Cannabis-Decarboxylierung: So funktioniert es

Hast Du schon einmal von der sogenannten „Cannabis-Decarboxylierung“ gehört?  Bei uns erfährst Du, was es mit diesem komplizierten Wort auf sich hat, warum die Decarboxylierung so wichtig ist und wie sie abläuft. 

Cannabinoide und Cannabinoidsäuren

Du hast vielleicht schon einmal gehört, dass bis heute mehr als 100 Cannabinoide in der Cannabispflanze von der Wissenschaft nachgewiesen werden konnten. Zu den bekanntesten Cannabinoiden gehören THC (Tetrahydrocannabinol) und CBD (Cannabidiol). Allerdings ist das nicht ganz korrekt: Werden die Cannabisblüten geerntet, befinden sich die Cannabinoide nämlich noch in einer Vorstufe.

Um bei unserem Beispiel THC zu bleiben: In der Blüte liegt zu diesem Zeitpunkt eigentlich nicht THC vor, sondern THCa. Das „a“ steht für das englische Wort „acid“, das sich mit „Säure“ übersetzen lässt. In der Cannabisblüte befindet sich also zunächst kein Tetrahydrocannabinol, sondern Tetrahydrocannabinolsäure.

Aktivierung der Wirkstoffe 

Bei der Decarboxylierung handelt es sich um ein Verfahren, durch das die Cannabinoidsäuren zu Cannabinoiden umgewandelt werden. Hierzu werden Kohlenstoffmoleküle von den Verbindungen gelöst. Erst durch die Decarboxylierung können die in den Cannabisblüten enthaltenen Wirkstoffe wie THC aktiviert werden.

Falls Du fertige Arzneimittel auf Cannabis-Basis einnimmst, musst Du Dir über die Decarboxylierung keine Gedanken machen. Diese ist dann nämlich bereits erfolgt.

Vorgehen bei der Cannabis-Decarboxylierung

Grundsätzlich erfolgt die Decarboxylierung durch Erhitzung. In diesem Zusammenhang gibt es verschiedene Verfahren. Bei manchen Konsumformen von Cannabis erfolgt die Decarboxylierung übrigens quasi „automatisch“ und nebenbei. 

Ältere Frau mit grauen Haaren in einem Dutt, trägt eine warme Strickjacke und gießt sich aus einer Teekanne mit Hanfblüten eine Tasse Tee ein. Sie sitzt entspannt an einem Holztisch in einem gemütlichen, natürlich dekorierten Raum.

Decarboxylierung per Aufguss: Cannabisblüten-Tee

Eine Möglichkeit, um die Decarboxylierung herbeizuführen, besteht darin, die Cannabisblüten als Tee aufzugießen. Die zerkleinerten Blüten sollten hierzu für mindestens 15 Minuten in Wasser gekocht werden. So werden die Blüten erhitzt, und die Decarboxylierung kann einsetzen.

Rauchen und Inhalation per Vaporizer und Co.

Ähnlich ist es beim Rauchen und Inhalieren: Wird Cannabis geraucht, ist ebenfalls kein zusätzlicher Zwischenschritt nötig, um die Decarboxylierung herbeizuführen. Beim Rauchen entstehen jedoch verschiedene gesundheitsgefährdende Nebenprodukte, die durch die Raucher:innen aufgenommen werden.

Die vermutlich gesundheitsfreundlichere Variante stellt derweil die Darreichung über einen Vaporizer dar. Hier wird das Cannabis bei hoher Temperatur verdampft und dann von den Anwender:innen inhaliert.

Anleitung: Decarboxylierung vor der Herstellung von Butter und Co.

Möchtest Du die medizinischen Cannabisblüten nicht zur Inhalation oder zur Zubereitung eines Cannabis-Tees nutzen, musst Du die Decarboxylierung in einem separaten Schritt durchführen. Wer seine medizinischen Cannabisblüten zum Beispiel zur Herstellung von Cannabisbutter oder ähnlichen Produkten nutzen möchte, muss diesen Zwischenschritt einlegen. Das ist wichtig, damit die Cannabinoide aktiviert werden.

Nachfolgend stellen wir Dir zwei Verfahren vor: Zunächst die Decarboxylierung im Backofen und daran anschließend die im Wasserbad. Abschließend gehen wir noch auf ein Verfahren ein, das immer wieder im Netz auftaucht, von dem wir Dir aber abraten: der Decarboxylierung in der Mikrowelle.

1. Cannabis im Ofen backen – leider nicht ohne Geruch

Die Decarboxylierung kann zum Beispiel in einem Ofen vorgenommen werden. Hierzu wird der Ofen auf eine Temperatur von ca. 110 °C aufgeheizt. Die Cannabisblüten werden dann auf einem Backblech platziert und so in den Ofen geschoben. Nach Möglichkeit sollten sie zuvor in ähnlich große Stücke zerkleinert werden, damit sie gleichmäßig erwärmt werden.

Für eine Dauer von 35–60 Minuten kommen sie danach in den Ofen. Die optimale Zeit ist hier abhängig von der Größe der Cannabisblüten sowie dem Grad ihrer Feuchtigkeit. Haben die Cannabisblüten eine leichte Bräunung erlangt, können sie aus dem Ofen genommen werden. Danach sollten sie zunächst abkühlen, ehe die decarboxylierten Cannabisblüten zu Keksen, Cannabisbutter etc. weiterverarbeitet werden können.

Gerade bei älteren Backöfen ist die Temperaturanzeige nicht immer genau. Ein Backofenthermometer kann dabei helfen, die richtige Temperatur zu erreichen. Diese ist wichtig, damit die Cannabinoide ihre Wirkung entfalten können und nicht beschädigt werden oder die Blüten sogar verbrennen.

Bei der Erhitzung im Ofen kommt es üblicherweise zu einer recht starken Geruchsbildung. Eine praktische Alternative stellt die Decarboxylierung im Wasserbad dar, die wir im nächsten Abschnitt betrachten.

Glasauflaufform mit getrockneten Hanfblüten im Backofen, Küche im Hintergrund mit Holzarbeitsfläche und Kräutertöpfen am Fenster.

2. Cannabinoid-Aktivierung im Wasserbad mit Vakuumbeutel

Diese Methode geht ohne starke Geruchsbildung einher und ermöglicht zugleich eine konstante Erwärmung der Cannabisblüten, ohne diese zu verbrennen. Allerdings wird für die Umsetzung besonderes Zubehör benötigt.

Die Vorgehensweise geht auf Errungenschaften der französischen Küche zurück und wird auch als „Sous Vide“ bezeichnet. Das bedeutet auf Deutsch so viel wie „unter Vakuum“. Ursprünglich kommt dabei das zu erwärmende Essen in einen vakuumierten Kochbeutel, der dann in einem mit Wasser gefüllten Kochtopf erwärmt wird.

Die Decarboxylierung sollte nicht in einfachen Haushalts- oder Gefrierbeuteln durchgeführt werden, sondern in eigens dafür vorgesehenen Sous-Vide-Beuteln. Der Hintergrund liegt auf der Hand: Gewöhnliche Gefrierbeutel könnten im Zuge der Erwärmung Weichmacher freisetzen.

Für die Decarboxylierung sollten die Cannabisblüten zunächst gemahlen werden. Danach können sie in den Beutel gegeben werden, ehe dieser luft- und wasserdicht verschlossen wird. Nun wird Wasser in einen Kochtopf gegeben und erhitzt, bis es ca. 95 °C erreicht hat. Dann wird der Kochbeutel in den Topf gegeben. Das Wasser sollte den Beutel komplett bedecken.

Nach etwa einer Stunde kann der Beutel aus dem Wasser genommen werden. Wichtig ist, dass die Temperatur während dieser Stunde konstant bei 95 °C bleibt. Auch hier kann Dir ein Küchenthermometer bei der exakten Kontrolle helfen. Danach müssen die decarboxylierten Cannabisblüten nur noch abkühlen, bevor ihre Weiterverarbeitung erfolgen kann.

Nicht empfehlenswert: Die Decarboxylierung in der Mikrowelle

Theoretisch kann Cannabis auch in der Mikrowelle decarboxyliert werden. Hierbei müssen zunächst ebenfalls die Cannabisblüten zerkleinert werden. Danach kommen sie auf einem Teller liegend für wenige Minuten in die Mikrowelle. Es empfiehlt sich, die Blüten zwischendurch zu wenden und zu durchmischen.

Allerdings: Dieses Verfahren ist umstritten. Der Vorgang lässt sich in der Mikrowelle nicht gut kontrollieren und ist nicht gerade schonend. Da in der Mikrowelle sehr hohe Temperaturen erreicht werden, können Terpene und Cannabinoide verbrennen und damit verloren gehen. Daher bringt diese Methode vermutlich weniger gute Ergebnisse mit sich als zum Beispiel die Decarboxylierung im Wasserbad.

Fazit: Verschiedene Möglichkeiten für die Decarboxylierung von medizinischem Cannabis

Patient:innen, die zur Verwendung von medizinischem Cannabis in Form von Cannabisblüten berechtigt sind, stehen mehrere Optionen zur Verfügung, um die Cannabisblüten zu decarboxylieren. Die verschiedenen Verfahren bieten jeweils unterschiedliche Vor- und Nachteile. Patient:innen sollten sich in jedem Fall mit ihren behandelnden Ärzt:innen besprechen, um gemeinsam eine passende Lösung abzustimmen.

FAQs

Bei der Decarboxylierung im Backofen kann es zu einer starken Geruchsbildung kommen, die viele Anwender:innen vermeiden möchten. Eine Möglichkeit: Die Decarboxylierung lässt sich auch in einem luftdicht verschlossenen Vakuumbeutel in einem Wasserbad vornehmen. 
Bei der Decarboxylierung von Cannabis werden die in den Cannabisblüten enthaltenen Cannabinoidsäuren in Cannabinoide umgewandelt. Dazu werden die Blüten erhitzt und so die Kohlenstoffmoleküle von den Verbindungen gelöst. Die Decarboxylierung ist wichtig, um die Cannabinoide wie THC oder CBD zu aktivieren. Nur so können sie ihre Wirkung im menschlichen Körper entfalten.
Die Dauer der Decarboxylierung variiert je nach Verfahren. Besonders schnell geht es zum Beispiel in der Mikrowelle, allerdings ist dieses Vorgehen umstritten. Schonender und leichter zu kontrollieren ist etwa die Decarboxylierung im Vakuumbeutel und Wasserbad. Diese Methode benötigt inklusive Vorbereitung etwas mehr als eine Stunde Zeit.

Medizinisches Cannabis im Alltag - wann und wo darf ich konsumieren?

Zwischen Rezept und Realität: Wie der Alltag von Cannabis-Patient:innen aussieht – und welche Rechte und Pflichten im öffentlichen Raum gelten.



Die Apotheke hat das Rezept eingelöst. Die Dose liegt in der Tasche, der Schmerz lässt nach – zumindest körperlich. Doch im Kopf bleiben Fragen: Darf ich draußen konsumieren? Im Park, auf dem Weg zur Arbeit? Was ist mit Bus und Bahn, mit Schule oder Supermarkt? Seit der Teillegalisierung von Cannabis herrscht neue Unsicherheit – auch bei jenen, die das Mittel nicht zum Vergnügen, sondern aus therapeutischer Notwendigkeit nutzen.

Wie wirkt Cannabis als Medizin – und wer bekommt es?

Cannabis kann seine Wirkung über das Endocannabinoid-System entfalten – ein körpereigenes Netzwerk aus Rezeptoren, Botenstoffen und Enzymen, das an der Regulation zentraler Prozesse beteiligt ist: Schmerz, Schlaf, Stimmung, Appetit, Immunsystem, Muskelspannung. Dieses System reagiert auf sogenannte Cannabinoide – sowohl auf die körpereigenen, wie das Anandamid, als auch auf jene aus der Cannabispflanze: THC (Tetrahydrocannabinol) und CBD (Cannabidiol).[1]

Verordnet wird medizinisches Cannabis, wenn andere Therapien ausgeschöpft oder nicht vertragen werden – etwa, wenn die gängigen Schmerzmittel nicht genügend Wirkung entfalten oder zu viele Nebenwirkungen mit sich bringen. Die bekanntesten Anwendungsgebiete für medizinisches Cannabis sind:

Auch bei bestimmten Angsterkrankungen oder Depressionen kann ein Arzneimittel auf Cannabisbasis von einem Arzt oder einer Ärztin verordnet werden.

Die Einnahme erfolgt je nach Krankheitsbild und Verträglichkeit über Inhalation (Blüten im Vaporizer), orale Tropfen (z. B. Dronabinol oder Cannabis-Öle) oder Kapseln mit standardisiertem Cannabisextrakt. Entscheidend ist dabei nicht allein, ob es sich um Cannabis Indica oder Sativa handelt – und auch nicht nur der Gehalt an THC und CBD von Cannabisarzneimitteln. Ausschlaggebend ist nach aktuellem Forschungsstand vor allem das individuelle Cannabinoid- und Terpenprofil, das die Wirkungsrichtung und das Nebenwirkungsrisiko maßgeblich mitbestimmt. Dies ist auch als Entourage-Effekt bekannt.[2,3]

Cannabis-Patienten zwischen Therapie und Tabu

Trotz ärztlicher Verordnung und Abgabe in der Apotheke begegnen viele Patient:innen im Alltag weiterhin skeptischen Blicken – vor allem dann, wenn sie Cannabis in der Öffentlichkeit rauchen oder verdampfen. Denn man sieht einem Menschen nicht an, ob er ein Rezept für medizinisches Cannabis in der Tasche hat und eine Cannabis-Therapie erhält. Und so bleibt der Griff zum Vaporizer im Park oder auf der Straße ein Akt mit sozialem Risiko – auch im medizinischen Kontext.

Tim Dresemann, Cannabis-Experte bei avaay Medical, erklärt:

"Zwar ist Cannabis auf Rezept in Deutschland seit 2017 rechtlich erlaubt, doch das gesellschaftliche Klima hat sich durch die Teillegalisierung für Freizeitkonsumierende im April 2024 nicht zwangsläufig verbessert. Im Gegenteil: Mit der Freigabe von Besitz und Eigenanbau wurden neue rechtliche Grauzonen und Missverständnisse geschaffen – nicht zuletzt, weil sich medizinischer und nicht-medizinischer Gebrauch äußerlich oft nicht unterscheiden lassen."

Für Patient:innen bedeutet das: Mehr Freiheit gibt es durch die Teillegalisierung nicht – zumindest nicht im öffentlichen Raum. Die Konsumverbote, etwa rund um Schulen, Bahnhöfe oder in Fußgängerzonen, gelten für alle – unabhängig davon, ob Cannabis therapeutisch verordnet wurde. Wer Cannabisblüten raucht oder verdampft, ist denselben Einschränkungen unterworfen wie Freizeitnutzer:innen. Und so bleibt der medizinische Cannabiskonsum im Alltag formal legal, gesellschaftlich jedoch weiter erklärungsbedürftig.

Medizinisches Cannabis: Was ist im Alltag erlaubt – und was nicht?

Konsum in der Öffentlichkeit

Medizinisches Cannabis darf grundsätzlich überall dort konsumiert werden, wo auch das Rauchen von Tabak erlaubt ist – allerdings unterliegt dieser Grundsatz strengen Ausnahmen, die seit der Teillegalisierung für alle gelten, unabhängig vom Verwendungszweck. Das bedeutet konkret:

Ob mit Rezept oder nicht: Die Verbote gelten auch für Patient:innen. Denn eine ärztlich verordnete Cannabis-Therapie berechtigt nicht zum Konsum in Zügen, Bussen, Bahnhöfen oder im Flugzeug. Auch das Hausrecht von Verkehrsunternehmen und Fluggesellschaften schließt den Konsum in der Regel aus. Wer unterwegs ist, sollte daher auf diskretere Cannabis-Medikamente ausweichen – etwa Extrakte oder Kapseln.

Die Vorstellung, im Park auf einer Bank medizinische Cannabisblüten zu rauchen, mag für Patient:innen nachvollziehbar sein – rechtlich ist sie problematisch, sofern sich dort Kinder aufhalten oder das Gebiet zu den geschützten Zonen zählt. Der öffentliche Raum bleibt – trotz medizinischer Indikation – kein rechtsfreier Raum.

Unser Tipp: Erfahre auch alles zu Cannabis im Straßenverkehr in unserem Artikel "Neuer THC-Grenzwert: Auto fahren nach Cannabis-Konsum?".

Konsum am Arbeitsplatz

Ein besonders sensibles Feld: Darf ich während der Arbeit Cannabis konsumieren – wenn es ärztlich verordnet ist? Die Antwort ist: Ja, aber mit Bedingungen.

Unser Tipp: Umfangreiche Infos zum Thema erhältst du in unserem Artikel "Auf Arbeit Cannabis konsumieren".

Cannabis als Medizin: Zwischen Recht und Realität

Medizinisches Cannabis ist in Deutschland längst gesetzlich verankert – doch im Alltag ist die Therapie alles andere als selbstverständlich. Wer Cannabis aus gesundheitlichen Gründen einnimmt, bewegt sich zwischen klaren Regeln und diffuser Skepsis, zwischen medizinischer Notwendigkeit und gesellschaftlichem Unverständnis. Der Besitz mag legal sein, der Konsum ärztlich verordnet – doch das bedeutet noch lange nicht, dass er überall möglich, akzeptiert oder verständlich ist.

Was Patient:innen brauchen, ist nicht mehr Gesetz, sondern mehr Aufklärung: bei Polizei, in Betrieben, bei Verkehrsunternehmen – und nicht zuletzt in der Öffentlichkeit. Denn nur wenn medizinischer Konsum als das wahrgenommen wird, was er ist – eine Therapie –, kann er im Alltag auch mit der Selbstverständlichkeit behandelt werden, die andere Arzneimittel längst genießen. Bis dahin bleibt das Rezept zwar gültig, die Realität aber oft noch eine Frage der Auslegung.

Unser Tipp: Genau hier setzt unsere Kampagne „Mehr als nur Cannabis“ an. Erfahre mehr darüber in unserem Artikel "„Cannabis neu gedacht“ – was heißt das eigentlich?".


Quellen

[1] Wu, J. (2019). Cannabis, cannabinoid receptors, and endocannabinoid system: yesterday, today, and tomorrow. Acta Pharmacologica Sinica, 40(3), 297–299.

[2] Piomelli, D., & Russo, E. B. (2016). The Cannabis sativa versus Cannabis indica debate: An interview with Ethan Russo, MD. Cannabis and Cannabinoid Research, 1(1), 44–46.

