Von außen sehen sie aus wie kleine, mit Moos überzogene Meteoriten. Doch was sich hinter dem Namen Moonrocks verbirgt, ist kein Gestein aus dem All, sondern eine der stärksten Cannabiskreationen, die der Markt zu bieten hat. Zwischen medizinischem Potenzial, Genusskultur und kontroverser Debatte bewegt sich ein Produkt, das seinen Namen nicht zufällig trägt.
Die Bezeichnung „Moonrock“ (oder auch "Moon Rock") ist mehr als ein Marketingtrick. Sie spielt auf zwei Dinge an: das äußere Erscheinungsbild – rund, hart, geheimnisvoll – und den Effekt, den Konsumierende beschreiben. „Man fliegt zum Mond“, heißt es in Erfahrungsberichten. Tatsächlich handelt es sich bei Moonrocks um eine Kombination aus drei Cannabisprodukten in einem: Eine besonders potente Cannabisblüte, überzogen mit Haschöl und anschließend ummantelt mit Kief – den kristallinen Harzdrüsen der Pflanze, in denen sich der Großteil der Cannabinoide und Terpene konzentriert.
Moonrocks sind kein standardisiertes Produkt. Ihr THC-Gehalt variiert stark, liegt aber meist zwischen 40 und 60 %. Zum Vergleich: Hochwertige Cannabisblüten in der Apotheke erreichen selten mehr als 25 %. Konzentrate wie Shatter oder Wax kommen zwar auch auf hohe Werte – doch die Kombination mehrerer Bestandteile verleiht den Moonrocks eine eigene, komplexe Charakteristik.
Das Universum der Moonrocks ist so bunt wie die Welt der Cannabisblüten. Ursprünglich als potenter Cannabis-Hybride aus Blüte, Haschöl und Kief konzipiert, hat sich das Konzept längst diversifiziert. Heute begegnet man Varianten mit fantasievollen Namen wie Ice Rocks, Sun Rocks, Blue Moonrock oder Blackberry Moonrocks – oft marketinggetrieben, manchmal auch mit echten Unterschieden in Herstellung und Wirkung.
Moonrocks sind nicht direkt ein Produkt sondern viel mehr eine Produktkategorie – fast jeder Hersteller, ob aus Kalifornien, Amsterdam oder Berlin, kann eigene Varianten herstellen und benennen. Die Unterschiede liegen oft in:
Ice Rocks sehen auf den ersten Blick aus wie Moonrocks, doch ihr Äußeres ist deutlich heller – fast weißlich oder grau. Sie bestehen meist aus CBD-reichen Blüten, die mit CBD-Isolat (in kristalliner Form) überzogen wurden. Anders als klassische THC-Moonrocks enthalten sie kaum berauschende Wirkung, sondern sollen rein entspannend oder angstlösend wirken. Sie sind legal in vielen Ländern, in denen THC verboten ist, und werden häufig im Wellness- oder Lifestyle-Segment vermarktet.
Besonderheit: Fast kein THC – vor allem für Konsumierende interessant, die die CBD-Effekte ohne Rausch suchen.
Sun Rocks gelten als die „Champions League“ unter den Moonrock-Varianten. Während klassische Moonrocks bei 40–50 % THC liegen, erreichen Sun Rocks je nach Charge bis zu 80 % THC – möglich durch den Einsatz besonders potenter Öle und Kiefs. Außerdem werden bei Sunrocks häufig nur eine Sorte für alle drei Komponenten verwendet (z. B. OG Kush als Blüte, Öl und Kief), was zu einem besonders „sortenreinen“ und gleichmäßigen Erlebnis führen soll.
Besonderheit: Extrem starker THC-Gehalt, intensives Terpenprofil – weniger für Anfänger:innen geeignet.
Wirklich selten, und dennoch erwähnenswert sind folgende 2 Ausprägungen:
Hier handelt es sich in der Regel um ein aromatisiertes Moonrock-Produkt. Häufig kommt dabei eine mit Blaubeeraroma versetzte Ölschicht oder ein besonders farbiger Kief zum Einsatz. Manche Varianten enthalten natürlich vorkommende Farbstoffe oder Terpene, die eine bläuliche Tönung erzeugen. Der Begriff ist jedoch nicht standardisiert – viele „Blue Moonrocks“ unterscheiden sich in Zusammensetzung und Qualität erheblich.
Besonderheit: Marketinggetriebene Variante mit fruchtigem Aroma, oft süßer Duft – ein Nischenprodukt.
Wie Blue Moonrocks meist eine Aromavariante, allerdings auf Basis dunkler, beeriger Sorten. Die verwendeten Cannabissorten haben häufig ein dunkles Farbspektrum und ein fruchtiges Terpenprofil, etwa „Blackberry Kush“ oder „Forbidden Fruit“. Auch hier wird gelegentlich mit zusätzlichen Aromen oder Farbstoffen gearbeitet, um eine visuelle und geschmackliche Differenzierung zu erzeugen.
