Mit der wachsenden Legalisierung und dem medizinischen Einsatz von Cannabis rückt eine alte Frage neu in den Mittelpunkt: Wie wirkt sich THC – der psychoaktive Hauptwirkstoff der Cannabispflanze – auf unser Gehirn aus? Fest steht: Die Substanz kann therapeutisch wirken, etwa bei chronischen Schmerzen. Gleichzeitig mehren sich Hinweise auf mögliche Risiken, vor allem bei regelmäßigem oder sehr frühem Konsum. Die Forschung zeigt: THC könnte das Gehirn verändern – wie stark, hängt aber davon ab, wie alt jemand ist, wie viel und wie oft konsumiert wird und wie anfällig das Gehirn dafür ist.
Um die Wirkung von THC im Gehirn zu verstehen, muss man sich mit einem zentralen biologischen Netzwerk vertraut machen: dem Endocannabinoid-System (ECS). Es spielt eine wesentliche Rolle bei der Regulierung zahlreicher Prozesse im Körper, darunter Gedächtnis, Emotionen, Impulskontrolle und Stressbewältigung.
Zwei Rezeptoren spielen hier eine Schlüsselrolle:
Der Körper stellt selbst körpereigene Cannabinoide, sogenannte Endocannabinoide, her, die an diese Rezeptoren binden und verschiedene Funktionen regulieren. THC als pflanzliches Cannabinoid dockt ebenfalls an die CB1-Rezeptoren an, oft jedoch stärker und länger als die natürlichen Botenstoffe. Dies kann erwünschte Effekte wie Entspannung oder Schmerzlinderung hervorrufen, aber auch zu unerwünschten Veränderungen in der Signalübertragung des Gehirns führen.
Bevor wir die Forschung dazu näher betrachten, hier eine kurze Zusammenfassung:
THC kann zentrale Hirnregionen wie den Hippocampus (Gedächtnis), den präfrontalen Cortex (Impulskontrolle) und das Belohnungssystem (Motivation, Emotionen) beeinflussen. Das kann zu veränderter Wahrnehmung, Euphorie oder gesteigerter Kreativität führen. Gleichzeitig können Konzentration und Gedächtnisleistung nachlassen.
Langfristiger Konsum – vor allem in jungen Jahren – kann strukturelle Veränderungen begünstigen: Die Großhirnrinde könnte sich ausdünnen, der Hippocampus an Volumen verlieren. Auch eine veränderte Dopaminausschüttung wird diskutiert, was sich negativ auf Antrieb und Motivation auswirken kann.
Lies weiter für einen tieferen Einblick in die Studien.
Wie genau Cannabis das Gehirn beeinflusst, ist noch nicht abschließend geklärt. Erste Forschungsergebnisse zeigen jedoch: Der Wirkstoff THC könnte sowohl kurzfristige Veränderungen in der Hirnfunktion auslösen als auch langfristige strukturelle Effekte haben – je nach Alter beim Konsum, Häufigkeit und Dosis.
Besonders heikel kann der THC-Konsum in der Jugend sein. Das Gehirn reift bis in die Mitte der 20er-Jahre – Nervenzellen werden umgebaut, Synapsen gekappt, neue Verbindungen gestärkt. Greift THC in diese Prozesse ein, kann es die natürliche Entwicklung beeinflussen.
Eine groß angelegte Langzeitstudie mit 799 Jugendlichen kommt zu folgender Erkenntnis: Jugendliche Cannabis-Konsument:innen zeigen eine beschleunigte Ausdünnung der Großhirnrinde, insbesondere in den präfrontalen Regionen – also dort, wo Impulskontrolle, Problemlösung und Entscheidungsfindung sitzen.
Je häufiger konsumiert wurde, desto ausgeprägter waren die Veränderungen. Die betroffenen Hirnareale enthalten besonders viele CB1-Rezeptoren – also die Andockstellen für THC. Die Forschenden vermuten, dass THC auf diesem Weg direkt in die Hirnentwicklung eingreift. Jugendliche mit starker Ausdünnung zeigten später häufiger Probleme mit Impulskontrolle.
Doch sind diese Veränderungen dauerhaft? Hier gibt es widersprüchliche Befunde. Während einige Studien darauf hindeuten, dass sich das Gehirn nach dem Stopp des Konsums wieder regenerieren kann, deutet eine Meta-Analyse aus 14 Studien darauf hin, dass Cannabis-Konsument:innen langfristig einen kleineren Hippocampus haben.
Der Hippocampus, eine zentrale Struktur für das Gedächtnis, war in dieser Analyse durchweg kleiner bei Menschen, die langfristig Cannabis konsumiert hatten, verglichen mit Nicht-Konsument:innen. Ob sich daraus im Alltag aber tatsächlich relevante Gedächtnisstörungen ergeben, ist noch nicht eindeutig geklärt. Es bleibt eine der offenen Fragen.
Eine andere Studie bringt Licht ins Dunkel der Frage, warum THC bei manchen Menschen das Gedächtnis beeinträchtigen kann. Die Forschenden fanden heraus: Wird THC über längere Zeit eingenommen, kann es im Gehirn ein Enzym aktivieren, das normalerweise bei Entzündungen eine Rolle spielt – COX-2. Diese Aktivierung passiert über denselben Rezeptor (CB1), an den THC bindet, um seine Wirkung zu entfalten.