[3] Ferber, S. G., Namdar, D., Hen-Shoval, D., Eger, G., Koltai, H., Shoval, G., Shbiro, L., & Weller, A. (2020). The "Entourage Effect": Terpenes coupled with cannabinoids for the treatment of mood disorders and anxiety disorders. Current Neuropharmacology, 18(2), 87–96.

Cannabis-Teillegalisierung in Deutschland: Was hat sie gebracht?

Erste Zahlen zeigen, wie sich Konsum, Markt und Wahrnehmung in den letzten 18 Monaten verändert haben. Zwischen Eigenanbau, medizinischem Cannabis und politischem Streit bleibt die Frage: Wohin steuert die Cannabis-Teillegalisierung?



Vor eineinhalb Jahren hat Deutschland Neuland betreten. Mit dem Inkrafttreten des Cannabisgesetzes im April 2024 wurden Besitz und Eigenanbau in begrenztem Umfang erlaubt – drei Pflanzen im Wohnzimmer, bis zu 25 Gramm unterwegs, etwas mehr zu Hause. Ein Bruch mit Jahrzehnten der Drogenpolitik, die vor allem auf Verbote und Strafverfolgung setzte.

Die Reaktionen waren entsprechend heftig. Befürworter:innen feierten den Schritt als überfällig, als ehrlichen Umgang mit einer Realität, die sich längst nicht mehr verdrängen ließ. Gegner:innen warnten vor den gesundheitlichen Schäden einer Einstiegsdroge, mehr Arbeit für Polizei und Justiz und einer schleichenden Normalisierung des Cannabis-Konsums. Heute liegt das gesellschaftliche Meinungsbild nach wie vor zwischen Aufbruchsstimmung und anhaltender Kritik.

Um Klarheit zu gewinnen, hat die Bundesregierung eine umfassende wissenschaftliche Evaluation in Auftrag gegeben. Daran beteiligt sind unter anderem das Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, die Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf und die Universität Tübingen. Bis 2028 soll das Projekt laufen.

Online-Umfrage mit 11.500 Teilnehmenden: Dealer verlieren, Eigenanbau boomt

Während die große Evaluation und ihre abschließenden Ergebnisse also noch Jahre in Anspruch nehmen werden, zeichnen sich erste Tendenzen bereits heute ab. Eine Ende August 2025 veröffentlichte Online-Erhebung mit fast 11.500 Teilnehmenden wurde vom Institut für Suchtforschung (ISFF) der Frankfurt University of Applied Sciences in Kooperation mit der Evangelischen Hochschule Freiburg durchgeführt. Die Ergebnisse deuten auf einen tiefgreifenden Wandel hin.[1]

Das Projekt mit dem Titel „Veränderungen für Konsumierende von Cannabis durch das Cannabisgesetz“ richtete sich gezielt an Menschen, die regelmäßig oder häufig konsumieren. 81 Prozent der Befragten konsumierten mindestens wöchentlich, 39 Prozent sogar täglich.[2]

„Das Cannabisgesetz ist bereits jetzt ein Erfolg im Hinblick auf die Schwächung des illegalen Marktes”

Vor allem in dieser Gruppe, die den Großteil des in Deutschland konsumierten Cannabis ausmacht, zeigt sich ein klarer Trend: weg vom Dealer, hin zu legalen Quellen. „Die Befragung zeigt, dass das Cannabisgesetz bereits jetzt ein Erfolg im Hinblick auf die Schwächung des illegalen Marktes ist“, so Prof. Dr. Bernd Werse, Direktor des ISFF und Leiter des Projektes in einer Pressemitteilung.[1]

88 Prozent der befragten Erwachsenen gaben an, in den vergangenen sechs Monaten Cannabis hauptsächlich aus einer legalen Quelle bezogen zu haben. Vor Inkrafttreten des Gesetzes waren es nur 24 Prozent. Besonders stark legten Eigenanbau gefolgt von Apotheken zu: Zusammen nannten fast 80 Prozent diese beiden Wege als wichtigste Bezugsquelle.[2]

Kritik an Cannabis auf Rezept: Streit um Telemedizin

Doch gerade im medizinischen Bereich bleiben die Diskussionen intensiv. Cannabis auf Rezept bietet geprüfte Qualität – im Gegensatz zu potenziell gestrecktem oder verunreinigtem Cannabis vom Schwarzmarkt. Der Zugang wurde seit 2024 erleichtert, weil die Pflanze nicht mehr als Betäubungsmittel gilt. Telemedizinische Plattformen machen es Patient:innen möglich, online eine ärztliche Behandlung zu erhalten und im Anschluss ein Rezept sowie medizinisches Cannabis zugesandt zu bekommen. Kritiker:innen werfen den Telemedizin-Plattformen jedoch vor, dass man nicht zwingend ernsthaft erkrankt sein müsse, um ein Rezept zu erhalten. 

Das Bundesgesundheitsministerium reagierte inzwischen: Ein Referentenentwurf vom Juni 2025 sieht vor, telemedizinische Verordnungen künftig auszuschließen und den Versand von medizinischen Cannabisblüten zu untersagen. Für das Bundesgesundheitsministerium sind die stark gestiegenen Importe bei gleichzeitig nur moderat wachsenden Verordnungen durch die Krankenkassen ein Hinweis darauf, dass medizinisches Cannabis auch von Freizeitkonsument:innen genutzt wird.[3] Hierbei wird jedoch verkannt, dass nur etwa 60 Prozent der Importmengen tatsächlich in den Apotheken zur Versorgung eingesetzt werden. Der Rest entfällt auf Reexporte, die Weiterverarbeitung zu Extrakten, wissenschaftliche Zwecke, Lagerbestände sowie die Vernichtung aufgrund abgelaufener Haltbarkeit.[4]

 „Ich kann verstehen, dass den Verantwortlichen insbesondere die Werbung für Telemedizin ein Dorn im Auge ist und in gewissem Maße kann ich nachvollziehen, dass diese Vermischung von Medizin und Freizeitkonsum negativ betrachtet wird“, sagt Werse. „Ich selbst verurteile niemanden dafür, der sich über diesen legalen Kanal versorgt.“

Finn Hänsel, Gründer und Geschäftsführer der Sanity Group – einem der führenden Unternehmen für Cannabis in Europa – ergänzt: “Das politische Vorhaben träfe in der Praxis aber in erster Linie die Falschen – schwerkranke Patient:innen, die ohnehin seit Jahren um Zugang zu einer für sie wirksamen Therapie kämpfen. Es droht ein gesundheitspolitischer Rückschritt, der nicht nur medizinisch fragwürdig, sondern auch realitätsfern ist.”

Weniger Strafanzeigen, mehr Beratungsplätze

Doch die Cannabis-Reform wirkt nicht nur auf den Markt. Auch Polizei und Gerichte verzeichnen Veränderungen. „Die Kriminalstatistiken verzeichnen deutliche Rückgänge bei Cannabisdelikten“, sagt Werse. Das führt zu einer Entlastung von Strafverfolgung und Justiz – und zugleich weniger Kriminalisierung von ansonsten unbescholtenen Bürger:innen.

In der Drogenberatung wiederum zeigt sich ein Nebeneffekt: „Viele, die zuvor von Polizei oder Justiz geschickt wurden, sind weggefallen. Dadurch gibt es mehr Platz für Menschen mit problematischem Konsum, die aus eigenem Antrieb kommen“, so Werse.

Konsum bleibt privat – und unterscheidet sich nach Geschlecht

Auch beim Konsum selbst zeigen sich Verschiebungen. Zwar erlaubt das Gesetz den Gebrauch an vielen öffentlichen Orten, doch die Mehrheit der Befragten bleibt privat: Fast 98 Prozent gaben bei der Online-Befragung an, ihr Cannabis überwiegend auf dem eigenen Grundstück zu konsumieren. [2]

Der „Joint mit Tabak“ bleibt die gängigste Form, doch Erwachsene greifen auch vermehrt zu Vaporizern, die als weniger schädlich gelten. Frauen konsumieren im Schnitt seltener, wählen aber tendenziell gesundheitsschädlichere Formen, wie“Joints mit Tabak” oder auch synthetische Produkte wie HHC. Männer und diverse Befragte setzen eher auf potenziell schadensmindernde Methoden.[2]

Wenn die Angst nachlässt und Hilfe leichter wird

Ein weiteres Ergebnis: Die Entkriminalisierung verändert die Wahrnehmung. Mehr als drei Viertel der Befragten gaben an, keine Angst mehr vor einer Strafverfolgung zu haben. Und: Über zwei Drittel erklärten, nun weniger Hemmungen zu verspüren, sich bei Suchtproblemen Hilfe zu suchen.[1]

Werse bestätigt diesen Befund im Interview: „Die psychische Belastung für Konsumierende hat deutlich nachgelassen, da die potenzielle Kriminalisierung weggefallen ist“.

Cannabis: Legalisierung auf Bewährung

Trotz allem: Die Zukunft der Teillegalisierung bleibt ungewiss. Vertreter:innen von CDU und CSU haben mehrfach angekündigt, das Gesetz wieder zurücknehmen zu wollen. Auch der Drogen- und Suchtbeauftragte der Bundesregierung, Prof. Dr. Hendrik Streeck (CDU), fordert eine Überprüfung. Die Rücknahme der Teillegaliserung hatte es im April 2025 allerdings nicht in den Koalitionsvertrag von CDU und SPD geschafft. Erste Auswirkungen sollen aber ab Herbst 2025 wissenschaftlich überprüft werden. Dies wurde bereits von der alten Bundesregierung so geplant. 

„Es ist der richtige Schritt, dass die Koalition das Cannabisgesetz evaluieren möchte, um zu prüfen, wie sich die bisherige Teillegalisierung auf Themen wie Jugendschutz, Gesundheitsschutz und die Eindämmung des Schwarzmarktes auswirkt”, sagt Finn Hänsel. „Gleichzeitig ist es hierfür entscheidend, das Gesetz zunächst einmal vollständig umzusetzen.“

Hänsel fordert deshalb – wie viele andere aus der Branche – die sofortige Freigabe von wissenschaftlichen Pilotprojekten für die regulierte Abgabe von Konsumcannabis über Fachgeschäfte. Nur mit solchen Projekten lasse sich belastbar feststellen, was in der Praxis funktioniert und wo nachgebessert werden müsse.

Unser Tipp: Mehr zum Thema Modellprojekte findest du in unserem Artikel “Cannabis kaufen – aber kontrolliert”.

Cannabis in Deutschland – ein Experiment ohne klare Zukunft

Die ersten Zahlen deuten auf Entlastung und mehr Sicherheit für Konsumierende hin – und auf einen Markt, der sich langsam aus der Illegalität löst. Doch solange Streit um Rezepte, Telemedizin und eine mögliche Rücknahme der Reform anhält, ist die Zukunft des Cannabisgesetzes offen. Was heute als Fortschritt gilt, könnte morgen schon wieder zur Disposition stehen.


Quellen

[1] Frankfurt University of Applied Sciences & Evangelische Hochschule Freiburg. (2025, 29. August). Cannabis aus dem eigenen Anbau statt über Dealerinnen: Online-Erhebung mit fast 11 500 Befragten zeigt deutliche Verschiebungen durch das neue Cannabisgesetz*. Pressemitteilung. Abgerufen am [30.08.2025], von: https://www.frankfurt-university.de/de/news/n-pressemitteilungen/cannabis-aus-dem-eigenen-anbau-statt-ueber-dealerinnen/

[2] Steimle, L., Werse, B., & Stallwitz, A. (2025). Veränderungen für Konsumierende von Cannabis durch das Cannabisgesetz – KonCanG (Projektbericht). Institut für Suchtforschung, Frankfurt University of Applied Sciences & Evangelische Hochschule Freiburg. Gefördert durch den Innovationsfonds Forschung der Frankfurt UAS (IFOFO).

[3] Jakobi, L. (2025, 17. Juli). Cannabis auf Rezept: Einfuhren von medizinischem Cannabis sprunghaft gestiegen. MDR AKTUELL. https://www.mdr.de/nachrichten/deutschland/panorama/medizinisches-cannabis-online-apotheken-missbrauch-100.html 

[4] Bundesverband pharmazeutischer Cannabinoidunternehmen e. V. (BPC). (2025, 1. August). Stellungnahme des Bundesverbandes pharmazeutischer Cannabinoidunternehmen e. V. (BPC) zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Medizinal‑Cannabisgesetzes vom 18.06.2025. Abgerufen am 05.09.2025, von https://bpc-deutschland.de/aktuelles/stellungnahme-des-bundesverbandes-pharmazeutischer-cannnabinoidunternehmen-e-v-bpc-zum-entwurf-eines-gesetzes-zur-aenderung-des-medizinal-cannabisgesetzes-vom-18-06-2025/um-entwurf-eines-gesetzes-zur-aenderung-des-medizinal-cannabisgesetzes-vom-18-06-2025/

THC-Destillat: Präzise Therapie aus der Cannabispflanze?

Wer sich heute in der Welt der Cannabisprodukte umsieht, stößt früher oder später auf einen Begriff, der technisch klingt, fast ein wenig wissenschaftlich: THC-Destillat. Was sich nach Laborkittel und Zentrifuge anhört, ist in der Tat ein Produkt der modernen Cannabisindustrie – hochkonzentriert, geschmacksneutral, nahezu vollständig auf einen einzigen Wirkstoff reduziert. Doch was bedeutet das eigentlich? Und was sollten Patient:innen und Konsumierende über dieses Produkt wissen?



THC-Destillat: Die Essenz des Wirkstoffs

THC-Destillat ist ein extrem reines Extrakt aus der Cannabispflanze. Während herkömmliche Cannabisblüten oder sogenannte Vollspektrum-Konzentrate ein ganzes Spektrum an Pflanzeninhaltsstoffen enthalten – darunter Terpene, sekundäre Pflanzenstoffe und andere Cannabinoide wie CBD oder CBG – verfolgt das Destillat einen anderen Ansatz: Es reduziert die Pflanze auf einen einzigen Wirkstoff. Oder besser gesagt: auf das eine Cannabinoid, das bei vielen im Fokus steht – Tetrahydrocannabinol, kurz THC.

Der THC-Gehalt in Destillaten liegt in der Regel zwischen 90 und 99 Prozent. Das Ergebnis ist eine klare, ölige Substanz, die weder riecht noch schmeckt und sich präzise dosieren lässt. In der medizinischen Anwendung ermöglicht das eine besonders genaue Steuerung der Wirkstoffmenge.

Cannabisdestillate als hochpotente Wirkstoffträger

In der Praxis bedeutet das: Destillate sind hochpotente Wirkstoffträger, die durch ihre Konzentration geringere Einnahmemengen erfordern – bei gleichzeitig starker und schnell eintretender Wirkung. Diese Eigenschaft könnte sie für Cannabis-Patient:innen interessant machen, die auf eine effiziente, gut steuerbare THC-Zufuhr angewiesen sind.

Möglich wird dies durch eine Reihe von Reinigungsschritten, die weit über die herkömmliche Extraktion hinausgehen: Im Verlauf der mehrfachen Destillation werden nicht nur unerwünschte Bestandteile wie Chlorophyll, Wachse und Phenole entfernt, sondern auch der Wirkstoffgehalt präzise standardisiert. Das Ergebnis ist ein Produkt von besonders hoher pharmazeutischer Qualität und Sicherheit, das auf einem klar definierten Ausgangsstoff basiert – nämlich getrockneten Cannabisblüten.

Molekulare Feinarbeit: Wie entsteht ein Cannabis-Destillat?

Cannabisdestillate herzustellen ist komplex – und alles andere als ein Küchenrezept. Der chemisch anspruchsvolle Destillationsprozess geht weit über die klassische Extraktion hinaus. Er umfasst mehrere hochspezialisierte Schritte:

  1. Extraktion: Zunächst wird der Wirkstoff durch ein Lösungsmittel – meist Ethanol, CO₂ oder ein Kohlenwasserstoff – aus dem getrockneten Pflanzenmaterial gelöst.
  2. Winterisierung: Das rohe Extrakt wird mit Alkohol vermischt und tiefgefroren, um Fette, Wachse und Lipide vom Extrakt zu trennen und zu entfernen.
  3. Filtration & Verdampfung: Anschließend wird der Alkohol mithilfe eines Rotationsverdampfers entfernt; zurück bleibt ein gereinigtes Cannabisöl.
    1. Decarboxylierung: Die noch inaktiven THC-Sä uren (THCA) werden durch gezielte Erhitzung in psychoaktives THC überführt.
  4. Destillation: Nun erfolgt der eigentliche Kernprozess: Im Vakuum und unter kontrollierter Temperatur wird der Wirkstoff anhand seines Siedepunktes isoliert. Diese sogenannte kurzwegige Destillation trennt den reinen Wirkstoff von anderen Substanzen – und ermöglicht so die Gewinnung eines hochkonzentrierten THC-Destillats.
  5. (Optional) Terpenrückführung: In manchen Fällen – etwa bei medizinischen Produkten – werden die ursprünglich extrahierten natürlichen Terpene wieder zugesetzt, um ein vollständigeres Wirkprofil zu erreichen.

Das Resultat ist ein Cannabisdestillat, das sich sowohl chemisch als auch pharmakologisch klar definieren lässt – eine Voraussetzung für medizinische Rezepturen, bei denen es auf Standardisierung und Dosiergenauigkeit ankommt.

Medizinischer Nutzen: Mögliche Anwendung und therapeutisches Potenzial

Obwohl es bislang keine spezifischen klinischen Studien zu THC-Destillaten gibt, lassen sich ihre potenziellen Einsatzgebiete aus der THC-Wirkung ableiten. Laut Studien könnte THC schmerzlindernd (analgetisch), appetitanregend, gegen Übelkeit und Erbrechen wirksam (antiemetisch) und schlaffördernd wirken.[1]

Cannabis-Destillate sind sogenannte Rezepturausgangsstoffe. Sie könnten von Apotheken weiterverarbeitet und individuell angepasst werden – je nach therapeutischem Bedarf und ärztlicher Verordnung. Mögliche Darreichungsformen umfassen etwa Kapseln, weiche Gummibärchen oder in einer alkoholischen/alkoholbasierten Lösung.

Cannabisdestillate auf Rezept: Nur auf ärztliche Verordnung erhältlich

Cannabisdestillate sind in Deutschland verschreibungspflichtige Arzneimittel. Das bedeutet: Sie sind nicht frei verkäuflich, sondern dürfen ausschließlich im Rahmen einer ärztlich begleiteten Cannabistherapie verordnet werden. Die Anwendung erfolgt in der Regel nach einem individuellen Therapieplan, den Ärzt:innen gemeinsam mit den Patient:innen erarbeiten.