Besonderheit: Dunkel, schwer, süßlich – beliebt bei Konsumierenden, die intensives Aroma und sedierende Wirkung suchen.
Die Herstellung von Moonrocks ist einfach im Prinzip, aber anspruchsvoll in der Ausführung. Man beginnt mit der Auswahl der Cannabisblüten. Diese sollten kompakt, harzreich und möglichst frei von Stängeln sein – idealerweise handelt es sich um Sorten mit hoher Potenz und stabilem Terpenprofil, etwa Girl Scout Cookies, OG Kush oder Gorilla Glue. Anschließend werden sie in Haschöl oder einem anderen Cannabisextrakt getränkt. Das Öl dient dabei nicht nur der Potenzsteigerung, sondern auch als Bindemittel für den nächsten Schritt: das Wälzen in Kief.
Kief – auch als Pollen oder Dry Sift bezeichnet – entsteht beim Sieben getrockneter Blüten und enthält eine hohe Konzentration an THC, CBD und anderen Cannabinoiden. Je feiner der Kief, desto gleichmäßiger die Ummantelung. Der Herstellungsprozess kann händisch oder maschinell erfolgen – professionelle Produzenten nutzen Labortechnik zur Qualitätskontrolle. Ein zu nasser Moonrock verliert Stabilität, ein zu trockener zerbröselt beim Anfassen.
Die Wirkung von Moonrocks ist – wie zu erwarten – intensiv. Konsument:innen berichten von einer schnellen, stark körperlichen Entspannung, oft gepaart mit euphorischen oder sedierenden Effekten. Der hohe THC-Gehalt führt zu einem Rausch, der auch für erfahrene Nutzer:innen fordernd sein kann. Wer es übertreibt, landet nicht auf dem Mond, sondern im Orbit: Paranoia, Kreislaufprobleme, Übelkeit oder ein sogenannter Green Out, also ein Zusammenbruch durch THC-Überdosis, sind nicht ausgeschlossen.
Aus neurobiologischer Perspektive erklärt sich die intensive Wirkung durch die kombinierte Aufnahme verschiedener Cannabisformen: Während die Blüte eine langsame THC-Freisetzung ermöglicht, wirken Öl und Kief deutlich schneller – ein Effekt, der sowohl die Intensität als auch die Dauer des Rauschs verstärkt.
Ein medizinischer Fallbericht aus dem Jahr 2023 wirft ein Schlaglicht auf die möglichen Gefahren von Moonrocks: Ein junger Mann ohne psychische Vorerkrankungen erlitt nach dem erstmaligen Konsum schwere psychotische Symptome und mehrere epileptische Anfälle – obwohl er zuvor regelmäßig Cannabis konsumiert hatte. Ärzt:innen vermuten einen Zusammenhang mit der extrem hohen THC-Konzentration des Produkts.
Der Fall steht exemplarisch für ein Problem: Die wissenschaftliche Datenlage zu hochpotenten Cannabisformen wie Moonrocks ist bislang äußerst dünn. Zwar sind psychotische Episoden und Krampfanfälle in Einzelfällen beschrieben, doch belastbare Studien fehlen. Gerade bei jungen Menschen mit neurologischer Vorbelastung könnten solche Produkte jedoch gravierende Risiken bergen, die aktuell kaum abschätzbar sind.[1]
Auf dem Papier könnten Moonrocks im medizinischen Kontext eine Rolle spielen – etwa bei schwer behandelbaren chronischen Schmerzen, Übelkeit bei Chemotherapie oder therapieresistenten Schlafstörungen. Ihr Vorteil: Sie bündeln verschiedene Wirkstoffformen in einem einzigen Produkt.
Bertan Türemis, medizinisch Wissenschaftlicher Berater bei avaay Medical, erklärt, warum Moonrocks in der Cannabis-Therapie keine Rolle spielen:
"In der Praxis sind Moonrocks im Rahmen einer Cannabistherapie kein Thema. Weder im Rahmen der arzneibuchlichen Standards (Ph. Eur., DAB, DAC) noch in anerkannten Rezepturvorschriften sind sie als apothekenfähige Formulierung vorgesehen. Das liegt zum einen an der fehlenden Standardisierung, zum anderen an der kaum kalkulierbaren Dosierung. Moonrocks bleiben daher bisher dem Freizeitmarkt vorbehalten – und selbst dort sind sie eher ein Nischenprodukt."
In der Welt des Cannabis gibt es viele Spielarten: getrocknete Blüten, Konzentrate wie Wax, Shatter oder Rosin, Öle, Edibles – und eben Moonrocks. Im Vergleich dazu vereinen Moonrocks gleich mehrere Formen: Sie liefern das Terpenprofil der Blüte, die Potenz des Öls und die Intensität des Kiefs. Anders als bei Edibles (Esswaren) setzt die Wirkung zwar schneller ein, ist aber schwieriger zu dosieren. Anders als bei Konzentraten bleibt der Charakter der ursprünglichen Pflanze erhalten.
