Cannabis gilt vielen als sanftere Alternative zu Alkohol. Deshalb gehen manche davon aus, es sei für Schwangere unproblematisch. Neue Studienergebnisse zeigen jedoch: Cannabis in der Schwangerschaft ist keineswegs unbedenklich – weder für das ungeborene Kind noch für die werdende Mutter.
Die Forschung zu Cannabiskonsum in der Schwangerschaft war lange von Widersprüchen geprägt. Einzelne Studien lieferten einander widersprechende Ergebnisse, die Evidenz war brüchig. Nun liegt mit einer umfassenden Meta-Analyse von 2025 erstmals ein robuster Überblick vor.[1]
Die Forschenden werteten 51 Studien mit Daten aus mehr als 21 Millionen Schwangerschaften aus. Die Resultate sind ernüchternd: Kinder von Müttern, die während der Schwangerschaft Cannabis konsumierten, hatten ein deutlich erhöhtes Risiko
Auch das Risiko, dass ein Kind während oder kurz nach der Geburt stirbt, war leicht erhöht.Besonders eindrücklich ist der sogenannte Dosis-Wirkungs-Effekt: Je häufiger die werdende Mutter konsumierte, desto größer das Risiko für Komplikationen.
Weniger im Blick stand bislang die Gesundheit der Schwangeren selbst. Eine große Kohortenstudie aus Nordkalifornien mit 316.000 Schwangerschaften lieferte 2024 hierzu neue Daten.[2]
Die Ergebnisse sind klar: Frauen, die in der Frühschwangerschaft Cannabis konsumierten, hatten
Erstaunlich ist ein weiterer Befund: Das Risiko für Schwangerschaftsdiabetes war bei Cannabiskonsumentinnen etwas geringer. Doch die Forschenden warnen: Dieser Zusammenhang sei weder verstanden noch Grund, den Konsum als vorteilhaft zu betrachten.
Viele Schwangere greifen zu Cannabis, weil sie es für eine sanfte Hilfe gegen Übelkeit, Schmerzen oder Schlafprobleme halten. In den USA ist es inzwischen sogar die am häufigsten konsumierte Droge während der Schwangerschaft. Forschende vermuten, dass dies auch mit dem besonderen Image der Substanz zu tun hat: Cannabis ist nicht nur ein Rauschmittel, sondern auch ein Medikament – etwa gegen Übelkeit bei Krebspatient:innen, bei Schlafstörungen, gegen Schmerzen.[8] Doch vor allem die neuen Studien aus 2024 und 2025 machen deutlich: In der Schwangerschaft überwiegen die Risiken. Cannabis kann den Verlauf von Schwangerschaft und Geburt komplizierter und riskanter machen.
Fachleute betonen zugleich die Bedeutung einer offenen, nicht stigmatisierenden Beratung. Schwangere, die konsumieren, sollten dies mit Ärzt:innen oder Hebammen besprechen können – ohne Angst vor Verurteilung. Nur so lässt sich verhindern, dass das Thema verdrängt und mögliche Risiken unterschätzt werden.
Doch nicht nur Cannabis selbst wirft Fragen auf. Cannabidiol (CBD), der nicht berauschende Bestandteil der Pflanze, genießt den Ruf, harmlos zu sein und ist deshalb für viele eine vermeintlich sichere Alternative. Gerade für die Anwendung in der Schwangerschaft ist das wissenschaftliche Fundament dafür aber noch brüchig. Eine aktuelle Studie liefert nun erste Hinweise, die Zweifel wecken.[3]
Forschende untersuchten die Wirkung von Cannabisöl auf trächtige Mäuse. Sie stellten fest, dass das Cannabidiol (CBD) das Wachstum der Föten beeinträchtigte, Veränderungen in der Plazenta hervorrief und sich auf das spätere Verhalten der Nachkommen auswirkte. Die Jungtiere zeigten nach der Geburt unter anderem eine gesteigerte Aggressivität, mehr Unruhe und eine geringere Lernfähigkeit.
Die Analyse legt nahe, dass CBD – ebenso wie THC – die Blutgefäße der Plazenta beeinflusst. Diese sind entscheidend dafür, dass das ungeborene Kind mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgt wird. Zudem griffen die Substanzen in das Immunsystem ein und störten Zellen, die für die gesunde Entwicklung der Plazenta wichtig sind. Die Folge war eine eingeschränkte Versorgung des Nachwuchses und ein verlangsamtes Wachstum. Die Befunde sind kein endgültiges Urteil, sie machen jedoch deutlich, dass CBD in der Schwangerschaft mit Vorsicht betrachtet werden sollte, solange belastbare Daten aus Humanstudien fehlen.
Lange konzentrierte sich die Forschung zu Cannabis und Fortpflanzung vor allem auf Männer und deren Spermienqualität. Wie sich die Substanz auf die Eizellen von Frauen auswirkt, war kaum untersucht. Eine aktuelle Studie aus Toronto schließt nun eine wichtige Lücke und liefert Hinweise darauf, dass Cannabis – genauer gesagt sein psychoaktiver Hauptwirkstoff THC – die weibliche Fruchtbarkeit beeinflussen könnte.[4]Die Forschenden untersuchten mehr als tausend Frauen, die sich einer künstlichen Befruchtung unterzogen. Bei sechs Prozent von ihnen fanden sie THC-Abbauprodukte in der Flüssigkeit, die die Eizellen im Eierstock umgibt. Ein Beleg dafür, dass der Wirkstoff bis an den Ort gelangt, an dem Eizellen heranreifen. In Laborexperimenten mit gespendeten menschlichen Eizellen zeigte sich: Unter THC-Einfluss reiften die Eizellen etwas schneller, doch gleichzeitig häuften sich Fehler bei der Verteilung der Chromosomen. Solche Fehler gelten als häufige Ursache für Fehlgeburten oder nicht lebensfähige Embryonen.