Voraussetzung für eine Verschreibung ist eine entsprechende Indikation, bei der der Einsatz von Cannabisarzneimitteln als medizinisch begründet gilt – etwa bei chronischen Schmerzen, Übelkeit infolge einer Chemotherapie, Appetitlosigkeit, Migräne, Spastiken oder anderen therapieresistenten Beschwerden. Dabei gilt: Auch THC-Destillate sind keine Mittel der ersten Wahl, sondern kommen meist dann zum Einsatz, wenn andere Therapieversuche keine ausreichende Wirkung gezeigt haben.

Da es sich bei Destillaten um sogenannte Rezepturausgangsstoffe handelt, werden sie von Apotheken nach ärztlicher Verordnung individuell weiterverarbeitet – zum Beispiel zu Kapseln. Sie unterliegen dabei denselben strengen Qualitätsanforderungen wie andere medizinische Cannabisprodukte.

Cannabisdestillate vs. Cannabiskonzentrate – was ist der Unterschied?

Ein Cannabiskonzentrat ist grundsätzlich jedes Cannabisextrakt, bei dem die Wirkstoffe der Pflanze – etwa THC oder CBD – in höherer Konzentration vorliegen als in der ursprünglichen Blüte.

Dazu zählen u. a.:

Konzentrate entstehen durch unterschiedliche Extraktionsmethoden (z. B. mit CO₂, Ethanol, Butan oder Hitze/Druck) und enthalten in der Regel noch weitere pflanzliche Bestandteile – zum Beispiel Terpene, Wachse oder sekundäre Cannabinoide. Je nach Herstellungsverfahren und Ausgangsmaterial variieren die Verbindungen in Geschmack, Farbe, Konsistenz und Wirkprofil.

Destillate unterscheiden sich damit grundlegend von klassischen Konzentraten: Sie enthalten keine Wachse, kaum Lipide und nur Terpene, wenn diese nachträglich wieder zugeführt wurden. Denn während bei der Destillation auch die aromatragenden Terpene entfernt werden, ist es technisch möglich, sie zuvor gezielt abzufangen und dem gereinigten Wirkstoff später wieder beizumischen. Das ermöglicht eine gewisse Rekonstruktion des natürlichen Terpenprofils – etwa, um das Wirkgefühl zu modulieren oder ein therapeutisch gewünschtes Aromaprofil zu erzeugen.

Besonders in der medizinischen Anwendung könnten Destillate Vorteile bieten: Ihre hohe Reinheit macht sie sehr gut dosierbar, was bei Rezepturarzneimitteln, Vape-Produkten oder Kapseln von zentraler Bedeutung ist. Sie ermöglichen eine reproduzierbare Wirkung – bei gleichzeitig deutlich geringeren Einnahmemengen.

Zugleich erfordert ihre hohe Potenz besondere Vorsicht: Eine Überdosierung ist leichter möglich als bei weniger konzentrierten Cannabisprodukten. Deshalb ist eine ärztlich begleitete Anwendung bei der Verwendung von Destillaten essenziell.

Cannabis-Destillat vs. Haschisch

Haschisch gehört zu den ältesten bekannten Cannabis-Konzentraten. Es wird traditionell durch das mechanische Abreiben oder Sieben der Trichome – also der harzproduzierenden Drüsenhaare der Cannabispflanze – hergestellt und anschließend gepresst. Das Resultat ist eine bräunlich-grüne, feste bis klebrige Masse mit typischem Geruch, die neben THC auch viele natürliche Pflanzenbestandteile, Verunreinigungen und Terpene enthält. Der Wirkstoffgehalt schwankt stark und ist im Vergleich zu modernen Extrakten eher niedrig – meist zwischen 10 und 30 Prozent THC.

Im Gegensatz dazu ist ein THC-Destillat ein hochtechnisiertes Produkt mit einer kontrollierten chemischen Zusammensetzung. Es enthält – je nach Herstellung – fast ausschließlich THC (bzw. CBD), in Konzentrationen von bis zu 99 %, und ist frei von pflanzlichem Zellmaterial. Während Haschisch ein naturbelassenes Cannabis-Freizeitprodukt darstellt, ist das Destillat ein standardisiertes Arzneimittel – ohne die sensorische Komplexität, aber mit deutlich höherer Reinheit und Potenz.

Cannabis-Destillat vs. Rosin

Rosin ist ein lösungsmittelfreies Konzentrat, das durch Hitze und Druck aus Cannabisblüten oder Haschisch gewonnen wird. Die Methode gilt als vergleichsweise sicher und schonend – das Endprodukt enthält viele natürliche Inhaltsstoffe, darunter Terpene, Cannabinoide und Pflanzenwachse. Der THC-Gehalt von Rosin ist oft höher als bei Haschisch, kann aber je nach Qualität und Ausgangsmaterial stark schwanken – meist liegt er zwischen 50 und 75 Prozent.

Das Destillat dagegen entsteht durch ein mehrstufiges extraktives und thermisches Trennverfahren, bei dem fast alle pflanzlichen Begleitstoffe entfernt werden. Es ist geschmacksneutral und durch seine Reinheit deutlich potenter als Rosin. Während Rosin als „handwerkliches Extrakt“ in der Cannabis-Szene geschätzt wird, eignet sich das Destillat besser für medizinische Kontexte, in denen Dosiergenauigkeit und Wirkstoffkonsistenz im Vordergrund stehen.

Cannabis-Destillat vs. Wax

Cannabis-Wax ist ein weiterer Oberbegriff für BHO-Konzentrate (Butan Hash Oil), die in ihrer Konsistenz wachsartig bis krümelig sind. Cannabis-Wax enthält typischerweise 50 bis 80 Prozent THC und wird durch Butan-Extraktion hergestellt. Viele Terpene und sekundäre Cannabinoide bleiben erhalten, was zu einem volleren Geschmacksprofil und möglicherweise synergistischen Effekten führt. Wax wird hauptsächlich gedabbt oder verdampft – die Dosierung erfolgt oft per Gefühl, was medizinisch schwer zu standardisieren ist.

Ein THC-Destillat bietet hier das Kontrastprogramm: keine Restlösungsmittel, kein typisches Aroma, aber eine extrem saubere Zusammensetzung. Durch die mehrfache Destillation wird ein definierter Wirkstoffgehalt erzielt, der sich exakt verarbeiten und dosieren lässt – ideal für Anwendungen in Kapseln, Lösungen oder Vape-Kartuschen mit kontrollierter Abgabe.

Cannabis-Destillat vs. Live Resin

Live Resin ist ein hochwertiges Konzentrat, das aus frisch gefrorenen Cannabispflanzen gewonnen wird. Dadurch bleiben besonders viele flüchtige Terpene und sekundäre Pflanzenstoffe erhalten – mehr als bei allen anderen Konzentraten. Es gilt daher als eines der aromatischsten und „vollständigsten“ Extrakte, was Wirkung und Geschmack betrifft. Der THC-Gehalt variiert – je nach Charge und Pflanzensorte – meist zwischen 60 und 85 Prozent.

Das Destillat hingegen entfernt bewusst genau diese Komplexität – zugunsten eines klar definierten Wirkstoffs. Zwar können auch hier Terpene rückgeführt werden, aber die charakteristische Vielfalt und Dynamik eines Live Resins bleibt unerreicht. Dafür bietet das Destillat eine klinisch nutzbare Reinform, die sich besser für standardisierte therapeutische Anwendungen eignet, bei denen Reproduzierbarkeit und Wirkstoffreinheit im Mittelpunkt stehen.

Vorteile und Herausforderungen von Destillaten

Die hohe Reinheit der Destillate erlaubt eine präzise, konstante Wirkstoffzufuhr, was insbesondere in der Rezepturherstellung ein Pluspunkt ist. Die Möglichkeit, Terpene nach der Destillation wieder hinzuzufügen, kann dabei helfen, den sogenannte Entourage-Effekt – also das Zusammenspiel verschiedener Pflanzenbestandteile – zumindest teilweise zu rekonstruieren.

Gleichzeitig gilt: Die hohe Potenz birgt auch Risiken. Bereits kleine Mengen können starke Effekte auslösen, weshalb eine ärztlich begleitete Dosierung unabdingbar ist. Unerfahrene Patient:innen sollten Destillate nur mit ärztlicher Beratung und unter sorgfältiger Beobachtung anwenden.

THC-Destillate als medizinische Alternative

Für manche Patient:innen könnten THC-Destillate eine echte Alternative zu anderen medizinischen Cannabisprodukten bieten – insbesondere, wenn es auf eine exakte Dosierung und eine rauchfreie Anwendung ankommt. Doch mit der Reinheit kommt auch die Reduktion: Was an Vielfalt verloren geht, lässt sich nicht immer durch technische Rückgewinnung ersetzen.

Es lohnt sich also, THC-Destillate nicht nur als „stärkere Version“ der Pflanze zu betrachten, sondern als eigene Darreichungsform mit Vorzügen, aber auch Grenzen.


Ein Cannabis-Destillat ist ein besonders reines, stark konzentriertes Extrakt aus der Cannabispflanze. Es enthält fast ausschließlich einen einzigen Wirkstoff – meistens THC oder CBD – und sonst fast nichts. Farbe, Geruch und Geschmack fehlen weitgehend, weil bei der Herstellung alle anderen Pflanzenstoffe entfernt werden. Das geschieht in einem mehrstufigen Verfahren: Zuerst wird der Wirkstoff aus getrockneten Cannabisblüten herausgelöst. Dann wird das gewonnene Extrakt durch Erhitzen, Filtern und Destillieren so lange gereinigt, bis nur noch der Wirkstoff in fast reiner Form übrig bleibt. Ein Destillat kann über 90 % reines THC enthalten – das ist deutlich mehr als in Cannabisblüten oder anderen Konzentraten. Weil es so stark ist, reicht schon eine kleine Menge für eine spürbare Wirkung. Es wird z. B. in medizinischen Rezepturen, Vape-Produkten oder Kapseln verwendet und lässt sich sehr präzise dosieren.
THCP (Tetrahydrocannabiphorol) ist ein seltenes, stark wirksames Cannabinoid, das 2019 entdeckt wurde. Es bindet deutlich stärker an Cannabinoid-Rezeptoren als THC – die Wirkung ist intensiver, aber kaum erforscht. THCP-Destillate existieren zwar im internationalen Freizeitmarkt, sind jedoch nicht medizinisch zugelassen und derzeit nicht Teil standardisierter Cannabistherapien.

Quellen

[1] Ng, T. & Keshock, M. C. (2023, 12. November). Tetrahydrocannabinol (THC). In: StatPearls [Internet]. Treasure Island (FL): StatPearls Publishing.

Cannabis Wax: Zwischen Kristall und Rausch

Von außen betrachtet wirkt es unscheinbar. Ein gelblich-goldener Klumpen, mal bröselig wie zerstoßener Bernstein, mal geschmeidig wie Honig bei Raumtemperatur. Doch in seinem Innersten birgt er ein Potenzial, das ebenso faszinierend wie ambivalent ist: Cannabis Wax ist eines der stärksten Cannabis-Konzentrate, das der moderne Cannabismarkt hervorgebracht hat – und eine Substanz im Spannungsfeld von Rausch, Recht und Medizin.



Was ist Cannabis Wax?

Cannabis Wax – auch „Cannabis Wachs“, „Weed Wax“, „THC Wax“ oder schlicht „Wax“ genannt – ist ein hochkonzentriertes Extrakt der Cannabispflanze. Der Begriff „Wax“ (engl. für Wachs) beschreibt dabei vor allem die konsistenzähnliche Beschaffenheit, nicht aber die Zusammensetzung: Denn es handelt sich nicht um ein wachsähnliches Produkt im chemischen Sinne, sondern um ein Cannabiskonzentrat, das aus **Cannabinoiden, Terpenen und Pflanzenlipiden** besteht – allen voran Tetrahydrocannabinol (THC), das psychoaktive Hauptmolekül der Cannabispflanze.

Extrakte wie Wax werden in der Cannabisszene übrigens häufig schlicht als „Dabs“ bezeichnet – ein Begriff, der sich vom gebräuchlichsten Konsumverfahren ableitet: dem sogenannten Dabbing, bei dem winzige Mengen des Extrakts auf eine erhitzte Oberfläche gegeben und sofort inhaliert werden. (Dazu weiter unten im Artikel mehr.)

Je nach Herstellungsmethode kann Cannabis Wax einen THC-Gehalt von 60 bis über 90 Prozent erreichen – ein Wert, der selbst erfahrene Konsumierende vor eine neue Dimension der Wirkung stellt.

Präzision und Risiko: Die Herstellung von THC Wax

Die Herstellung von Cannabis Wax gleicht eher einem präzisen chemischen Prozess als einer klassischen Pflanzenverarbeitung. Ausgangspunkt ist stets hochwertiges Pflanzenmaterial – idealerweise Cannabisblüten mit hohem Harzgehalt oder sogenannter „Trim“ (fein geschnittene, harzhaltige Blätter rund um die Blüte).

Das gebräuchlichste Verfahren ist die Butangasextraktion (BHO – Butane Hash Oil): Dabei werden die Wirkstoffe der Pflanze mithilfe von flüssigem Butan gelöst. Diese Form der Extraktion zählt zu den effizientesten Methoden, um eine hohe Konzentration an THC und Terpenen zu gewinnen. Die Lösung wird anschließend gefiltert, und das Lösungsmittel unter Vakuum und Wärme verdampft. Zurück bleibt ein dickflüssiges, goldfarbenes Konzentrat, dessen Textur sich durch weitere Verarbeitung verändert – etwa durch Aufschlagen, Rühren, Unterdruck oder kontrolliertes Abkühlen.

Ein kritischer Punkt bleibt die Sicherheit: Bei unsachgemäßer Herstellung – insbesondere bei offenen Butansystemen – können leicht entzündliche Gase entweichen. Rückstände im Endprodukt sind keine Seltenheit. Professionelle Hersteller setzen daher auf geschlossene Extraktionssysteme, kontrollierte Umgebungstemperaturen und Labortests zur Qualitätssicherung. In DIY-Foren hingegen kursieren Bauanleitungen, die nicht selten in Explosionen münden – ein düsteres Kapitel in der Geschichte der Dabbing-Kultur.

Rosin und Wax – wo ist hier eigentlich der Unterschied?

Wer sich zum ersten Mal in die Welt der Cannabisextrakte vorwagt, trifft früher oder später auf zwei Begriffe, die scheinbar synonym verwendet werden: Wax und Rosin. Beide gelten als potente Konzentrate, beide glänzen in goldgelber Optik, beide lassen sich verdampfen oder „dabben“. Doch bei genauerem Hinsehen zeigt sich: Der Unterschied liegt nicht im Aussehen, sondern im Verfahren – und damit auch in der Philosophie.

Während klassisches Wax überwiegend mithilfe von Lösungsmitteln wie Butan extrahiert wird, entsteht Rosin durch einen rein mechanischen Prozess: Cannabisblüten, Hasch oder Kief werden unter Hitze und hohem Druck gepresst, bis sich das Harz als goldgelbes Konzentrat vom Pflanzenmaterial löst. Dieses Pressen – meist mit speziellen Rosin-Pressen durchgeführt – kommt ganz ohne Lösungsmittel aus und gilt als besonders schonend für Terpene und Aromastoffe.

Rosin genießt in der Szene den Ruf des „sauberen“ Konzentrats – bevorzugt von Konsumierenden, die Wert auf Natürlichkeit und minimale Verarbeitung legen. Die Ausbeute ist in der Regel geringer als bei Wax, dafür ist die Herstellung vergleichsweise sicher und auch in Heimsettings möglich. Im Gegensatz dazu erfordert die Produktion von Wax eine kontrollierte Umgebung, technische Erfahrung – und birgt bei unsachgemäßer Handhabung erhebliche Risiken.

Die beiden Extrakte verkörpern somit zwei Strömungen innerhalb der Cannabis-Kultur: die eine technikorientiert, auf maximale Ausbeute und Konsistenz ausgerichtet; die andere handwerklich, puristisch.

Tipp: Mehr zum Thema findest du in unserem Artikel "Rosin: Cannabis-Konzentrat ohne Lösungsmittel".

Von Crumble bis Budder – verschiedene Arten des Wax

Wax ist nicht gleich Wax. Je nach Konsistenz, Verarbeitung und Ausgangsmaterial unterscheiden sich verschiedene Subtypen, deren Namen oft an kulinarische oder handwerkliche Assoziationen erinnern:

Diese Vielfalt an Cannabisprodukten ist nicht nur ästhetischer Natur – sie beeinflusst auch den Konsum und die sensorische Wahrnehmung, also Geschmack, Geruch und Wirkung. Während Crumble und Sugar Wax sich leicht dosieren und verdampfen lassen, verlangt Shatter eine geübte Hand: Zu kalt bleibt es unbrauchbar, zu heiß kann es Terpene zerstören. Jede Form bringt ihre eigenen Rituale und Präferenzen mit – ein Mikrokosmos innerhalb der Konzentrate-Kultur.

Wie wirkt Cannabis Wax?

Die Wirkung von Wax ist vor allem eines: intensiv. Schon kleine Mengen können eine starke psychoaktive Reaktion hervorrufen, die sich durch ein rasches Einsetzen, eine tiefe körperliche Entspannung und eine teils überwältigende Bewusstseinsveränderung auszeichnet.

Die Effekte sind – wie bei Cannabis allgemein – abhängig von Dosierung, individueller Toleranz, Konsumform und Sortenspezifik. Während einige Konsumierende kreative Höhenflüge erleben oder sich tief in ein Gefühl wohliger Ruhe versenken, berichten andere von Überforderung, Paranoia oder Kreislaufproblemen.

Auffällig dabei: Trotz der zunehmenden Beliebtheit von Konzentraten wie Wax ist die wissenschaftliche Datenlage äußerst dünn. Klinische Studien zu Wirkung, Verträglichkeit oder Langzeitfolgen fehlen bislang nahezu vollständig. Die meisten Einschätzungen beruhen auf Erfahrungsberichten, Einzelfallanalysen oder Rückschlüssen aus Studien zu konventionellem Cannabis – eine wackelige Grundlage angesichts der extremen Wirkstoffkonzentrationen.

Anwendung in der Medizin: Zwischen Theorie und Praxis

Die medizinische Anwendung von Cannabis Wax ist in Deutschland bislang nicht vorgesehen – weder offiziell zugelassen noch praktisch etabliert. Zwar wäre der Einsatz hochkonzentrierter Extrakte aus medizinischer Sicht prinzipiell denkbar, doch in der Realität bleibt Wax außerhalb der Versorgungsketten – und das aus gutem Grund.

