoden und Spermien sich nach einem Konsumstopp teilweise zurückbilden könnten.[1] Ob und wie schnell dies beim Menschen gilt, ist jedoch weniger gut untersucht.

Expert:innen empfehlen Männern mit Kinderwunsch mindestens drei Monate vor einer geplanten Schwangerschaft auf Cannabis zu verzichten – so lange dauert ungefähr ein kompletter Zyklus der Spermienneubildung.[3]

Was bedeutet das für die Praxis?

Die aktuelle Datenlage lässt sich so zusammenfassen:

  • Regelmäßiger Cannabiskonsum kann die männliche Fruchtbarkeit beeinträchtigen.
  • Betroffen sind besonders Spermienzahl, Form, Beweglichkeit und Erbgutqualität.
  • Die negativen Effekte scheinen mit Häufigkeit und Intensität des Konsums zuzunehmen.
  • Ob Schäden reversibel sind, hängt vermutlich von Dauer und Menge des Konsums ab.

Für Ärzt:innen bedeutet das: Cannabiskonsum sollte bei unerfülltem Kinderwunsch als möglicher Faktor berücksichtigt werden.[1]

Cannabis-Einfluss auf Babys: Sind Kinder von "kiffenden Vätern" gesund?

Ob der Cannabiskonsum eines Mannes die Gesundheit seiner zukünftigen Kinder beeinflusst, ist bislang nur teilweise erforscht. Erste Hinweise aus der Forschung regen jedoch zur Vorsicht an.

Eine viel beachtete Studie der Duke University untersuchte an Ratten, wie sich Cannabis beim Vater vor der Zeugung auf den Nachwuchs auswirkt. Das Ergebnis: Die Nachkommen zeigten Veränderungen in Bereichen des Gehirns, die für Lernen, Gedächtnis, Belohnungsverarbeitung und Stimmung wichtig sind.[4]

Der leitende Autor der Studie, Prof. Theodore Slotkin, ordnet die Ergebnisse so ein: „Unsere Erkenntnisse lassen sich von Ratten auf Menschen übertragen, weil die gleichen Hirnkreisläufe bei beiden eine Rolle spielen“, sagt Slotkin, Professor für Pharmakologie und Krebsbiologie an der Duke University. „Diese Studie zeigt, dass der Marihuana­konsum von Vätern – nicht nur von Müttern – die Gesundheit des Nachwuchses beeinflussen kann, selbst wenn der Konsum vor der Empfängnis stattfindet.“[5]

Wichtig ist allerdings: Diese Erkenntnisse stammen aus einem Tiermodell. Für den Menschen gibt es bisher keine eindeutigen Belege, dass Kinder von cannabis­konsumierenden Vätern gesundheitliche Schäden davontragen. Die Forschung steht hier noch am Anfang.

Was bedeutet das für Cannabis-Patienten?

Für Männer, die Cannabis aus medizinischen Gründen einnehmen, stellen sich damit besondere Fragen: Müssen sie ihre Cannabis-Therapie beenden, wenn ein Kinderwunsch besteht? Und ist eine Fortsetzung der Therapie nach der Empfängnis oder der Geburt möglich?

Zunächst gilt: Medizinisches Cannabis dient häufig dazu, Schmerzen, Schlafstörungen, Muskelspasmen oder andere chronische Beschwerden zu lindern. Für Cannabis-Patient:innen könnte ein abrupter Abbruch der Behandlung also gesundheitlich problematisch sein.

Bertan Türemis, medizinisch Wissenschaftlicher Berater bei avaay Medical bei avaay Medical, betont dennoch:

"Wer eine Familie gründen möchte, sollte die bisherigen Erkenntnisse ernst nehmen. Der Rat lautet daher: Mit dem behandelnden Arzt oder der behandelnden Ärztin sprechen. Auch ein Gespräch mit Fertilitätsmediziner:innen kann für Paare mit Kinderwunsch in diesem Fall empfehlenswert sein. In manchen Fällen könnte eine Dosisanpassung, ein zeitlicher Konsumstopp oder eine alternative Therapie sinnvoll sein."