Doch auch ihre Nachteile sind offensichtlich: Moonrocks sind teuer, schwer zu lagern und nicht für Anfänger:innen geeignet.
Die getrocknete Cannabisblüte ist die klassischste und am wenigsten verarbeitete Form von Cannabis. Ihr THC-Gehalt liegt meist zwischen 10 und 25 %. Sie bietet das vollständige Spektrum der Cannabinoide und Terpene, aber ohne zusätzliche Verstärkung.
Für ein THC-Konzentrat wird das psychoaktive THC aus der Pflanze extrahiert und konzentriert – in Form von Ölen, Pasten oder Harzen. Konzentrate sind potenter als Blüten, erreichen bis zu 80 % THC, sind aber oft isolierter in der Wirkung. Moonrocks kombinieren beide Welten – Konzentrat trifft Pflanze.
Ein THC-Destillat ist ein besonders reines Konzentrat, das mittels Destillation nahezu prues THC (bis zu 95 %) liefert – geschmacksneutral, geruchslos, fast vollständig von anderen Pflanzenstoffen befreit. Moonrocks hingegen bewahren die botanische Komplexität – sie sind weniger rein, aber aromatischer.
Ein lösungsmittelfreies Extrakt, das durch Hitze und Druck aus Blüten oder Kief gewonnen wird. Rosin ist aromatisch und relativ sauber – ein handwerkliches Konzentrat. Im Vergleich zu Moonrocks fehlt jedoch die Kombination mit der Blütenstruktur und dem hohen Ölgehalt.
Ein Extrakt aus frischem, gefrorenem Pflanzenmaterial – besonders reich an Terpenen und damit sehr aromatisch. Live-Resin bietet eine „lebendigere“ Erfahrung, Moonrocks wirken dagegen schwerer, dichter und körperlicher.
Ein klebriges, wachsartiges Konzentrat mit hoher THC-Konzentration. Cannabis-Wax lässt sich gut dabben oder verdampfen, bietet jedoch keine blütentypische Wirkung. Moonrocks vereinen die konzentrierte Stärke von Extrakten mit dem natürlichen Charakter der Blüte.
Moonrocks sollten nicht wie herkömmliche Blüten in einen Joint gerollt werden – sie sind zu ölig, zu dicht und zu ungleichmäßig. Stattdessen empfiehlt sich der Einsatz einer Schere oder eines scharfen Messers, um kleine Stücke herauszulösen. Diese werden dann – idealerweise – in einer Glaspfeife, Bong oder in einem Vaporizer mit Konzentrateinsatz konsumiert.
Grinder sind ungeeignet: Das klebrige Öl verstopft die Mechanik. Auch beim Konsum gilt: Weniger ist mehr. Ein winziges Stück Moonrock kann die Wirkung einer ganzen Blüte übertreffen. Wer damit experimentiert, sollte ausreichend Flüssigkeit bereithalten – und keine Verpflichtungen mehr für den Tag.
Moonrocks sind empfindlich. Licht, Wärme und Luft setzen dem Öl und dem Kief zu, verändern die Cannabinoidstruktur und lassen Terpene verdampfen. Für eine langfristige Lagerung empfiehlt sich ein luftdichtes Glasgefäß im Dunkeln – idealerweise im Kühlschrank, aber nicht im Gefrierfach. Ein zu niedriger Temperaturwechsel kann die Textur der Moonrocks verändern und das Aroma verfälschen.
Moonrocks sind mehr als nur ein starkes Cannabisprodukt. Sie kombinieren hohe Potenz mit der Freiheit, unterschiedliche Substanzen zu vereinen, und eröffnen so neue Möglichkeiten, die Pflanze zu erleben. Ihre besondere Optik, die an funkelnde „Mondsteine“ erinnert, zieht Blicke auf sich und weckt Neugier – man möchte wissen, was sich hinter dieser ungewöhnlichen Erscheinung verbirgt. Dabei bleibt der Effekt kraftvoll, aber gleichzeitig komplex, was den Reiz ausmacht und die Faszination für Moonrocks erklärt.
Wer Moonrocks konsumieren möchte, sollte wissen, worauf er sich einlässt: Sie sind kein Einstieg, sondern eher ein Endgegner. Und wie immer bei Cannabis gilt – mit Verstand konsumieren ist besser als mit Übermut. Denn auch wenn sie „Moonrocks“ heißen – sie katapultieren einen nicht zwangsläufig in andere Sphären. Manchmal lassen sie einen auch einfach auf der Couch einschlafen.
[1] Leczycki, M., Zaki, P. & Espiridion, E. D. (2023). Moon Rock cannabis-induced psychosis and new-onset seizures in a 20-year-old male. Cureus, 15(7), e42752.