Bertan Türemis, medizinisch Wissenschaftlicher Berater bei avaay Medical, ergänzt:

"Die gesetzlichen Grundlagen einer Cannabis-Therapie orientieren sich an standardisierbaren, überprüfbaren und verordnungsfähigen Darreichungsformen. Patient:innen werden in der Regel Cannabisblüten, Vollspektrumextrakte, THC-Destillate mit definiertem Wirkstoffprofil oder isolierte Cannabinoide wie Dronabinol verschrieben. Cannabisprodukte wie Wax – mit ihren oft über 80-prozentigen THC-Gehalten und uneinheitlicher Zusammensetzung – erfüllen diese pharmazeutischen Standards aktuell nicht."

Ein weiteres Hindernis liegt in der medizinischen Steuerbarkeit: Die enorme Wirkstoffdichte des Wax macht eine präzise Dosierung schwierig. Zudem erhöht der hohe THC-Gehalt das Risiko für Nebenwirkungen wie Angstzustände, kognitive Beeinträchtigungen oder – bei vulnerablen Personen – sogar psychotische Episoden.

In der medizinischen Praxis gilt daher ein klarer Grundsatz: Wirkungskontrolle geht vor Wirkungsstärke. Das bedeutet: Lieber ein milderes Präparat mit verlässlichem Wirkprofil als ein potentes Extrakt mit schwer kalkulierbarem Effekt.

Dabbing statt Drehen: So wird Cannabis Wax konsumiert

Der Konsum von Wax folgt eigenen Regeln. Die klassische Joint-Variante ist hier nicht praktikabel – das Konzentrat ist zu klebrig, zu stark und zu ineffizient für das Verbrennen mit Tabak oder Blüten.

Stattdessen wird Wax meist verdampft – entweder in speziellen Dab-Rigs (wassergekühlte Glaspfeifen mit erhitzbarem Aufsatz), in E-Nails, Dab-Pens oder Vaporisatoren mit Konzentrat-Kammer. Der Vorgang heißt „Dabbing“, und auch wenn der Begriff an einen Tanz aus dem Jahr 2015 erinnert, beschreibt er hier ein präzises Handwerk: ein exakter Temperaturbereich (zwischen 260 und 340 °C) entscheidet über Aroma, Wirkung und Hustenreiz.

Die Risiken? Neben der hohen Wirkstoffdichte, die zu Überdosierung führen kann, ist auch die Produktqualität entscheidend. Nicht selten werden im Schwarzmarktbereich gestreckte oder unsauber extrahierte Produkte angeboten – mit teils dramatischen Folgen für die Gesundheit.

Ein Produkt zwischen Subkultur, Markt und Regulierung

Cannabis Wax ist ein Symptom einer technisierten Cannabiskultur, die immer feinere Differenzierungen schafft – mit eigenen Tools, Ritualen und Fachbegriffen. Zugleich ist es ein Ausdruck des globalen Cannabisbooms, in dem Potenz, Reinheit und Individualisierung neue Maßstäbe setzen.

Während die einen in Wax ein therapeutisches Zukunftspotenzial sehen, warnen andere vor der Banalisierung extremer Rauschformen, insbesondere bei jungen Konsumierenden. Und wie immer im Umgang mit Cannabis bleibt die Wahrheit komplex – irgendwo zwischen Hoffnung, Hype und Hanf.


In Deutschland ist der Besitz und Konsum von Cannabis seit dem 1. April 2024 unter bestimmten Bedingungen legalisiert worden. Erwachsene dürfen bis zu 25 Gramm Cannabis in der Öffentlichkeit und bis zu 50 Gramm im privaten Raum besitzen sowie bis zu drei Cannabispflanzen für den Eigenbedarf anbauen. Allerdings bezieht sich diese Legalisierung ausschließlich auf unverarbeitete Cannabisprodukte wie Blüten und Haschisch. Hochkonzentrierte Cannabisextrakte wie THC Wax, Shatter oder andere Konzentrate bleiben weiterhin illegal. Das Cannabisgesetz untersagt explizit die Herstellung, den Besitz und die Weitergabe solcher Produkte. Diese Regelung dient dem Schutz vor Produkten mit extrem hohen THC-Gehalten, deren Dosierung schwer kontrollierbar ist und die ein erhöhtes Risiko für unerwünschte Nebenwirkungen bergen. Zusammenfassend ist THC Wax in Deutschland nicht legal. Der Besitz, die Herstellung und der Vertrieb solcher Konzentrate sind strafbar und können rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen.
Ja, Cannabis Wax kann geraucht werden, allerdings nicht wie herkömmliche Blüten. Die gängigste Methode ist das Dabbing, bei dem das Wax auf eine erhitzte Oberfläche (meist ein sogenannter „Nail“ oder „Banger“) aufgetragen und der entstehende Dampf inhaliert wird.
Die Wirkung von Cannabis Wax setzt in der Regel innerhalb von Sekunden bis wenigen Minuten ein und kann – abhängig von Dosierung, Konsumform, individueller Toleranz und THC-Gehalt – zwischen zwei und sechs Stunden anhalten. In Einzelfällen sind auch deutlich längere Nachwirkungen möglich, insbesondere bei sehr hohen Dosierungen. Allerdings gilt: Zur genauen Wirkungsdauer gibt es bislang kaum wissenschaftliche Studien. Die Angaben beruhen vor allem auf Erfahrungsberichten aus der Praxis. Aufgrund des extrem hohen THC-Gehalts (teilweise über 80 %) fällt das High oft intensiver, schneller und unberechenbarer aus als bei herkömmlichem Cannabisblütenkonsum.
Theoretisch ja, praktisch nicht zu empfehlen. Die Herstellung von Cannabis Wax erfordert meist ein Verfahren namens Butangasextraktion (BHO), bei dem leicht entzündliche Lösungsmittel eingesetzt werden. In Heimsettings ist das extrem gefährlich – es besteht Explosions- und Vergiftungsgefahr. In professionellen Laboren wird mit geschlossenen Systemen und Laborkontrollen gearbeitet, um Rückstände zu vermeiden. Zudem ist die Herstellung in Deutschland illegal. Wer Wax zuhause produziert, verstößt gegen das Cannabisgesetz (KCanG) und riskiert strafrechtliche Konsequenzen.

Live Resin: Frische, die man schmeckt

Cannabis ist nicht mehr nur Rauschmittel, sondern Rohstoff, Arzneimittel, Wirtschaftsfaktor. Mit der Teillegalisierung im April 2024 in Deutschland hat eine neue Phase begonnen – auch jenseits von Joint und Cannabisblüte. Die Szene professionalisiert sich, die Produkte werden differenzierter, die Erwartungen steigen. Inmitten dieses Wandels taucht ein Extrakt auf, das zu versprechen scheint, die Frische der Pflanze einzufangen, noch bevor sie einen Trocknungsprozess durchläuft: Live-Resin. Es gilt als das aromatischste, reinste und technisch aufwendigste Konzentrat – ein Produkt mit Kultstatus in Kalifornien, mit wachsender Neugier auch in Europa. Doch was genau steckt dahinter? Und ist der Hype gerechtfertigt?



Von außen sieht es aus wie flüssiger Bernstein. Goldglänzend, zähfließend, fast schon wie Honig. Was sich hinter dem Begriff Live Resin verbirgt, ist ein hochkonzentriertes Cannabisprodukt, das neue Maßstäbe setzen will – in Sachen Geschmack, Wirkung und Reinheit. Es ist ein Cannabis-Extrakt, das nicht nur auf Effizienz zielt, sondern auf Authentizität. Auf das Festhalten eines Moments: der Ernte. Der Frische. Der lebendigen Essenz der Pflanze.

Doch während Hersteller euphorisch von einer neuen Stufe der Cannabiskultur sprechen, bleibt eine Frage bislang unbeantwortet: Was davon ist tatsächlich nachweisbar – und ist es den Aufwand wirklich wert?

Herstellung von Live Resin: Die Kunst der Cannabis-Extraktion bei -40 Grad

Während viele Cannabisprodukte aus getrocknetem Pflanzenmaterial hergestellt werden, geht Live Resin einen anderen Weg – einen radikal anderen. Das Ziel: so viel wie möglich von den flüchtigen Terpenen zu bewahren, den aromatischen Molekülen, die der Pflanze nicht nur Duft und Geschmack, sondern auch potenziell medizinische Eigenschaften verleihen sollen.

Der erste entscheidende Schritt ist die Schockfrostung. Unmittelbar nach der Ernte wird das Pflanzenmaterial bei extrem niedrigen Temperaturen (oft unter -40 °C) tiefgefroren. Der Hintergrund ist einfach: Terpene sind empfindlich. Schon während der Trocknung gehen viele verloren. Live Resin will genau das verhindern – und das ursprüngliche Terpenprofil der frischen Pflanze bewahren.

Nach dem Einfrieren folgt ein aufwendiger Lösungsmittel-Extraktionsprozess, meist mit Butan oder Propan in einem geschlossenen System (Closed-Loop). Dabei lösen die Gase bei niedrigem Druck und niedriger Temperatur gezielt die gewünschten Cannabinoide und Terpene aus dem Pflanzenmaterial heraus. Der gesamte Vorgang erfordert hohe technische Präzision, Erfahrung und Sorgfalt. Denn Rückstände von Lösungsmitteln wären gesundheitlich bedenklich.

Das Ziel ist ein zähes, duftendes Harz – chemisch gesehen ein hochkonzentrierter Vollspektrum-Extrakt, der mehr als 80–90 % THC enthalten soll und gleichzeitig ein vollständiges Terpenprofil aufweisen könnte. Hierzu gibt es allerdings weder Studien noch Regulierungen.

Doch so eindrucksvoll der technische Aufwand auch ist: Eine objektive Messlatte für die tatsächliche Qualität des Terpenprofils fehlt bislang. Zwar lassen sich einzelne Terpene im Labor nachweisen, doch ob und wie diese Moleküle in der finalen Anwendung überhaupt wirksam werden, ist bislang weitgehend ungeklärt.

Live Resin hergestellt in der eigenen Küche – geht das?

Theoretisch kursieren DIY-Anleitungen für die Herstellung von Live Resin im Netz – doch praktisch ist davon dringend abzuraten. Die Extraktion mit Butan oder Propan ist hochentzündlich und kann bei unsachgemäßer Handhabung zu Explosionen führen.

Zudem bleibt der Prozess in Deutschland illegal: Die Herstellung von Konzentraten mit Lösungsmitteln fällt unter das Betäubungsmittelgesetz, auch im privaten Rahmen. Ohne Laborbedingungen fehlen zudem Reinheitskontrollen – was im schlimmsten Fall nicht nur strafbar, sondern auch gesundheitsgefährdend ist.

Zwischen Klarheit und Intensität: Wie wirkt Live Resin?

Infografik: Live Resin Wirkung – Potenzielle Vorteile sind intensiver Effekt, klarer Kopf und stärkere Körperwirkung; Nachteile: Es sind nur Erfahrungsberichte, keine klinischen Studien und das Risiko der Fehleinschätzung.

In der Wirkung scheint sich Live Resin deutlich von klassischen Cannabisblüten oder einem Cannabis-Konzentrat zu unterscheiden. Viele Konsument:innen beschreiben die Wirkung von Live Resin als intensiver, „runder“, klarer im Kopf, stärker im Körper. Oft fällt das Schlagwort Entourage-Effekt – also das Zusammenspiel von Cannabinoiden und Terpenen, das gemeinsam eine tiefere, balanciertere Wirkung entfalten soll als einzelne isolierte Substanzen.[1]

Die Theorie ist interessant – aber sie ist wissenschaftlich nur in Ansätzen belegt. Die Mehrheit der Aussagen zur Wirkung von Live Resin beruht auf anekdotischer Evidenz, auf Erfahrungsberichten, Blogs, Kommentaren in Subreddits oder Cannabisforen.

Auch klinisch betrachtet gilt: Es gibt bislang keine belastbaren Studien, die belegen, dass Live Resin andere oder bessere Wirkungen erzielt als herkömmliche Cannabisextrakte. Terpenen können pharmakologische Eigenschaften zugeschrieben werden – aber die genaue Dosis-Wirkungs-Beziehung, Wechselwirkungen mit THC oder der Einfluss der Inhalation bleiben unklar.[2]

In dieser Unschärfe liegt ein Risiko: Die Vorstellung, man konsumiere „etwas Natürliches“, „etwas Vollständiges“, kann zu einer Fehleinschätzung der Potenz führen – insbesondere bei Produkten mit potentiell über 90 % THC.

Ein Blick in die Praxis: Hat Live Resin medizinisches Potenzial?

In Märkten wie Kanada oder Kalifornien wird Live Resin zunehmend in der Selbstmedikation eingesetzt. Nutzer:innen berichten von guter Wirksamkeit bei chronischen Schmerzen, Schlafstörungen oder depressiven Verstimmungen – doch auch hier gilt: Diese Erfahrungen sind nicht systematisch erfasst oder durch Studien gestützt. In Deutschland ist Live Resin weder zugelassen noch verkehrsfähig. Die medizinische Cannabisversorgung von Patient:innen erfolgt in der Regel über getrocknete Blüten, standardisierte Extrakte und Destillate oder Dronabinol-Lösungen.

Hinzu kommt: Für eine medizinische Anwendung und eine Cannabis-Therapie wäre eine exakte Kontrolle der Inhaltsstoffe nötig – nicht nur in Bezug auf THC, sondern insbesondere auf Terpene. Doch genau diese schwanken je nach Charge, Sorte, Lagerung. Live Resin ist bislang ein Boutique-Produkt – kein Arzneimittel.

Bertan Türemis, medizinisch Wissenschaftlicher Berater bei avaay Medical, kommentiert den Hype um Live Resin, wie folgt:

„Live-Resin ist ein faszinierendes Produkt mit hohem sensorischem Potenzial. Doch aus medizinischer Sicht fehlen bislang belastbare Daten zur Wirksamkeit und Sicherheit. Für eine therapeutische Anwendung braucht es standardisierte Prozesse, klare Dosierbarkeit und regulatorische Klarheit – all das ist bei Live-Resin derzeit nicht gegeben.“

Rechtliche Lage in Deutschland

Und rechtlich? In Deutschland ist Live Resin – wie die meisten hochpotenten Cannabisextrakte – nicht verkehrsfähig. Selbst nach der Teillegalisierung von Cannabis im Jahr 2024 gelten Cannabiskonzentrate mit über 0,3 % THC (ausgenommen Haschisch), die nicht explizit als medizinisches Produkt zugelassen sind, weiterhin als Betäubungsmittel. Besitz, Herstellung und Vertrieb sind strafbar – auch im Eigengebrauch. Für medizinische Patient:innen ist der Zugang theoretisch möglich, praktisch jedoch nicht vorgesehen, da bislang kein Live Resin-Präparat eine Zulassung im Rahmen des Arzneimittelgesetzes erhalten hat.

Vorteile und Nachteile von Live Resin – eine kritische Bilanz

Vorteile von Live Resin

Aromatisch und terpenreich – zumindest im Idealfall

Durch die Schockfrostung direkt nach der Ernte bleibt das vollständige Terpenprofil der frischen Pflanze erhalten, was zu einem besonders intensiven, sortenspezifischen Aroma führen kann – vorausgesetzt, Lagerung und Verarbeitung sind optimal erfolgt.

Sauberer Konsum theoretisch möglich (vaporisiert, nicht verbrannt)

Live Resin wird in der Regel vaporisiert und nicht verbrannt, wodurch potenziell weniger gesundheitsschädliche Nebenprodukte entstehen als beim klassischen Rauchen von Blüten oder Haschisch.[3] Hinweis: Dabei handelt es sich nicht um eine empfohlene oder medizinisch validierte Einnahmeform.

Intensiver, differenzierter Rausch – subjektiv

Viele Konsument:innen berichten von einem besonders runden, klaren und angenehmen "High", das sie scheinbar auf das Zusammenspiel von Terpenen und Cannabinoiden (Entourage-Effekt) zurückführen – auch wenn dieser Effekt wissenschaftlich bislang noch nicht belegt ist.

Nachteile von Live Resin

Keine gesicherten medizinischen Vorteile gegenüber anderen Produkten

Trotz anekdotischer Erfahrungsberichte fehlen bislang valide Studien, die einen therapeutischen Mehrwert von Live Resin im Vergleich zu klassischen Cannabisextrakten oder Blüten nachweisen.

Hohes Missbrauchspotenzial durch extreme THC-Gehalte

Mit häufig angegebenen THC-Konzentrationen von über 80 bis 90 % birgt Live Resin ein erhöhtes Risiko für psychische Nebenwirkungen, insbesondere bei häufiger oder unkontrollierter Anwendung – gerade bei Personen mit niedrigem Toleranzniveau.

Hinweis: Die tatsächliche THC-Menge könnte stark variieren. Belastbare, unabhängige Analysen liegen oft nicht vor.

Qualität schwankt stark, keine einheitlichen Standards

Da Live Resin oft handwerklich oder in kleinem Maßstab produziert wird, variiert die Qualität je nach Hersteller, Charge und Lagerung stark – eine verlässliche Einschätzung für Konsument:innen ist oft schwierig.

Teuer in Herstellung und Lagerung

Die aufwendige Produktion (Tiefkühlung, Extraktion unter Laborbedingungen) sowie die notwendige Kühlung während Lagerung und Transport machen Live Resin zu einem der teuersten Cannabisprodukte auf dem (Schwarz-)Markt.

Gefahr von falscher Dosierung, insbesondere bei unerfahrenen Nutzer:innen

Die hohe Potenz in Verbindung mit der Konsumform (Dabbing, Vape-Kartuschen) kann leicht zu einer Überdosierung führen, wenn Konsumierende die Wirkung unterschätzen oder sich an Blüten-Dosierungen orientieren.

Lagerung – wie konserviert man das Konzentrat der Frische?

Ironischerweise ist genau das die größte Herausforderung: das Frischeversprechen von Live Resin aufrechtzuerhalten. Denn Terpene sind – chemisch gesehen – flüchtige Verbindungen. Sie oxidieren, verdampfen, zerfallen bei Raumtemperatur und vor allem unter Licht und Luftzufuhr. Unter Konsumierenden gibt es folgende Tipps zur Lagerung:

Falsch gelagertes Live Resin verliert nicht nur an Potenz, sondern auch seinen Charakter – es wird trüb, geruchsarm, mitunter klebrig und unbrauchbar. Studien zur idealen Lagerung fehlen bislang.

Rosin, Resin, Live Rosin, Live Resin – was ist was?

Die Welt der Cannabisextrakte ist reich an Begriffen – und Missverständnissen. Ein kurzer Überblick:

Ob eine dieser Varianten wirklich „besser“ ist, lässt sich nicht objektiv sagen – zumal die Vergleichbarkeit fehlt. Der Markt boomt, doch die Forschung hinkt hinterher.

