torstenrammrath
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Oktober 09
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6 min

Kann Cannabis bei Schlafstörungen helfen?

Viele Menschen schlafen schlecht – oft über Wochen oder Monate. Klassische Schlafmittel wirken nicht bei allen oder haben unerwünschte Nebenwirkungen. Deshalb rückt medizinisches Cannabis zunehmend in den Fokus. Doch was sagen aktuelle Studien zu Cannabis bei Schlafstörungen?


  • Cannabis kann bei manchen Menschen mit Schlafproblemen helfen – vor allem dann, wenn andere Therapien nicht ausreichend wirken. Besonders THC-haltige Präparate könnten das Einschlafen erleichtern und die Schlafqualität verbessern.
  • CBD kann beruhigend und angstlösend wirken und könnte so indirekt beim Einschlafen helfen.
  • Cannabis ist kein klassisches Schlafmittel und sollte nicht zur Selbstmedikation eingesetzt werden. Die passende Sorte und Dosierung müssen ärztlich festgelegt werden.
  • Studien zeigen erste positive Ergebnisse, belegen aber auch Grenzen: Nicht alle profitieren gleichermaßen, und Nebenwirkungen wie Mundtrockenheit, Schwindel oder Unruhe sind möglich.
  • Langfristig fehlen noch große, belastbare Studien, um genau zu bestimmen, wer am meisten profitiert und welche Präparate und Dosierungen optimal sind.

Die Nächte sind für viele das Schwierigste. Wenn die Welt zur Ruhe kommt, beginnt bei vielen Menschen das Warten. Auf Schlaf, auf Stille im Kopf. Etwa ein Viertel der Erwachsenen in Deutschland kennt dieses Wachliegen – und den dazugehörigen Frust.[6] Eine bessere Schlafhygiene zu entwickeln reicht oft einfach nicht. Und Medikamente helfen nicht immer oder verlieren mit der Zeit ihre Wirkung. Manche machen sogar stark abhängig. Kein Wunder also, dass sich der Blick auf neue Möglichkeiten richtet – und zunehmend auf Cannabis.

Die Pflanze, lange vor allem als Rauschmittel wahrgenommen, wird seit einigen Jahren auch als Therapie gegen Schlafprobleme untersucht. Wissenschaftliche Arbeiten der vergangenen Jahre zeichnen ein differenziertes Bild: Sie zeigen Chancen, aber auch Grenzen und offene Fragen.

Schlafstörungen und ihre Folgen

Schlafstörungen sind anhaltende Probleme mit dem Schlafen oder mit der Schlafqualität. Betroffene haben Schwierigkeiten, abends zur Ruhe zu kommen, wachen nachts häufig auf oder fühlen sich trotz scheinbar ausreichender Schlafdauer morgens nicht erholt.

Schwierigkeiten beim Ein- oder Durchschlafen werden als Insomnie bezeichnet – die häufigste Form von Schlafstörungen. Daneben gibt es andere Störungen wie z. B. Schlafapnoe (Atemaussetzer im Schlaf), Restless-Legs-Syndrom oder Störungen des Schlaf-Wach-Rhythmus.

Mediziner:innen sprechen von einer Schlafstörung, wenn die Probleme mindestens drei Nächte pro Woche über drei Monate hinweg auftreten und den Alltag beeinträchtigen.

Längst ist belegt, dass Schlafstörungen mehr sind als lästige Nächte. Dauerhafter Schlafmangel schwächt das Immunsystem, fördert Bluthochdruck, Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Er beeinträchtigt Gedächtnis, Konzentration und Stimmung, erhöht das Risiko für Depression und Angststörungen und steigert die Unfallgefahr im Straßenverkehr und im Beruf.

Die Wirkung von Cannabis auf das Endocannabinoid-System – und warum es bei Schlafproblemen helfen kann

Für viele Menschen mit hartnäckigen Schlafproblemen kann medizinisches Cannabis eine Behandlungsoption sein. Im Mittelpunkt steht das körpereigene Endocannabinoid-System (ECS) – ein Netzwerk aus Rezeptoren und Botenstoffen im Gehirn und im Nervensystem. Es spielt eine zentrale Rolle bei der Regulierung von Schlaf, Stimmung, Appetit, Schmerzempfinden und dem Schlaf-Wach-Rhythmus.

Cannabis wirkt nicht direkt als Schlafmittel, sondern beeinflusst dieses System. Dabei kommen vor allem zwei pflanzliche Wirkstoffe ins Spiel: THC (Tetrahydrocannabinol) und CBD (Cannabidiol). Sie ähneln den körpereigenen Botenstoffen und können sich an die Rezeptoren des ECS binden – und so Prozesse steuern, die auch den Schlaf betreffen.

Vergleich von THC und CBD bei Schlafstörungen: THC fördert das Einschlafen und wirkt sedierend, CBD reduziert Angst und Stress und kann den Schlaf indirekt verbessern.

