Seit fast vier Jahren leitet Antonia die Public Affairs-Abteilung der Sanity Group und repräsentiert die Gruppe als Unternehmenssprecherin auf öffentlichen Veranstaltungen wie Messen, Konferenzen und Podiumsdiskussionen. Lest hier ihre Bewertung der gerade laufenden Gesetzesänderungen zur Cannabis-Legalisierung und zum Potential von Cannabis im medizinischen Bereich
“Wir waren noch nie so weit wie jetzt.”
Schon während ihres Studiums (International Business Management und Global Political Economy) in Berlin, Kassel und St. Petersburg, war es ihr wichtig, sich an der Schnittstelle zwischen Wirtschaft und Politik zu bewegen. Das brachte sie beruflich in den Public Affairs-Bereich. Gleich nach ihrem Studium hat sich Antonia auf die Gesundheitspolitik konzentriert und Kunden aus der pharmazeutischen Industrie, der Biotechnologie und Medizintechnik, aber auch der digitalen Gesundheit zu ihren Public Affairs-Aktivitäten beraten. Und obwohl das noch zu Zeiten war, bevor das Gesetz zum medizinischen Cannabis 2017 in Deutschland eingeführt wurde, hat Antonia schon die ersten Cannabis-Unternehmen aus den USA und Kanada zu ihrem geplanten Markteintritt nach Deutschland beraten.
Von der Beratung wechselte Antonia dann auf die Verbandsseite und arbeitete für den Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) im Bereich industrielle Gesundheitswirtschaft. Als stellvertretende Vorstandsvorsitzende im Bundesverband pharmazeutischer Cannabinoidunternehmen e.V. (BPC) und Mitglied des Vorstandes im europäischen Verband Medicinal Cannabis Europe (MCE) setzt sich Antonia Menzel auch jetzt aktiv für die Interessen der Cannabisindustrie auf nationaler und internationaler Ebene ein.
Antonia, wie bewertest du die geplanten Gesetzesvorhaben zur Legalisierung?
Kurz und knapp: Wir waren noch nie so weit wie jetzt. Das darf man in der ganzen Debatte nicht unter den Tisch fallen lassen, dass wir gerade an einem Punkt sind, wo Deutschland Geschichte schreiben kann und wir jetzt den Umschwung zu einer veränderten Drogenpolitik schaffen können. Die Bestrebungen seitens der Bundesregierung sind da. Was die konkrete Ausgestaltung des Gesetzesentwürfe angeht, die jetzt vorliegen, sehe ich jedoch noch sehr viel Luft nach oben.
Was meinst du konkret?
Die Tatsache, dass überhaupt darüber diskutiert wird, dass Cannabis kein Betäubungsmittel mehr sein soll, die Tatsache, dass wir darüber reden, dass sich in Zukunft Cannabis- Anbauvereinigungen gründen dürfen, dass man vielleicht auch Pilotprojekte startet – so etwas hat es davor noch nie in Deutschland gegeben. Ich finde, das kann man erst einmal anerkennen. Jetzt geht es darum, wirklich ein Gesetz zu schaffen, das für alle beteiligten Stakeholder eine gute Möglichkeit der Umsetzung bietet. Und da sehe ich noch sehr viele Hürden im aktuellen Gesetzesentwurf. Gleichzeitig bieten sich im parlamentarischen Verfahren auch noch Möglichkeiten, dass man gewisse Dinge positiv verändern kann.
Was bedeutet das für den Bereich Medizinalcannabis?
Für den Bereich Medizinalcannabis finde ich es auf jeden Fall richtig und wichtig, dass Cannabis aus dem Betäubungsmittelgesetz herausgenommen und reklassifiziert wird. Ich sehe da sehr viele Vorteile sowohl für Patient:innen als auch für die Ärzteschaft: zum Beispiel, dass eine Verschreibung leichter wird, und dass es weniger Sicherungsanforderungen und weniger Dokumentationsaufwand geben wird. Doch es gibt auch noch sehr viel Verbesserungspotential im Medizinalcannabisgesetz, denn es wurden sehr viele Regelungen einfach aus dem Betäubungsmittelgesetz übernommen, was nicht zielführend ist. Da hätte man ein bisschen mehr auf die Patient:innen gucken müssen, was tatsächlich praktikabel im Alltag ist.
Welches Potenzial siehst du beim Einsatz von Medizinalcannabis?
Ich sehe da großes Potenzial, einfach weil Cannabis als Medizin in so vielen Indikationsfeldern eingesetzt werden kann: von der Schmerztherapie über die Palliativmedizin bis hin zum Bereich Frauengesundheit gibt es ganz viele Indikationsfelder, in denen Patient:innen chronisch krank sind und bislang keine wirkliche Aussicht auf Linderung ihrer Leiden hatten oder eben durch eine starke Opiattherapie sehr viele Nebenwirkungen haben. Da hat Cannabis das große Potenzial, eine sehr gute Add-on-Therapie zu sein.
Cannabis ist eine gute Begleittherapie, zum Beispiel insbesondere im Palliativbereich, wo die Menschen nicht mehr viel Zeit haben, ihren Lebensalltag zu gestalten. Solchen Patient:innen ein bisschen Lebensqualität zurückzugeben oder auch anderen chronisch schwerkranken Menschen in ihrem Alltag die Möglichkeit zu geben, wieder partizipieren zu können, wieder arbeiten gehen zu können und überhaupt irgendwie einen normalen Alltag zu leben, motiviert mich jeden Tag aufs Neue in dieser Industrie zu arbeiten.
Gibt es denn schon genug wissenschaftliche Evidenz für die Wirkung von Medizinalcannabis?
Ich würde mir wünschen, dass noch mehr Forschungsvorhaben in verschiedenen Bereichen weiter vorangetrieben werden. Es gibt schon sehr viel Evidenz. Aber es wird eben auch häufig kritisiert, dass die Evidenz noch nicht ausreichend ist. Und je mehr man an Forschung leistet, desto besser wird es auch irgendwann akzeptiert und anerkannt.
Bist du mit der Gesetzgebung zu den Cannabis Social Clubs zufrieden?
Im Bereich Cannabis Clubs halte ich es für einen großen Fehler, dass es keine Cannabis Social Clubs sein sollten, d.h. dass der Konsum komplett ausgeklammert wird. Da muss auf jeden Fall nachgebessert werden. Aber auch an vielen anderen Detailstellen, wie z.B. den Abstandsregelungen, bleibt der Gesetzentwurf weit hinter seinen Erwartungen zurück. Sehr kritisch sehe ich außerdem die Entkoppelung von Säule 1 und Säule 2, sprich, dass man die Pilotprojekte in einem separaten Gesetz behandelt. Man hätte jetzt alles in einem Aufwasch behandeln sollen, weil wir sonst Gefahr laufen, dass die Pilotprojekte in dieser Legislaturperiode vielleicht gar nicht mehr umgesetzt werden.
Hast du Wünsche und Ziele, was den Cannabis-Markt angeht?
Mein Ziel ist es auf jeden Fall, dass wir zum Anfang 2024 ein gutes und final abgestimmtes Cannabis-Gesetz haben werden, sprich, dass Cannabis aus dem Betäubungsmittelgesetz herausgenommen wird, dass wir gute Regelungen zu den Cannabis Social Clubs und zum Eigenanbau haben werden, und Verbesserungen für Patient:innen im Bereich Medizinalcannabis umgesetzt werden. Mittelfristig möchte ich, dass wir dasselbe auch noch in dieser Legislaturperiode für die Pilotprojekte aus der Säule 2 schaffen.
Vielen Dank für deine Einschätzung, liebe Antonia.
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