Infografik erklärt Unterschiede zwischen Resin, Rosin, Live Rosin und Live Resin. Resin ist ein Sammelbegriff für Cannabis-Extrakte, Rosin wird lösungsmittelfrei gepresst, Live Resin mit Lösungsmitteln aus frisch gefrorenem Material hergestellt, Live Rosin dagegen lösungsmittelfrei mit vollem Aroma.

Ein Blick nach vorn – Cannabis-Extrakt zwischen Technik, Terroir und Therapie

Live Resin ist mehr als nur ein Produkt. Es steht für einen Wandel in der Cannabiswelt – weg vom reinen THC-Gehalt, hin zu sensorischer Qualität, handwerklicher Präzision und einem neuen Respekt für die pflanzliche Komplexität. Es ist der Versuch, das Ganze zu bewahren, nicht nur das Stärkste.

Doch dieser Anspruch ist bislang nicht wissenschaftlich belegt. Die Euphorie beruht vor allem auf Erfahrungswerten – klinische Studien fehlen, standardisierte Qualitätskriterien ebenso. Wer Live Resin konsumiert, sollte eines stets im Kopf haben: So spannend Live Resin auch wirkt – es ist ein Betäubungsmittel und in Deutschland verboten.


Live Resin macht deutlich, dass es bei Cannabis um mehr als nur THC-Werte geht. Es steht für die Idee, dass Fortschritt nicht allein in der Steigerung von Wirkstoffwerten oder der Reduktion auf einzelne Wirkstoffe liegt, sondern auch in der Rückbesinnung auf die Gesamtheit der Pflanze.


„Lebendes Harz“ ist die wörtliche Übersetzung von Live Resin – einem Cannabisextrakt, das aus frisch geerntetem und sofort schockgefrostetem Pflanzenmaterial hergestellt wird. Der Begriff soll sinnbildlich für die bewahrte Frische und das volle Aroma der Pflanze stehen, nicht für eine tatsächliche „Lebendigkeit“.
Ja, Live-Resin zählt zu den hochpotenten Cannabisprodukten. Der THC-Gehalt soll laut Konsumierenden zwischen 65 % und 90 % liegen, je nach Sorte und Herstellungsverfahren. Damit ist es deutlich stärker als klassische Blüten (die meist 10–25 % THC enthalten) – selbst kleine Mengen können eine intensive Wirkung entfalten.
Nein, Live Resin ist in Deutschland derzeit nicht legal erhältlich. Obwohl der Besitz und Anbau von Cannabis für Erwachsene seit dem 1. April 2024 unter bestimmten Bedingungen erlaubt ist, bleiben die Herstellung und der Erwerb von hochkonzentrierten Cannabisextrakten wie Live Resin weiterhin verboten. Für medizinische Zwecke ist Live-Resin in Deutschland ebenfalls nicht zugelassen. Obwohl medizinisches Cannabis verschreibungsfähig ist, existieren derzeit keine zugelassenen Arzneimittel auf Basis von Live Resin. Zusammenfassend ist festzuhalten: Live Resin bleibt in Deutschland sowohl im Freizeit- als auch im medizinischen Bereich illegal. Die Herstellung, der Besitz und der Erwerb können strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen.
Live Resin wird aus frisch geerntetem Cannabis hergestellt, das sofort schockgefrostet wird – meist bei Temperaturen unter –40 °C. Dieser Schritt bewahrt die flüchtigen Terpene, also die Duft- und Aromastoffe der Pflanze. Anschließend erfolgt die Extraktion mithilfe von Lösungsmitteln wie Butan oder Propan in einem geschlossenen System unter Vakuum. Dabei werden Cannabinoide und Terpene aus dem Pflanzenmaterial gelöst. Nach dem Entfernen der Lösungsmittel bleibt ein hochkonzentriertes, aromareiches Harz zurück – das sogenannte Live Resin. Achtung: Die Herstellung ist gefährlich und in Deutschland strafbar. Aufgrund der Explosionsgefahr und der rechtlichen Konsequenzen wird von einer Nachahmung ausdrücklich abgeraten.

Achtung: Die Herstellung ist gefährlich und in Deutschland strafbar. Aufgrund der Explosionsgefahr und der rechtlichen Konsequenzen wird von einer Nachahmung ausdrücklich abgeraten.
[1] Christensen, C., Rose, M., Cornett, C. & Allesø, M. (2023). Decoding the postulated entourage effect of medicinal cannabis: What it is and what it isn't.Biomedicines, 11(8), 2323. 
[2] LaVigne, Justin E.; Hecksel, Ryan; Keresztes, Attila; Streicher, John M. Cannabis sativa terpenes are cannabimimetic and selectively enhance cannabinoid activity. Scientific Reports, vol. 11, no. 1, 15 Apr. 2021, Article number: 8232. 
[3] Chaiton, M., Kundu, A., Rueda, S. & Di Ciano, P. (2022). Are vaporizers a lower-risk alternative to smoking cannabis? Canadian Journal of Public Health, 113(2), 293–296.

Cannabis Konzentrat: Wie Extraktion den Konsum neu definiert

Cannabis-Konzentrate spielen eine immer größere Rolle – sowohl in der medizinischen Therapie als auch im Freizeitkonsum. Sie enthalten deutlich höhere Mengen an THC als herkömmliche Blüten und werden als Öl, Wachs oder Tinktur verwendet. Durch moderne Extraktionsverfahren lassen sich wirksame Bestandteile gezielt isolieren, was eine präzisere Dosierung ermöglicht. Gleichzeitig werfen Konzentrate neue Fragen zu Wirkung, Sicherheit und Langzeitfolgen auf. Dieser Artikel gibt einen Überblick über Herstellung, Anwendung und aktuelle Erkenntnisse aus der Forschung.



Die Zukunft des Cannabis ist womöglich nicht grün – sie ist golden, ölig oder glasklar. Wer sich heute in Apotheken, Fachkreisen oder Onlineforen umschaut, begegnet einem Phänomen, das noch vor wenigen Jahren als Nische galt: Cannabis-Konzentrate, vor allem solche mit hochdosiertem THC, dem psychoaktiven Wirkstoff der Pflanze.

Was früher in Form von getrockneten Cannabisblüten konsumiert wurde, liegt nun als Öl in Patronen/Kapseln, als Wachs in kleinen Glastiegeln oder als milligrammgenaue Tinktur in der Schublade der Patient:innen. Konzentrat ist das neue Maß der Dinge – es verspricht Effizienz, Kontrolle und maximale Wirkung bei minimalem Volumen. Aber es wirft auch Fragen auf: über Dosierung, Sicherheit, Verfügbarkeit – und über den verantwortungsvollen Umgang mit einer Substanz, die viel Potenzial, aber auch Risiken birgt.

Was ist ein Cannabis-Konzentrat?

Ein Konzentrat ist im Wesentlichen ein Auszug der wirksamen Bestandteile der Cannabispflanze – allen voran THC, das psychoaktive Cannabinoid. Während getrocknete Cannabisblüten in der Regel einen THC-Gehalt zwischen 10 und 30 Prozent aufweisen, erreichen Konzentrate Werte von 50 bis zu 95 Prozent. Diese hohe Potenz sorgt potenziell für eine besonders starke Wirkung – bei deutlich geringerem Volumen. Je nach Herstellungsart, Ausgangsmaterial und Reinigungsverfahren entstehen verschiedene Formen von Konzentraten. Die gängigsten im Überblick:

THC-Destillate

THC-Destillate sind hochreine, nahezu transparente Flüssigkeiten, die durch aufwendige Destillationsverfahren gewonnen werden. Dabei werden alle anderen Pflanzenbestandteile – inklusive Terpene, Wachse und sekundäre Cannabinoide – entfernt, sodass ein Produkt mit fast reinem THC zurückbleibt. Diese Konzentrate enthalten in der Regel über 90 % THC und kommen vor allem in medizinischen Anwendungen oder in Vape-Pens zum Einsatz. Sie sind geschmacksneutral, präzise dosierbar und bieten eine zuverlässige, standardisierte Wirkung – besonders wertvoll für Cannabis-Patient:innen, die eine genaue Kontrolle ihrer Dosis benötigen. Um das ursprüngliche Aromaprofil und mögliche synergetische Effekte zu erhalten, setzen einige Hersteller nach der Destillation gezielt Terpene wieder zu.

Rosin

Rosin ist ein sogenanntes „lösungsmittelfreies Konzentrat“. Es entsteht durch die mechanische Cannabis-Extraktion: Mittels Hitze und Druck werden die Harzdrüsen (Trichome) aus den Blüten gepresst, wodurch ein goldfarbenes, klebriges Konzentrat entsteht. Rosin gilt als besonders natürliche und sichere Alternative, da bei der Herstellung keine chemischen Lösungsmittel verwendet werden. Die Potenz liegt meist zwischen 60 und 80 % THC.

Live Resin

Live Resin wird aus frisch geerntetem, tiefgefrorenem Pflanzenmaterial extrahiert – meist mithilfe von Butan oder CO₂. Der Vorteil: Durch das Einfrieren direkt nach der Ernte bleiben flüchtige Terpene besonders gut erhalten, die sonst beim Trocknungsprozess verloren gehen. Das Resultat ist ein aromaintensives, terpene-reiches Konzentrat. Live Resin hat meist einen THC-Gehalt zwischen 65 und 85 % und zeichnet sich durch seine weiche, wachsförmige Konsistenz aus.

BHO (Butan Hash Oil)

BHO ist ein Sammelbegriff für mit Butan extrahierte Konzentrate wie Shatter, Wax oder Crumble. Diese Produkte zählen zu den potentesten Formen von Cannabisextrakten – mit THC-Gehalten bis zu 90 %. Die Butan-Extraktion ist besonders effizient, birgt aber auch Risiken, insbesondere bei unsachgemäßer Herstellung (Explosionsgefahr, Lösungsmittelrückstände). Professionell hergestellte "BHO-Extrakte" werden mehrfach gereinigt und getestet, etwa in legalen Märkten oder Apotheken. Die Konsistenz kann je nach Verarbeitungsart von glasartig (Shatter) bis weich und ölig (Wax) variieren.

Kief / Hash / Bubble Hash

Diese Konzentrate basieren auf der mechanischen Trennung der Trichome von der Pflanze. Kief – das feine, pudrige Harzpulver – fällt beim Sieben von Blüten ab und kann direkt geraucht oder weiterverarbeitet werden. Hash (Haschisch) entsteht durch Pressung dieses Pulvers, oft in Kombination mit Wärme. Bubble Hash wird mithilfe von Eiswasser und Sieben hergestellt, wodurch besonders reine Harzdrüsen gewonnen werden. Diese Formen gelten als traditionell und mild, mit THC-Gehalten zwischen 30 und 60 %, je nach Reinheitsgrad. Fullmelt, Vollschmelzendes Hash, das eine vollständige Verdampfung ohne Rückstände ermöglicht, weist oft einen höheren THC-Gehalt (bis zu 70%) auf und wird von erfahrenen Konsumenten bevorzugt.

Cannabis-Extraktion: Wie Konzentrate hergestellt werden – und was sie unterscheidet

Die Herstellung von Cannabis-Konzentraten basiert auf verschiedenen Methoden der Cannabis-Extraktion – also der gezielten Isolierung wirksamer Inhaltsstoffe wie THC oder CBD aus der Pflanze. Zwei Verfahren haben sich dabei besonders etabliert:

1. Lösungsmittelbasierte Verfahren

Hier kommen chemische Substanzen wie Butan, Ethanol oder CO₂ zum Einsatz. Besonders beliebt in der medizinischen Anwendung ist die CO₂-Extraktion, ein rückstandsfreies, schonendes Verfahren, das unter Druck und kontrollierten Temperaturen arbeitet. Auch die Ethanol-Extraktion wird häufig genutzt, da sie viele Wirkstoffe effizient löst – allerdings erfordert sie eine gründliche Reinigung, um Rückstände zu vermeiden. Beide Methoden ermöglichen die Herstellung hochreiner Konzentrate wie THC-Destillaten, Shatter oder Live Resin – je nach Ausgangsmaterial und Extraktionsprozess.

2. Mechanische Verfahren

Diese arbeiten ohne Lösungsmittel und gelten als besonders sicher für private Anwender:innen. Beim sogenannten Rosin-Verfahren werden die Wirkstoffe durch Hitze und Druck aus der Pflanze gepresst. Zwar ist die Ausbeute geringer als bei chemischen Verfahren, dafür sind keine zusätzlichen Substanzen nötig. Diese arbeiten ohne Lösungsmittel und gelten als besonders sicher für private Anwender:innen. Beim sogenannten Rosin-Verfahren werden die Wirkstoffe durch Hitze und Druck aus der Pflanze gepresst. Bei der Trockensiebung (Dry Sift) werden die Harzdrüsen mechanisch durch Sieben von den getrockneten Blüten getrennt, während beim Bubble Hash (Ice Water Hash) die Trichome schonend mit Eiswasser extrahiert werden. Alle drei Methoden liefern reine, potente Konzentrate, ohne dass chemische Substanzen nötig sind.

Was passiert bei Cannabiskonzentraten mit den Terpenen?

Beim Herstellungsprozess von Cannabis-Konzentraten stellt sich die Frage, was mit den Terpenen passiert. Terpene sind die aromatischen Verbindungen der Cannabispflanze, die nicht nur den Geruch und Geschmack beeinflussen, sondern möglicherweise auch zur sogenannten Entourage-Wirkung beitragen. Dieser Begriff beschreibt die Annahme, dass Cannabinoide und Terpene gemeinsam eine andere oder intensivere Wirkung entfalten könnten als isoliert betrachtet. Auch wenn der Entourage-Effekt noch nicht abschließend wissenschaftlich belegt ist, gilt er in der Fachwelt als vielversprechende Hypothese, insbesondere für die medizinische Anwendung.[4]

Bei der Herstellung hochreiner Konzentrate wie Destillaten gehen die natürlichen Terpene durch Hitze und Reinigungsschritte häufig verloren. Um dem entgegenzuwirken, setzen einige Hersteller nachträglich ausgewählte Terpene wieder zu – sei es aus der ursprünglichen Pflanze oder aus botanischen Quellen. Dadurch entsteht ein Produkt mit standardisierter THC-Konzentration und einem definierten Terpenprofil.

Konsumformen: Wie nimmt man Konzentrate ein?

Konzentrate lassen sich unterschiedlich konsumieren. Die Wahl der Methode beeinflusst Wirkungseintritt, Intensität und Risiken:

Medizinische Anwendung: Konzentrate in der Praxis

"In der modernen Cannabistherapie gewinnen THC-Konzentrate zunehmend an Bedeutung – vor allem dann, wenn eine präzise, konstante und reproduzierbare Wirkung erforderlich ist", so Tim Dresemann, Cannabis-Expert und Sommelier bei avaay Medical. "Patient:innen mit chronischen Schmerzen könnten zum Beispiel besonders davon profitieren. Denn: Schon sehr geringe Mengen reichen in der Regel aus, um eine therapeutisch wirksame Dosis zu erreichen."

Medizinische Konzentrate liegen meist in Form von THC-Destillaten oder Extrakten vor. Diese können oral eingenommen werden – z. B. als sublinguale Tropfen unter die Zunge oder in Form von Kapseln – oder über zertifizierte Verdampfergeräte inhaliert werden. In vielen deutschen Apotheken sind heute bereits THC-Konzentrate auf Rezept erhältlich.

Die Vorteile medizinischer Konzentrate im Überblick:

Infografik Vorteile von Cannabis-Konzentrat: Inhalation mit schnellem Wirkungseintritt und orale Einnahme mit längerer Wirkungsdauer.

Risiken: Viel Wirkung – und potenziell viele Nebenwirkungen

Die außergewöhnlich hohe Potenz von Cannabis-Konzentraten ist zugleich Chance und Risiko. Gerade bei Freizeitkonsumierenden kann schon eine kleine Fehlmenge ausreichen, um den schmalen Grat zwischen gewünschter Wirkung und Überforderung zu überschreiten. Studien zeigen, dass Konzentrate mit THC-Gehalten von bis zu 95 Prozent deutlich stärkere akute Effekte hervorrufen können als klassische Blütenprodukte – insbesondere bei unerfahrenen Nutzer:innen oder Menschen ohne ausreichende Toleranz (Spindle et al., 2021; Meier et al., 2021; Bidwell et al., 2023).

Typische unerwünschte Wirkungen sind:

Zudem zeigen die Daten: Wer regelmäßig hochpotente Konzentrate konsumiert, entwickelt schneller eine Toleranz – das bedeutet, es braucht immer höhere Dosen, um die gleiche Wirkung zu erzielen. Das kann in eine problematische Konsumspirale führen und das Risiko für eine Cannabisabhängigkeit (Cannabis Use Disorder, CUD) erhöhen (Bidwell et al., 2023; Meier et al., 2021).

Diese Risiken bestätigt auch die umfassende Übersichtsarbeit Advancing the science on cannabis concentrates and behavioural health (2023): Die Autor:innen zeigen, dass der Freizeitkonsum von Konzentraten mit besonders hohen THC-Werten ein bislang unterschätztes Gefahrenpotenzial birgt – vor allem für vulnerable Gruppen wie Jugendliche oder Menschen mit familiärer Vorbelastung für psychische Erkrankungen. Akute Intoxikation, kognitive Einschränkungen, psychomotorische Beeinträchtigungen und ein erhöhtes Risiko für Angststörungen oder Psychosen sind mögliche Folgen.

Anders ist die Lage bei der medizinischen Anwendung. Hier kommen THC-Konzentrate gezielt und unter ärztlicher Kontrolle zum Einsatz – etwa bei chronischen Schmerzen oder Spastiken. Die Anwendung erfolgt kontrolliert, dokumentiert und begleitet. Dennoch fordern die Studienautor:innen mehr Forschung zur Langzeitsicherheit und zum therapeutischen Nutzen im Vergleich zu anderen Cannabisprodukten.

Ein weiterer kritischer Punkt: Viele Konzentrate enthalten nicht nur THC, sondern auch andere Cannabinoide wie CBD – oft in unklaren oder stark variierenden Verhältnissen. Wie diese Stoffe miteinander interagieren, ist bislang nicht ausreichend erforscht. Gerade im Freizeitkonsum – ohne medizinische Begleitung – kann das zu unvorhersehbaren Wirkungen und Fehldosierungen führen.

Die wissenschaftliche Datenlage ist lückenhaft – aber die bisherigen Hinweise sprechen eine deutliche Sprache: Hochpotente Cannabis-Konzentrate bergen vor allem im unkontrollierten Freizeitgebrauch erhebliche Risiken. Während sie in der ärztlich begleiteten Therapie ihren Platz haben können, braucht es für den Freizeitmarkt dringend strengere Regulierung, gezielte Aufklärung und mehr Forschung.