Was bedeutet das für das Gehirn? Wenn COX-2 aktiv ist, verändert sich die Struktur der Verbindungen zwischen den Nervenzellen – vor allem im Hippocampus, der für das Lernen und Erinnern zuständig ist. In Tierversuchen führte das dazu, dass weniger wichtige Signalstoffe (Glutamatrezeptoren) vorhanden waren und sich die Zahl der Verknüpfungen zwischen den Nervenzellen verringerte. Die Tiere hatten anschließend messbare Gedächtnisprobleme.
Doch es gibt auch eine gute Nachricht: Sobald COX-2 gehemmt wurde, verschwanden diese negativen Effekte – selbst wenn weiterhin THC gegeben wurde. Gedächtnis und Nervenzellverbindungen blieben stabil. Und noch besser: Die positiven Wirkungen von THC – zum Beispiel bei Alzheimer – blieben dabei erhalten.
Diese Ergebnisse legen nahe: Die unerwünschten Nebenwirkungen von THC auf das Gehirn lassen sich womöglich verhindern, wenn gleichzeitig COX-2 gehemmt wird. Das könnte den medizinischen Einsatz von Cannabis künftig sicherer und gezielter machen. Aktuell liegen jedoch nur Tierstudien vor. Zukünftig muss eingehend untersucht werden, ob die bisherigen Studienergebnisse auch auf den Menschen übertragbar sind.
Eine Studie legt nahe: Alkohol kann im Gehirn größere Schäden anrichten als Cannabis – vor allem bei langfristigen strukturellen Veränderungen.
Alkohol beschleunigt den Abbau der grauen Substanz und beeinträchtigt die Entwicklung der weißen Substanz, also jener Bereiche, die für Denken, Lernen und Kommunikation zwischen Nervenzellen wichtig sind. Besonders betroffen sind Hirnregionen wie der Frontallappen und das Kleinhirn. Je früher und häufiger getrunken wird, desto gravierender sind die Schäden.
Cannabis verändert ebenfalls die Hirnstruktur, vor allem im Hippocampus und der Großhirnrinde. Die Veränderungen sind jedoch meist weniger stark ausgeprägt – und manche Effekte, etwa auf Gedächtnis oder Aufmerksamkeit, können sich nach längerer Abstinenz zurückbilden. Trotzdem birgt häufiger oder sehr früher Konsum Risiken für die Hirnentwicklung.
Während der Freizeitkonsum mit Risiken einhergeht, können Cannabinoide im medizinischen Kontext ihr therapeutisches Potenzial entfalten. THC wird unter anderem bei chronischen Schmerzen, Multipler Sklerose oder Übelkeit infolge einer Chemotherapie eingesetzt. Ziel ist es, so wenig wie möglich, aber so viel wie nötig zu verabreichen – und damit einen Nutzen zu erzielen, ohne das Gehirn unnötig zu belasten.
Besonders deutlich wird: Die Zukunft der medizinischen Cannabisanwendung liegt darin, die Cannabis-Wirkung gezielter zu steuern. Die Forschung zu COX-2 eröffnet hier neue Perspektiven – und zeigt, dass die Debatte über Cannabis nicht mehr nur zwischen Schwarz und Weiß verläuft. Es geht um Differenzierung, wissenschaftliche Fundierung und einen bewussten Umgang mit dem Cannabiskonsum.
Cannabis kann verschiedene Bereiche im Gehirn beeinflussen, die für Wahrnehmung, Gedächtnis, Emotionen und Entscheidungsfindung zuständig sind. Der Wirkstoff THC bindet an sogenannte CB1-Rezeptoren und verändert so die Kommunikation zwischen Nervenzellen. Das kann kurzfristig zu Entspannung, veränderter Wahrnehmung oder Konzentrationsstörungen führen – je nach Dosis, Konsumhäufigkeit, Alter und individueller Veranlagung.
THC kann die Psyche auf unterschiedliche Weise beeinflussen. Kurzfristig kann es Euphorie, Entspannung und gesteigerte Kreativität auslösen, aber auch Angstzustände oder depressive Verstimmungen verstärken. Langfristiger Konsum könnte die emotionale Stabilität beeinträchtigen, Antriebslosigkeit fördern und in manchen Fällen das Risiko für psychische Störungen wie Depressionen oder Psychosen erhöhen.
CBD (Cannabidiol) wirkt im Gehirn auf eine ganz andere Weise als THC: es kann als beruhigend und ausgleichend wahrgenommen werden, berauschende Effekte bleiben aus. Laut aktuellen Studien beeinflusst CBD bestimmte Hirnregionen, die für Emotionen, Stressverarbeitung, Impulskontrolle und Gedächtnis zuständig sind. Dabei reguliert es überaktive Netzwerke im Gehirn und kann so möglicherweise Symptome von Angststörungen, Psychosen oder Reizüberflutung lindern.
Bildgebende Verfahren zeigen: CBD verbessert die Kommunikation zwischen Frontalhirn und tieferliegenden Strukturen wie dem Striatum oder dem limbischen System – Areale, die bei psychischen Erkrankungen oft aus dem Takt geraten. Interessant ist auch: Im Vergleich zu THC zeigt CBD häufig eine entgegengesetzte Wirkung, etwa bei der emotionalen Reizverarbeitung oder in Stresssituationen.
In Tierversuchen und ersten klinischen Studien gibt es Hinweise, dass CBD auch entzündungshemmende Effekte im Gehirn haben und die Ausschüttung bestimmter Botenstoffe (z. B. Serotonin oder Glutamat) beeinflussen könnte. Dadurch erklärt sich möglicherweise seine beruhigende, angstlösende Wirkung.