Viele Menschen schlafen schlecht – oft über Wochen oder Monate. Klassische Schlafmittel wirken nicht bei allen oder haben unerwünschte Nebenwirkungen. Deshalb rückt medizinisches Cannabis zunehmend in den Fokus. Doch was sagen aktuelle Studien zu Cannabis bei Schlafstörungen?
Die Nächte sind für viele das Schwierigste. Wenn die Welt zur Ruhe kommt, beginnt bei vielen Menschen das Warten. Auf Schlaf, auf Stille im Kopf. Etwa ein Viertel der Erwachsenen in Deutschland kennt dieses Wachliegen – und den dazugehörigen Frust.[6] Eine bessere Schlafhygiene zu entwickeln reicht oft einfach nicht. Und Medikamente helfen nicht immer oder verlieren mit der Zeit ihre Wirkung. Manche machen sogar stark abhängig. Kein Wunder also, dass sich der Blick auf neue Möglichkeiten richtet – und zunehmend auf Cannabis.
Die Pflanze, lange vor allem als Rauschmittel wahrgenommen, wird seit einigen Jahren auch als Therapie gegen Schlafprobleme untersucht. Wissenschaftliche Arbeiten der vergangenen Jahre zeichnen ein differenziertes Bild: Sie zeigen Chancen, aber auch Grenzen und offene Fragen.
Schlafstörungen sind anhaltende Probleme mit dem Schlafen oder mit der Schlafqualität. Betroffene haben Schwierigkeiten, abends zur Ruhe zu kommen, wachen nachts häufig auf oder fühlen sich trotz scheinbar ausreichender Schlafdauer morgens nicht erholt.
Schwierigkeiten beim Ein- oder Durchschlafen werden als Insomnie bezeichnet – die häufigste Form von Schlafstörungen. Daneben gibt es andere Störungen wie z. B. Schlafapnoe (Atemaussetzer im Schlaf), Restless-Legs-Syndrom oder Störungen des Schlaf-Wach-Rhythmus.
Mediziner:innen sprechen von einer Schlafstörung, wenn die Probleme mindestens drei Nächte pro Woche über drei Monate hinweg auftreten und den Alltag beeinträchtigen.
Längst ist belegt, dass Schlafstörungen mehr sind als lästige Nächte. Dauerhafter Schlafmangel schwächt das Immunsystem, fördert Bluthochdruck, Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Er beeinträchtigt Gedächtnis, Konzentration und Stimmung, erhöht das Risiko für Depression und Angststörungen und steigert die Unfallgefahr im Straßenverkehr und im Beruf.
Für viele Menschen mit hartnäckigen Schlafproblemen kann medizinisches Cannabis eine Behandlungsoption sein. Im Mittelpunkt steht das körpereigene Endocannabinoid-System (ECS) – ein Netzwerk aus Rezeptoren und Botenstoffen im Gehirn und im Nervensystem. Es spielt eine zentrale Rolle bei der Regulierung von Schlaf, Stimmung, Appetit, Schmerzempfinden und dem Schlaf-Wach-Rhythmus.
Cannabis wirkt nicht direkt als Schlafmittel, sondern beeinflusst dieses System. Dabei kommen vor allem zwei pflanzliche Wirkstoffe ins Spiel: THC (Tetrahydrocannabinol) und CBD (Cannabidiol). Sie ähneln den körpereigenen Botenstoffen und können sich an die Rezeptoren des ECS binden – und so Prozesse steuern, die auch den Schlaf betreffen.
Hinweis: Nicht alle Menschen reagieren gleich. Ob Cannabis hilft und in welcher Form, sollte immer ärztlich abgeklärt werden.
In Deutschland darf medizinisches Cannabis nur auf Rezept und über Apotheken bezogen werden.
Zwar sind es häufig Fachärzt:innen für Schmerzmedizin, Neurologie, Psychiatrie oder Schlafmedizin, die Cannabis verschreiben, doch grundsätzlich dürfen alle Ärzt:innen – mit Ausnahme von Zahn- und Tierärzt:innen – ein entsprechendes Rezept ausstellen.
Bevor eine Cannabis-Therapie begonnen wird, prüfen die Ärzt:innen sorgfältig, ob andere Behandlungsmethoden nicht ausreichend gewirkt oder zu starke Nebenwirkungen verursacht haben. Erst dann kann Cannabis als therapeutische Option in Betracht gezogen werden.
Doch wie gut wirkt Cannabis tatsächlich – und für wen? Studien der letzten Jahre geben erste Antworten.