Darf man Cannabis-Extrakte selbst herstellen?

In Deutschland ist die Herstellung von THC-haltigen Cannabis-Extrakten durch Privatpersonen grundsätzlich verboten. Dies gilt insbesondere für Verfahren, bei denen Cannabinoide mithilfe von Lösungsmitteln wie Butan, Ethanol oder CO₂ extrahiert werden. Solche Extraktionen sind laut Konsumcannabisgesetzes (KCanG) untersagt.

Erlaubt ist jedoch die Herstellung von Konzentraten mittels mechanischer Verfahren, bei denen keine Lösungsmittel verwendet werden. Ein Beispiel hierfür ist die Herstellung von Rosin, bei der durch Hitze und Druck Harze aus der Cannabispflanze gewonnen werden. Solche Verfahren gelten nicht als chemische Extraktion und sind daher für den Eigenbedarf legal, solange sie im Rahmen der erlaubten Besitzmengen bleiben .

Zusammenfassend:

Die neue Ära des Cannabiskonsums

Cannabis-Konzentrate verändern die Art, wie Menschen Cannabis nutzen – medizinisch wie freizeitlich. Sie bringen Vorteile: Klarere Dosierung, schnellere Wirkung, präzisere Anwendung. Doch sie verlangen auch ein neues Maß an Verantwortung.

Wer heute konsumiert, tut dies nicht mehr beiläufig, sondern dosiert, abgewogen, bewusst – oder sollte es zumindest. Die technologische Raffinesse der Konzentrate hat das Bild des „Kiffens“ längst überholt. Übrig bleibt eine Frage: Wie viel Konzentration verträgt der Mensch – medizinisch wie gesellschaftlich?


Ja, Cannabisextrakte sind in Deutschland unter bestimmten Bedingungen legal – primär im Rahmen einer ärztlich begleiteten Therapie. Ärzt:innen dürfen THC-haltige Konzentrate wie Destillate oder Extrakte bei bestimmten Erkrankungen verordnen, sofern andere Behandlungen nicht ausreichen. Für den Freizeitgebrauch bleiben chemisch hergestellte Extrakte (z. B. via Ethanol oder Butan) verboten. Mechanisch gewonnene Konzentrate – etwa Rosin – dürfen im privaten Eigenanbau oder in Anbauvereinigungen hergestellt und konsumiert werden, sofern sie ohne Lösungsmittel entstehen und die gesetzlichen Mengen nicht überschreiten.
THC-Konzentrate gehören zu den stärksten Cannabisprodukten überhaupt: Während herkömmliche Blüten meist einen THC-Gehalt von 10 bis 30 Prozent aufweisen, liegen Konzentrate oft zwischen 50 und 95 Prozent – je nach Herstellungsverfahren. Produkte wie THC-Destillate zählen zu den reinsten Formen und können bei unerfahrenen Konsumierenden schnell zu einer sehr intensiven Wirkung führen. Daher ist beim Umgang mit Konzentraten besondere Vorsicht und eine exakte Dosierung wichtig.
Flüssiges THC – etwa in Form von Destillaten oder Tinkturen – enthält meist deutlich höhere Konzentrationen des Wirkstoffs als herkömmliche Cannabisblüten und kann deshalb bei gleicher Menge eine stärkere Wirkung entfalten. Ob es tatsächlich „wirksamer“ ist, hängt jedoch vom Ziel der Anwendung ab.
Die Kohlendioxid-Extraktion gehört zu den besonders schonenden und zugleich effizienten Extraktionsmethoden zur Gewinnung von Wirkstoffen aus der Cannabispflanze – darunter vor allem THC und CBD. Dabei wird Kohlendioxid (CO₂) unter hohem Druck und in einem sogenannten überkritischen Zustand als Lösungsmittel eingesetzt, um Cannabinoide, Terpene und andere Inhaltsstoffe aus dem Pflanzenmaterial zu extrahieren. Im Gegensatz zu chemischen Lösungsmitteln wie Butan oder Ethanol hinterlässt CO₂ keine Rückstände und gilt deshalb als besonders sauber und sicher. Viele medizinische Cannabisextrakte in Deutschland werden mit diesem Verfahren hergestellt, weil es sowohl eine hohe Reinheit als auch die Möglichkeit bietet, bestimmte Stoffgruppen gezielt zu isolieren.
Die Ethanol-Extraktion ist ein Verfahren zur Herstellung von Cannabis-Konzentraten, bei dem reiner Alkohol verwendet wird, um THC, CBD und andere Wirkstoffe aus der Pflanze zu lösen. Nach dem Einweichen wird das Gemisch gefiltert und das Ethanol verdampft, sodass ein konzentrierter Extrakt zurückbleibt. Die Methode gilt als effizient und wird häufig für medizinische Zwecke eingesetzt, erfordert jedoch sorgfältige Kontrolle von Temperatur und Dauer, um Verunreinigungen zu vermeiden.

Quellen

[1] Drennan, M. L., Karoly, H. C., Bryan, A. D., Hutchison, K. E., & Bidwell, L. C. (2021). Acute objective and subjective intoxication effects of legal-market high potency THC-dominant versus CBD-dominant cannabis concentrates. Psychopharmacology, 239, 553–565.

[2] Hasin, D. S., Borodovsky, J., Shmulewitz, D., Walsh, C., Livne, O., Struble, C. A., Aharonovich, E., Fink, D. S., & Budney, A. (2021). Use of highly-potent cannabis concentrate products: More common in U.S. states with recreational or medical cannabis laws. Drug and Alcohol Dependence, 229(Part B), 109159.

[3] Bidwell, L. C., Martin-Willett, R., & Karoly, H. C. (2021). Advancing the science on cannabis concentrates and behavioural health. Drug and Alcohol Review, 40(6), 900–913.

[4] Christensen, C., Rose, M., Cornett, C., & Allesø, M. (2023). Decoding the postulated entourage effect of medicinal cannabis: What it is and what it isn't. Biomedicines, 11(8), 2323

Entourage-Effekt: Ist Cannabis mehr als die Summe seiner Teile?

Seit der Begriff „Entourage-Effekt“ Ende der 1990er Jahre erstmals wissenschaftlich auftauchte, ranken sich viele Seit der Begriff „Entourage-Effekt“ Ende der 1990er Jahre erstmals wissenschaftlich auftauchte, ranken sich viele Erwartungen um das Konzept. Die Grundidee hinter dem Entourage-Effekt bei Cannabis: die vielen Inhaltsstoffe der Cannabispflanze wirken zusammen besser als allein. Aber was ist dran an dieser Theorie? Und was zeigt die aktuelle Studienlage?

Was genau ist der Entourage-Effekt?

Der Begriff Entourage-Effekt (zu Deutsch: Begleit-Effekt) beschreibt, wie bestimmte, eigentlich inaktive, körpereigene Fettsäuren die Wirkung von aktiven Endocannabinoiden verstärken können.

Später wurde die Idee auf Cannabis übertragen: Terpene, Flavonoide und andere Cannabinoide wie CBG oder CBC könnten die Wirkung von THC und CBD verstärken, modulieren oder besser verträglich machen. (Einige sprechen deshalb auch vom Terpen-Entourage-Effekt.)

Besonders häufig wird er in Zusammenhang mit sogenannten Vollspektrumextrakten genannt – also Cannabisextrakten, die das gesamte Spektrum der Pflanze enthalten. Also nicht nur isolierte Wirkstoffe wie reines CBD, sondern auch Nicht-Cannabinoide.

Eine Hanfpflanze, drei Wege: Isolat, Breitspektrum und Vollspektrum

Cannabis ist nicht gleich Cannabis. Wer therapeutisch mit der Pflanze arbeitet, begegnet schnell drei zentralen Begriffen: Isolat, Breitspektrum und Vollspektrum. Sie stehen für unterschiedliche Herangehensweisen – mit jeweils eigenen Vorzügen und Grenzen.

Isolat

Ein Isolat ist der reinste Extrakt eines einzelnen Cannabinoids – meist CBD oder THC – mit einem Reinheitsgrad von bis zu 99,9 %. Alle anderen Pflanzenstoffe (wie Terpene, Flavonoide oder weitere Cannabinoide) wurden entfernt.

Breitspektrum

Breitspektrum (Broad Spectrum) umfasst mehrere Cannabinoide und Terpene, allerdings ohne THC. Es richtet sich an Menschen, die die Vielfalt der Pflanzenstoffe nutzen möchten, aber auf THC verzichten wollen oder müssen. Der Begriff Breitspektrum wird vor allem im CBD-Markt verwendet – und dort meint er „alle Cannabinoide außer THC“. Es ist also per Definition THC-frei.

Vollspektrum

Ein Vollspektrum-Extrakt enthält alle natürlichen Inhaltsstoffe der Pflanze – also Cannabinoide inklusive THC, Terpene, Flavonoide und andere sekundäre Pflanzenstoffe. Was genau in einem Vollspektrum-Produkt enthalten ist, schwankt – von Charge zu Charge, von Sorte zu Sorte.

Die wichtigsten Wirkstoffe im Überblick: Cannabinoide, Terpene und Flavonoide

Die Cannabispflanze enthält eine Vielzahl bioaktiver Substanzen, doch drei Gruppen stehen im Zentrum der Forschung zum Entourage-Effekt: Cannabinoide, Terpene und Flavonoide. Jede dieser Gruppen erfüllt unterschiedliche Aufgaben – pharmakologisch, aromatisch, strukturell – und ihre kombinierte Wirkung könnte den therapeutischen Nutzen der Pflanze mitbestimmen.

Cannabinoide – die aktiven Hauptbestandteile

Cannabinoide sind natürliche Wirkstoffe aus der Hanfpflanze, die im Körper an bestimmte Rezeptoren binden und so verschiedene Effekte haben können – zum Beispiel auf Schmerz, Stimmung oder Schlaf. Die bekanntesten sind CBD und THC.

THC

THC (Tetrahydrocannabinol) ist wohl das bekannteste Cannabinoid. Es wirkt psychoaktiv – das heißt: Es kann das Bewusstsein beeinflussen, etwa durch ein verändertes Zeitempfinden, eine gesteigerte Wahrnehmung oder Euphorie. Medizinisch wird THC unter anderem bei chronischen Schmerzen eingesetzt.

CBD

CBD (Cannabidiol) hingegen ist nicht berauschend. Es interagiert nur schwach mit den klassischen Cannabinoidrezeptoren, beeinflusst jedoch eine Vielzahl anderer Signalwege im Körper. Studien deuten darauf hin, dass CBD angstlösende, entzündungshemmende, neuroprotektive, antiepileptische und antipsychotische Eigenschaften haben könnte.[1]

Neben CBD und THC rücken zunehmend weitere Cannabinoide in den Blick:

CBG

CBG (Cannabigerol) wird häufig als „Mutter aller Cannabinoide“ bezeichnet. Es ist die Vorläufersubstanz, aus der THC, CBD und andere Cannabinoide während der Reifung der Pflanze enzymatisch entstehen. Obwohl es im Endprodukt meist nur in geringen Mengen vorkommt, weckt es großes wissenschaftliches Interesse: Präklinische Studien deuten auf antibakterielle, entzündungshemmende und neuroprotektive Eigenschaften hin.[2]

CBN

CBN (Cannabinol) entsteht durch die Oxidation von THC – etwa, wenn Cannabis altert oder längere Zeit gelagert wird. Es wirkt nur sehr schwach psychoaktiv, wird aber in der Wissenschaft wegen seiner potenziell sedierenden Eigenschaften als natürlicher Bestandteil von Schlafmitteln diskutiert.[3]

CBC

CBC (Cannabichromen) ist ein weniger erforschtes Cannabinoid, das keine psychoaktive Wirkung zeigt, aber möglicherweise entzündungshemmend und antibakteriell wirken könnte.[4]

CBDV

CBDV (Cannabidivarin) ist eine chemische Variante von CBD und wird vor allem im Zusammenhang mit neurologischen Erkrankungen wie Epilepsie untersucht. Erste Tierstudien zeigen vielversprechende Hinweise auf antikonvulsive Wirkungen, also die Fähigkeit, epileptische Anfälle zu reduzieren.[5]

Schaubild mit dem Titel „Die wichtigsten Cannabinoide und ihre Eigenschaften“. In der Mitte befindet sich ein Kasten mit der Beschriftung Cannabinoide und einem Cannabisblatt-Symbol mit medizinischem Kreuz. Von dort führen gestrichelte Linien zu sechs umrahmten Feldern, die jeweils ein bekanntes Cannabinoid darstellen:	•	THC (psychoaktive Wirkung)	•	CBD (nicht berauschend, vielfältige therapeutische Effekte)	•	CBG (Vorläufer anderer Cannabinoide, antibakteriell, entzündungshemmend)	•	CBN (mild psychoaktiv, möglicherweise schlaffördernd)	•	CBC (nicht psychoaktiv, entzündungshemmend)	•	CBDV (antikonvulsiv, potenziell hilfreich bei Epilepsie)
Jedes Cannabinoid ist mit einem thematisch passenden Icon versehen (z. B. Gehirn, Pflanze, Schlafsymbol etc.).

Terpene – die Duftstoffe mit Potenzial

Sie duften nach Zitrone, Erde, Pinienwald oder Lavendel – und sie könnten weit mehr als nur gut riechen. Terpene, die aromatischen Moleküle der Cannabispflanze, prägen nicht nur deren Geruchs- und Geschmacksprofil. Sie gelten auch als Mitspieler im therapeutischen Orchester der Pflanze – mit pharmakologischen Wirkungen, die derzeit erforscht werden. Viele von ihnen kommen auch in anderen Heilpflanzen vor. Im Zusammenspiel mit Cannabinoiden könnten sie Teil des Entourage-Effekts sein. Hier eine Übersicht über wichtige Terpene.

Myrcen

Myrcen ist das am häufigsten vorkommende Terpen in vielen Cannabis-Sorten. Es verströmt einen erdigen, leicht moschusartigen Duft, der an Nelken oder reife Früchte erinnert. Myrcen wird eine beruhigende, muskelentspannende und schlaffördernde Wirkung zugeschrieben.[6,7] In Studien zeigte es zudem eine mögliche Verstärkung von CBD – was es zu einem interessanten Kandidaten für synergistische Anwendungen macht.[8]

Limonen

Limonen duftet – wie der Name vermuten lässt – nach Zitrusfrüchten. Es kommt auch in Zitronenschalen, Orangen und Minze vor. Studien deuten darauf hin, dass Limonen unter anderem entzündungshemmende, antioxidative, schmerzlindernde, krebshemmende, antidiabetische, schmerzdämpfende, antivirale und magenschützende Effekte zeigen kann.[9]

Linalool

Linalool kennt man vor allem aus Lavendel. Es ist verantwortlich für den typischen floralen Duft. Studien zu Linalool deuten darauf hin, dass der Pflanzenstoff nicht nur beruhigend und angstlösend wirken könnte, sondern auch antidepressive Eigenschaften entfalten kann – möglicherweise durch seine Einflüsse auf das serotonerge System, entzündungshemmende Prozesse.[10]

β-Caryophyllen

β-Caryophyllen duftet würzig und erinnert an schwarzen Pfeffer oder Nelken. Erste Studien legen nahe, dass β-Caryophyllen (BCP) mehr sein könnte als nur ein aromatischer Bestandteil von Cannabis: Es zeigt Potenzial als pflanzlicher Wirkstoff gegen Depressionen und Angststörungen – vor allem, weil es offenbar sowohl das Verhalten als auch entzündungsbedingte Prozesse bei chronischem Stress positiv beeinflussen kann.[11]

Pinene

Pinene sind der Hauptbestandteil vieler Nadelgewächse – der Geruch erinnert an einen Spaziergang durch einen Kiefernwald. Zwei Varianten sind bekannt: α-Pinen und β-Pinen. Studien zeigen, dass α- und β-Pinen über ein breites pharmakologisches Wirkungsspektrum verfügen könnten: Sie könnten entzündungshemmend, schmerzlindernd und tumorhemmend wirken – und könnten darüber hinaus helfen, Antibiotikaresistenzen gezielt zu modulieren.[12]

Flavonoide – unterschätzte Pflanzenstoffe

Flavonoide sind sekundäre Pflanzenstoffe, die in vielen Obst- und Gemüsesorten vorkommen – und auch in Cannabis. Sie sind verantwortlich für Farben, Gerüche und potenzielle gesundheitliche Eigenschaften.

Die sogenannten Cannaflavine A, B und C sind ausschließlich in der Cannabispflanze bekannt. In Untersuchungen konnten sie möglicherweise entzündungshemmende Eigenschaften zeigen – ein Befund, der weiter untersucht wird.[13]

Weitere Flavonoide wie Apigenin, Quercetin, Kaempferol oder Luteolin sind auch aus anderen Pflanzen bekannt. Die Studienlage ist hier aktuell noch sehr dünn.

Schaubild mit dem Titel „Therapeutisches Potenzial von Terpenen und Flavonoiden“. In der Mitte befindet sich ein Symbol aus Cannabisblatt und Erlenmeyerkolben – von dort führen sechs Pfeile sternförmig zu kreisförmig umrahmten Wirkstoffen:	•	Myrcen (blumig-aromatisch, beruhigend)	•	Linalool (Lavendelduft, anxiolytisch)	•	Pinene (kiefernartig, entzündungshemmend)	•	Limonen (zitronig, stimmungsaufhellend)	•	β-Caryophyllen (pfeffrig, wirkt auf CB2-Rezeptoren)	•	Cannaflavine (exklusive Cannabis-Flavonoide, entzündungshemmend)
Jedes Molekül ist mit einem passenden Icon visualisiert – etwa Zitrusfrucht, Blüte oder Medikamentensymbol.

Cannabis-Forschung: Aktuelle Studienlage zum Entourage-Effekt

Das Konzept des Entourage-Effekts erinnert an klassische Phytotherapie. In der Pflanzenheilkunde gilt seit jeher: Nicht der isolierte Wirkstoff allein ist entscheidend, sondern der sogenannte "Gesamtstoffverbund" – das komplexe Zusammenspiel der Inhaltsstoffe einer Pflanze. Auch beim Entourage-Effekt geht es um diesen Verbund. Und um die Hoffnung, eine breitere, verträglichere und steuerbare Wirkung zu erzielen, als es mit isolierten Substanzen möglich wäre.