Unser Tipp: Weiterführende Gedanken zum Thema Cannabis-Therapie und Elternsein findest du in unserem Artikel “Cannabis kommt nicht vom Klapperstorch”.

Unterm Strich: Cannabis kann die Chancen auf eine Schwangerschaft verringern

Cannabis ist nicht allein verantwortlich für Fruchtbarkeitsprobleme – Lebensstil, Stress, Alkohol, Ernährung und Umweltfaktoren spielen ebenfalls eine Rolle. Doch die Forschung zeigt deutlich: Wer regelmäßig Cannabis konsumiert, sollte die möglichen Folgen für die Familienplanung nicht unterschätzen.

Ob Cannabis „Männer unfruchtbar macht“, lässt sich deshalb nicht pauschal beantworten. Sicher ist jedoch: Cannabis kann die Chancen auf eine Schwangerschaft verringern – und wer einen Kinderwunsch hat, steht mit einem Konsumstopp auf der sicheren Seite.


FAQ

Nicht automatisch, aber "Kiffen" kann die Fruchtbarkeit beeinträchtigen. Studien zeigen, dass regelmäßiger Cannabiskonsum die Qualität der Spermien verschlechtern kann, etwa bei Anzahl, Beweglichkeit, Form und teilweise auch beim Erbgut.
Ja, Hinweise aus mehreren Studien deuten darauf hin, dass Cannabiskonsum die Spermienqualität beeinträchtigen kann. Beobachtet wurden unter anderem weniger normal geformte Spermien, schlechtere Beweglichkeit sowie Veränderungen an der DNA von Spermien. Wie stark dieser Einfluss ist, hängt jedoch von Menge, Häufigkeit und Zeitpunkt des Konsums ab.
Dazu gibt es bislang keine eindeutigen Erkenntnisse. Studien untersuchen meist regelmäßigen Konsum über Wochen oder Monate, nicht den einzelnen Joint.
Ein kompletter Zyklus der Spermienneubildung dauert etwa 70 bis 90 Tage. So lange braucht der Körper, um Spermien vollständig neu zu produzieren.
Ja, Cannabis-Passivrauchen kann der Gesundheit von Kindern schaden. Die gesundheitlichen Folgen sind noch nicht abschließend erforscht, aber: Für kleine Kinder, deren Atemwege noch sehr empfindlich und deren Immunsystem nicht vollständig ausgereift sind, kann das besonders riskant sein – von häufiger auftretenden Atemwegsproblemen bis hin zu möglichen Auswirkungen auf die körperliche und geistige Entwicklung.[6] Mehr zum Thema liest du in unserem Artikel "Wie gefährlich ist Cannabis-Passivrauchen?".

Quellen

[1] Payne, K. S., Mazur, D. J., Hotaling, J. M., & Pastuszak, A. W. (2019). Cannabis and male fertility: A systematic review. The Journal of Urology, 202(4), 674–681.

[2] Ayyasy, M. (2023). Cannabis and male fertility: A systematic review.Journal of Advance Research in Medical & Health Science, 9(5), 15–20.

[3] Amor, H., Ismaeil, A., Jankowski, P.M. et al. Effects of marijuana and tobacco on male fertility and their relationship to genetic variation of mitochondrial cytochrome C oxidase genes. Sci Rep 15, 7547 (2025).

[4] Theodore A Slotkin, Samantha Skavicus, Edward D Levin, Frederic J Seidler, Paternal Δ9-Tetrahydrocannabinol Exposure Prior to Mating Elicits Deficits in Cholinergic Synaptic Function in the Offspring, Toxicological Sciences, Volume 174, Issue 2, April 2020, Pages 210–217.

[5] Duke Health. (2020, 18 February). Study shows impact of paternal marijuana exposure on the brains of offspring. https://corporate.dukehealth.org/news/study-shows-impact-paternal-marijuana-exposure-brains-offspring

[6] Tripathi, O., Parada, H., Sosnoff, C., et al. (2025). Exposure to secondhand cannabis smoke among children. JAMA Network Open, 8(1), e2455963.

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