Auch in der klinischen Beobachtung fiel auf, dass Patientinnen mit THC-Nachweis im Mittel weniger genetisch gesunde Embryonen entwickelten. Für die Frauen kann das bedeuten, dass sich eine Schwangerschaft verzögert oder dass Behandlungen wie die IVF weniger erfolgreich verlaufen.
Noch sind viele Fragen offen – etwa, ab welcher Menge THC diese Effekte auftreten und ob sie auch für gesunde Frauen ohne Kinderwunsch gelten. Die Ergebnisse liefern jedoch ein deutliches Signal: Wer schwanger werden möchte oder sich einer Fruchtbarkeitsbehandlung unterzieht, sollte Cannabis mit Vorsicht begegnen.
Die Sorge endet nicht mit der Entbindung. Auch beim Stillen stellt sich die Frage, welche Folgen Cannabis für das Neugeborene haben kann. Tetrahydrocannabinol (THC), der psychoaktive Wirkstoff von Cannabis, gelangt in die Muttermilch – und bleibt dort deutlich länger nachweisbar, als viele vermuten. In Studien konnte THC noch Tage bis Wochen nach dem Konsum in der Milch nachgewiesen werden. Weil sich THC im Fettgewebe anreichert und nur langsam abgebaut wird, kann es vom Säugling beim Stillen aufgenommen werden.[7]
Was das für das Kind bedeutet, ist bislang nicht abschließend geklärt. Ältere Untersuchungen fanden bei gelegentlichem Konsum keine messbaren Effekte auf Wachstum oder geistige Entwicklung. Eine größere Studie berichtete jedoch, dass regelmäßiger Konsum – fast täglich – mit einer leicht verzögerten motorischen Entwicklung im ersten Lebensjahr verbunden war. Einzelne Fallberichte beschreiben Säuglinge, die nach dem Stillen von Cannabis konsumierenden Müttern ungewöhnlich schläfrig waren oder sogar Krampfanfälle hatten; in solchen Fällen waren aber oft auch andere Faktoren im Spiel.[7]
Fachgesellschaften empfehlen daher, in der Stillzeit auf Cannabis zu verzichten. Säuglinge sollten zudem keinem Cannabisrauch ausgesetzt sein, da Passivrauchen das Risiko für gesundheitliche Probleme erhöht.[7]
Mit der fortschreitenden Legalisierung und der wachsenden gesellschaftlichen Akzeptanz könnte auch der Cannabis-Konsum unter Schwangeren zunehmen. Umso dringlicher braucht es verlässliche Informationen, die den nüchternen Stand der Forschung widerspiegeln. Neue Studien liefern dafür eine solide Grundlage. Sie legen nahe, dassCannabis während der Schwangerschaft kein harmloses Hausmittel ist, sondern ein relevanter Risikofaktor für Mutter und Kind.
Solange unklar ist, warum Cannabis in einzelnen Bereichen, etwa beim Schwangerschaftsdiabetes, günstigere Werte zeigt, bleibt Vorsicht geboten. Fachleute raten zu einem einfachen, aber wirksamen Grundsatz: Der sicherste Weg in der Schwangerschaft ist der Verzicht auf Cannabis.
Unser Tipp: Mehr zum Thema erfährst du in unserem Artikel "Wie gefährlich ist Cannabis-Passivrauchen?".
[1] Lo, J. O., Ayers, C. K., Yeddala, S., et al. (2025). Prenatal cannabis use and neonatal outcomes: A systematic review and meta‑analysis. JAMA Pediatrics, 179(7), 738–746.
[2] Young‑Wolff, K. C., Adams, S. R., Alexeeff, S. E., et al. (2024). Prenatal cannabis use and maternal pregnancy outcomes. JAMA Internal Medicine, 184(9), 1083–1093.
[3] Ritchie, T. M., Feng, E., Vahedi, F., Ermolina, S., Bellissimo, C. J., De Jong, E., Portillo, A. L., Poznanski, S. M., Chan, L., Ettehadieh, S. M., Sloboda, D. M., Bowdish, D. M. E., & Ashkar, A. A. (2025). The impact of oral cannabis consumption during pregnancy on maternal spiral artery remodelling, fetal growth and offspring behaviour in mice. eBioMedicine, 114, 105572.
[4] Skelton, K. R., & Young‑Wolff, K. C. (2022). Preconception cannabis use: An important but overlooked public health issue. Women’s Health (London), 18, 17455057221124071.
[5] CORDIS. (2009, 17. Juni). Cannabis kann Schäden am Erbgut verursachen, so das Ergebnis einer europäischen Studie. Abgerufen am [Datum], von https://cordis.europa.eu/article/id/30915-eufunded-study-shows-that-cannabis-can-damage-dna/de
[6] Tripathi, O., Parada, H., Sosnoff, C., et al. (2025). Exposure to secondhand cannabis smoke among children. JAMA Network Open, 8(1), e2455963.
[7] National Institute of Child Health and Human Development. (2025, 15. Juli). Cannabis. In Drugs and Lactation Database (LactMed®). Abgerufen von https://www.ncbi.nlm.nih.gov/books/NBK501587/
[8] Haider, M. R., Karim, S., Jayawardhana, J., Hansen, N. B., & Haile, Z. T. (2025). Association between state‑level medical marijuana legalization and marijuana use during pregnancy: A population‑based study. American Journal on Addictions, 34, 75–84.