Diese Hoffnung ist nicht unbegründet. Eine Vielzahl präklinischer Studien spricht für positive Wechselwirkungen zwischen den Wirkstoffen der Cannabispflanze. Doch wie so oft in der Medizin liegt die Herausforderung nicht im Entdecken von Möglichkeiten, sondern im Belegen ihrer Relevanz.

Vielversprechend, aber uneinheitlich

Eine Übersichtsarbeit aus dem Jahr 2023 analysiert die aktuelle Studienlage und kommt zu einem etwas nüchternen Fazit: Zwar gebe es Hinweise auf funktionierende Synergien, insbesondere zwischen Cannabinoiden und Terpenen – etwa bei angstlösender oder entzündungshemmender Wirkung. Doch die vorhandenen Daten seien weder konsistent noch robust. Klinische Studien mit ausreichender Fallzahl und klarer Methodik fehlen, viele Ergebnisse beruhen auf Tiermodellen oder in-vitro-Versuchen.

Die Autor:innen schlagen daher vor, auf den Begriff "Entourage-Effekt" zu verzichten – zu unscharf, zu vage, zu verführerisch. Stattdessen solle man von Synergien oder additiven Effekten sprechen, so wie in der Pharmakologie üblich.[14]

Der Unterschied zwischen Extrakt und Isolat

Wie relevant dieser Perspektivwechsel ist, zeigt eine tierexperimentelle Studie, die 2015 publiziert wurde. Die Forscher:innen verglichen die Wirkung von reinem CBD mit einem CBD-reichen Cannabisextrakt – gewonnen aus einer nicht-psychoaktiven Sorte namens Clone 202. Der Unterschied war frappierend: Während reines CBD nur in einem sehr engen Dosisbereich wirkte (die sogenannte „Glockenkurve“), zeigte das Pflanzenextrakt eine kontinuierlich ansteigende Wirkung. Mehr Dosis bedeutete mehr Effekt – so, wie man es sich von einem verlässlichen Medikament erwartet.

Die Erklärung liegt nahe: Im Pflanzenextrakt wirken vermutlich weitere Substanzen unterstützend – entweder durch direkte pharmakologische Effekte oder durch Verbesserung der Bioverfügbarkeit. Anders gesagt: Die Wirkung von CBD scheint in Kombination mit anderen Pflanzenstoffen ausgeprägter zu sein.[15]

Psychische Erkrankungen: Potenzial ja, aber kein Wundermittel

Besonders vielversprechend ist dieser Effekt bei psychischen Erkrankungen. Eine Studie von 2020 untersucht die Wirkung von CBD und Terpenen auf Angststörungen, Depressionen und bipolare Störungen. Die Ergebnisse aus Tiermodellen deuten darauf hin, dass sowohl Cannabinoide als auch bestimmte Terpene antidepressiv und anxiolytisch wirken können – also stimmungsaufhellend und angstlösend. Linalool, β-Caryophyllen und Limonen etwa scheinen über serotonerge Rezeptoren zu wirken, ähnlich wie gängige Antidepressiva – allerdings über andere, weniger nebenwirkungsreiche Mechanismen.[16]

Doch auch hier mahnen die Autor:innen zur Vorsicht: Die Studienlage sei präklinisch, nicht klinisch. Es fehlen belastbare Humanstudien, die über die Placebowirkung hinaus klare Aussagen erlauben.

Die offene Frage: Was ist belegbar – und was bleibt Spekulation?

Der Entourage-Effekt ist ein Paradebeispiel für ein Phänomen, das klinisch plausibel, pharmakologisch nachvollziehbar und gesellschaftlich hochrelevant ist – und dennoch wissenschaftlich schwer zu greifen bleibt. Die Komplexität der Cannabispflanze, die Vielfalt ihrer Wirkstoffe sowie die stark schwankende Zusammensetzung je nach Sorte, Anbau und Extraktion erschweren eine belastbare Beurteilung. Kaum ein Extrakt gleicht dem anderen.

Zudem ist die aktuelle Datenlage uneinheitlich: Die meisten Studien stammen aus dem Labor oder aus Tierversuchen. Kontrollierte Studien am Menschen fehlen bislang weitgehend. Umso wichtiger ist es, die bestehenden Hinweise nicht vorschnell als Mythos abzutun, sondern mit präziser Forschung weiterzuverfolgen. Gefragt sind reproduzierbare Studiendesigns, klare Begriffe und der Wille, zwischen pharmakologisch relevanten Synergien und bloßen Aromaeffekten zu unterscheiden.

Die Vision ist dabei durchaus greifbar: Eine Medizin, die nicht auf einen isolierten Wirkstoff setzt, sondern auf gezielte Cannabinoid-Terpen-Kombinationen – angepasst an individuelle Symptome. Ein CBD-THC-Profil gegen Angststörungen, ein anderes gegen chronische Schmerzen – personalisierte Pflanzenmedizin ist längst keine ferne Utopie mehr, sondern ein realistisches Ziel. Doch bis dahin bleibt Forschung – und kritische Prüfung – der einzige Weg.

FAQ

Der sogenannte Entourage-Effekt beschreibt die Theorie, dass verschiedene natürliche Bestandteile der Cannabispflanze – etwa Cannabinoide wie THC und CBD sowie aromatische Verbindungen wie Terpene – gemeinsam möglicherweise stärker oder ausgewogener wirken als isoliert. Man kann sich das vorstellen wie ein Orchester. Ein einzelnes Instrument – etwa eine Geige oder ein Klavier – kann schön klingen. Aber erst das Zusammenspiel vieler Instrumente macht daraus ein echtes Klangerlebnis. Ganz ähnlich könnte es bei Cannabis sein: THC oder CBD können allein wirken – aber wenn sie mit anderen Inhaltsstoffen der Pflanze kombiniert werden, verstärken oder ergänzen sie sich gegenseitig. Dadurch könnte die Wirkung umfassender, ausgewogener oder auch verträglicher sein. Wissenschaftlich ist der Entourage-Effekt allerdings noch nicht abschließend bewiesen.
Ein Vollspektrum-CBD-Öl ist ein Hanfextrakt, das nicht nur reines CBD (Cannabidiol), sondern auch weitere natürliche Bestandteile der Cannabispflanze enthält – darunter andere Cannabinoide (wie CBG, CBC oder in kleinsten Mengen auch THC), Terpene und Flavonoide.
„Strongest Entourage“ bezeichnet meist ein Vollspektrum-CBD-Produkt mit besonders vielen Cannabinoiden und Terpenen. Der Begriff taucht häufig im Zusammenhang mit CBD-Gummibärchen oder -Ölen auf, vor allem im US-amerikanischen Markt.

Quellen

[1] Peng, J., Fan, M., An, C., Ni, F., Huang, W., & Luo, J. (2022). A narrative review of molecular mechanism and therapeutic effect of cannabidiol (CBD). Basic & Clinical Pharmacology & Toxicology, 130(4), 439–456. https://doi.org/10.1111/bcpt.13710

[2] Calapai, F., Cardia, L., Esposito, E., Ammendolia, I., Mondello, C., Lo Giudice, R., Gangemi, S., Calapai, G., & Mannucci, C. (2022). Pharmacological aspects and biological effects of cannabigerol and its synthetic derivatives. Evidence-Based Complementary and Alternative Medicine, 2022, 3336516.

[3] Bonn-Miller MO, Feldner MT, Bynion TM, Eglit GML, Brunstetter M, Kalaba M, Zvorsky I, Peters EN, Hennesy M. A double-blind, randomized, placebo-controlled study of the safety and effects of CBN with and without CBD on sleep quality. Exp Clin Psychopharmacol. 2024 Jun;32(3):277-284. doi: 10.1037/pha0000682. Epub 2023 Oct 5. PMID: 37796540.

[4] Sepulveda, D. E., Vrana, K. E., Kellogg, J. J., Bisanz, J. E., Desai, D., Graziane, N. M., & Raup-Konsavage, W. M. (2024). The potential of cannabichromene (CBC) as a therapeutic agent. The Journal of Pharmacology and Experimental Therapeutics, 391(2), 206–213.

[5] Hill, A. J., Mercier, M. S., Hill, T. D., Glyn, S. E., Jones, N. A., Yamasaki, Y., Futamura, T., Duncan, M., Stott, C. G., Stephens, G. J., Williams, C. M., & Whalley, B. J. (2012). Cannabidivarin is anticonvulsant in mouse and rat. British Journal of Pharmacology, 167(8), 1629–1642.

[6] Surendran, S., Qassadi, F., Surendran, G., Lilley, D., & Heinrich, M. (2021). Myrcene—What are the potential health benefits of this flavouring and aroma agent? Frontiers in Nutrition, 8, 699666.

[7] do Vale, T. G., Furtado, E. C., Santos, J. G., Jr., & Viana, G. S. (2002). Central effects of citral, myrcene and limonene, constituents of essential oil chemotypes from Lippia alba (Mill.) N.E. Brown. Phytomedicine, 9(8), 709–714.

[8] Elsevier. (n.d.). Myrcene. ScienceDirect. Retrieved May 13, 2025, from https://www.sciencedirect.com/topics/medicine-and-dentistry/myrcene

[9] Vieira, A. J., Beserra, F. P., Souza, M. C., Totti, B. M., & Rozza, A. L. (2018). Limonene: Aroma of innovation in health and disease. Chemico-Biological Interactions, 283, 97–106.

[10] Dos Santos, É. R. Q., Maia, J. G. S., Fontes-Júnior, E. A., & do Socorro Ferraz Maia, C. (2022). Linalool as a therapeutic and medicinal tool in depression treatment: A review. Current Neuropharmacology, 20(6), 1073–1092.

[11] Ricardi, C., Barachini, S., Consoli, G., Marazziti, D., Polini, B., & Chiellini, G. (2024). Beta-caryophyllene, a cannabinoid receptor type 2 selective agonist, in emotional and cognitive disorders. International Journal of Molecular Sciences, 25(6), 3203.

[12] Park, B. B., An, J. Y., & Park, S. U. (2021). Recent studies on pinene and its biological and pharmacological activities. EXCLI Journal, 20, 812–818.

[13] Rea, K. A., Casaretto, J. A., Al-Abdul-Wahid, M. S., Sukumaran, A., Geddes-McAlister, J., Rothstein, S. J., & Akhtar, T. A. (2019). Biosynthesis of cannflavins A and B from Cannabis sativa L. *Phytochemistry, 164*, 162–171.

[14] Christensen, C., Rose, M., Cornett, C., & Allesø, M. (2023). Decoding the postulated entourage effect of medicinal cannabis: What it is and what it isn't. Biomedicines, 11(8), 2323.

[15] Gallily, R., Yekhtin, Z., & Hanuš, L. O. (2015). Overcoming the bell-shaped dose-response of cannabidiol by using cannabis extract enriched in cannabidiol. Pharmacology & Pharmacy, 6(2), 75–85.

[16] Ferber, S. G., Namdar, D., Hen-Shoval, D., Eger, G., Koltai, H., Shoval, G., Shbiro, L., & Weller, A. (2020). The "entourage effect": Terpenes coupled with cannabinoids for the treatment of mood disorders and anxiety disorders. Current Neuropharmacology, 18(2), 87–96.

Woher kommt Cannabis ursprünglich?

Lange vor Coffeeshops, Legal-Debatten und medizinischen Studien war Cannabis vor allem eins: eine uralte Kulturpflanze mit erstaunlich vielseitiger Verwendung. Ihre Geschichte reicht über 12.000 Jahre zurück – von den Hochebenen Zentralasiens bis in die Werkstätten europäischer Buchdrucker. Heute polarisiert Cannabis wie kaum eine andere Pflanze: Heilmittel oder Droge, Nutzpflanze oder Tabu? Ein Blick in die Vergangenheit zeigt, dass Cannabis mehr ist als ein modernes Reizthema – nämlich Teil einer Jahrtausende alten Kulturgeschichte.

Die Geschichte des Cannabis beginnt nicht in Berlin, nicht in Amsterdam und auch nicht in Kalifornien. Sie beginnt in Asien – genauer gesagt in Zentralasien. Dort wurde Hanf bereits vor mehr als 12.000 Jahren kultiviert, zunächst vermutlich zur Nutzung als Faser- und Nahrungspflanze. Was heute vielerorts als Droge oder Medikament diskutiert wird, war einst ein elementarer Bestandteil frühzeitlicher Agrarkulturen und beeinflusste damit die Menschheitsgeschichte.

Auch in Indien spielte Hanf seit jeher eine Rolle, nicht nur als Nutzpflanze, sondern auch in der traditionellen Heilkunst. Ayurvedische Schriften beschreiben Anwendungen von Cannabis zur Linderung von Schmerzen, zur Beruhigung des Geistes oder zur spirituellen Vertiefung bei Meditation. Und bereits Krieger der vedischen Zeit sollen ihre Wunden mit Hanfblättern behandelt haben – ein pragmatischer Zugang zu einer Pflanze, deren Potenzial offenbar früh erkannt wurde.

Von der Seefahrt bis zur Schreibkunst: Hanf in Europa

Nach Europa kam Hanf über Handelsrouten, vermutlich über Griechenland. Nicht etwa wegen seiner psychoaktiven Eigenschaften, sondern als Rohstoff. Die zähen Fasern der Pflanze eigneten sich ideal zur Herstellung von Segeltuch, Seilen und Kleidung. Später wurde Hanf auch in der Papierherstellung verwendet – so soll sogar die erste Gutenberg-Bibel auf Hanfpapier gedruckt worden sein. Der Rausch war Nebensache. Hanf war vor allem eins: nützlich.

In Deutschland prägte diese Sichtweise über Jahrhunderte das Verhältnis zur Pflanze. Cannabis war Kulturhanf – ein Werkstoff, kein Wagnis. Erst mit dem 20. Jahrhundert wandelte sich die Perspektive, beeinflusst von internationalen Entwicklungen und einem zunehmend repressiven Drogenregime.

Herkunft und Klassifikationen: Cannabis sativa L., Cannabis indica und Cannabis ruderalis

Die Frage "Woher kommt Cannabis ursprünglich?" beschäftigte lange Zeit die Wissenschaft. Standorte wie China, Afghanistan oder gar Amerika standen zur Debatte. Erst jüngere Untersuchungen, etwa die des britischen Forschers John M. McPartland, brachten Klarheit: Mithilfe paläobotanischer und genetischer Analysen konnte sein Team belegen, dass das Ursprungsgebiet von Cannabis Sativa L. mit großer Wahrscheinlichkeit in Zentralasien liegt.[1]

Der Begriff „indischer Hanf“, wie Cannabis früher häufig bezeichnet wurde, ist heute überholt. Stattdessen unterscheidet die moderne Botanik drei Hauptformen:

Ob Cannabis indica tatsächlich eine eigenständige Art ist oder eine Variante von sativa, ist wissenschaftlich bis heute nicht abschließend geklärt. Klar ist jedoch: Die Cannabispflanze ist nicht nur alt, sondern auch komplex – botanisch, kulturell und gesellschaftlich. Und ihre Geschichte ist noch lange nicht zu Ende erzählt.

Die Wurzeln von Cannabis reichen tief – wer die Pflanze heute verstehen will, muss ihre Vergangenheit kennen.“ – **Tim, Cannabis-Sommelier bei Avaay Medical**

Diagramm zu den drei Hauptformen der Cannabispflanze: Cannabis sativa L., Cannabis indica und Cannabis ruderalis – visuelle Darstellung botanischer Klassifikationen.

Die Geschichte von Cannabis in Deutschland

In vielen Ländern nutzte man Cannabis zunächst nur als Kulturpflanze. So auch in Deutschland, wo Kultur-Hanf zur Papierherstellung und für den Buchdruck verwendet wurde. 1455 wurde wahrscheinlich sogar die erste Gutenberg-Bibel auf Papier aus Hanffasern gedruckt. Neben Papier standen auch Textilien hoch im Kurs, denn die zähen Hanffasern eigneten sich besonders gut für Garn und Seil. Das führte dazu, dass der Anbau der vielseitigen Hanfpflanze im 17. Jahrhundert in Deutschland seinen Höhepunkt erreichte.

Doch Anfang des 20. Jahrhunderts erhielt die Beliebtheit der Hanfpflanze für die Landwirtschaft einen starken Dämpfer. Denn der Konsum der Cannabis-Pflanze wurde verboten, was dazu führte, dass auch Landwirte sie nicht mehr anbauen durften. Das Anbau-Verbot als Nutzpflanze hielt bis 1996 an.

Seit den 90er Jahren erlebt Hanf deshalb eine wahre Wiedergeburt in der Landwirtschaft, da immer mehr Bauern die Vorteile der Pflanze entdecken. So zum Beispiel ihr schnelles Wachstum, ihr geringer Wasserbedarf und ihre hohe Resistenz gegen Schädlinge. Zudem braucht sie auch vergleichsweise wenig Platz zum wachsen. All das macht sie besonders für die ökologische Landwirtschaft geeignet.

Übrigens: Cannabis ist lateinisch für Hanf, es gibt also eigentlich keinen Bedeutungsunterschied zwischen den beiden Begriffen. Allerdings werden die Begriffe in Deutschland unterschiedlich benutzt. Hanf wird für die Bezeichnung der Nutzpflanze verwendet, während mit Cannabis alle THC-haltigen, zum Rausch-führenden Produkte gemeint sind.

So kam das Cannabis-Verbot zustande

Aber warum wurde Cannabis in Deutschland eigentlich verboten? Die weltweite Skepsis gegenüber Cannabis hatte wohl ihren Ursprung auf der Internationalen Opiumkonferenz 1912. Die USA waren Teil der Konferenz und hatten sehr viel Einfluss auf die Diskussion dort. In den Vereinigten Staaten fürchteten mächtige Wirtschaftsverbände eine starke Konkurrenz durch die vielfältigen Nutzungsmöglichkeiten der Hanfpflanze und machten öffentlichkeitswirksam den Ruf der Pflanze zu nichte. Dabei bedienten sie sich rassistischer Stereotype und irrationalen, religiösen Ängsten. Durch effektive Propaganda schürten sie die Befürchtung, dass Marihuana friedliche Menschen zu unbarmherzigen Mördern mache.

1913 setzte Kalifornien mit dem Poison Act als erster US-Bundesstaat ein Verbot von Marihuana und weiteren Drogen um. Das beeinflusste auch die Cannabis-Regulierung in anderen Ländern, darunter auch Deutschland, wo Marihuana 1929 verboten wurde. Nachdem in den USA der Mord eines psychisch auffälligen Jugendlichen an seiner Familie fälschlicherweise mit Cannabis-Konsum in Verbindung gebracht wurde, gab es für die gesamten Vereinigten Staaten ein flächendeckendes Verbot von Marihuana.