THC und CBD im Überblick

  • THC: THC ist der psychoaktive Bestandteil der Cannabispflanze. Es kann das Einschlafen erleichtern und wirkt sedierend, also beruhigend auf das zentrale Nervensystem. Zu hohe Dosen können jedoch Angst oder Unruhe auslösen, weshalb eine ärztliche Begleitung wichtig ist.[3]
  • CBD: CBD ist nicht psychoaktiv und wirkt vor allem angstlösend und stressmindernd. Es kann dadurch indirekt den Schlaf verbessern – ohne die typischen Rausch-Effekte von THC.[2]

Hinweis: Nicht alle Menschen reagieren gleich. Ob Cannabis hilft und in welcher Form, sollte immer ärztlich abgeklärt werden.

Welcher Arzt verschreibt Cannabis bei Schlafstörungen?

In Deutschland darf medizinisches Cannabis nur auf Rezept und über Apotheken bezogen werden.
Zwar sind es häufig Fachärzt:innen für Schmerzmedizin, Neurologie, Psychiatrie oder Schlafmedizin, die Cannabis verschreiben, doch grundsätzlich dürfen alle Ärzt:innen – mit Ausnahme von Zahn- und Tierärzt:innen – ein entsprechendes Rezept ausstellen.

Bevor eine Cannabis-Therapie begonnen wird, prüfen die Ärzt:innen sorgfältig, ob andere Behandlungsmethoden nicht ausreichend gewirkt oder zu starke Nebenwirkungen verursacht haben. Erst dann kann Cannabis als therapeutische Option in Betracht gezogen werden.

Doch wie gut wirkt Cannabis tatsächlich – und für wen? Studien der letzten Jahre geben erste Antworten.

Studien zur Wirksamkeit einer Cannabinoid-Therapie bei Schlafproblemen

Cannabis wird zunehmend als mögliche Hilfe bei Schlafproblemen untersucht – vor allem bei Menschen mit chronischen Schmerzen, posttraumatischer Belastungsstörung (PTBS) oder Multipler Sklerose. Studien zeigen, dass medizinisches Cannabis in solchen Fällen helfen kann, schneller einzuschlafen, seltener in der Nacht aufzuwachen und insgesamt erholsamer zu schlafen.[1]

Neben THC rückt auch CBD allein zunehmend in den Blick der Forschenden. Der Wirkstoff hat eine beruhigende Wirkung und wird häufig bei Angststörungen eingesetzt. In einer Fallstudie berichteten rund 80 % der Teilnehmenden innerhalb eines Monats von weniger Angst, bei rund zwei Dritteln besserte sich auch der Schlaf – wenn auch nicht dauerhaft.[2]

Cannabis zum Einschlafen: Vor allem THC könnte helfen

Die bislang deutlichsten Effekte auf den Schlaf wurden jedoch mit THC-haltigen Präparaten beobachtet. In einer kleinen australischen Studie schliefen Menschen mit ausgeprägten Schlafproblemen nach zwei Wochen mit einem THC-/CBD-Öl im Schnitt 30 Minuten länger pro Nacht, der nächtliche Melatoninspiegel stieg um 30 % und 60 % der Teilnehmenden berichteten über eine deutliche Besserung ihrer Beschwerden. Nebenwirkungen wie Mundtrockenheit oder Schwindel waren meist mild.[3]

Weitere Untersuchungen stützen diesen Befund: CBD scheint vor allem Angst zu lindern, während der eigentliche schlaffördernde Effekt in erster Linie von THC ausgeht. Daten aus fast 20.000 dokumentierten Konsumsituationen zeigen, dass THC-reiche Blüten im Alltag am häufigsten mit einer Besserung der Schlafprobleme verbunden sind, allerdings auch öfter Nebenwirkungen auslösen.[4]

Und was ist mit der Schlafqualität?

Auch zur Qualität des Schlafs gibt es Daten. Eine Auswertung von sechs Studien mit über 1.000 Teilnehmenden zeigte, dass Cannabisprodukte die selbstberichtete Schlafqualität stärker verbesserten als ein Placebo, vor allem bei Menschen mit ausgeprägten Schlafproblemen. Entscheidend war dabei in der Regel der THC-Anteil.[5]

In einer Studie von 2023 berichteten die Teilnehmenden, dass sich ihre Schlafqualität um bis zu 80 % verbesserte und sie sich am nächsten Tag leistungsfähiger fühlten.[3]

Wie viel und welches Cannabis sollte ich einnehmen, um gut schlafen zu können?

Bisher gibt es keine einheitliche Dosierungsempfehlung für Cannabis gegen Schlafprobleme. In klinischen Studien wurde meist mit sehr niedrigen Mengen begonnen und die Dosis langsam gesteigert, bis sich eine Wirkung zeigte oder Nebenwirkungen auftraten.[3]

Die Forschung deutet – wie oben bereits erwähnt – darauf hin, dass vor allem THC-haltige Präparate schlaffördernd wirken. Beobachtungsdaten aus der Praxis zeigen zudem, dass Produkte auf Basis von Indica-dominanten Sorten häufiger mit einer Besserung der Schlafprobleme verbunden sind als Sativa-Sorten.[4]

Wichtig: Eine Cannabis-Therapie sollte nie auf eigene Faust begonnen werden. Die richtige Sorte und Dosis sollte immer von einem Arzt oder einer Ärztin festgelegt werden. Fachleute empfehlen den Grundsatz „Start low, go slow“. Also mit niedrigen Mengen beginnen und diese langsam steigern, um Wirkung und Verträglichkeit zu beobachten.