Cannabis wird zunehmend als mögliche Hilfe bei Schlafproblemen untersucht – vor allem bei Menschen mit chronischen Schmerzen, posttraumatischer Belastungsstörung (PTBS) oder Multipler Sklerose. Studien zeigen, dass medizinisches Cannabis in solchen Fällen helfen kann, schneller einzuschlafen, seltener in der Nacht aufzuwachen und insgesamt erholsamer zu schlafen.[1]
Neben THC rückt auch CBD allein zunehmend in den Blick der Forschenden. Der Wirkstoff hat eine beruhigende Wirkung und wird häufig bei Angststörungen eingesetzt. In einer Fallstudie berichteten rund 80 % der Teilnehmenden innerhalb eines Monats von weniger Angst, bei rund zwei Dritteln besserte sich auch der Schlaf – wenn auch nicht dauerhaft.[2]
Die bislang deutlichsten Effekte auf den Schlaf wurden jedoch mit THC-haltigen Präparaten beobachtet. In einer kleinen australischen Studie schliefen Menschen mit ausgeprägten Schlafproblemen nach zwei Wochen mit einem THC-/CBD-Öl im Schnitt 30 Minuten länger pro Nacht, der nächtliche Melatoninspiegel stieg um 30 % und 60 % der Teilnehmenden berichteten über eine deutliche Besserung ihrer Beschwerden. Nebenwirkungen wie Mundtrockenheit oder Schwindel waren meist mild.[3]
Weitere Untersuchungen stützen diesen Befund: CBD scheint vor allem Angst zu lindern, während der eigentliche schlaffördernde Effekt in erster Linie von THC ausgeht. Daten aus fast 20.000 dokumentierten Konsumsituationen zeigen, dass THC-reiche Blüten im Alltag am häufigsten mit einer Besserung der Schlafprobleme verbunden sind, allerdings auch öfter Nebenwirkungen auslösen.[4]
Auch zur Qualität des Schlafs gibt es Daten. Eine Auswertung von sechs Studien mit über 1.000 Teilnehmenden zeigte, dass Cannabisprodukte die selbstberichtete Schlafqualität stärker verbesserten als ein Placebo, vor allem bei Menschen mit ausgeprägten Schlafproblemen. Entscheidend war dabei in der Regel der THC-Anteil.[5]
In einer Studie von 2023 berichteten die Teilnehmenden, dass sich ihre Schlafqualität um bis zu 80 % verbesserte und sie sich am nächsten Tag leistungsfähiger fühlten.[3]
Bisher gibt es keine einheitliche Dosierungsempfehlung für Cannabis gegen Schlafprobleme. In klinischen Studien wurde meist mit sehr niedrigen Mengen begonnen und die Dosis langsam gesteigert, bis sich eine Wirkung zeigte oder Nebenwirkungen auftraten.[3]
Die Forschung deutet – wie oben bereits erwähnt – darauf hin, dass vor allem THC-haltige Präparate schlaffördernd wirken. Beobachtungsdaten aus der Praxis zeigen zudem, dass Produkte auf Basis von Indica-dominanten Sorten häufiger mit einer Besserung der Schlafprobleme verbunden sind als Sativa-Sorten.[4]
Wichtig: Eine Cannabis-Therapie sollte nie auf eigene Faust begonnen werden. Die richtige Sorte und Dosis sollte immer von einem Arzt oder einer Ärztin festgelegt werden. Fachleute empfehlen den Grundsatz „Start low, go slow“. Also mit niedrigen Mengen beginnen und diese langsam steigern, um Wirkung und Verträglichkeit zu beobachten.
Cannabis kann bei manchen Menschen mit hartnäckigen Schlafproblemen helfen – vor allem dann, wenn andere Therapien nicht ausreichend wirken. Die bisherigen Studien zeigen: THC-haltige Präparate können das Einschlafen erleichtern und die Schlafqualität verbessern, während CBD eher beruhigt und Ängste lindert. Gleichzeitig gibt es Einschränkungen: Nicht alle profitieren, und bei höheren Dosen können Nebenwirkungen wie Schwindel oder Unruhe auftreten.
Klar ist auch: Eine Cannabis-Therapie ist keine Selbstmedikation. Sie gehört in die Hände erfahrener Ärzt:innen, die Dosierung und Präparat individuell anpassen und mögliche Risiken im Blick behalten.
Noch fehlen große, langfristige Studien, um genau zu klären, für wen Cannabis wirklich geeignet ist und welche Wirkstoffkombinationen sich am besten bewähren. Bis dahin bleibt Cannabis eine ergänzende Option – kein Allheilmittel, aber für einige Betroffene ein Baustein auf dem Weg zu erholsamem Schlaf.
[1] Kuhathasan, N., Dufort, A., MacKillop, J., Gottschalk, R., Minuzzi, L., & Frey, B. N. (2019). The use of cannabinoids for sleep: A critical review on clinical trials. Experimental and Clinical Psychopharmacology, 27(4), 383–401.
[2] Shannon, S., Lewis, N., Lee, H., & Hughes, S. (2019). Cannabidiol in anxiety and sleep: A large case series. The Permanente Journal, 23, 18-041.
[3] Ried, K., Tamanna, T., Matthews, S., & Sali, A. (2022). Medicinal cannabis improves sleep in adults with insomnia: A randomised double-blind placebo-controlled crossover study. Journal of Clinical Sleep Medicine. Advance online publication.
[4] Stith, S. S., Vigil, J. M., Brockelman, F., Keeling, K., Hall, B., & Lucero, R. J. (2019). The association between cannabis product characteristics and symptom relief.Scientific Reports, 9, 2712.
[5] Santos da Silva, G. H., Barbosa, E. C., Ribeiro de Lima, F., Barroso, D. C., Paez, L. E. F. E., Guimarães, F. B. de M., Lança, S. B., Ceolin de Faria, S. B., Petrucci, A. B. C., Garbacka, A., & Walsh, J. H. (2025). Effectiveness of cannabinoids on subjective sleep quality in people with and without insomnia or poor sleep: A systematic review and meta-analysis of randomised studies. Sleep Medicine Reviews, 84, 102156.
[6] Deutsche Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM). (o. J.). RKI Bericht: Schlafstörungen. https://www.dgsm.de/gesellschaft/fuer-schlafmediziner/rki-bericht-schlafstoerungen (abgerufen am 01.10.2025)