Rechtliche Lage von Cannabis in Deutschland heute

Seit dem 1. April 2024 gilt in Deutschland ein neues Cannabisgesetz, das den Umgang mit der Pflanze grundlegend neu regelt. Erwachsene ab 18 Jahren dürfen seither bis zu 25 Gramm Cannabis im öffentlichen Raum mit sich führen und bis zu 50 Gramm in den eigenen vier Wänden lagern. Auch der private Anbau ist unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt: Pro Person sind bis zu drei Cannabispflanzen für den Eigenbedarf gestattet.

Der kommerzielle Verkauf bleibt weiterhin untersagt. Doch mit dem 1. Juli 2024 eröffnet sich eine neue Möglichkeit: In sogenannten Anbauvereinigungen können Mitglieder Cannabis gemeinschaftlich anbauen und untereinander weitergeben – unter strengen Auflagen und außerhalb des Marktes.

Für medizinisches Cannabis gelten davon unabhängige Regelungen. Es ist seit April 2024 kein Betäubungsmittel mehr, sondern wird als normales Arzneimittel eingestuft. Das bedeutet: Ärzt:innen können es auf einem regulären Rezept verordnen, Patient:innen erhalten es – wie andere verschreibungspflichtige Medikamente auch – in der Apotheke.

Cannabis-Konsum im Rest Europas

Inzwischen wird Cannabis schon lange auch in Europa mehr oder weniger legal verwendet. Einen richtigen Konsens zur Legalität von Cannabis-Konsum zwischen allen europäischen Ländern gibt es dabei nicht. Jedes Land hat unterschiedliche Gesetze und Regelungen, die mal mehr, mal weniger streng durchgesetzt werden. In den letzten Jahren wird aber vermehrt die Forderung nicht nur in der Bevölkerung, sondern teilweise auch in den regierenden Parteien laut, dass der Konsum von Cannabis legal werden sollte. Hier kannst du dir ein Bild von der Situation in einigen europäischen Ländern machen.


FAQ

Wer war der erste Mensch, der Cannabis konsumiert hat?

Wer genau der erste Mensch war, der Cannabis geraucht hat, lässt sich historisch nicht mit Sicherheit sagen – dafür ist die Geschichte der Pflanze zu alt und die Überlieferung zu vage. Was wir aber wissen: Der Konsum von Cannabis zu rituellen, medizinischen oder berauschenden Zwecken hat eine jahrtausendealte Tradition – und der älteste belegte Inhalationsgebrauch stammt aus dem Hochland Zentralasiens.

Im Jahr 2019 entdeckten Forscher:innen im heutigen Westen Chinas – im Pamir-Gebirge – Hinweise auf die bislang älteste bekannte Verwendung von Cannabis durch Inhalation: In einer rund 2.500 Jahre alten Grabstätte (Jirzankal-Friedhof) fanden sie Holzgefäße mit verbrannten Cannabisresten. Die Analysen zeigten: Die Pflanzen enthielten einen besonders hohen THC-Gehalt, was darauf hindeutet, dass gezielt psychoaktive Sorten verwendet wurden. Vermutlich wurden sie in einem rituellen Kontext verbrannt – eine frühe Form des "Rauchens" im spirituellen Sinne. Dass Cannabis schon deutlich früher kultiviert und auch zur Wirkung genutzt wurde, gilt aber als wahrscheinlich.

Wer hat Cannabis entdeckt?

Wer Cannabis ursprünglich entdeckt hat, lässt sich historisch nicht genau bestimmen – denn die Pflanze begleitet die Menschheit bereits seit Jahrtausenden. Sie wurde nicht entdeckt wie ein neues Element, sondern in vielen Kulturen unabhängig voneinander genutzt, kultiviert und geschätzt – als Heilpflanze, Rohstoff, Ritualpflanze und Genussmittel.

Wo liegt der Ursprung von Cannabis?

Der Ursprung von Cannabis liegt in Zentralasien, insbesondere in Regionen des heutigen Chinas und der Mongolei. Dort wurde die Pflanze bereits vor rund 12.000 Jahren als Nutz- und Heilpflanze kultiviert.

Wo kommen Hanfgewächse in der Natur vor?

Hanfgewächse (Cannabaceae) kommen in der Natur vor allem in den gemäßigten bis tropischen Regionen der Nordhalbkugel vor – besonders in Asien, Europa und Nordamerika. Wildformen der Cannabispflanze wachsen bevorzugt in sonnigen, offenen Landschaften mit nährstoffreichen Böden – zum Beispiel an Flussufern, Waldrändern oder in Steppengebieten Zentralasiens.

Seit wann wird Cannabis als Medizin genutzt?

Cannabis wird seit Jahrtausenden medizinisch verwendet – erste Hinweise stammen aus China und Indien, wo die Pflanze bereits vor rund 5.000 Jahren gegen Schmerzen, Entzündungen und andere Beschwerden eingesetzt wurde. In diesen frühen Anwendungen spielten bereits die in der Pflanze enthaltenen Cannabinoide eine Rolle, auch wenn ihre chemische Struktur damals noch unbekannt war. Heute weiß man: Cannabinoide wie THC und CBD interagieren mit dem körpereigenen Endocannabinoid-System und könnten so therapeutische Effekte entfalten.[2] In Deutschland ist medizinisches Cannabis seit 2017 offiziell als Arzneimittel zugelassen.

Warum war Cannabis illegal?

Im Laufe der Geschichte wurde Hanf als Medizin und Rauschmittel benutzt, bis es 1913 in Kalifornien, USA und daraufhin in weiteren US-Staaten und auch in zahlreichen europäischen Ländern verboten wurde. Das Verbot ging nicht nur Hand in Hand mit der Prohibition, also dem amerikanischen Alkoholverbot, mit dem man glaubte, Korruption und Kriminalität einzudämmen, sondern auch mit den Befürchtungen amerikanischer Wirtschaftsmächte, die die wirtschaftliche Konkurrenz durch Cannabis fürchteten. 1929 wurde Cannabis in Deutschland aus ähnlichen Gründen illegal.

Quellen

[1] McPartland, J. M., Hegman, W., & Long, T. (2019). Cannabis in Asia: Its center of origin and early cultivation, based on a synthesis of subfossil pollen and archaeobotanical studies. Vegetation History and Archaeobotany, 28, 691–702.

[2] Lu, H. C., & Mackie, K. (2021). Review of the endocannabinoid system. Biological Psychiatry: Cognitive Neuroscience and Neuroimaging, 6(6), 607–615.

Cannabis und Arbeit: Neuer Umgang mit einem alten Tabu?

Lange Zeit war Cannabis am Arbeitsplatz ein unsichtbarer Begleiter: präsent in Gesprächen nach Feierabend, aber unsagbar zwischen Kaffeeküche und Konferenzraum. Mit der Teillegalisierung hat sich der Ton verändert. Plötzlich ist Raum für Fragen, die zuvor unausgesprochen blieben: Darf man am Wochenende konsumieren und am Montag dennoch Verantwortung übernehmen? Welche Rechte haben Patient:innen, die Cannabis als Medizin nutzen? Und wie viel Offenheit verträgt die Arbeitswelt wirklich? Für diesen Artikel haben wir mit Menschen gesprochen, die ihre Erfahrungen teilen – und mit der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV), die klärt, wo die Grenzen von Freiheit und Verantwortung verlaufen.


Key Facts


Cannabis am Arbeitsplatz – ein gesellschaftlicher Wandel

Die Legalisierung von Cannabis in Deutschland im Jahr 2024 hat nicht nur den rechtlichen Rahmen verschoben, sondern auch die Gespräche in Kantinen, Werkhallen und Videokonferenzen verändert. Wo früher Schweigen herrschte, ist nun leises Abtasten möglich. Cannabis wird zunehmend wie Alkohol betrachtet – ein Genussmittel, das in der Freizeit konsumiert werden kann, ohne zwangsläufig Rückschlüsse auf die Arbeitsleistung zuzulassen.

Besonders in Branchen wie der Kreativwirtschaft, im Tech-Sektor oder in Start-ups ist die Offenheit spürbar. Hier wird Cannabis bisweilen als Symbol einer liberaleren Arbeitskultur gesehen. „Für mich hat sich seit der Legalisierung vor allem verändert, dass ich Cannabis ganz gezielt im beruflichen Kontext einsetze – insbesondere am Arbeitsplatz“, sagt der DJ und Musikproduzent Michael Groß aka A.D.H.S..[2] „Ich habe mittlerweile meine Lieblingssorten für Studio-Sessions, in denen ich meiner Kreativität freien Lauf lassen kann. Die Arbeitszeiten als DJ an den Wochenenden sind definitiv herausfordernd. Nach den Gigs hilft mir Cannabis dabei, schneller runterzukommen und noch ein paar Stunden Schlaf zu bekommen, bevor es weitergeht. In Bezug auf meine Shows in Deutschland hat sich vor allem geändert, dass ich keine Angst mehr vor Polizeikontrollen auf Festivals oder an Flughäfen und Bahnhöfen haben muss. Eine riesige Erleichterung!“

Sein Erfahrungsbericht steht exemplarisch für eine wachsende Gruppe von Kreativschaffenden, die Cannabis nicht nur tolerieren, sondern aktiv als Ressource begreifen.

Doch in klassischen Industrien, im Handwerk oder im öffentlichen Dienst überwiegt weiterhin die Vorsicht. Ein IT-Systemspezialist und Cannabis-Patient, der anonym bleiben möchte, beschreibt die Lage so:

„Seit der Gesetzesänderung am 1.4.24 ist das Thema zwar präsenter, kann offener besprochen werden und viele Kollegen zeigen Verständnis – aber es gibt auch mehr skeptische Blicke, weil manche direkt an Freizeitkonsum denken. Ich nehme meine Medizin daher bewusst draußen ein – Offenheit ja, aber mit Rücksicht.“

Zwischen individueller Entlastung und kollektiver Skepsis entsteht so ein Spannungsfeld, das den gesellschaftlichen Wandel sichtbar macht: Cannabis ist kein Tabu mehr, aber es ist auch noch kein selbstverständliches Thema in der Arbeitswelt.

Der rechtliche Rahmen: Zwischen Legalität und Fürsorgepflicht

Auch nach der Legalisierung gilt: Wer unter Drogeneinfluss arbeitet und dadurch sich oder andere gefährdet, verstößt laut Aussagen der DGUV gegen fundamentale Regeln. Beschäftigte dürfen sich trotz der Legalisierung nicht in einen Zustand versetzen, durch den sie sich selbst oder andere gefährden können. Dabei ist unerheblich, ob der Cannabis-Konsum während oder vor der Arbeit stattgefunden hat. Ebenso sind Unternehmer verpflichtet, erkennbar beeinträchtigte Mitarbeitende nicht zu gefährlichen Tätigkeiten zuzulassen.

Eine starre Null-Toleranz-Regel für den beruflichen Kontext gibt es jedoch nicht. „Da im Arbeitsschutzrecht nur ein relatives Suchtmittelverbot besteht, begründet der alleinige Konsum während der Arbeitszeit für sich betrachtet noch keine arbeitsrechtliche Pflichtverletzung. Es bedarf vielmehr einer konkreten Störung der Arbeitsleistung.“, erklärt Dr. med. Martina Hamacher, Fachärztin für Innere Medizin und Arbeitsmedizin, Arbeitskreis Sucht der DGUV. Gerade weil die Einschätzung von Gefährdungspotenzial im Einzelfall schwierig sei, empfiehlt sie klare betriebliche Regelungen, die den Cannabiskonsum während der Arbeitszeit und auch in einem gewissen Zeitraum davor untersagen.

Grenzwerte und offene Fragen

Für Baufahrzeuge oder Gabelstapler existieren bislang keine festen THC-Grenzwerte. Im Straßenverkehr hingegen gilt seit 2024 ein Grenzwert von 3,5 Nanogramm THC pro Milliliter Blutserum. Wer darüber liegt, riskiert Bußgeld und Fahrverbot. Fahranfänger:innen und jungen Fahrer:innen unter 21 ist THC am Steuer generell untersagt.

„Für das Führen von Baufahrzeugen oder Gabelstaplern gibt es keine Grenzwerte“, so Hamacher. Die Beurteilung der Fahrtüchtigkeit im betrieblichen Alltag ist und bleibt aber eine Herausforderung. Deshalb hat die Berufsgenossenschaft Handel und Warenlogistik (BGHW) ein Forschungsprojekt angestoßen, das genau diese Fragen untersucht. Erste Ergebnisse werden für Juni 2026 erwartet.[1]

Unser Tipp: Mehr Infos zum Thema Cannabis im Straßenverkehr bekommst du in unserem Artikel “Neuer THC-Grenzwert: Auto fahren nach Cannabis-Konsum?”.

Medizinisches Cannabis bei der Arbeit

Für Patient:innen mit ärztlicher Verordnung gilt eine besondere Situation. Cannabis darf auch während der Arbeit konsumiert werden, wenn es medizinisch notwendig ist. Hamacher betont jedoch: „In Fällen, in denen aus therapeutischer Notwendigkeit nach ärztlicher Verordnung Cannabis eingenommen werden muss, sollte der Versicherte bzw. die Versicherte auch die Fragen seiner bzw. ihrer Einsatzfähigkeit am Arbeitsplatz mit der verordnenden Ärztin oder dem verordnenden Arzt bzw. der Betriebsärztin oder dem Betriebsarzt klären. […] Seitens der Arbeitgebenden muss der Konsum bei therapeutischer Notwendigkeit nach ärztlicher Verordnung während der Arbeit gestattet werden, auch wenn eine Betriebsverordnung oder das Weisungsrecht eigentlich den Konsum verbietet. Arbeitgebende sollten die betreffende Person bitten, eine ärztliche Bescheinigung vorzulegen, die auch bestätigt, dass die auszuführende Tätigkeit ohne Einschränkungen für die Sicherheit bei der Arbeit mit der Cannabis-Medikation durchgeführt werden kann.“

Unfallversicherung: Kein Unterschied zwischen legalen und illegalen Substanzen

Für den Unfallversicherungsschutz spielt die Frage der Legalisierung von bewusstseinsverändernden Substanzen übrigens nur eine nachrangige Rolle. Entscheidend bleibt, ob der Unfall wesentlich durch den Konsum verursacht wurde. „Der Konsum von Cannabis gefährdet den Versicherungsschutz“, fasst Hamacher zusammen. „Ist die Person nicht mehr in der Lage, eine versicherte Tätigkeit auszuüben oder wurde der Unfall rechtlich wesentlich durch den Cannabiskonsum verursacht, besteht kein Versicherungsschutz“

Auf Arbeit Cannabis konsumieren – mehr als ein Büro-Thema

Während in Büroberufen die Diskussion vor allem auf der Ebene der Kultur geführt wird – also wie offen man über Konsum sprechen darf – stellt sich in praktischen Berufen die Sicherheitsfrage schärfer. Auf einer Baustelle, im Straßenverkehr oder in der Pflege können schon kleine Wahrnehmungsverzerrungen fatale Folgen haben. Hier wird die Abgrenzung zwischen legalem Freizeitkonsum und Gefährdung anderer zu einem Kernproblem.

Gleichzeitig spielt medizinisches Cannabis bereits heute für viele Patient:innen eine wichtige Rolle – etwa in der Schmerztherapie. Für sie bedeutet die Akzeptanz am Arbeitsplatz nicht nur mehr Offenheit, sondern auch die Möglichkeit, ihre Arbeit unter faireren Bedingungen fortzuführen.

Zwischen Freiheit und Verantwortung

Die gesellschaftliche Haltung zum Cannabis am Arbeitsplatz bewegt sich damit zwischen zwei Polen: dem Wunsch nach Freiheit und dem Bedürfnis nach Sicherheit. Die Teillegalisierung hat das erste Tabu gebrochen – man kann offener darüber sprechen, ohne sofort Konsequenzen fürchten zu müssen. Doch mit der neuen Offenheit wächst auch die Verantwortung: für die eigene Arbeitsfähigkeit, für die Kolleg:innen, für das Vertrauen in einem Team.

Cannabis und Arbeit: Ein vorsichtiger Ausblick

Die Bundesregierung hat angekündigt, das Cannabisgesetz im Herbst 2025 ergebnisoffen zu evaluieren. Bis dahin bleibt vieles eine Frage der Auslegung, der betrieblichen Praxis und der kulturellen Verschiebung. Klar ist: Das Schweigen ist gebrochen. Der Rest ist Aushandlung – zwischen individueller Freiheit, rechtlicher Klarheit und der gemeinsamen Verantwortung, die Arbeit sicher und verlässlich zu gestalten.

Unser Tipp: Weitere Hintergründe zum gesellschaftlichen Wandel rund um Cannabis findest du in unserem Artikel „Cannabis neu gedacht – was heißt das eigentlich?


FAQ

Nein, während der Arbeitszeit darf nicht gekifft werden – zumindest nicht, wenn Sicherheit oder Leistungsfähigkeit darunter leiden. Ein absolutes Verbot gibt es zwar nicht, doch Beschäftigte dürfen sich laut DGUV nicht in einen Zustand versetzen, in dem sie sich oder andere gefährden. Wer Cannabis auf Rezept einnimmt, darf es auch während der Arbeit nutzen – muss aber mit Ärzt:innen und ggf. dem Betrieb die Einsatzfähigkeit klären.
Ja. Arbeitgebende können den Konsum von Cannabis – ebenso wie Alkohol – im Betrieb untersagen, etwa durch Dienstanweisungen oder Betriebsvereinbarungen. Das Verbot kann auch Pausen, Betriebsgelände und Firmenfahrzeuge umfassen. Besteht ein Betriebsrat, muss er bei solchen Regelungen beteiligt werden.[3]
Nein. Auch die Pause zählt zur Arbeitszeit im weiteren Sinn. Wer berauscht zurückkehrt, verletzt seine Pflichten und gefährdet unter Umständen die Sicherheit. Arbeitgebende dürfen den Konsum während der Arbeitszeit und in Pausen untersagen – und Arbeitnehmende riskieren Sanktionen, wenn sie nicht mehr voll arbeitsfähig sind.[3]
Das gilt als Pflichtverletzung – ähnlich wie Restalkohol am Morgen. Bei sicherheitsrelevanten Tätigkeiten kann schon ein einmaliger Vorfall eine fristlose Kündigung rechtfertigen. Auch in anderen Berufen drohen Abmahnung oder Kündigung, wenn die Leistungsfähigkeit beeinträchtigt ist.[3]
Arbeitgebende haben eine Fürsorgepflicht. Sie müssen eingreifen, wenn jemand erkennbar berauscht arbeitet, insbesondere an Maschinen oder im Straßenverkehr. Unterlassen sie dies und es kommt zu einem Unfall, können strafrechtliche Konsequenzen drohen.[3]
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