Fazit: Cannabis kann dabei helfen, erholsamen Schlaf zu finden

Cannabis kann bei manchen Menschen mit hartnäckigen Schlafproblemen helfen – vor allem dann, wenn andere Therapien nicht ausreichend wirken. Die bisherigen Studien zeigen: THC-haltige Präparate können das Einschlafen erleichtern und die Schlafqualität verbessern, während CBD eher beruhigt und Ängste lindert. Gleichzeitig gibt es Einschränkungen: Nicht alle profitieren, und bei höheren Dosen können Nebenwirkungen wie Schwindel oder Unruhe auftreten.

Klar ist auch: Eine Cannabis-Therapie ist keine Selbstmedikation. Sie gehört in die Hände erfahrener Ärzt:innen, die Dosierung und Präparat individuell anpassen und mögliche Risiken im Blick behalten.

Noch fehlen große, langfristige Studien, um genau zu klären, für wen Cannabis wirklich geeignet ist und welche Wirkstoffkombinationen sich am besten bewähren. Bis dahin bleibt Cannabis eine ergänzende Option – kein Allheilmittel, aber für einige Betroffene ein Baustein auf dem Weg zu erholsamem Schlaf.


FAQ

Cannabis kann für manche Menschen mit hartnäckigen Schlafproblemen eine therapeutische Option sein – vor allem, wenn andere Behandlungen nicht ausreichend helfen. Studien zeigen, dass insbesondere THC-haltige Präparate das Einschlafen erleichtern und die Schlafqualität verbessern können. Cannabis ist allerdings kein klassisches Schlafmittel und sollte nicht zur Selbstmedikation eingesetzt werden. Ob es geeignet ist, sollte immer dein Arzt oder deine Ärztin entscheiden.
CBD wirkt nicht direkt schlaffördernd, sondern vor allem beruhigend und angstlösend. Das kann manchen Menschen helfen, leichter einzuschlafen – vor allem, wenn Stress oder innere Unruhe den Schlaf stören.
Melatonin könnte vor allem helfen, wenn der natürliche Schlaf-Wach-Rhythmus gestört ist – etwa bei Jetlag oder Schichtarbeit. CBD dagegen kann eher beruhigend und angstlösend wirken. Es könnte helfen, wenn Stress oder innere Unruhe den Schlaf behindern. Beide sind keine klassischen Schlafmittel und wirken unterschiedlich. Bei anhaltenden Problemen sollte ärztlich geklärt werden, was am besten geeignet ist.
Hanftee wird aus den getrockneten Blättern und Blüten der Hanfpflanze hergestellt. Im Gegensatz zu medizinischem Cannabis enthält er in der Regel kaum THC und wirkt daher nicht berauschend. Stattdessen liefert er vor allem CBD und andere pflanzliche Inhaltsstoffe, die eine milde beruhigende Wirkung haben können. Viele Menschen trinken Hanftee abends als entspannendes Ritual, was beim Einschlafen helfen kann. Wissenschaftliche Belege für eine direkte schlaffördernde Wirkung gibt es jedoch nicht. Wer unter ausgeprägten Schlafproblemen leidet, sollte sich ärztlich beraten lassen.

Quellen

[1] Kuhathasan, N., Dufort, A., MacKillop, J., Gottschalk, R., Minuzzi, L., & Frey, B. N. (2019). The use of cannabinoids for sleep: A critical review on clinical trials. Experimental and Clinical Psychopharmacology, 27(4), 383–401.

[2] Shannon, S., Lewis, N., Lee, H., & Hughes, S. (2019). Cannabidiol in anxiety and sleep: A large case series. The Permanente Journal, 23, 18-041.

[3] Ried, K., Tamanna, T., Matthews, S., & Sali, A. (2022). Medicinal cannabis improves sleep in adults with insomnia: A randomised double-blind placebo-controlled crossover study. Journal of Clinical Sleep Medicine. Advance online publication.

[4] Stith, S. S., Vigil, J. M., Brockelman, F., Keeling, K., Hall, B., & Lucero, R. J. (2019). The association between cannabis product characteristics and symptom relief.Scientific Reports, 9, 2712.

[5] Santos da Silva, G. H., Barbosa, E. C., Ribeiro de Lima, F., Barroso, D. C., Paez, L. E. F. E., Guimarães, F. B. de M., Lança, S. B., Ceolin de Faria, S. B., Petrucci, A. B. C., Garbacka, A., & Walsh, J. H. (2025). Effectiveness of cannabinoids on subjective sleep quality in people with and without insomnia or poor sleep: A systematic review and meta-analysis of randomised studies. Sleep Medicine Reviews, 84, 102156.

[6] Deutsche Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM). (o. J.). RKI Bericht: Schlafstörungen. https://www.dgsm.de/gesellschaft/fuer-schlafmediziner/rki-bericht-schlafstoerungen (abgerufen am 01.10.2025)

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